Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2006, Az. 4 ARs 3/06

4. Strafsenat | REWIS RS 2006, 3758

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[X.] vom 3. Mai 2006 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung hier: Anfrage des 1. Strafsenats vom 12. Januar 2006 Œ 1 [X.] - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat am 3. Mai 2006 gemäß § 132 Abs. 3 [X.] beschlossen: Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, die der vom 1. Strafsenat beabsichtigten Entscheidung entgegensteht. Danach darf eine Protokollberichtigung, durch die einer zulässigen Verfahrensrüge zum Nachteil des Beschwerdeführers die Tatsa-chengrundlage entzogen würde, bei der Revisionsentscheidung nicht berücksichtigt werden. Gründe: [X.] Der 1. Strafsenat (Beschluss vom 12. Januar 2006 - 1 [X.] = [X.], 162 = NStZ-RR 2006, 112) beabsichtigt zu entscheiden: 1 "Die Beweiskraft des Protokolls im Sinne von § 274 StPO ist für das [X.] auch dann beachtlich, wenn aufgrund einer Protokollbe-richtigung hinsichtlich einer vom Angeklagten zulässig erhobenen Ver-fahrensrüge zu Ungunsten des Angeklagten die maßgebliche Tatsa-chengrundlage entfällt." Er hat daher bei den anderen Strafsenaten des [X.] an-gefragt, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird. 2 Der 1. Strafsenat möchte mit seiner Anfrage die ständige [X.] aller Strafsenate des [X.] aufgeben, nach der eine Pro-tokollberichtigung, durch die einer zulässig erhobenen Verfahrensrüge der [X.] - 3 - den entzogen würde, bei der Revisionsentscheidung nicht berücksichtigt wer-den darf. 1. Nach dem in dem [X.] mitgeteilten Sachverhalt wurde der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Er schlug während eines Streits in einem Oktoberfestzelt einem Gast mit einem Bierkrug zweimal auf den [X.] und einmal in den [X.], wodurch der Geschädigte erheblich verletzt wurde. Die vom Angeklagten erhobene Sachrüge hält der 1. Strafsenat für unbegründet. 4 Zu der am 5. Juli 2005 beim [X.] eingegangenen allein erhobe-nen Verfahrensbeanstandung des Angeklagten - der [X.] sei nicht ver-lesen worden [Verstoß gegen § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO] - teilt der anfragende Senat mit, dass die Sitzungsniederschrift "zunächst" keinen Hinweis auf die Verlesung des [X.]es enthalten habe. Unter dem 18. August 2005 hät-ten der Strafkammervorsitzende und die Urkundsbeamtin die [X.] hinsichtlich des ersten Verhandlungstages dahin ergänzt, dass nach den Worten: "Der Vorsitzende stellte weiter fest, dass die Staatsanwaltschaft [X.] gegen den Angeklagten am [X.] Anklage zum Schwurgericht des [X.] erhoben hat, die mit Eröffnungsbeschluss der Kammer vom [X.] unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen wurde", der Satz ange-fügt wurde: "Der Vertreter der Staatsanwaltschaft verlas den [X.]". In der Revisionsgegenerklärung habe die Staatsanwaltschaft dienstliche Äußerun-gen von Verfahrensbeteiligten vorgelegt, nach denen der [X.] "in Wirk-lichkeit" verlesen worden sei. Der [X.], der die Revision nicht selbst begründet habe, habe sich an die Verlesung der Anklage nicht konkret erinnern können. 5 - 4 - Der 1. Strafsenat hält die Verfahrensrüge - auf der Grundlage der bishe-rigen Rechtsprechung des [X.] - für begründet. Er ist jedoch der Ansicht, dass - entgegen der bisherigen Rechtsprechung - die formelle [X.] des Protokolls auch hinsichtlich eines berichtigten Protokolls uneinge-schränkt gelte, also auch dann, wenn einer zuvor vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrüge der Boden entzogen werde. