Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.01.2017, Az. II R 26/16

2. Senat | REWIS RS 2017, 16740

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Gegenstand

Keine Ersatzerbschaftsteuer bei einer nichtrechtsfähigen Stiftung


Leitsatz

Eine nichtrechtsfähige Stiftung unterliegt nicht der Ersatzerbschaftsteuer.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des [X.]vom 25. Mai 2016  7 K 291/16, die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 4. Januar 2016 und der Erbschaftsteuerbescheid des Beklagten vom 7. August 2015 aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die Stadt A, ist Trägerin der nichtrechtsfähigen [X.]Die [X.]wurde aufgrund eines Testaments des 1871 verstorbenen [X.]errichtet, in welchem [X.]der Klägerin ein Landgut zur Verwaltung in einer Stiftung vermachte. Die Erträge der [X.]sollten (nach Abzug von Verwaltungskosten) für die Erziehung und Ausbildung von Nachkommen des [X.]und --im Fall deren [X.]für "Bürgerkinder" der Klägerin verwendet werden.

2

Nach einem Urteil des [X.](BFH) vom 29. Januar 2003 I R 106/00 (BFHE 201, 287) ist die [X.]nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) körperschaftsteuerpflichtig.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte mit [X.]vom 7. August 2015 für die Stiftung [X.]Ersatzerbschaftsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 des [X.](ErbStG) in Höhe von 1.875.775 € fest.

4

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht führte zur Begründung im Wesentlichen aus, der Annahme einer Familienstiftung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.]stehe nicht entgegen, dass es sich bei der [X.]um eine nichtrechtsfähige Stiftung handle. Die Entstehungsgeschichte und der Gesetzeszweck des § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.]sprächen dafür, dass die Norm zumindest in den Fällen, in denen Träger der Stiftung eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei, auch nichtrechtsfähige Stiftungen einbeziehe. Andernfalls bleibe das auf Dauer in der [X.]gebundene Vermögen über Generationen erbschaftsteuerfrei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1447 veröffentlicht.

5

Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine Verletzung des § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.]geltend.

6

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Erbschaftsteuerbescheid vom 7. August 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Januar 2016 aufzuheben.

7

Das [X.]beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die [X.]ist als nichtrechtsfähige [X.]keine Familienstiftung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.]und unterliegt daher nicht der Ersatzerbschaftsteuer.

9

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.]unterliegt der Erbschaftsteuer in Zeitabständen von je 30 Jahren das Vermögen einer Stiftung, sofern sie wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist (Familienstiftung). Die durch das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts vom 17. April 1974 (BGBl I 1974, 933) eingeführte [X.]soll verhindern, dass in Familienstiftungen gebundenes Vermögen auf Generationen der Erbschaftsteuer entzogen wird (BTDrucks 7/1333, S. 3). Zu diesem Zweck fingiert der Steuertatbestand in Abständen von je 30 Jahren einen Generationenwechsel, bei dem der Erblasser zwei Kinder hinterlässt (vgl. BFH-Urteil vom 18. November 2009 II R 46/07, BFH/NV 2010, 898, Rz 13). Die [X.]ist verfassungsgemäß (Beschluss des [X.]vom 8. März 1983  2 BvL 27/81, [X.]63, 312).

2. Eine nichtrechtsfähige [X.]erfüllt nicht den Begriff der Familienstiftung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.]Sie besitzt kein eigenes Vermögen, welches der [X.]unterliegen kann (gl. [X.]in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 1 [X.]Rz 29; Kobor, in Fischer/Pahlke/ Wachter, ErbStG, § 1 Rz 65, Stand 29. Dezember 2016; [X.]in Kapp/Ebeling, § 1 ErbStG, Rz 54; [X.]in Troll/Gebel/ Jülicher, ErbStG, § 1 Rz 53; [X.]in Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 1 Rz 33, Stand Oktober 2015; [X.]in Götz/Meßbacher-Hönsch, eKomm, Ab 1. Januar 2015, § 1 [X.]Rz 33, Aktualisierung vom 6. Dezember 2016; [X.]in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 1 [X.]Rz 11; Lange, Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis --ZErb-- 2013, 324; van Randenborgh, Betriebs-Berater 2013, 2780; Theuffel-Werhahn, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2014, 14; Niemann, [X.]--DStR-- 2016, 2888; Daragan, ZErb 2017, 1; offen gelassen von [X.]in Moench/Weinmann, § 1 [X.]Rz 7; a.A. Hübner/Currle/Schenk, DStR 2013, 1966; Hübner, ZErb 2016, 46).

