Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.11.2020, Az. 5 StR 256/20

5. Strafsenat | REWIS RS 2020, 587

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

STRAFRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) ÄRZTE SCHWANGERSCHAFT SCHWANGERSCHAFTSABBRUCH KINDER ABTREIBUNG

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Abgrenzung zwischen Schwangerschaftsabbruch und Tötungsdelikt: Beginn der Geburt bei einer operativen Entbindung; Mehrlingsgeburt


Leitsatz

Bei einer operativen Entbindung (Kaiserschnitt, sectio caesarea) beginnt die Geburt und damit der Anwendungsbereich der §§ 211 ff. StGB regelmäßig mit der Eröffnung des Uterus zum Zweck der dauerhaften Trennung des Kindes vom Mutterleib; dies gilt auch bei einer Mehrlingsgeburt.

Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. November 2019 im Strafausspruch aufgehoben.

Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen Totschlags verurteilt, die Angeklagte    [X.]       zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, den Angeklagten       [X.] zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten; die Vollstreckung beider Strafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Die jeweils mit der näher ausgeführten Sachrüge geführten Revisionen der Angeklagten erzielen den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

I.

2

1. Das [X.] hat Folgendes festgestellt:

3

Die bislang unbestraften Angeklagten sind fachlich versierte [X.]. Die Angeklagte    [X.]       ist seit 2005 Leitende Oberärztin in einer Klinik für Geburtsmedizin in B.          , der Angeklagte       [X.] war dort bis 2012 Chefarzt. Im Rahmen eines Kaiserschnitts töteten sie am 12. Juni 2010 nach Öffnung der Gebärmutter und Geburt eines gesunden weiblichen Zwillings den verbliebenen schwer geschädigten weiblichen Zwilling durch Injektion von 20 ml Kaliumchloridlösung in die [X.]. Hierzu kam es wie folgt:

4

Die damals 26-jährige Zeugin S.     wurde Ende 2009 spontan schwanger. Im Februar 2010 ergab sich, dass bei ihr eine intakte diamniot-monochoriale Zwillingsschwangerschaft vorlag, also eine Schwangerschaft, bei der jeder (eineiige) Fetus über eine eigene innere Eihülle verfügt, sich beide aber eine Plazenta teilen. Eine solche Schwangerschaft ist aufgrund der Verbindung der Blutkreisläufe der Zwillinge über Gefäßverbindungen in der Plazenta risikobehaftet, weil es dadurch zu einem Ungleichgewicht des Blutaustauschs und der Fruchtwasserbildung kommen kann. So war es auch bei der Zeugin. Anfang Mai 2010 wurden deshalb die Blutgefäßverbindungen mittels Laser verschweißt und die Fruchtwassermenge normalisiert. Ende Mai/Anfang Juni 2010 wurde bei dem einen Zwilling eine Hirnschädigung in Form einer Leukomalazie festgestellt, ein deutlich verschmälerter Hirnmantel mit Verlust der normalen Schichtung bei vermehrter Hirnflüssigkeitsansammlung in beiden seitlichen Hirnkammern und damit eine schwere Entwicklungsstörung. Der andere Fetus wies demgegenüber eine normale Entwicklung bei grenzwertig niedriger Biometrie aus.

5

In dem [X.]               wurde der Befund bestätigt und die Zeugin S.     über die Möglichkeit eines selektiven Schwangerschaftsabbruchs (selektiver [X.]) und dessen Risiken informiert. Ein solcher Eingriff wurde (und wird) nur in darauf spezialisierten medizinischen Zentren durchgeführt, in [X.] namentlich im [X.]               und in [X.].  , zudem in vier weiteren [X.] Städten. Der Eingriff erfolgt, indem die [X.] des betroffenen Fetus mittels eines 3 mm großen Instruments (Koagulationszange) mittels elektrischer Spannung verschlossen werden; alternativ kann ein Clip gesetzt werden. Eine Injektion mit Kaliumchlorid zur Herbeiführung eines Herzstillstandes ist nicht möglich, weil der andere Fetus dadurch in Gefahr gerät. Der Eingriff erhöht das Risiko einer Frühgeburt, ist aber auch bei bereits einsetzender [X.]tätigkeit noch möglich und wirkt dann wehenfördernd. Der abgestorbene Fetus verbleibt bis zur Geburt im Mutterleib, wobei diese zeitnah zum Eingriff zu erfolgen hat, da anderenfalls das Risiko für den anderen Zwilling stark ansteigt. Daher werden der selektive [X.] und die anschließende Geburt grundsätzlich in demselben medizinischen Zentrum durchgeführt. Wegen des erhöhten [X.] sollte das Gestationsalter (Schwangerschaftsdauer, Tragzeit) zu diesem [X.]punkt so weit wie möglich fortgeschritten sein.