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung hält er das Rechtsmittel des Angeklagten insgesamt für un-begründet. 6 2. Der beabsichtigten Entscheidung des anfragenden Senats steht die ständige Rechtsprechung des 4. Strafsenats entgegen (vgl. nur [X.]St 12, 270, 271 ff.; [X.], 219; [X.], Urteil vom 21. Dezember 1966 - 4 StR 404/66). Allerdings gibt es insoweit nur wenige begründete Senatsentscheidun-gen, weil die Rechtsprechung des Senats zur nachträglichen [X.] bekannt ist und daher Berichtigungen, die einer zulässig erhobenen Ver-fahrensrüge den Boden entziehen würden, regelmäßig nicht vorgenommen werden. 7 I[X.] Der Senat hat bereits Bedenken, ob die aufgeworfene Rechtsfrage für die Entscheidung des anfragenden Senats erheblich, somit das Anfrageverfah-ren nach § 132 Abs. 3 [X.] überhaupt zulässig ist (vgl. [X.]St 46, 321, 325): 8 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] beruht das Urteil bei einem einfach gelagerten Sachverhalt nicht auf der unterbliebe-nen Verlesung des [X.]es (vgl. nur [X.] NStZ 1982, 431, 432; 518; 1984, 521; 1986, 39, 40; 374; 1991, 28; 1995, 200, 201; 2000, 214). Dass ein solcher Fall hier gegeben sein kann, liegt auf der Hand (zu einer fast identi-schen Fallgestaltung wie hier vgl. [X.] [1. Strafsenat] NJW 1982, 1057). [X.] - 5 - nach wäre die Verfahrensrüge unbegründet, ohne dass es auf die zur Beant-wortung gestellte Frage ankäme. Damit befasst sich der [X.] nicht. 2. Zwar ist in der Anfrage ausgeführt, dass eine Ergänzung des Proto-kolls im Freibeweisverfahren nicht in Betracht komme, weil die erste (unberich-tigte) Sitzungsniederschrift "eindeutig" sei. Nachdem ausweislich des (unberich-tigten) Protokolls ausdrücklich vom Vorsitzenden festgestellt worden war, dass Anklage erhoben wurde, drängt sich auf, dass der [X.] auch verlesen wurde. Dass dies bei der Verhandlung vor einem Schwurgericht nicht erfolgt sein soll, liegt so fern, dass es als ausgeschlossen angesehen werden kann (vgl. [X.]/[X.] [X.], 166, 169). Deshalb erscheint die (unberichtigte) Niederschrift offensichtlich lückenhaft und die Möglichkeit ihrer Ergänzung im Wege des [X.] äußerst nahe liegend. 10 3. Aus dem mitgeteilten Sachverhalt erschließt sich nicht, ob das Urteil nach der Protokollberichtigung nochmals zugestellt wurde (§ 273 Abs. 4 StPO). Dies erscheint erforderlich, weil durch die vorgenommene Berichtigung der er-hobenen Verfahrensrüge die Tatsachengrundlage entzogen worden war, das Protokoll nunmehr erst (endgültig) "fertig gestellt" wurde und dem Revisionsfüh-rer - der möglicherweise der Ansicht war, seine einzig erhobene Verfahrensrüge werde sicher erfolgreich sein - die Gelegenheit gegeben werden muss, ggf. an-dere (Verfahrens-)[X.] zu erheben (vgl. hierzu [X.] NStZ 1984, 89; Gollwit-zer in Löwe/[X.], [X.]. § 271 Rdn. 40; § 273 Rdn. 55 ff.). War das Urteil nicht erneut zugestellt worden, so ist die angesprochene Rechtsfrage (noch) nicht entscheidungserheblich. 11 - 6 - II[X.] In der Sache selbst teilt der Senat nicht die Auffassung des anfragenden 1. Strafsenats. 