Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2020, Az. StB 12/20

3. Strafsenat | REWIS RS 2020, 11654

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:280420BSTB12.20.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 12/20

vom
28. April 2020
in dem Strafverfahren
gegen

wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und seiner Verteidiger am 28.
April 2020 gemäß §
304 Abs.
4 Satz
2 Halbsatz
2 Nr.
1 StPO beschlossen:

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den [X.]-beschluss des [X.] vom 24.
März 2020 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte wurde am 1.
Oktober 2018 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 28.
September 2018 festge-nommen und befindet sich seit diesem Tag -
unterbrochen vom 25.
Juli 2019 bis zum 21.
August 2019 zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe
-
in
Untersuchungshaft. Bereits zuvor war er nach vorläufiger Festnahme am 14.
September 2018 aufgrund Haftbefehls des [X.] nach §
127b Abs.
1 StPO, der teilweise die gleiche Sache zum Gegenstand hatte, vom 15.
September 2018 bis zum 20.
September 2018, danach bis zum 21.
September 2018 aufgrund Untersuchungshaftbefehls
des [X.] inhaftiert. Der Senat hat mit Beschluss vom 7.
Mai 2019 (AK
13-14, 1
-
3
-
16-19/19) die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus [X.].
Mit Urteil vom 24.
März 2020 hat das [X.] den Angeklagten wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Landfriedensbruch, zu der [X.] von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Außerdem hat es den Haftbefehl nach Maßgabe des verkündeten Urteils aufrechterhalten und in [X.] belassen.
Der Verteidiger des Angeklagten hat mit Schriftsatz vom 26.
März 2020 Beschwerde gegen die [X.]entscheidung des [X.] ein-gelegt und beantragt, den Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise ihn außer Vollzug zu setzen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass ein Haftgrund nicht vorliege. Insbesondere seien die Haftgründe der Schwerkriminalität (§
112 Abs.
3 StPO) und der Fluchtgefahr nicht (mehr) gegeben. Nach Anrechnung der Untersu-chungshaft betrage der Zeitraum bis zum Zweidrittelzeitpunkt des §
57 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 StGB nur noch circa 13
Monate. Mit einer bedingten Entlassung zu diesem Zeitpunkt könne der Angeklagte, der sich bislang im Vollzug der Unter-suchungshaft disziplinarisch unauffällig gezeigt habe, rechnen. Im Hinblick auf diesen selbst bei Verwerfung der Revision des Angeklagten verbleibenden Strafrest und seine [X.] Bindungen sei eine Fluchtgefahr auch im Sinne des §
112 Abs.
3 StPO ausgeschlossen. Zudem verstoße die Fortdauer der Haft gegen das [X.]. Der Angeklagte habe gegen das Urteil des [X.] Revision eingelegt. Mit einem Abschluss des [X.] sei indes erst bei Erreichen des auf der Grundlage der Verur-teilung durch das [X.] errechneten Zweidrittelzeitpunkts zu rech-nen. Zudem hätten die ohnehin aufgrund nach §
148 Abs.
2, §
148a StPO an-2
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-
4
-
geordneter Maßnahmen verschärften Haftbedingungen durch Regelungen, mit denen der Ausbreitung der [X.] entgegengewirkt werden solle, erhebliche zusätzliche Einschränkungen erfahren. Auch bestehe in der Haft mehr als in Freiheit die Gefahr, an dem genannten [X.] zu erkranken.
Das [X.] hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 31.
März 2020 nicht abgeholfen.
II.
Das gemäß §
304 Abs.
4 Satz
2 Halbsatz
2 Nr.
1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel erweist sich als unbegründet.
1.
Der Angeklagte ist der ihm mit dem Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vom 28.
September 2018, der mit dem angefochtenen [X.] aufrechterhalten worden ist, vorgeworfenen Straftaten weiterhin dringend verdächtig (§
112 Abs.
1 Satz
1 StPO). Das [X.] hat ihn wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen [X.] in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Landfriedens-bruch, schuldig gesprochen, also die Überzeugung seiner Täterschaft gewon-nen. Durch ein verurteilendes Erkenntnis wird der dringende Tatverdacht -
in aller Regel
-
hinreichend belegt, ohne dass dies bei der Entscheidung nach §
268b StPO gesonderter Prüfung und
Begründung bedarf. Hinzu kommt hier, dass die Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung des [X.], die zur Verurteilung des Angeklagten geführt hat, auf die eingelegte Revision allein noch der Überprüfung auf Rechtsfehler unterliegt. Diesen [X.] hat der Senat bei der Bewertung des Tatverdachts gegen den Angeklag-ten zu berücksichtigen. Er könnte daher von der Beurteilung des Oberlandesge-4