6

Am 11. Juni 2010 entschied sich die Zeugin S.     zunächst für einen solchen selektiven [X.], nahm wenig später aber davon wieder Abstand, weil sie sich im [X.]               nicht gut betreut fühlte und glaubte, man wolle dort den Abbruch nicht vornehmen. Am 21. Juni 2010 wurde bei einer Untersuchung beim Frauenarzt eine [X.] (Verkürzung des [X.]es und Öffnung des [X.]) festgestellt, weshalb die Zeugin in das [X.]   [X.]      überwiesen wurde. Die Angeklagte    [X.]       untersuchte sie und kam zu dem Ergebnis, dass akut keine Frühgeburt drohe. Dabei wurden auch die bislang vorliegenden Befunde und die Frage besprochen, wie der von der Zeugin gewünschte [X.] durchzuführen sei. Die Zeugin entschloss sich, weil sie sich von der Angeklagten gut betreut fühlte, Geburt und [X.] im [X.]     durchführen zu lassen. Die Angeklagte erklärte ihr, dass eine Injektion mit Kaliumchlorid zur Tötung des schwer geschädigten Zwillings die Gefahr berge, dass dieses auch in den Blutkreislauf des gesunden Zwillings gelange. Daher müsse der selektive [X.] unmittelbar mit der Geburt des gesunden Kindes im Zusammenhang mit der Sectio (Kaiserschnitt) durchgeführt werden. Beide Angeklagte besprachen den Fall und kamen überein, das geplante Geschehen so lange wie möglich hinauszuschieben, um dem gesunden Zwilling [X.] zur Entwicklung zu geben. Der Kaiserschnitt sollte ab der 34. Woche, besser später, vorgenommen werden. Für eine Woche wurde die Zeugin S.     stationär aufgenommen, anschließend wieder entlassen.

7

Unter dem 28. Juni 2010 verfassten der bis dahin behandelnde Arzt und ein weiterer Arzt ein Indikationsschreiben, wonach aufgrund der schweren Hirnschädigung des einen Zwillings unter Berücksichtigung der Lebenssituation der Schwangeren die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des seelischen und körperlichen Gesundheitszustandes der Schwangeren bestehe. Weil sie keine Möglichkeit gesehen hätten, die Gefahr auf andere zumutbare Weise abzuwenden, hätten sich die Eltern zum Abbruch der Schwangerschaft entschlossen. Die medizinische Indikation zum Schwangerschaftsabbruch nach § 218 Abs. 2 [X.] sei aus mütterlicher Indikation gegeben.

8

Am 11. Juli 2010 setzten [X.] ein. Am späten Abend begab sich die Zeugin S.     ins [X.]     , wo sie stationär aufgenommen wurde. Ihr wurde - erfolglos - ein wehenhemmendes Medikament verabreicht. Der [X.] war verkürzt, die [X.] betrug 3 cm. Ob es sich bereits um [X.] handelte, konnte die Kammer nicht feststellen; jedenfalls waren sie mit der Gabe wehenhemmender Medikamente nicht mehr zu unterdrücken. Die Angeklagte    [X.]        benachrichtigte den Angeklagten        [X.], der in den frühen Morgenstunden des 12. Juli 2010 in die Klinik kam. Gemeinsam entschlossen sie sich, den geplanten Kaiserschnitt vorzunehmen, in dessen Verlauf zunächst der gesunde Zwilling entbunden und unmittelbar im [X.] daran der geschädigte - jedoch lebensfähige - Zwilling mittels Kaliumchloridinjektion getötet werden sollte. Dabei war beiden bewusst, dass sie sich durch diese von den medizinischen Fachkreisen nicht vorgesehene Operationsmethode über geltendes Recht hinwegsetzten und einen Menschen töten würden. Dies nahmen sie in Kauf, um den Wunsch der Zeugin S.    , nur ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, in jedem Fall umzusetzen. Das Gestationsalter betrug zu diesem [X.]punkt 32 Wochen.

9

In Umsetzung dieses Plans öffnete die Angeklagte gegen 5 Uhr operativ Bauchdecke und Gebärmutter der Zeugin S.    , wobei ihr der Angeklagte assistierte. Der gesunde weibliche Zwilling (1.670 g schwer) wurde entnommen, seine Nabelschnur durchtrennt, und er wurde an die Ärzte der Neonatologie übergeben. Anschließend suchten sie bei dem in der Gebärmutter in Beckenendlage liegenden anderen Zwilling (1.430 g schwer) die Nabelschnur, klemmten diese ab und töteten ihn durch Injektion von 20 ml Kaliumchloridlösung in die [X.]. [X.] hoben sie aus der Gebärmutter und nabelten ihn ab. Im Operationsbericht vermerkte die Angeklagte insoweit „Totgeburt“. Sie unterzeichnete auch den [X.]. [X.] war lebensfähig, es wären bei ihm aber schwere Behinderungen (motorische Störungen, Lähmungen, Spastiken, deutliche kognitive Einschränkungen) zu erwarten gewesen. Andere Verfahren zur Durchführung eines selektiven [X.]s wären mit höheren Risken für den gesunden Zwilling verbunden gewesen.

