Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2018, Az. VII ZB 50/17

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 6597

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:040718BVIIZB50.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 50/17
vom

4. Juli 2018

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am 4.
Juli 2018 durch den Richter
Dr.
[X.] und die Richterinnen [X.], [X.], [X.] und Dr.
Brenneisen
beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Schuldners werden die Beschlüsse der 34. Zivilkammer des [X.] vom 6.
Juli
2017

34
T
117/17
-
und des Amtsgerichts -
Vollstreckungsgericht -
Bergisch [X.] vom 18. April
2017 -
38 M 1267/17 -
sowie der Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts

Vollstreckungsgericht -
Bergisch [X.] vom 19. September
2016 aufgehoben.
Der Antrag der Gläubigerin vom 15. September
2016 auf Erlass eines Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses wird zurückge-wiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat die Gläubigerin zu tra-gen.

Gründe:
I.
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts M.

vom 6.
Februar
2012 (

), mit dem der Schuldner zur Zahlung von 21.250.000

nebst Zinsen an die Gläubigerin [X.] um [X.] gegen Übergabe und Übertragung des Eigentums an 2.500.000
Stück Aktien der C.
AG verurteilt worden ist. Am 12.
Februar 2013 veräußerte die Gläubigerin die 2.500.000
Aktien der C.
AG für 1
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3
-
6.250.000

.

hat mit Urteil
vom 22.
Februar 2016 (

)
festgestellt, dass der Schuldner durch
den freihändigen Verkauf
der Aktien der C.
AG
an die [X.] mit notariellem
Kaufvertrag vom 12. Februar 2013
hinsichtlich der ihm aus dem Urteil des Landgerichts M.

vom 6.
Februar 2012 [X.] um [X.] gebührenden Über-
gabe und Übertragung des Eigentums an 2.500.000 Stück Aktien der [X.] befriedigt ist. Die dagegen gerichtete Berufung des Schuldners hat das Ober-landesgericht M.

mit Urteil vom 12.
Januar
2017 zurückgewiesen. Der
Schuldner hat gegen dieses Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.
Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht -
Vollstreckungsgericht -
am 19. September 2016 einen Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss erlas-sen, mit dem diverse angebliche Forderungen und Vermögensrechte des Schuldners gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen worden sind. Die vom Schuldner gegen den Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss eingelegte Vollstreckungserinnerung, mit der der Schuldner die Aufhebung des Beschlusses erstrebt hat, hat das Amtsgericht -
Vollstreckungsgericht -
zurück-gewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möch-te der Schuldner die Aufhebung des Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses vom 19. September 2016 und die Zurückweisung des Antrags der Gläubigerin erreichen.

II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, § 575 ZPO statthaf-te und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.

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1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt,
den Beweis, dass der Schuldner im Verzug der An-nahme sei, habe die Gläubigerin durch das Urteil des Landgerichts M.

vom 22.
Februar 2016 ausreichend im Sinne des §
765 ZPO geführt. Das Urteil stelle eine öffentliche Urkunde dar, dessen
Abschrift dem Schuldner am 11.
März 2016 zugestellt worden sei. Die fehlende Rechtskraft dieses Urteils stehe dem nicht entgegen, weil der Nachweis auch durch öffentliche oder öffentlich
beglaubigte Urkunden geführt werden könne, die nicht der Rechtskraft fähig seien. Für den Nachweis habe das Vollstreckungsgericht anhand der [X.] Urkunden unter Heranziehung des zu vollstreckenden Titels selbstän-dig zu prüfen, ob sich daraus schlüssig ergebe, dass der Schuldner die ihm ge-bührende Gegenleistung erhalten habe. Die Beweiskraft der Urkunden nach §§
756, 765 ZPO sowie die Zulässigkeit und die Anforderungen an den [X.] richteten sich nach den allgemeinen Vorschriften und insbesondere den §§
415
ff. ZPO. Aus dem Tenor des Urteils des Landgerichts M.