a) Die nichtrechtsfähige [X.]ist nicht gesetzlich geregelt. Sie hat ein dem Stiftungszweck gewidmetes Vermögen, aber keine eigene Rechtspersönlichkeit. Träger des Stiftungsvermögens ist ein Treuhänder. Dieser kann z.B. eine natürliche oder eine juristische Person sein. Der Stifter überträgt das Vermögen durch Vertrag oder Verfügung von Todes wegen auf den Treuhänder. Der Treuhänder übernimmt und verwaltet es entsprechend dem festgelegten Zweck und nach den Weisungen des Stifters. Die für rechtsfähige Stiftungen geltenden §§ 80 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sind grundsätzlich auf nichtrechtsfähige Stiftungen nicht anwendbar (vgl. Palandt/ Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Aufl., Vorb v § 80 Rz 10; Geck, a.a.O., § 1 ErbStG, Rz 54).

b) Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.]spricht lediglich von [X.]und differenziert nicht ausdrücklich zwischen der rechtsfähigen und der nichtrechtsfähigen Stiftung. Der [X.]unterliegt aber das Vermögen der Stiftung. Daher bezieht sich § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.]nur auf rechtsfähige Stiftungen und schließt solche ohne Rechtsfähigkeit nicht ein. Denn nur eine rechtsfähige [X.]kann Träger von eigenem Vermögen sein. Das Stiftungsvermögen ist konstitutives Merkmal der rechtsfähigen [X.](Palandt/Ellenberger, a.a.O., Vorb v § 80 Rz 7). Bei einer [X.]hingegen ist zivilrechtlicher Eigentümer des Vermögens der Träger der Stiftung. Dieser hält das Vermögen im Rahmen eines besonderen Treuhandverhältnisses, ohne wirtschaftlicher Eigentümer zu sein, und handelt für die [X.](vgl. BFH-Urteil in BFHE 201, 287, unter II.1.). Bei der Prüfung, wer Eigentümer des Vermögens ist und daher der [X.]unterliegt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG), kommt es ausschließlich auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise Vermögen oder Einkommen zuzurechnen ist. Das folgt aus der Einordnung der Erbschaft- und Schenkungsteuer als Verkehrsteuer (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juli 2009 II R 47/07, BFHE 226, 399, BStBl II 2010, 74, unter II.1.a).

Die zivilrechtliche Prägung des Schenkungsteuerrechts hat der [X.]auch für die Besteuerung unentgeltlicher Vermögensübertragungen auf eine rechtsfähige [X.]für maßgeblich gehalten (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2009 II R 22/08, BFHE 228, 165, BStBl II 2010, 363).

c) Weitere Normen des ErbStG, die das Wort "Stiftung" verwenden, beziehen sich ebenfalls nur auf die rechtsfähige Stiftung.

aa) Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c [X.]entsteht die Erbschaftsteuer im Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]für den Übergang von Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete [X.]mit dem Zeitpunkt der Anerkennung der Rechtsfähigkeit. Nur für die Entstehung einer rechtsfähigen [X.]ist nach § 80 Abs. 1 BGB u.a. die Anerkennung durch die zuständige Behörde des Landes erforderlich. Nichtrechtsfähige Stiftungen hingegen bedürfen für ihre Entstehung nicht der Anerkennung. Daher ist § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]nur auf rechtsfähige Stiftungen anwendbar.

bb) In § 9 Abs. 1 Nr. 4 [X.]ist formuliert, dass in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.]die Steuer in Zeitabständen von je 30 Jahren seit dem Zeitpunkt des ersten Übergangs von Vermögen auf die [X.]entsteht. Auch dieser gesetzlichen Formulierung ist zu entnehmen, dass Voraussetzung für eine Besteuerung mit [X.]das Vorliegen eines auf die [X.]übergegangenen, eigenen Vermögens ist, was nur bei einer rechtsfähigen [X.]der Fall sein kann.

cc) In § 20 Abs. 1 Satz 1 [X.]ist festgelegt, dass Steuerschuldner in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.]die [X.]ist. § 20 Abs. 1 Satz 2 [X.]bestimmt hingegen, dass in den Fällen der § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 und § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 [X.]Steuerschuldner die Vermögensmasse ist.