2. Das [X.] hat [X.] der beiden zum äußeren Geschehen weitgehend geständigen Angeklagten als gemeinschaftlich begangenen Totschlag gewertet. [X.] sei mit der Eröffnung der Gebärmutter ein Mensch im Sinne der §§ 211 ff. [X.] und nicht mehr eine lediglich von § 218 [X.] geschützte Leibesfrucht gewesen. Die Einlassung der Angeklagten, sie seien davon ausgegangen, es habe sich bei dem im Mutterleib zunächst verbliebenen Zwilling nach ihrer damaligen Auffassung noch um einen Fetus und noch nicht um einen Mensch gehandelt, hat die [X.] als widerlegt angesehen, weil beide langjährig erfahrene und fachlich beson[X.] versierte [X.] seien. Im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Frauenheilkunde und der Geburtsmedizin hätten sich beide mit den einschlägigen Rechtsvorschriften und der Rechtslage vertraut gemacht. Ein Verbotsirrtum scheide aus, da sich die Angeklagten in Kenntnis der bestehenden Rechtslage bewusst über diese hinweggesetzt haben.

II.

Der Schuldspruch hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand (1.), während die [X.] nicht bestehen bleiben können (2.).

1. Nach den [X.] Feststellungen haben die Angeklagten den objektiven Tatbestand des Totschlags erfüllt.

[X.] war im [X.]punkt der tödlichen Einwirkung (vgl. zu dessen Relevanz [X.], Urteil vom 22. April 1983 - 3 StR 25/83, [X.]St 31, 348, 352; Beschluss vom 2. November 2007 - 2 StR 336/07, [X.], 393, 394 [X.]) bereits ein Mensch im Sinne der §§ 211 ff. [X.] und nicht mehr eine lediglich von § 218 [X.] geschützte Leibesfrucht.

a) Die Abgrenzung zwischen §§ 211 ff. [X.] und § 218 [X.] wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit jeher vom Beginn der Geburt abhängig gemacht ([X.], 446, 448; 9, 131, 132; 26, 178, 179; [X.], Urteile vom 20. November 1956 - 5 StR 347/56, [X.]St 10, 5; vom 22. April 1983 - 3 StR 25/83, [X.]St 31, 348; vom 7. Dezember 1983 - 1 [X.], [X.]St 32, 194; Beschluss vom 2. November 2007 - 2 StR 336/07, [X.], 393, 394; vgl. auch [X.], 280; [X.], [X.], 314; [X.] 88, 203, 251; [X.], NJW 1988, 2945; zur Entwicklung ausführlich [X.], [X.] 2001, 515, 525 ff.; [X.], Grundlagen und Grenzbereiche des [X.], 2004, 124 ff., jeweils [X.]). Abgeleitet wurde dieses Ergebnis vor allen Dingen aus § 217 [X.] aF, der von Inkrafttreten des [X.] 1871 (vgl. [X.]. S. 127) bis zu seiner Abschaffung durch das 6. Strafrechtsreformgesetz (vom 26. Januar 1998, [X.] I S. 164) nahezu unverändert galt und die Tötung eines unehelichen Kindes „in oder gleich nach der Geburt“ unter Strafe stellte (vgl. [X.] und [X.], aaO; [X.], aaO; zu historischen Vorläufern der Regelung Hirsch in Festschrift für [X.], 2005, 309, 314 ff. [X.]).

Mit der Abschaffung von § 217 [X.] aF sollte sich an dieser Rechtslage nach dem Willen des Gesetzgebers nichts ändern. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu (BT-Drucks. 13/8587, [X.]): Der Tatbestand [X.] in der strafrechtlichen Praxis nur eine sehr untergeordnete Rolle. Die psychische Ausnahmesituation einer Mutter, die ihr eheliches oder nichteheliches Kind in oder gleich nach der Geburt töte, könne durch die Anwendung des § 213 [X.] Berücksichtigung finden. Mit der Aufhebung des § 217 [X.] werde zugleich die allgemein kritisierte Beschränkung des Tatbestandes auf die Tötung nichtehelicher Kinder beseitigt. Der Gesetzgeber hat damit eindeutig klargestellt, dass er weiterhin von einer Anwendbarkeit der §§ 212, 213 [X.] bei der Tötung eines Kindes „in der Geburt“ ausgeht (vgl. auch BT-Drucks. 13/8587, S. 81 f.). Auch der [X.] hat nach Aufhebung von § 217 [X.] aF an der bisherigen Begriffsbestimmung festgehalten und dies mit dem systematischen Verhältnis zwischen § 212 Abs. 1, § 222 [X.] und § 218 Abs. 1 [X.] begründet ([X.], Beschluss vom 2. November 2007 - 2 StR 336/07, [X.], 393, 394 [X.]; ebenso [X.], [X.], 896).

