Bundespatentgericht, Beschluss vom 05.07.2018, Az. 29 W (pat) 513/16

29. Senat | REWIS RS 2018, 6474

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die international registrierte Marke IR 1 150 475

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] am 5. Juli 2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie der Richterinnen [X.] und Seyfarth

beschlossen:

Auf die Beschwerde der [X.] wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 - [X.] - des [X.] vom 5. März 2015 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Um Schutz in der [X.] wird nachgesucht für die international registrierte Marke [X.] 1 150 475

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Das Dienstleistungsverzeichnis lautet:

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Klasse 35: [X.]; gestion des affaires commerciales; [X.]; services de ventes au détail de grands magasins, supermarchés, kiosques, [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] et d'électroménager, [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], maisons d'ameublements, [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], de librairies et magasins d'agriculture, [X.] et de sylviculture; services d'approvisionnement pour des tiers ([X.]); services pour des commandes [X.]; services de e-commerce, à savoir services en ligne pour la fourniture de contrats d'achat et de vente de marchandises pour le compte de tiers; [X.] des entreprises, notamment par des franchiseurs; conseils en affaires pour des concepts de franchise; franchisages, y compris conseils pour la gestion d'entreprises en rapport avec le système de franchise; mise à disposition de connaissances professionnelles en entreprise (franchising); marketing; relations publiques; promotion de vente; systématisation et compilation de données dans un fichier central; ventes au détail par des réseaux de communication avec l'ordinateur; services de ventes au détail par des réseaux de communication; services d'offres d'achats et de ventes privées par un kiosque pour le compte de tiers;

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(Advertising; business management; business administration; retail sale services in [X.], [X.], [X.], [X.], shops and DIY centers, [X.], [X.], [X.], [X.], hi-fi and home appliance stores, [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], horticultural and [X.]; procurement services for others (purchase of goods and services for other companies); purchase order and invoicing services also in [X.]; e-commerce services, [X.]; advice in connection with company organization and management, [X.]; business consultancy for franchise concepts; [X.], including consulting for company management in connection with franchise [X.]; [X.] (franchising); marketing; public relations; sales promotion; compilation and systematization of information into computer databases; retail sales via communication networks with a computer; retail sales services via communication networks; private purchase and sale offers by a kiosk for others);

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Klasse 36: Assurance, y compris assurance auto, [X.], [X.], [X.]; affaires financières; services financiers, [X.]; services de cartes de crédit et débit, [X.] et débit, [X.], [X.], carte de débit et cartes de paiement téléchargeables;

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([X.], [X.], [X.], [X.], [X.]; financial affairs; financial services, including credit card services; credit and debit card services, [X.], issuing of credit, monetary transaction services in connection with credit cards, downloadable payment cards and debit cards).

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der [X.]-Markeninhaberin, mit der sie sinngemäß beantragt,

den Beschluss des [X.] vom 5. März 2015 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der [X.]-Markeninhaberin ist gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 [X.] zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der [X.]-Marke kann der Schutz nicht nach §§ 119, 124, 113, 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] i. V. m. Art. 5 PMMA, Art. 6 

a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2010, 228 Rn. 33 – [X.]/ [X.] [Vorsprung durch [X.]echnik]; [X.], 608 Rn. 66 f. – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; [X.], 173 Rn. 15 – for you; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] a. a. [X.] – [X.]/ [X.] [Vorsprung durch [X.]echnik]; [X.] a. a. [X.] – [X.]; a. a. [X.] – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] a. a. [X.] – [X.]; a. a. [X.] – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428 Rn. 53 – [X.]; [X.] a. a. [X.] Rn. 10 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 16 – for you; [X.] GRUR 2001, 1151 – marktfrisch; [X.] 2000, 420 – RA[X.]IONAL SOF[X.]WARE CORPORA[X.]ION).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/[X.]; GRUR 2004, 943 Rn. 24 – SA[X.] 2; [X.] WRP 2014, 449 Rn. 11 – grill meister).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] GRUR 2004, 674, Rn. 86 – Postkantoor; [X.] GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy) oder die Zeichen sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.] GRUR 2014, 1204 Rn. 16 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 16 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 23 – [X.]OOOR!).

