Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.03.2019, Az. V ZR 145/18

5. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 8981

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Gegenstand

Auslegung der Gemeinschaftsordnung von Wohnungseigentümern zur Frage der Kostenumlage bei Reparaturen


Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 28. Mai 2018 aufgehoben und das Urteil des [X.] vom 19. September 2017 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Zu der Anlage gehört eine Tiefgarage, in der sich mehrere Kfz-Einzelstellplätze, [X.] und [X.] befinden. Mit dem Sondereigentum der Klägerin ist das Sondernutzungsrecht an den beiden oben auf einem [X.] gelegenen Kfz-Stellplätzen verbunden. Die Sondernutzungsrechte an den darunter befindlichen zwei Stellplätzen sind einem anderen Sondereigentum zugeordnet.

2

Die in der Teilungserklärung enthaltene Gemeinschaftsordnung (nachfolgend [X.]) enthält u.a. folgende Regelungen:

㤠7 Instandhaltungspflichten

(2) [...]

Die jeweiligen Sondernutzungsberechtigten sind verpflichtet, die dem Sondernutzungsrecht unterliegenden Räumlichkeiten bzw. Flächen auf eigene Kosten zu unterhalten und instandzuhalten.

§ 13 Zahlungsverpflichtung des Wohnungseigentümers

1. Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet, nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen Beiträge zur Deckung der laufenden Bewirtschaftungskosten zu leisten:

Die Bewirtschaftungskosten bestehen aus:

[...]

c) den Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung, soweit diese gemäß § 7 der Teilungserklärung den [X.]n gemeinschaftlich obliegen, einschließlich des Betrages für die Bildung einer angemessenen Instandsetzungsrücklage.

2. Die auf die [X.] entfallenden Anteile an den vorbezeichneten Kosten werden nach den Verhältniswerten der Miteigentumsanteile ermittelt, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. [...]

Die Kosten der Unterhaltung der einzelnen Doppel- bzw. [X.] in der Tiefgarage werden von den jeweiligen Eigentümern eines Doppel- bzw. [X.]s getragen.

Die gesamten Kosten der Tiefgarage sind auf die Sondernutzungsberechtigten zu gleichen Teilen umzulegen“.

3

Im Jahre 2016 wurden u.a. an dem [X.], auf dem sich die Stellplätze der Klägerin befinden, verschiedene Arbeiten ausgeführt. Der Verwalter verteilte die in Rechnung gestellten Kosten in der Jahresabrechnung 2016 jeweils zu einem Viertel auf die jeweiligen Sondernutzungsberechtigten der vier Stellplätze, somit zur Hälfte auf die Klägerin. In der Eigentümerversammlung vom 10. Mai 2017 genehmigten die Eigentümer die Jahresabrechnung.

4

Auf die gegen diesen Beschluss gerichtete Anfechtungsklage der Klägerin hat das Amtsgericht den Beschluss über die Genehmigung der Gesamt- und Einzelabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2016 insoweit für unwirksam erklärt, als sie den Punkt „Reparatur Hebebühnen verteilt nach [X.]“ betrifft. Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, möchten die Beklagten die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe

I.

5

Das Berufungsgericht meint, die Jahresabrechnung für das [X.] verstoße gegen die in der [X.]sordnung vereinbarte Kostentragungspflicht und widerspreche somit ordnungsmäßiger Verwaltung, soweit die Kosten für die Reparatur der Hebebühnen jeweils nach [X.] auf die Sondernutzungsberechtigten der Stellplätze in den [X.] umgelegt worden seien. Die [X.]sordnung enthalte in den §§ 7 und 13 eine von § 16 Abs. 2 WEG abweichende Regelung über die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung der in [X.]seigentum stehenden [X.]. Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 GO habe der jeweilige Sondernutzungsberechtigte eines [X.] allein die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten zu tragen, die für seine jeweilige Aufstellfläche anfallen, d.h. für die jeweiligen Plattformprofile, die kurzen [X.] in der Mitte der Aufstellfläche und das darüber befindliche Blech. Die für alle übrigen Teile entstehenden Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten, also etwa für die Umrandung der Plattformprofile, die [X.] oder den Motor, seien hingegen von den Sondernutzungsberechtigten des jeweiligen [X.] anteilig zu tragen, da sie § 13 Abs. 2 Satz 4 GO unterfielen.