b) Es besteht kein Anlass, die mit dem Willen des Gesetzgebers übereinstimmende, seit 140 Jahren in ständiger Rechtsprechung praktizierte und dem überwiegenden kontinental[X.] Rechtsverständnis entsprechende (näher Hirsch in Festschrift für [X.], 2005, 309, 316 f.; umfassend Eser/[X.], Schwangerschaftsabbruch im internationalen Vergleich, Teile 1 bis 3, 1988 bis 1999) Abgrenzung zwischen §§ 211 ff. [X.] und § 218 [X.] an[X.] als anhand des Geburtsbeginns vorzunehmen.

In der Literatur wird allerdings teilweise vertreten, dass nicht der Beginn, sondern die Vollendung der Geburt den Übergang zwischen Schwangerschaftsabbruch und Tötungsdelikten markieren müsse (vgl. [X.]/[X.], [X.], 1106; [X.], in [X.]/[X.] [Hrsg.], [X.], 2003, 39; [X.]/[X.], 5. Aufl., Vor § 211 Rn. 10; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 218 Rn. 33 ff.; [X.] in [X.]/[X.], Handbuch [X.], 4. Aufl., 295, 318 ff.; [X.], [X.] 2020, 64, 65). Begründet wird dies mit dem Wortlaut des Gesetzes, der auf den in der Natur der Sache liegenden Unterschied zwischen bereits (vollständig) geborenem und ungeborenem Leben verweise, und dem Auftreten von Wertungswi[X.]prüchen in Konfliktfällen (vgl. [X.]/[X.], aaO, [X.]; [X.], aaO; [X.], aaO; [X.], aaO; [X.], aaO).

Im Einklang mit dem überwiegenden Teil der Lehre ist an dem Geburtsbeginn als maßgeblicher Zäsur zwischen §§ 211 ff. [X.] und § 218 [X.] festzuhalten, weil das Kind gerade in der mit Risiken für Gesundheit und Leben verbundenen [X.] besonderen Schutzes - auch vor fahrlässigen Einwirkungen - bedarf (vgl. MüKo-[X.]/[X.], 3. Aufl., Vor § 211 Rn. 6 ff.; [X.]/[X.], 12. Aufl., Vorbemerkungen zu den Tötungsdelikten, Rn. 6; [X.]/[X.]/Heger, [X.], 29. Aufl., Vor § 211 bis § 222 Rn. 3; [X.], [X.], 67. Aufl., Vor §§ 211 - 217 Rn. 6; [X.]/[X.]/Eser/[X.], [X.], 30. Aufl., Vor §§ 211 ff. Rn. 13; [X.]/[X.], 4. Aufl., Vor §§ 211 ff. Rn. 13; [X.]/[X.], 9. Aufl., Vor §§ 218 ff. Rn. 64; Safferling in Matt/[X.], [X.], 2. Aufl., § 212 Rn. 8; AnwK-[X.]/[X.], 3. Aufl., Vor §§ 211 ff. Rn. 7; Wenkel, in [X.] u.a. [Hrsg.], Gesamtes Strafrecht, 4. Aufl., Vor §§ 211 ff. Rn. 6; [X.]/Sinn, 9. Aufl., § 212 Rn. 4; [X.], [X.] 2001, 515, 523; [X.], [X.] 2011, 389, 406; [X.], [X.], 31; [X.], Früheuthanasie, 2001, 103; Dolderer, Menschenwürde und Spätabbruch, 2012, 146; [X.], Grundlagen und Grenzbereiche des [X.], 2004, 129; [X.], in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch des [X.], 5. Aufl., § 149 Rn. 1; [X.]., Arztstrafrecht in der Praxis, 5. Aufl., Rn. 783; [X.], in Prütting [Hrsg.], Medizinrecht, 5. Aufl., § 212 Rn. 6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch des Strafrechts Band 4, 2019, § 3 Rn. 15 f.; [X.], Jura 2003, 612, 614; [X.], [X.] 115, 765, 775, 777; [X.], JA 2009, 321; [X.], [X.], 785, 786). Mit dem Wortlaut des § 218 [X.] ist es ohne weiteres vereinbar, den Beginn der Geburt - entsprechend der medizinischen Terminologie - als Ende der von § 218 [X.] geschützten Schwangerschaft und damit als Beginn des Schutzes durch §§ 211 ff. [X.] anzusehen (näher [X.], [X.] 2001, 515, 536 f.; [X.], in [X.] [Hrsg.], Verantwortungsbewusste Konfliktlösungen bei embryopathischem Befund, 2008, [X.], 32; [X.], Grundlagen und Grenzbereiche des [X.], 2004, 128 f.; vgl. auch [X.] 88, 203, 251). Dass im Zivilrecht die Rechtsfähigkeit erst ab Vollendung der Geburt beginnt (§ 1 BGB), ist aufgrund des abweichenden Regelungszwecks von Zivil- und Strafnormen nicht ausschlaggebend (vgl. bereits [X.], 446, 447; Safferling in Matt/[X.], [X.], 2. Aufl., § 212 Rn. 8).