vom
22.
Februar 2016 ergebe sich schlüssig, dass die Gegenleistung erbracht [X.] sei.
Demgegenüber habe der Schuldner keinen ausreichenden Gegenbeweis geführt. Der Beweis des Gegenteils könne sich bei einem Urteil nur gegen die innere Beweiskraft richten und sei, wenn die Urkunde einen rechtsmittelfähigen Inhalt habe, nur durch Einlegung des Rechtsmittels zu führen. Allein die [X.] und Begründung der Berufung könne dabei nicht ausreichen, um den [X.] zu führen. Anderenfalls würde ein zur Verzögerung der [X.] eingelegtes Rechtsmittel privilegiert. Nach diesen Maßstäben habe der Schuldner den Gegenbeweis nicht geführt. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts M.

vom 22. Februar 2016 sei nicht zugunsten des
Schuldners entschieden worden. Das Berufungsgericht habe die vorläufige [X.] der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts M.

vom 22.
Februar 2016 mit Beschluss vom 17.
Juni 2016 abgelehnt.
2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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Die Auffassung des [X.], die besonderen Voraussetzun-gen für den Erlass des von der Gläubigerin beantragten Pfändungs-
und Über-weisungsbeschlusses nach § 765 ZPO lägen vor, ist von [X.] beein-flusst.
Hängt die Vollstreckung von einer [X.] um [X.] zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so darf das Vollstreckungsgericht nach §
765 Nr. 1 1. Halbsatz ZPO eine Vollstreckungsmaßregel nur anordnen, wenn der Beweis, dass der Schuldner befriedigt oder im Verzug der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde geführt wird und eine Ab-schrift dieser Urkunde bereits zugestellt ist. Für die Beweisführung durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde kommt es auf deren Beweiskraft an, die nach den §§ 415 ff. ZPO zu beurteilen ist.
Im Streitfall geht es um die Frage, ob der Beweis, dass der Schuldner hinsichtlich der [X.] um [X.] zu bewirkenden Leistung der Gläubigerin (Überga-be und Übertragung des Eigentums an 2.500.000 Stück Aktien der [X.]) be-friedigt ist (§ 765 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 1 ZPO), durch das nicht rechtskräftige [X.] des Landgerichts M.

vom 22. Februar 2016 geführt
wird. Das ist nicht der Fall.
a) Nach § 417 ZPO begründen die von einer Behörde ausgestellten, eine amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung enthaltenden öffentlichen Urkunden vollen Beweis ihres Inhalts. Dies bedeutet, dass die Urkunde über den Erlass eines Urteils nach § 417 ZPO den Beweis dafür erbringt, dass die darin beurkundete Entscheidung ergangen ist, nicht jedoch den Beweis für ihre inhaltliche Richtigkeit (vgl. [X.], Urteil vom 15. März 2012 -
IX ZR 239/09 Rn.
21, [X.], 823; [X.], [X.], 266, juris Rn. 31; [X.], [X.] 2009, 240, juris Rn. 19; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 417 Rn. 3, 6; [X.], ZPO, 23. Aufl., §
417 Rn. 2; [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 417 Rn. 2; Musielak/[X.]/[X.], ZPO, 15. Aufl., § 417 Rn. 2).