12 1. Bisher war in der Rechtsprechung des [X.] - seit [X.]St 2, 125 - als Verfahrensgrundsatz im strafprozessualen Revisionsrecht anerkannt, dass einer zulässig erhobenen Verfahrensrüge durch eine nachträg-liche Protokollberichtigung die Grundlage nicht entzogen werden darf. 13 Hierfür sprechen im Wesentlichen folgende Gründe: 14 a) Die Regelungen der Strafprozessordnung über den Ablauf eines rechtstaatlichen, fairen Verfahrens sind streng formal. § 274 StPO, der vor-schreibt, dass die Beachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen werden kann, beinhaltet als Grundlage für das Revisionsverfahren eine Beweisregel, die der formalen Zweckmäßigkeit Vorrang vor der absoluten Wahrheit einräumt. Das hat der Ge-setzgeber bewusst so gewollt (vgl. [X.]St 2, 125, 128). Die Beweiskraft des ordnungsgemäß erstellten Protokolls zu den Förmlichkeiten der Hauptverhand-lung kann nur durch den Nachweis der Fälschung erschüttert werden (§ 274 Satz 2 StPO). 15 b) Mit dem Eingang seiner Revisionsrechtfertigungsschrift erhält der [X.] das prozessuale Recht auf den in dem ordnungsgemäß erstell-ten Protokoll niedergelegten unveränderlichen Bestand der Grundlagen seiner [X.] für die Revisionsinstanz. 16 c) Die verlässliche und zweifelsfreie Rekonstruktion einer möglicherweise lange Zeit zurückliegenden Hauptverhandlung ist im Nachhinein kaum möglich, sodass die Gefahr fehlerhafter Berichtigungen besteht. Die Berichtigung nach 17 - 7 - erfolgter Verfahrensrüge hat schon deswegen einen geringeren Beweiswert als das ursprüngliche - zeitnah zur Hauptverhandlung - erstellte Protokoll, weil sich beide [X.] (der Vorsitzende und der [X.]) bei [X.] "ersten" Protokolls schon einmal - übereinstimmend - geirrt haben müssten. Nach der gesetzlichen Regelung in § 274 StPO soll zudem schon dem Anschein von Manipulationen der Boden entzogen werden. d) Die Verlässlichkeit des Protokolls würde erheblich darunter leiden, wenn den [X.] die Möglichkeit eingeräumt würde, revisionsbe-gründende Fehler im Protokoll durch spätere Berichtigungen wieder beheben zu können. 18 2. [X.], nahezu unbestrittenen und nunmehr in Frage gestellten Verfahrensgrundsatz vermögen insgesamt nicht zu überzeugen: 19 a) 1. Argument: Da auch die Revisionsgerichte der Wahrheit verpflichtet seien und das Gebot der Beschleunigung des Verfahrens Verfahrensverzöge-rungen verhindern müsse, sei es nicht mehr akzeptabel, Urteile aufgrund eines fiktiven Sachverhalts wegen eines Verfahrensfehlers aufzuheben, der nach dem Inhalt des - berichtigten - Protokolls tatsächlich nicht vorliege. 20 Das Argument ist zirkulär; denn es gilt zunächst zu fragen, was denn die Wahrheit ist: der Verfahrensgang wie im Ursprungsprotokoll festgehalten oder der in der Berichtigung niedergelegte Gang der Hauptverhandlung. Nach § 274 StPO gilt die formelle Wahrheit des einmal ordnungsgemäß erstellten Proto-kolls; ein Gegenbeweis - etwa "aus der Erinnerung" von Verfahrensbeteiligten - ist nicht zulässig. § 274 StPO ist Teil des strafprozessualen Revisionsrechts, dem weitgehend der Grundsatz der formellen, nicht aber der der materiellen Wahrheit zugrunde liegt. Die Formstrenge des Revisionsrechts gibt dem [X.] - 8 - sionsgericht nur ein eingeschränktes Prüfungsrecht; auch materiell-rechtlich richtige Urteile können - etwa bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrunds (§ 338 StPO) - der Aufhebung unterliegen. Auf der anderen Seite muss auch ein offensichtlicher Verfahrensverstoß vom Revisionsgericht unberücksichtigt bleiben, wenn er nicht rechtzeitig bzw. nicht in der vorgeschriebenen Form ge-rügt ist. Der [X.], auf den der anfragende Senat so maßgeblich abhebt, findet dort seine Grenze, wo das insgesamt ausgewogene - gerade auch dem Schutz des Angeklagten dienende - Rechtsmittelrecht der Rechtskraft der Entscheidung entgegensteht (vgl. [X.] StV 2006, 237, 238 f.; 241 f.). b) 2. Argument: Ein Misstrauen in die Redlichkeit der [X.] sei nicht gerechtfertigt. 