c) [X.] hatte im [X.]punkt der tödlichen Einwirkung bereits begonnen.

aa) Als Beginn der Geburt sieht der [X.] bei natürlichem Geburtsverlauf das Einsetzen der [X.] an ([X.], Urteil vom 7. Dezember 1983 - 1 [X.], [X.]St 32, 194 [X.] und [X.]. [X.] 1985, 336; vgl. auch schon [X.]St 9, 131, 132: Eintreten der „naturgemäßen Ausstoßungsversuche“; ebenso [X.]St 26, 178, 179; dem folgend [X.], Urteil vom 20. November 1956 - 5 StR 347/56, [X.]St 10, 5; vgl. auch [X.], Urteil vom 22. April 1983 - 3 StR 25/83, [X.]St 31, 348: nicht vor Einsetzen der [X.]; enger noch [X.], 446, 448: das Kind müsse „zum Teil bereits den Schoß der Mutter verlassen“ haben und damit an die Außenwelt getreten sein; offengelassen von [X.], Beschluss vom 2. November 2007 - 2 StR 336/07, [X.], 393, 394; vgl. auch [X.], [X.], 896). Dass dies vorliegend bereits der Fall war, hat das [X.] nicht festgestellt. Der [X.] braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob angesichts der medizinischen Möglichkeit einer Unterdrückung von weiteren [X.] durch die Gabe wehenhemmender Medikamente für den Geburtsbeginn auf den Beginn jeder Art von [X.] (unabhängig von ihrer Verursachung, vgl. [X.], [X.], 314 m. [X.]. [X.]), auf den Beginn von alsbald in die Ausstoßung der Leibesfrucht mündenden [X.] (vgl. zu den daraus jeweils resultierenden Problemen [X.]/[X.], [X.], 1106, 1111 f.; vgl. zum geburtsterminnahen Blasensprung vor Einsetzen der [X.] auch Lüttger, in Festschrift für [X.], 1972, 359, 364), wie in einigen Ländern [X.] in Festschrift für [X.], 2005, 309, 317 [X.]) und nach früherem Verständnis (vgl. [X.]/[X.]/Eser/[X.], [X.], 30. Aufl., Vor §§ 211 ff. Rn. 13; Lüttger, NStZ 1983, 481, 482, jeweils [X.]; vgl. auch den Begriff der „naturgemäßen Ausstoßungsversuche“ in [X.]St 9, 131, 132; 26, 178, 179; [X.], Urteil vom 20. November 1956 - 5 StR 347/56, [X.]St 10, 5) auf den Beginn der Presswehen ([X.]/[X.], 5. Aufl., Vor § 211 Rn. 10; [X.], Beginn und Ende des Lebens als Rechtsbegriffe, 1974, 95) oder gar erst (wie in wenigen anderen Ländern, [X.], aaO, [X.]) auf den Beginn des Austritts des Kindes aus dem Mutterleib abzustellen ist (ausführlich zur Problematik [X.], Grundlagen und Grenzbereiche des [X.], 2004, 129 ff.; [X.], Frau und Fötus in der Prä- und Perinatalmedizin aus strafrechtlicher Sicht, 2000, 63 ff.).

bb) Wann bei einem - vor Beginn der [X.] vorgenommenen - Kaiserschnitt (sectio caesarea) die Geburt und damit der Anwendungsbereich der §§ 211 ff. [X.] beginnt, ist bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden (vgl. [X.], Urteil vom 7. Dezember 1983 - 1 [X.], [X.]St 32, 194, 197; vgl. auch [X.], Urteil vom 20. Mai 2003 - 5 StR 592/02). Nach Auffassung des [X.]s ist dies mit der Eröffnung des Uterus zum Zweck der Beendigung der Schwangerschaft durch Entnahme des Kindes aus dem Mutterleib der Fall (1). Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um ein Kind oder mehrere Kinder handelt (2).