II.

6

Die Revision hat Erfolg. Der Beschluss der Wohnungseigentümer über die Genehmigung der Jahresabrechnung für das [X.] ist hinsichtlich der Umlage der Kosten für die Reparatur der Hebebühnen der Doppel- und Vierfachparker nicht zu beanstanden. Die Umlage dieser Kosten auf die jeweiligen Sondernutzungsberechtigten nach [X.] entspricht der Kostentragungsregelung der [X.]sordnung.

7

1. Die [X.]sordnung ist Bestandteil der Grundbucheintragung, ihre Auslegung unterliegt daher vollen Umfangs der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Maßgebend sind ihr Wortlaut und Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt, weil sie auch die Sonderrechtsnachfolger der Wohnungseigentümer bindet. Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 20. November 2015 - [X.], [X.], 29 Rn. 9; Urteil vom 10. November 2017 - [X.], NJW 2018, 1309 Rn. 14). Dabei müssen Abweichungen von der gesetzlichen Verteilung der Aufgaben, Kompetenzen und Kosten klar und eindeutig aus der [X.]sordnung hervorgehen (vgl. Senat, Urteil vom 23. Juni 2017 - [X.], [X.], 367 Rn. 14; Urteil vom 10. November 2017 - [X.], aaO).

8

2. Nach diesem Maßstab kann dem Berufungsgericht schon nicht in der Auffassung gefolgt werden, auf die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung der [X.] in der Tiefgarage der Anlage seien die Regelungen in § 7 Abs. 2 Satz 2 und § 13 Abs. 2 Satz 4 GO nebeneinander anzuwenden. Es gilt vielmehr allein die Regelung in § 13 Abs. 2 Satz 4 GO; die Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 2 GO betrifft Sondernutzungsrechte an Stellplätzen in [X.] nicht.

9

a) Nach dem Wortsinn der Vorschriften könnten zu den in § 7 Abs. 2 Satz 2 GO genannten, einem Sondernutzungsrecht unterliegenden „Flächen“ auch einzelnen Wohnungseigentümern zugewiesene Sondernutzungsrechte an Stellplätzen in [X.] gehören. Bei der gebotenen nächstliegenden Auslegung spricht die [X.]sordnung in § 7 Abs. 2 Satz 2 aber nur die in § 1 Abs. 4 der Teilungserklärung an einzelne Wohnungseigentümer vergebenen Sondernutzungsrechte an Terrassen und Gartenflächen, nicht jedoch die Stellplätze auf den [X.] an.

aa) Dies ergibt sich aus dem erkennbaren Zweck der Regelung. § 7 Abs. 2 Satz 2 GO bestimmt eine Ausnahme von der gesetzlichen Aufgabenverteilung in § 21 Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 2 WEG, wonach die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums gemeinschaftliche Aufgabe aller Wohnungseigentümer ist. Diese Aufgabe soll für „Räumlichkeiten bzw. Flächen“, an denen Sondernutzungsrechte bestehen, auf die Wohnungseigentümer verlagert werden, deren Sondereigentum Sondernutzungsrechte zugeordnet sind. Diese sollen allein für die Instandhaltung und Instandsetzung verantwortlich sein, d.h. sie sollen sich selbst und allein darum kümmern, dass die zur Instandhaltung und Instandsetzung erforderlichen Maßnahmen veranlasst werden, und - selbstverständlich - auch die Kosten dafür tragen.