22 Es geht nicht um Zweifel an der Redlichkeit, sondern um solche an der Erinnerungsfähigkeit der [X.]. Schon in den [X.] [X.], Die gesamten Materialien zu den [X.], 3. [X.]. Abt., 2. Aufl. [1885] S. 257 f.; vgl. auch [X.], 1, 4 f.) ist dazu ausgeführt: 23 ... Formverletzungen, welche in der Hauptverhandlung vorfallen konnten, .... (können) in der Regel ... nachträglich nicht mit Zuverlässigkeit – fest-gestellt werden ... Die Gerichtsmitglieder werden selten in der Lage sein, über Vorgänge, welche ihrer Aufmerksamkeit in der Hauptverhandlung entgangen sind, nachträglich ein bestimmtes Zeugniß abzugeben; ihre Aussagen würden daher nur dazu dienen, unberechtigte Zweifel an der Zuverlässigkeit des [X.] zu erwecken. ... Hinzu kommt, dass bis zum Eingang der Revisionsbegründung - unter Berücksichtigung der Verfahrensdauer, der Dauer bis zur Erstellung des Proto-kolls und des Urteils, der Zustellung des Urteils und der Revisionsbegründungs-frist - regelmäßig ein langer Zeitraum vergangen ist und die Erinnerung der Ur-kundspersonen durch anderweitig verhandelte Verfahren "überlagert" sein 24 - 9 - kann. Da es um die grundsätzliche Frage geht, ob [X.] zu Lasten des Beschwerdeführers möglich sind, ist es ohne Relevanz, ob in Ein-zelfällen Mitschriften über den Verfahrensablauf (etwa auch durch den [X.]) existieren. Darüber hinaus ist - was zu Recht gegen die Zulässigkeit der nachträgli-chen Protokollberichtigung vorgebracht wird ([X.]/[X.] aaO S. 167) - zu bedenken, dass der Vorsitzende nach Eingang der Verfahrensrüge in eine "par-teiliche Position" gerät. Er wird - psychologisch verständlich -, wenn er die rechtliche Möglichkeit dazu hat, "sein" Urteil aufgrund "plötzlicher Erinnerung", dass es doch anders war, als im Protokoll festgestellt, möglicherweise gegen den Revisionsangriff verteidigen und der Protokollführer wird sich kaum der fineuen Einsichtfi des Vorsitzenden widersetzen. Dass diese Erinnerung an den konkreten Verfahrensablauf, insbesondere bei verfahrensrechtlichen fiRoutine-abläufenfi, wie etwa der Verlesung des [X.]es, der Erteilung von [X.] oder der Gewährung des letzten Wortes, - auch unbewusst ([X.], 1, 3) - objektiv falsch sein kann, liegt auf der Hand. 25 c) 3. Argument: Der Grundsatz, wonach einer erhobene Verfahrensrüge durch eine Protokollberichtigung nicht die Grundlage zum Nachteil des Ange-klagten entzogen werden dürfe, beruhe auf Rechtsprechung und könne daher auch durch die Rechtsprechung geändert werden. 26 Dieses Argument ist schon im Ansatz fragwürdig, weil dem genannten Verfahrensgrundsatz möglicherweise ein gewohnheitsrechtlicher Charakter zu-kommt (vgl. [X.] 15, 226, 232; [X.]/[X.]/[X.], Verwaltungsrecht [X.], 11. Aufl. § 25 Rdn. 12 ff.) und allenfalls der Gesetzgeber dazu aufgerufen wäre, Änderungen vorzunehmen (vgl. [X.]St 11, 241, 247; [X.], Beschluss vom 30. Mai 2001 Œ 1 StR 99/01). Im Zivilprozessrecht - in dem eine § 274 27 - 10 - StPO vergleichbare Bestimmung existiert (§ 165 ZPO) - wurde im Jahre 1974 durch Art. 1 Nr. 1 des [X.] der [X.]e und zur [X.] des gerichtlichen Protokolls vom 20. Dezember 1974 [[X.]] ([X.] 3651) mit § 164 ZPO eine Vorschrift in die ZPO eingefügt, nach der - unter Anhörung der Beteiligten (vgl. dazu [X.]. 551/74 S. 63 f.; [X.]. 