(1) In der Literatur wird der Beginn der Geburt beim Kaiserschnitt teilweise schon in der Einleitung der Narkose ([X.], [X.] 1993, 421) oder im ersten Schnitt des Operateurs zur Eröffnung der Bauchdecke angesehen (vgl. MüKo-[X.]/[X.], 3. Aufl., Vor § 211 Rn. 12; Safferling in Matt/[X.], [X.], 2. Aufl., § 212 Rn. 10; [X.]/Brose in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl., §§ 211, 212 Rn. 2; Lüttger, in Festschrift für [X.], 1972, [X.], 366; Tag, [X.] im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und [X.], 2000, 136). Demgegenüber nimmt die ganz überwiegende Auffassung an, bei einer operativen Entbindung beginne die Geburt mit der Eröffnung des Uterus ([X.]/[X.], 12. Aufl., Vorbemerkungen zu den Tötungsdelikten, Rn. 6; [X.]/[X.]/Eser/[X.], 30. Aufl., Vor § 211 ff. Rn. 13; [X.]/[X.]/Heger, [X.], 29. Aufl., Vor § 211 bis § 222 Rn. 3; [X.], [X.], 67. Aufl., Vor §§ 211 - 217, Rn. 5; [X.]/[X.], 4. Aufl., Vor §§ 211 ff. Rn. 13; [X.], Früheuthanasie, 2001, 104; [X.]. in [X.], 5. Aufl., § 218 Rn. 43; Wenkel, in [X.] u.a. [Hrsg.], Gesamtes Strafrecht, 4. Aufl., Vor §§ 211 ff. Rn. 7; [X.]/Sinn, 9. Aufl., § 212 Rn. 4; [X.]/[X.], 9. Aufl., Vor § 218 Rn. 64; [X.], Grundlagen und Grenzbereiche des [X.], 2004, 132 ff.; Isemer/Lilie, [X.] 1988, 66, 68; [X.], Frau und Fötus in der Prä- und Perinatalmedizin aus strafrechtlicher Sicht, 2000, 70; [X.], in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch des [X.], 5. Aufl., § 149 Rn. 4; [X.], in Prütting [Hrsg.], Medizinrecht, 5. Aufl., § 212 Rn. 6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch des Strafrechts Band 4, 2019, § 3 Rn. 15; [X.], [X.] 1994, 472; Satzger, Jura 2008, 424, 428; [X.], [X.], 785, 787).

Der [X.] schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Entscheidend hierfür ist, dass mit der Eröffnung des Uterus (in vergleichbarer Weise wie beim Beginn einer natürlichen Geburt) ein Abbruch des begonnenen [X.] regelmäßig praktisch nicht mehr in Betracht kommt, der [X.] damit erstmals direkt vom Geburtsvorgang betroffen ist und dies in aller Regel - an[X.] als Narkose oder Bauchschnitt - ein eindeutiges Ende der Schwangerschaft im Sinne von § 218 [X.] bewirkt (vgl. [X.], aaO, S. 134 f.; [X.], Frau und Fötus in der Prä- und Perinatalmedizin aus strafrechtlicher Sicht, 2000, 68; [X.], [X.] 1994, 472). Lediglich in seltenen Sonderfällen wie der Uterusruptur ([X.], [X.], 896) kann der Geburtsbeginn bei einem Kaiserschnitt auch früher als mit der Uterusöffnung anzusetzen sein (vgl. [X.], [X.], 785, 787).

Diese objektive Grenzziehung bedarf aufgrund der medizinischen Möglichkeiten, den Uterus zu fetalchirurgischen Zwecken zu öffnen und wieder zu verschließen, um die Schwangerschaft anschließend fortdauern zu lassen, einer Einschränkung. In subjektiver Hinsicht muss die Gebärmutter zu dem Zweck eröffnet werden, den Fetus dauerhaft vom Mutterleib zu trennen und damit die Schwangerschaft zu beenden ([X.], aaO, [X.] f.; [X.], aaO, 68 ff. [X.]). Diese Intention des Arztes lässt sich regelmäßig anhand objektiver Merkmale (insbesondere Operationsvorbereitung) feststellen (vgl. [X.], aaO, S. 70).

(2) Die chirurgische Eröffnung des Uterus zum Zweck der dauerhaften Trennung des Kindes vom Mutterleib und damit zur Beendigung der Schwangerschaft stellt auch bei einer Mehrlingsgeburt durch Kaiserschnitt die entscheidende Abgrenzung zwischen §§ 211 ff. [X.] und § 218 [X.] dar. Einen normativ relevanten Unterschied zur Geburt nur eines Kindes mittels Kaiserschnitt vermag der [X.] in Fällen wie dem vorliegenden - Öffnen der Gebärmutter zwecks endgültiger Trennung beider Feten vom Mutterleib - nicht zu erkennen. Auch in diesen Fällen markiert die Öffnung des Uterus das Ende der Schwangerschaft im Sinne von § 218 [X.] und den Übergang zu dem von §§ 211 ff. [X.] gewährleisteten Schutz.

Diese Grenzziehung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass es, wie die Revision vorträgt, auch eine zeitversetzte Geburt von [X.] gibt. Dabei wird - auf natürlichem Wege oder per Kaiserschnitt - ein Kind vor dem oder den anderen geboren, während die Schwangerschaft hinsichtlich der im Uterus verbleibenden Feten fortdauert. Zwar mag in derartigen Fällen der Geburtsbeginn hinsichtlich der verschiedenen Feten unterschiedlich zu bestimmen sein, sich also die Geburt eines Zwillings nicht von der Geburt des anderen Zwillings ableiten. Ein solcher Fall einer zeitversetzten Geburt lag aber nicht vor. Vielmehr endete hier hinsichtlich beider Zwillinge die Schwangerschaft plangemäß dadurch, dass beide nach einmalig erfolgter Öffnung des Uterus aus dem Mutterleib entfernt wurden.

