Bundessozialgericht, Beschluss vom 15.09.2014, Az. B 14 AS 98/14 B

14. Senat | REWIS RS 2014, 2995

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Revisionszulassung - Verfahrensfehler - andere Besetzung der Richterbank - Entscheidung auf der Grundlage der Ergebnisse einer früheren mündlichen Verhandlung - widersprüchliche Zeugenaussage


Tenor

Dem Kläger wird wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 20. März 2013 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil des [X.] ([X.]) ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <[X.]>). Zwar war dem Kläger wegen der versäumten Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, die zum Verwerfungsbeschluss des Senats vom 17.3.2014 geführt hatte ([X.] [X.]/14 B), Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, doch ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig, weil der Kläger zur Begründung seiner Beschwerde keinen der in § 160 Abs 2 [X.] abschließend aufgeführten Zulassungsgründe iS des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] schlüssig dargelegt oder bezeichnet hat.

2

Nach § 160 Abs 2 [X.] ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat ([X.]), das Urteil des [X.] von einer Entscheidung des [X.]sozialgerichts ([X.]), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht ([X.]) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann ([X.] 3).

3

Die Beschwerdebegründung rügt in erster Linie Verfahrensmängel. Doch sind ihr keine Verfahrensmängel zu entnehmen, auf denen iS des § 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 1 [X.] die angefochtene Entscheidung des [X.] beruhen kann.

4

Soweit eine Verletzung des § 129 [X.] gerügt wird, weil in der mündlichen Verhandlung des [X.] am [X.], auf die das angefochtene Urteil erging, zum Teil andere [X.] mitgewirkt haben als in der mündlichen Verhandlung am 14.11.2012, in der eine Beweisaufnahme stattfand und der Rechtsstreit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung vertagt worden war, kommt nach der Beschwerdebegründung ein Verfahrensmangel nicht in Betracht. Zwar stützt sich nach dieser das angefochtene Urteil auch auf die Ergebnisse der Beweisaufnahme vom 14.11.2012 und habe sich in dieser "nach persönlicher Einschätzung der [X.]" ein Zeuge in seiner Aussage mehrfach widersprochen. In der insoweit in der Beschwerdebegründung in Bezug genommenen Begründung des Urteils vom [X.] ist indes nicht von einem persönlichen Eindruck die Rede, den andere [X.] in einer früheren Verhandlung gewonnen hätten, sondern davon, dass der Zeuge sich auch auf Nachfrage des Senats in seiner Aussage mehrfach widersprochen habe und keine genauen, nachvollziehbaren Angaben habe machen können; das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2012 ist im Urteil vom [X.] in Bezug genommen. Damit kommt nach der Beschwerdebegründung ein Verfahrensmangel deshalb nicht in Betracht, weil [X.] grundsätzlich die Ergebnisse einer früheren mündlichen Verhandlung den neuen [X.]n vermitteln können; nur wenn das Gericht seine Entscheidung auf den persönlichen Eindruck von einem Zeugen stützt, müssen sich grundsätzlich alle die Entscheidung treffenden [X.] einen persönlichen Eindruck verschafft haben. Der persönliche Eindruck des [X.] von dem Zeugen wird indes im angefochtenen Urteil weder direkt noch mittelbar erwähnt und bewertet. Stützt sich das teilweise anders besetzte Gericht aber nicht auf die Glaubwürdigkeit einer Person, sondern auf objektive Kriterien - wie hier nach der Beschwerdebegründung auf die Widersprüchlichkeit von Aussagen und die Ungenauigkeit oder Nichtnachvollziehbarkeit von Angaben -, vermag dies allein das Vorliegen eines [X.] nicht zu begründen (vgl [X.] vom 24.2.2004 - B 2 U 316/03 B - [X.] 4-1500 § 117 [X.] Rd[X.] 7; [X.] vom [X.] U 2/04 B - Juris Rd[X.] 9-10; [X.] in [X.]/[X.]/ [X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 129 Rd[X.]c).