Ferner kommt die Eignung, Waren oder Dienstleistungen ihrer Herkunft nach zu unterscheiden, solchen Angaben nicht zu, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.] GRUR 2016, 934 Rn. 12 – [X.]; GRUR 2014, 872 Rn. 21 – [X.]; GRUR 2014, 569 Rn. 26 – [X.]; GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy; GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey!; GRUR 2009, 952 Rn. 10 – DeutschlandCard).

aa) Angesprochene Verkehrskreise sind im Bereich der Dienstleistungen der Klasse 36 aus dem [X.] neben dem Fachverkehr auch der Durchschnittsverbraucher, wobei es sich insoweit um Dienstleistungen handelt, die in der Regel mit Bedacht und nach fachkundiger Beratung nachgefragt werden. Die Dienstleistungen aus der Klasse 35 richten sich im Wesentlichen an ein unternehmerisch tätiges Publikum; lediglich in Bezug auf die Handelsdienstleistungen gehört hier auch der Endverbraucher zum angesprochenen Verkehrskreis.

bb) Das verfahrensgegenständliche Zeichen setzt sich zusammen aus der Buchstabenkombination „ok“, einem quadratischen Punkt sowie einem langen Strich.

Der Senat teilt die Auffassung der Markenstelle, dass das angesprochene Publikum ohne weiteres und zwanglos die Buchstabenkombination „ok“ trotz der konkreten Schreibweise als Abkürzung für das Wort „okay“ auffassen wird. Der Begriff „okay“ ist bereits seit langem in die [X.] Umgangssprache in seiner Bedeutung „(alles) in Ordnung, abgemacht, einverstanden, gut“ eingegangen (vgl. [X.] unter www.duden.de). Zwar sind als Abkürzung des Begriffs nur die Angaben „[X.]K.“ und „o.k.“ lexikalisch erfasst, gleichwohl ist im heutigen Sprachgebrauch eine Schreibweise sowohl mit als auch ohne Punkt geläufig (vgl. https://www.n-tv.de/wissen/frageantwort/Okay-O-K-OK-Der-Ursprung-des-Begriffs-OK-war-ein-Witz-article16437316.html).

In der Bedeutung „in Ordnung, gut, einverstanden“ mag das Markenelement „ok“ in Alleinstellung eine anpreisende Werbeaussage darstellen.Die [X.]-Markeninhaberin beanstandet aber zu Recht, dass die Markenstelle für die Prüfung der Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens bezüglich des Aussagegehalts des Zeichens allein auf den Buchstabenbestandteil, mithin auf die Aussage „in Ordnung“ abgestellt hat.

Gegenstand der Prüfung im Eintragungsverfahren ist grundsätzlich das angemeldete Zeichen als Ganzes (vgl. [X.] GRUR 2011, 65 Rn. 10 – [X.] mit Bindestrich). Besteht das angemeldete Zeichen aus mehreren Bestandteilen, darf sich die Prüfung nicht darauf beschränken, ob [X.] hinsichtlich eines oder mehrerer Zeichenbestandteile bestehen. Die Eintragung ist vielmehr nur zu versagen, wenn das angemeldete Zeichen auch in seiner Gesamtheit die Voraussetzungen eines Schutzhindernisses erfüllt. Damit hängt, auch wenn die Unterscheidungskraft einzelner Bestandteile eines Zeichens zunächst getrennt geprüft werden kann, die Unterscheidungskraft des Zeichens als solches in jedem Fall von einer Prüfung der Gesamtheit ab, die diese Merkmale bilden (vgl. [X.] GRUR 2004, 943 Rn. 28 – SA[X.] 1). Eine solche Prüfung ist auch deshalb erforderlich, weil Bestandteile, die für sich betrachtet nicht unterscheidungskräftig sind, in ihrer Kombination unterscheidungskräftig sein können. Für das Schutzhindernis der beschreibenden Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] gilt dies entsprechend(vgl. [X.] GRUR 2004, 674 Rn. 96 – [X.]/[X.] [Postkantoor]).