2. Die Angeklagten haben nach den getroffenen Feststellungen vorsätzlich gehandelt.

a) Sie handelten in dem Bewusstsein, dass auch für den getöteten Zwilling mit Eröffnung der Gebärmutter die Geburt und damit die Menschwerdung begonnen hatte. Dies reicht zum Beleg des Vorsatzes bezüglich des Tatbestandsmerkmals „Mensch“ aus. Relevanten Fehlvorstellungen über die für die Abgrenzung relevante Tatsachengrundlage (vgl. [X.], Urteil vom 7. Dezember 1983 - 1 [X.], [X.]St 32, 194, 197) unterlagen sie nicht. Ihnen fehlte auch nicht die für normativ bestimmte Grenzbereiche des im [X.] deskriptiven Tatbestandsmerkmals „Mensch“ erforderliche Bedeutungskenntnis (vgl. hierzu näher [X.]/[X.], Strafrecht [X.], 5 Aufl., Band 1, § 10 Rn. 57 ff.; § 12 Rn. 100 ff. [X.]).

b) Diese Feststellungen beruhen auf einer tragfähigen Beweiswürdigung.

Vor dem Hintergrund, dass es sich bei beiden Angeklagten um erfahrene und auch Schwangerschaftsabbrüche vornehmende [X.] handelt, die Grenzziehung zwischen (möglicherweise gerechtfertigter) Spätabtreibung im Sinne von § 218 [X.] und (rechtswidriger) Tötung im Sinne der §§ 211 ff. [X.] zu den rechtlichen Grundfragen dieser Berufstätigkeit gehört (vgl. auch [X.]/[X.]/Stirnert, Handbuch [X.], Kapitel 4 Rn. 458), der Geburtsbeginn nach der Rechtspraxis seit jeher diese Zäsur markiert und sie nach nahezu einhelliger Auffassung beim schwangerschaftsbeendenden Kaiserschnitt spätestens mit der Eröffnung des Uterus anzusetzen ist, ist der Schluss der [X.] auf den entsprechenden Vorsatz der Angeklagten unter Widerlegung ihrer gegenteiligen Einlassungen jedenfalls möglich; zwingend braucht er nicht zu sein (st. Rspr., vgl. nur [X.], Beschluss vom 17. März 2020 - 1 StR 631/19 [X.]).

Zutreffend hat die [X.] in diesem Zusammenhang auch darauf abgestellt, dass Gegenstand der medizinischen Literatur im Tatzeitpunkt die Durchführung des selektiven [X.]s mittels Koagulation der [X.] gewesen ist, also lediglich ein Verfahren der Einwirkung auf den Fetus vor Geburtsbeginn, nicht aber das Vorgehen der Angeklagten. Denn das in der Literatur beschriebene und in der Praxis zur Tatzeit auch angewendete Verfahren, das im Vergleich zum Vorgehen der Angeklagten höhere Risiken für den anderen Zwilling birgt, lässt sich nur vor dem Hintergrund verstehen, dass ein derartiger Schwangerschaftsabbruch bei entsprechender Indikation nur bis zum Geburtsbeginn straffrei (§ 218a Abs. 2 [X.]) durchgeführt werden kann, die Eröffnung des Uterus zwecks Entbindung beider Zwillinge diese Grenze nach Auffassung der beteiligten Fachkreise aber schon überschreitet.

3.) Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe hat das Schwurgericht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.

a) Zum [X.]punkt der Tötung des zweiten Zwillings ging von diesem keine Gefahr (mehr) für den bereits abgenabelten ersten Zwilling aus. Hinsichtlich der Kindesmutter bestand zwar eine Indikation nach § 218a Abs. 2 [X.]. Diese kann nach der gesetzlichen Systematik indes lediglich eine Spätabtreibung, nicht aber die Tötung eines Menschen im Sinne der §§ 211 ff. [X.] rechtfertigen. Sonstige zugunsten der Angeklagten eingreifende Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe sind auf der Grundlage der tragfähigen Feststellungen nicht ersichtlich.

b) Entgegen der Auffassung der Revision ist eine analoge Anwendung von § 218a Abs. 2 [X.] im vorliegenden Fall nicht veranlasst. Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen [X.] gekommen (vgl. [X.], Urteil vom 13. März 2003 - I ZR 290/00, NJW 2003, 1932, 1933 [X.]).