bb) Dieses Ziel lässt sich bei [X.] ganz offensichtlich nicht erreichen. Erfasste die Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 2 GO auch die einem Sondernutzungsrecht unterliegenden Stellplätze auf [X.], führte das nämlich zu einer geteilten Verantwortung für die Instandhaltung und Instandsetzung. Für die Instandhaltung und Instandsetzung von Bauteilen des [X.], die sich dem einzelnen Stellplatz zuordnen lassen, wäre der Wohnungseigentümer verantwortlich, dessen Wohnungseigentum das Sondernutzungsrecht an dem Stellplatz zugeordnet ist. Im Übrigen, also etwa für tragende Teile, den Motor usw., bliebe es hingegen bei der Instandhaltungs- und Instandsetzungsverantwortung der [X.]. Schon die Abgrenzung der den einzelnen Stellplätzen zuzuordnenden Bauteile von den übrigen Bauteilen bereitet erhebliche Schwierigkeiten, weil [X.] in sich geschlossene Einheiten bilden, deren Bauteile aufeinander abgestimmt sind und in ihrer Gesamtheit für das bestimmungsgemäße Funktionieren der Anlage benötigt werden. Zudem müssten die einzelnen Sondernutzungsberechtigten für die ihnen zugeordneten Bauteile jeweils gesonderte Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufträge erteilen oder ihre Auftragserteilung jeweils mit der Auftragsvergabe durch die [X.] koordinieren. Dass und aus welchem Grund § 7 Abs. 2 Satz 2 GO statt der augenscheinlich angestrebten Entlastung bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ausgerechnet bei den [X.] in der Tiefgarage mit einer geteilten Instandhaltungs- und Instandsetzungsverantwortung eine besonders komplizierte Regelung vorsehen soll, erschließt sich nicht und entspricht nicht der nächstliegenden Auslegung dieser Vorschrift.

b) Zudem trifft § 13 Abs. 2 Satz 4 GO ersichtlich für die Verteilung der für die Instandhaltung und Instandsetzung des [X.]seigentums anfallenden Kosten eine Sonderregelung hinsichtlich der Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung von [X.]. Diese Sonderregelung ginge als speziellere der allgemeinen Regelung in § 7 Abs. 2 GO, die [X.] nicht ausdrücklich erwähnt - und nach dem zuvor Gesagten nicht erfasst -, ohnehin vor. Auch der Umstand, dass die Kostenregelung für [X.] in § 13 Abs. 2 Satz 4 GO keinerlei Einschränkungen enthält, die bei der Anwendung von § 7 Abs. 2 GO auch auf Sondernutzungsrechte an Stellplätzen in diesen Anlagen aber zu erwarten gewesen wären, spricht dafür, dass die letztgenannte Regelung für [X.] nicht gelten soll. Bei nächstliegender Auslegung ergibt sich daher schon aus der Struktur der [X.]sordnung, dass für [X.] keine von der gesetzlichen Regelung abweichende [X.] und Instandsetzungspflicht, sondern „nur“ eine abweichende Kostenregelung vorgesehen werden sollte.

3. Nach der Regelung in § 13 Abs. 2 Satz 4 GO sind „die“ Kosten der Unterhaltung der einzelnen Doppel- bzw. Vierfachparker in der Tiefgarage von den jeweiligen „Eigentümern“ eines Doppel- bzw. [X.] zu tragen. Mit „Eigentümern“ sind ersichtlich die Wohnungseigentümer gemeint, deren Sondereigentum Sondernutzungsrechte an Stellplätzen in den Doppel- und [X.] zugeordnet ist. Die Regelung differenziert nicht nach Bauteilen. Vielmehr sollen alle Kosten der Unterhaltung von den Wohnungseigentümern getragen werden, denen Sondernutzungsrechte an den Stellplätzen auf den jeweiligen [X.] zugeordnet sind. Das Berufungsgericht geht insoweit zutreffend davon aus, dass der Begriff der Unterhaltung in dieser Regelung als Oberbegriff für die Instandhaltung und Instandsetzung verwendet wird und somit auch die Kosten der Reparatur erfasst, um die es hier geht. Diese Kosten sind folglich in der Jahresabrechnung 2016 zu Recht auf die jeweiligen Sondernutzungsberechtigten an den Stellplätzen in den [X.] nach [X.] umgelegt worden.

III.

Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Klägerin weitere Beschlussmängelgründe nicht geltend gemacht hat und der Rechtsstreit somit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Schmidt-Räntsch     

        

Brückner     

        

Weinland

        

Kazele     

        

[X.]     

        

Meta

V ZR 145/18

22.03.2019

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Koblenz, 28. Mai 2018, Az: 2 S 64/17 WEG

§ 16 Abs 2 WoEigG, § 21 Abs 1 WoEigG, § 21 Abs 5 Nr 2 WoEigG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.03.2019, Az. V ZR 145/18 (REWIS RS 2019, 8981)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 8981

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Auslegung einer Teilungserklärung


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