7/2769 S. 10 f.) - [X.] vorgenommen werden dürfen. Anders als für das [X.], das Finanzgerichtsverfahren und das Verfahren vor den Sozialgerichten (Art. 3 Nr. 1, Art. 4 Nr. 1, Art. 5 Nr. 2 des [X.]: jeweils Verweisung auf die §§ 159 bis 165 ZPO) hat der [X.] für den Strafprozess diese Vorschrift nicht für anwendbar erklärt. Das spricht dafür, dass er die ihm bekannte ständige Rechtsprechung zur Protokoll-berichtigung in Strafverfahren nicht in Frage stellen wollte. Selbst wenn man von einer gewohnheitsrechtlichen Geltung der [X.] im Strafverfahren nicht ausgeht, ist Folgendes zu bedenken: 28 Die Kontinuität der Rechtsprechung, das auf ihr beruhende Vertrauen der [X.] und der Rechtsanwender, die Sache werde nach [X.] entschieden, die bisher galten, ist ein eigener Wert. Dieser all-gemeine Grundsatz wurzelt in dem Gedanken der Rechtssicherheit, die wesent-liches Element der rechtstaatlichen Praxis ist. Die Änderung einer ständigen Rechtsprechung setzt daher voraus, dass schwerwiegende Gründe dafür spre-chen müssen (vgl. [X.] 19, 38, 47; [X.] [1.Strafsenat] StV 2000, 670, 674). Für die vorgelegte Fragestellung fehlt es nach Auffassung des Senats an solchen Gründen von Gewicht, die Anlass geben könnten, die gefestigte Recht-sprechung zu ändern. Schwerwiegende Mängel der bisherigen Verfahrensweise sind nicht ersichtlich und werden auch in dem [X.] nicht aufge-zeigt. Soweit [X.] aufgetreten sind, wurden diese durch die 29 - 11 - Rechtsprechung des [X.] - etwa durch die Möglichkeit zur Er-gänzung der Sitzungsniederschrift im Wege des [X.] bei offensichtli-chen Mängeln, der Unklarheit, [X.] oder Widersprüchlichkeit des Protokolls (vgl. etwa [X.] StV 2004, 297, 298 [angebliche Nichtverlesung des [X.]es]) - zufrieden stellend gelöst. d) 4. Argument: Es sei nicht Aufgabe des [X.], den Tatrich-ter zu maßregeln. 30 Es geht nicht darum den Tatrichter zu maßregeln, sondern darum, ihm durch die Unzulässigkeit der Protokollberichtigung nach Eingang der Verfah-rensrüge bewusst zu machen, dass im Strafprozess Regeln mit [X.] hier: die Erstellung des Protokolls - mit besonderer Sorgfalt zu be-achten sind (vgl. etwa zur Unabänderlichkeit der Urteilsgründe: § 275 Abs. 1 Satz 3 StPO). 31 IV. Schlussbemerkung: 32 Der Senat kann nicht erkennen, dass für eine Änderung der [X.] zur rügevernichtenden Protokollberichtigung gewichtige Gründe spre-chen könnten. Soweit in dem [X.] als Argument noch vorgebracht wird, mit der Möglichkeit der Protokollberichtigung würde der Erfolgsaussicht unwahrer Verfahrensrügen "neue Grenzen gesetzt", ist zu besorgen, dass an die Stelle unwahrer Verfahrensrügen "unwahre [X.]" treten könnten (vgl. [X.]St 12, 270, 272; [X.]/[X.] aaO S. 167). Sollte daher trotz der Bedenken des Senats erwogen werden, rügevernichtende Protokollbe-richtigungen zuzulassen, so sollten diese jedenfalls nur dann als zulässig ange-sehen werden, wenn zuvor alle Verfahrensbeteiligten (der Angeklagte [X.] - 12 - cherweise über seinen Verteidiger) angehört wurden und keiner von ihnen - etwa durch eine dienstliche Erklärung oder anwaltliche Versicherung - eine im Vergleich zu dem zu berichtigenden Protokoll substantiiert andere Erinnerung an den Verfahrensablauf geltend macht. Tepperwien Maatz Kuckein Ernemann Sost-Scheible

Meta

4 ARs 3/06

03.05.2006

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: ARs

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2006, Az. 4 ARs 3/06 (REWIS RS 2006, 3758)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3758

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