5
6
-
5
-
richts nur dann abweichen, wenn bereits jetzt erkennbar wäre, dass dessen Beweiswürdigung revisionsrechtlicher Prüfung nicht standhalten kann. Dies ist nicht der Fall. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen zwar noch nicht vor. Das [X.] hat indes die Grundzüge seiner Überzeugungsbildung im Beschluss vom 31.
März 2020 dargelegt. Die Beschlussgründe ergeben nicht, dass seine Beweiswürdigung zwingend oder mit großer Wahrscheinlichkeit durch Rechtsfehler beeinflusst ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28.
Oktober 2005 -
StB
15/05, [X.], 297 Rn.
1; vom 30.
Mai 2018 -
StB
12/18, NStZ-RR 2018, 255).
2.
Es besteht weiterhin jedenfalls der Haftgrund der Schwerkriminalität (§
112 Abs.
3 StPO).
Der Angeklagte hat mit einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe zu rech-nen, die einen Fluchtanreiz als nicht fernliegend erscheinen lässt. Selbst wenn es zu einer Aussetzung der vom [X.] verhängten, noch nicht rechtskräftigen Gesamtfreiheitsstrafe zum Zweidrittel-Zeitpunkt kommen sollte, hätte der Angeklagte noch eine mehr als einjährige Freiheitsentziehung zu er-warten. Zudem liegt eine bedingte Entlassung des Angeklagten nach [X.] von zwei Dritteln der Gesamtfreiheitsstrafe nicht ohne weiteres auf der Hand. Dass er sich bislang möglicherweise [X.] in der Haft ge-führt hat, stellt nur ein Indiz für die nach §
57 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 StGB zu er-stellende Legalprognose dar, in die ebenso die zahlreichen Vorverurteilungen des Angeklagten zu teilweise verbüßten Freiheitsstrafen, unter anderem wegen Körperverletzungsdelikten, und mögliche Feststellungen zu seiner Verstrickung in die rechtsradikale Szene einzustellen sein werden. Auch die [X.] Einbin-dung des Angeklagten, die einer erneuten Straffälligkeit entgegenstehen könn-te, kann nach dem jetzigen Kenntnisstand eine positive Prognose nicht offen-7
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-
6
-
sichtlich begründen. Der Angeklagte ist geschieden und hat zu seinem [X.] aus dieser Ehe keinen Kontakt mehr. Zwar hat er inzwischen eine neue
Lebensgefährtin. Doch hat diese Beziehung ebenso wie die berufliche Einbin-dung ihn in der Vergangenheit nicht von den Taten, derer er nach wie vor drin-gend verdächtig ist, abgehalten. Somit ist eine bedingte Entlassung des Ange-klagten nach jetzigem Kenntnisstand zumindest offen.
Der Zweck der Untersuchungshaft kann weiterhin nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§
116 Abs.
1 StPO).
3.
Die Fortdauer der Untersuchungshaft steht der Schwere der -
wenn auch bisher nicht rechtskräftig
-
abgeurteilten Taten und der zu erwartenden Strafe derzeit auch nicht außer Verhältnis (§
120 Abs.
1 Satz
1 StPO). Soweit der Angeklagte die Unverhältnismäßigkeit der [X.] daraus ableitet, dass bei Abschluss des Revisionsverfahrens der Zweidrittelzeitpunkt bereits erreicht sein dürfte, ist -
ungeachtet dessen, dass sich die Dauer des Rechts-mittelverfahrens zum jetzigen Zeitpunkt kaum prognostizieren lässt
-
auf die Erwägungen unter II.2. zu verweisen.
Ebenso vermögen die besonderen Beschränkungen, denen der Ange-klagte in der Haft unterliegt, die Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft nicht zu begründen. Die auf der Grundlage der §
148 Abs.
2, §
148a StPO [X.]en Beschränkungen sind den Straftaten, die der Angeklagte begangen haben soll, geschuldet. Etwas anderes folgt auch nicht aus zusätzlichen [X.] im [X.] durch Maßnahmen der Vollzugsanstalt, mit denen der Ansteckung mit dem Covid-19-[X.] und dessen Verbreitung innerhalb der Haftanstalt entgegengewirkt werden soll. Zwar betreffen den Angeklagten -
wie 9
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-
7
-
den Großteil der Bevölkerung
-
Maßnahmen gegen die Ausbreitung der [X.], die ihn in seiner Bewegungs-
und Handlungsfreiheit, die in der Haft ohnehin beschränkt sind, weiter einschränken. Doch sind diese Maßnah-men, soweit sie als solche keiner rechtlichen Beanstandung unterliegen, hinzu-nehmen. Zur Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft
führt die damit mög-licherweise verbundene gesteigerte Haftempfindlichkeit nicht. Dies gilt schließ-lich auch hinsichtlich der behaupteten, bislang indes nicht belegten gesteigerten Gefahr einer Ansteckung in der Haft.
Schäfer
Spaniol
Wimmer

Meta

StB 12/20

28.04.2020

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2020, Az. StB 12/20 (REWIS RS 2020, 11654)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11654

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