Die Markenstelle hat die weiteren Bestandteile der [X.]-Marke, nämlich den Fettdruck sowie den quadratischen Punkt und den Querstrich, lediglich als werbeübliche grafische Ausgestaltung erachtet. Diese Betrachtung wird dem Zeichen in seiner Gesamtheit aber nicht gerecht. Denn bei den Elementen „Punkt-Strich“ handelt es sich vorliegend gerade nicht nur um Satzzeichen, die als bloße werbeübliche Hervorhebungsmittel dienen, sondern in ihrer Kombination um Elemente, die sich auf den Sinngehalt des Zeichens auswirken.

Das der Angabe „ok“ nachgestellte Quadrat wird zweifellos als „Punkt“ aufgefasst werden. Im Regelfall steht ein Punkt nach einem syntaktisch vollständigen Aussagesatz, nach [X.] und [X.]. Der Punkt hat in der Werbung die Aufgabe, eigenständige Sinneinheiten statt ganzer Sätze abzugrenzen; er wirkt definitiver und klarer (vgl. hierzu [X.], [X.], Linguistische Medienanalyse, „Auf den Punkt gebracht: Interpunktion in Werbetexten“, 2001). Es handelt sich daher in der Regel um ein werbeübliches Gestaltungsmittel, das der voranstehenden Aussage Nachdruck verleiht, ohne - wie bei einem Ausrufezeichen - zu aufdringlich zu wirken.

Der [X.] (—) ist in der [X.]ypografie ein waagerechter Strich, der ein Geviert lang ist. Er wird verwendet als Spiegelstrich und in [X.]abellen sowie als Gedankenstrich in verschiedenen Sprachen wie dem [X.] und dem [X.]. Andere waagerechte Striche sind das Minuszeichen, der Viertelgeviertstrich, der [X.] und der [X.] sowie das Bindestrich-Minus. Der sehr lange [X.] wird oft als störend empfunden, da seine Verwendung wegen seiner Länge recht große Löcher in einem [X.]ext hinterlässt. Er wird im [X.] kaum verwendet. Als Spiegelstrich dient er dazu, einzelne Elemente einer Aufzählung voneinander zu trennen. Manchmal wird er bei glatten Währungsbeträgen hinter dem Dezimalkomma gesetzt (25,— €), da in den meisten Schriftarten eine Null – bei speziellen Schriften für [X.]abellensatz alle Ziffern – (etwa) ein Halbgeviert breit ist. [X.]ypografisch korrekt wäre hier aber für den [X.] die Verwendung des [X.]es. In [X.]abellen mit Preisangaben ist der [X.] jedoch durchaus erlaubt, um zwei Nullen zu ersetzen, z. B. 7,— € (vgl. hierzu [X.] Online Enzyklopädie, Stichwort: [X.]). Dass es sich bei einem nachgestellten [X.] als solchem um ein werbeübliches Hervorhebungsmittel handelt, kann angesichts fehlender Belege hierzu nicht festgestellt werden (vgl. auch [X.] a. a. [X.] – [X.] mit Bindestrich; [X.], Beschluss vom 9.01.2013, 29 W (pat) 70/03 – „[X.]-„).

Die [X.]-Marke in ihrer maßgeblichen Gesamtheit als „ok Punkt-Strich“ enthält weder irgendeine Sachaussage für die beanspruchten Dienstleistungen im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] noch handelt es sich um ein alltägliches Werbeschlagwort bzw. gebräuchliches Signalwort der Werbung, das stets nur als Werbung und nicht auch als Unterscheidungsmittel verstanden wird.

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Schließlich ist für eine Feststellung, dass der Verkehr die Bezeichnung „ok Punkt-Strich“

2. Wegen der fehlenden Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der hier in Rede stehenden Dienstleistungen kann für die [X.]-Marke auch ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht bejaht werden.

Die Schutzversagung ist nach alledem nicht gerechtfertigt, so dass der angegriffene Beschluss aufzuheben war.

Meta

29 W (pat) 513/16

05.07.2018

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 05.07.2018, Az. 29 W (pat) 513/16 (REWIS RS 2018, 6474)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6474

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