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Hat der Gläubiger, der aus einem [X.]-um-[X.]-Titel vollstrecken will, im Hinblick auf §§ 765, 756 ZPO eine Feststellungsklage erhoben mit dem Ziel, festzustellen, dass der Schuldner hinsichtlich der vom Gläubiger [X.] um [X.] zu erbringenden Gegenleistung befriedigt ist, hängt die materielle Beweiskraft ei-nes
daraufhin ergangenen [X.] von seiner Rechtskraft ab (vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl., § 756 Rn. 45; [X.], ZPO, 23.
Aufl., § 417 Rn. 3; [X.], [X.], 266, juris Rn. 26; [X.], [X.] 1994, 307, juris Rn.
17). Der gerichtliche Feststellungsaus-spruch erlangt für die Parteien Bindungswirkung erst mit der Rechtskraft des [X.]. Nach Eintritt der Rechtskraft richtet sich das Rechtsver-hältnis der Parteien nach dem Inhalt der getroffenen Feststellung, ohne dass eine der Parteien geltend machen könnte, die Feststellung sei inhaltlich unrich-tig getroffen worden (vgl. [X.], ZPO, 22. Aufl., § 322 Rn. 34).
b) Anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, ergibt sich [X.], dass nicht der Rechtskraft fähige öffentliche Urkunden zum Nachweis [X.], dass der Schuldner hinsichtlich einer [X.] um [X.] zu bewirkenden Gegen-leistung befriedigt ist, herangezogen werden können, nicht, dass im [X.] mit der nach §§ 765, 756 ZPO geforderten Beweisführung durch öf-fentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde in keinem Fall auf den Eintritt der Rechtskraft eines Urteils abgestellt werden darf. Welche Beweiswirkung sich aus einer öffentlichen Urkunde ergibt, bestimmt sich jeweils unter Heranziehung der §§ 415 ff. ZPO. Die formelle Beweiskraft eines nicht rechtskräftigen Fest-stellungsurteils, mit dem festgestellt wird, dass der Schuldner hinsichtlich der Gegenleistung befriedigt ist, ermöglicht daher gerade nicht die Beweisführung dafür, dass dies tatsächlich der Fall ist. Die dem [X.] zugrunde liegende rechtliche Bewertung des Gerichts wird zwischen den Parteien des Verfahrens erst verbindlich, wenn das Urteil rechtskräftig ist.
c) Eine andere Betrachtung ist nicht geboten, weil in der Rechtsprechung die Möglichkeit anerkannt ist, im Erkenntnisverfahren einen [X.] um [X.] gegen Erbringung einer Gegenleistung gestellten [X.] mit dem Antrag zu 12
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verbinden, festzustellen, der Beklagte befinde sich in Bezug auf die Gegenleis-tung im Verzug der Annahme (vgl. [X.], Urteil vom 28. Oktober 1987 -
VIII [X.], juris Rn. 21 m.w.N., [X.], 1496). In diesem Fall rechtfertigt das aus prozessökonomischen Gründen anzuerkennende rechtliche Interesse des Gläubigers gemäß §
256 Abs. 1 ZPO, seinen [X.] um [X.] gestellten Zahlungs-antrag mit einem Feststellungsantrag zum Vorliegen des Annahmeverzugs zu verbinden. Die durch diese Feststellung bezweckte Beweisführung im Sinne des
§ 765 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 ZPO ist schon dann anzuerkennen, wenn
die Voraussetzungen
für die Vollstreckung des [X.], mit dem der Fest-stellungsausspruch lediglich als Annex verbunden ist, gegeben sind. Die von der Gläubigerin nachträglich erhobene Feststellungsklage betrifft indes die Feststellung, dass der Schuldner durch den Verkauf der 2.500.000 Stück Aktien der C.
AG hinsichtlich der ihm aus dem Urteil des Landgerichts M.

vom
6.
Februar 2012 [X.] um [X.] gebührenden Übergabe und Übertragung dieser Aktien befriedigt ist (§
765 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 1
ZPO).
d) An einer solchen rechtskräftigen Feststellung, dass der Schuldner hin-sichtlich der [X.] um [X.] zu erbringenden Gegenleistung, der Übergabe und Übertragung des Eigentums an 2.500.000 Aktien der [X.], befriedigt ist, fehlt es hier.
Das Urteil des Landgerichts M.

vom 22.
Februar 2016, in dem
festgestellt wird, dass der Schuldner hinsichtlich der ihm aus dem Urteil des Landgerichts M.

vom 6.
Februar 2012 gebührenden [X.]-um-[X.]-
Leistung befriedigt ist, ist nicht rechtskräftig.
3. Die Entscheidungen des [X.] und des Amtsgerichts -
Vollstreckungsgericht -
sowie der hierdurch bestätigte Pfändungs-
und Über-weisungsbeschluss vom 19. September 2016 können danach keinen Bestand haben und sind aufzuheben. Der Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines Pfän-dungs-
und Überweisungsbeschlusses ist zurückzuweisen. Der [X.] hat ge-mäß § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden, da die [X.] der Entscheidungen nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung 15
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des Rechts
auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

[X.]

[X.]
[X.]

[X.]

Brenneisen

Vorinstanzen:
AG Bergisch [X.], Entscheidung vom 18.04.2017 -
38 M 1267/16 -

LG [X.], Entscheidung vom 06.07.2017 -
34 [X.]/17 -

17

Meta

VII ZB 50/17

04.07.2018

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2018, Az. VII ZB 50/17 (REWIS RS 2018, 6597)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6597

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Vollstreckung aus einem Zug-um-Zug-Titel: Materielle Beweiskraft eines auf die Feststellungsklage des Gläubigers ergangenen Feststellungsurteils über …


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IX ZR 239/09

V ZB 150/16

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