5

Soweit mit der Beschwerdebegründung eine unterbliebene notwendige Beiladung des Trägers der Sozialhilfe nach § 75 Abs 2 Alt 2 [X.] gerügt wird, ist ein Verfahrensmangel deshalb nicht schlüssig bezeichnet, weil sich bereits aus der Begründung ergibt, dass für den vom Kläger insbesondere verfolgten Anspruch auf Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung statt des Beklagten nicht der Träger der Sozialhilfe als leistungspflichtig in Betracht kam. Vielmehr geht die Beschwerdebegründung davon aus, dass bei Ablehnung der Übernahme von Kosten der Unterkunft durch den Beklagten der Kläger keine Miete an seinen Vermieter zahlen könne, dieser deshalb insoweit keine Einnahmen erziele und der Anspruch der Frau des Vermieters auf Leistungen gegen den Träger der Sozialhilfe hierdurch höher ausfalle, weil geringeres Einkommen im Rahmen der Einsatzgemeinschaft mit [X.] anzurechnen sei. Ein derart vermittelter Zusammenhang mit dem Klagebegehren genügt von vornherein nicht den Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung, die der umfassenden Klärung des Klagebegehrens selbst dient (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 75 Rd[X.]2a).

6

Auch soweit schließlich als Verfahrensmangel ein Gehörsverstoß gerügt wird, weil dem Kläger entgegen § 62 [X.] in der mündlichen Verhandlung am [X.] kein Rederecht gewährt worden und die vom Kläger in der Verhandlung vorgelegte weitere Berufungsbegründung vom [X.] nicht gewürdigt worden sei, genügt die Beschwerdebegründung den [X.] nicht. Denn ausweislich der insoweit mit der Beschwerdebegründung in Bezug genommenen Niederschrift zur öffentlichen Sitzung am [X.], zu der der Kläger persönlich und sein Bevollmächtigter erschienen waren, haben die Beteiligten das Wort erhalten und sind Erklärungen des [X.] sowie Fragen des [X.] an den Zeugen protokolliert. Da mit der Beschwerdebegründung nicht vorgetragen worden ist, dass wegen dieser Feststellungen der Niederschrift deren Berichtigung beantragt worden war, ist der gerügte Verfahrensmangel einer Nichtgewährung von Rederecht nicht schlüssig bezeichnet. Dies gilt in gleicher Weise für die Rüge, das [X.] habe die weitere Berufungsbegründung nicht gewürdigt. Denn ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör liegt nicht schon dann vor, wenn das Gericht rechtliche Ausführungen unerwähnt lässt, die nach seinem Rechtsstandpunkt unerheblich sind. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Vortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (vgl [X.] 96, 205, 216 f). Erforderlich ist vielmehr ein übergangenes Vorbringen des Beteiligten hinsichtlich eines nach der Rechtsansicht des erkennenden Gerichts entscheidungserheblichen Grundes in der angefochtenen Entscheidung (vgl [X.] [X.] 4-1500 § 178a [X.] Rd[X.] 8; [X.] [X.] 4-1500 § 178a [X.] 5 Rd[X.] 7; [X.] [X.] 4-1500 § 178a [X.] 6 Rd[X.] 4 f). Allerdings muss sich im Einzelfall aus besonderen Umständen deutlich ergeben, dass ein für den Prozessausgang wesentliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist ([X.] 65, 293, 295 f; 70, 288, 293). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wird in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt.

7

Soweit zudem eine Abweichung (Divergenz) von einer Entscheidung des [X.] geltend gemacht wird (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]), ist auch dies nicht hinreichend dargetan. Für die Bezeichnung einer Abweichung ist aufzuzeigen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des [X.] von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des [X.] abweicht (vgl [X.] [X.] 1500 § 160a [X.]1, 29 und 54). Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das [X.] aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das [X.] diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen (vgl [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX. [X.], Rd[X.]96 mwN; [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.] 34). Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht, weil in ihr schon keine entscheidungserhebliche rechtliche Aussage des [X.] in der angefochtenen Entscheidung genau bezeichnet wird. Aus dem in der Beschwerdebegründung mitgeteilten Umstand, dass das [X.] zu der Überzeugung kam, der Kläger sei keiner ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt gewesen, ergibt sich keine Abweichung von der in der Beschwerdebegründung genannten Entscheidung des [X.]. [X.] widersprechende rechtliche Aussagen des [X.] und des [X.] werden nicht gegenübergestellt, sondern es wird letztlich gerügt, dass das [X.] nicht zu einer anderen tatsächlichen Würdigung kam.

8

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 [X.] ohne Zuziehung der ehrenamtlichen [X.].

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.].

Meta

B 14 AS 98/14 B

15.09.2014

Bundessozialgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG München, 18. Mai 2011, Az: S 22 AS 3319/10, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 129 SGG, § 117 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 15.09.2014, Az. B 14 AS 98/14 B (REWIS RS 2014, 2995)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2995

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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