Die Gleichstellung von (nichtrechtsfähigen) Vermögensmassen ausländischen Rechts mit den rechtsfähigen Stiftungen in § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2, § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 [X.]und die Bestimmung dieser Vermögensmassen als Steuerschuldner in § 20 Abs. 1 Satz 2 [X.]durch das Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) führten nicht zur Einbeziehung der [X.]in den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.]Anlass der Ausdehnung der [X.]auf ausländische Vermögensmassen war, dass nach der Rechtslage bis zur Änderung durch das [X.]1999/2000/2002 bei der Errichtung eines Trusts nach angelsächsischem Recht zu Lebzeiten des [X.]erst die Auskehrung des Vermögens Schenkungsteuer auslösen konnte, sofern der Trustgeber oder die Begünstigten zu diesem Zeitpunkt als Steuerinländer unbeschränkt steuerpflichtig waren oder im Fall der beschränkten Steuerpflicht einzelne Gegenstände des verteilten [X.]zum Inlandsvermögen gehörten ([X.]in Troll/Gebel/Jülicher, a.a.O., § 7 Rz 335). Nach den durch das [X.]1999/2000/2002 eingeführten Vorschriften werden nunmehr auch bereits der Übergang von Vermögen auf einen vom Erblasser angeordneten Trust, der Übergang von Vermögen bei der Einrichtung eines Trusts zu Lebzeiten des [X.]und die Auflösung eines Trusts der Steuer unterworfen und zudem der Trust --bei Übergang von Vermögen auf einen vom Erblasser angeordneten Trust und bei Übergang von Vermögen bei der Einrichtung eines Trusts zu Lebzeiten des [X.]als Steuerschuldner bestimmt. Insoweit wollte der Gesetzgeber ausdrücklich eine [X.]bei Vermögensmassen ausländischen Rechts schließen, die zur Ersparnis von Erbschaft- und Schenkungsteuer eingesetzt wurden, weil bei dieser Konstruktion keine Steuerpflicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung eine Steuerpflicht ausgelöst wurde (BTDrucks 14/23, S. 200). Der Gesetzgeber hat sich hierbei ausdrücklich für die Gleichstellung von Vermögensmassen ausländischen Rechts mit den (rechtsfähigen) Stiftungen entschieden und diesen unabhängig davon, ob sie rechtsfähig sind oder nicht, erbschaftsteuer- und schenkungsteuerrechtlich die [X.]und Steuerschuldnereigenschaft zugesprochen (vgl. BTDrucks 14/443, S. 41). Eine Gleichstellung von inländischen Vermögensmassen mit rechtsfähigen Stiftungen sowie ihre [X.]und Steuerschuldnerschaft hat der Gesetzgeber auch bei diesen Vorschriften jedoch nicht angeordnet.

d) Schließlich steht der Nichteinbeziehung der [X.]in § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.]nicht entgegen, dass sie körperschaftsteuerpflichtig sein kann. Denn nach § 1 Abs. 1 KStG sind auch Vermögensmassen körperschaftsteuerpflichtig; wegen § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG gilt dies unabhängig davon, ob sie rechtsfähig oder nichtrechtsfähig sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 201, 287, unter II.1.). Auch § 3 Abs. 1 KStG sieht ausdrücklich eine Körperschaftsteuerpflicht von nichtrechtsfähigen Vermögensmassen vor.

3. Nach diesen Grundsätzen unterliegt die [X.]als nichtrechtsfähige [X.]nicht der [X.]nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.]Die Vorentscheidung, der Bescheid vom 7. August 2015 und die Einspruchsentscheidung vom 4. Januar 2016 sind daher aufzuheben.

4. [X.]beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Meta

II R 26/16

25.01.2017

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 25. Mai 2016, Az: 7 K 291/16, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 4 ErbStG 1997, § 20 Abs 1 S 1 ErbStG 1997, § 80 BGB, §§ 80ff BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.01.2017, Az. II R 26/16 (REWIS RS 2017, 16740)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16740

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