Es fehlt schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Angesichts der umfassenden parlamentarischen Diskussion der auch weltanschaulich umstrittenen Fragen in Zusammenhang mit § 218a Abs. 2 [X.] beruht die Beschränkung dieses Rechtfertigungsgrundes auf die [X.] der Schwangerschaft auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers in Umsetzung entsprechender Vorgaben des [X.] (vgl. BT-Drucks. 13/1850, 13/285, 13/27 und 13/268; [X.] 88, 203; 98, 265). Gegen eine Analogie spricht auch, dass [X.] wie § 218a Abs. 2 [X.] eng auszulegen sind („singularia non sunt extendenda“, vgl. [X.], [X.], 77, 98) und durch eine Analogie eine vom Gesetzgeber als Ausnahme gewollte Regelung nicht zum allgemeinen Prinzip erhoben werden darf (vgl. [X.], Urteil vom 13. März 2003 - I ZR 290/00, aaO [X.]).

c) Nach den Feststellungen kommt die Annahme eines Verbotsirrtums nicht in Betracht. Danach war beiden Angeklagten bewusst, dass sie sich über geltendes Recht hinwegsetzen und einen Menschen töten.

Diese Feststellungen beruhen auf einer tragfähigen Grundlage. Das [X.] hat aus dem Verhalten der Angeklagten vor dem Hintergrund ihrer Position, ihrer spezifischen Fachkenntnisse und der Fachdiskussion derartiger Fälle zur Tatzeit rechtsfehlerfrei den möglichen Schluss gezogen, sie hätten sich in Kenntnis der Rechtslage bewusst über geltendes Recht hinweggesetzt, um der Zeugin S.     in ihrer schwierigen Lage zu helfen. Auf der von der Revision bemängelten zweifelhaften Auslegung der [X.] Vorschriften über die Leichenschau, wonach die Angeklagte den Totenschein nicht habe ausfüllen dürfen, beruht die Beweiswürdigung insoweit nicht (§ 337 Abs. 1 StPO), weil das [X.] diese Erwägung lediglich ergänzend herangezogen hat.

4. Die [X.] können allerdings nicht bestehen bleiben.

Bei der Strafzumessung hat die [X.] zahlreiche zu Gunsten der Angeklagten sprechende Gesichtspunkte aufgeführt und zu Recht bedacht, dass die Tat lange zurückliegt, beide unbestraft sind, sie lediglich der Zeugin S.     in einer schwierigen Situation helfen wollten und im Ergebnis den Zustand hergestellt haben, der auch bei Vornahme eines zulässigen selektiven Schwangerschaftsabbruchs bestanden hätte. [X.] hat das Schwurgericht den Angeklagten dagegen ausdrücklich, dass sie die Tat nicht etwa in einer schnelle Entscheidungen erfordernden Notfallsituation begangen haben, sondern vielmehr planvoll ein mehr als zwei Wochen zuvor verabredetes Vorgehen umsetzten.

Die strafschärfende Berücksichtigung dieses Umstandes ist rechtsfehlerhaft. Zwar hat sich die revisionsgerichtliche Überprüfung der Strafzumessung am sachlichen Gehalt der Erwägungen des Tatgerichts, nicht an dessen Formulierungen zu orientieren (vgl. [X.], Urteil vom 8. August 2017 - 5 [X.] [X.]). Auch eingedenk dessen darf einer längerfristigen Planung der Tat im konkreten Zusammenhang kein straferschwerendes Gewicht zugemessen werden. Denn sie war hier nicht Ausdruck krimineller Energie. Vielmehr ist ein Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst im Interesse seines Patienten zur umsichtigen Planung einer absehbaren Operation verpflichtet. Dass die beiden Angeklagten die Tat überhaupt begangen haben, darf ihnen - ebenso wie das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes (Tatentschluss in einer Notfallsituation) - nicht erschwerend angelastet werden.

Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem vorliegenden Wertungsfehler nicht (vgl. § 353 Abs. 2 StPO); sie dürfen um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht wi[X.]prechen.

Cirener     

        

Berger     

        

Gericke

        

Mosbacher      

        

Resch      

        

Meta

5 StR 256/20

11.11.2020

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 19. November 2019, Az: (532 Ks) 234 Js 87/14 (7/16), Urteil

§ 211 StGB, §§ 211ff StGB, § 212 StGB, § 218 StGB, § 218a Abs 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.11.2020, Az. 5 StR 256/20 (REWIS RS 2020, 587)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 587

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

6 StR 128/23 (Bundesgerichtshof)

Abgrenzung zwischen Tötungsdelikten und Schwangerschaftsabbruch


5 StR 592/02 (Bundesgerichtshof)


2 AZR 237/14 (Bundesarbeitsgericht)

Kündigung - Mutterschutz - In-vitro-Fertilisation - Diskriminierung


8 AZR 838/12 (Bundesarbeitsgericht)

Entschädigungsanspruch bei diskriminierender Kündigung


2 StR 336/07 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.