Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.11.2013, Az. XII ZB 86/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1396

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]/13

vom

6. November
2013

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §
2 Satz
1; FamFG §
168 Abs.
1 Satz
4; [X.] §
8
a)
Die materielle Ausschlussfrist des §
2 Satz
1 [X.] findet keine
analoge Anwen-dung auf die Rückforderung überzahlter Betreuervergütung durch die Staatskas-se.
b)
Einer Rückforderung überzahlter Betreuervergütung kann der Vertrauensgrund-satz entgegenstehen, wenn eine Abwägung ergibt, dass dem Vertrauen des Be-rufsbetreuers auf die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung einer dem Gesetz entspre-chenden Vermögenslage der Vorrang einzuräumen ist.
[X.], Beschluss vom 6. November 2013 -
XII [X.]/13 -
LG Berlin

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 6.
November
2013
durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose
und [X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Auf die
Rechtsbeschwerde der Beteiligten
zu
1 wird der
Beschluss der 87.
Zivilkammer des [X.] vom 18.
Januar 2013 aufgehoben.
Die
Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
[X.]: bis 900

Gründe:
Das Verfahren betrifft die gerichtliche Festsetzung der Betreuervergütung nach §§
292 Abs.
1, 168 Abs.
1 Satz
4 FamFG zum Zweck der Rückforderung überzahlter
Beträge.

I.
Die Beteiligte zu
1
(im Folgenden: Betreuerin) wurde 2006 als Berufsbe-treuerin der mittellosen
Betroffenen bestellt.
Während die Betreuerin
im ersten Betreuungsjahr
(27.
November 2006 bis 26.
November 2007)
für die [X.] Vergütungen aus der Landeskasse auf der Grundlage eines Stun-1
2
-
3
-
densatzes
von 27

beantragt hatte, machte sie im zweiten, dritten und vierten Betreuungsjahr
(27.
November 2007 bis 26.
November 2010)
einen [X.] von 33,50

. Den erhöhten Stundensatz begründete sie damit, dass sie seit 2001 als [X.] arbeite, zahlreiche Betreuungen führe, die dazu erforderlichen Kenntnisse im Selbststudium und durch praktische An-wendung gefestigt und darüber hinaus an verschiedenen [X.] teilgenommen habe. Im Wege der Verwaltungsanweisung wurden der Betreuerin jeweils antragsgemäß Vergütungen aus der Landeskasse bewil-ligt und
für
den Betreuungszeitraum vom 27.
November 2007 bis 26.
November 2010
im Dezember 2008, Januar 2010 und Januar 2011
in Höhe von insgesamt 4.130,55

ausgezahlt.
Auf Anregung
des Beteiligten zu
2
(im Folgenden: [X.])
hat
das Amtsgericht gemäß §
168 Abs.
1 Satz
1 FamFG die Vergütung für die Be-treuerin für den [X.]raum vom 27.
November 2007 bis 26.
November 2010 auf der Grundlage eines Stundensatzes von 27

auf insgesamt 3.329,10

ge-setzt. Zugleich hat es die Erstattung der
während dieses [X.]raums zu viel aus-gezahlten
Vergütung in Höhe von 801,45

Landeskasse angeordnet. Weiter hat es angekündigt, dass der überzahlte Betrag mit
dem nächsten Ver-gütungsantrag der Betreuerin verrechnet werde, sofern keine Erstattung erfol-ge.
Die Beschwerde der Betreuerin hat das [X.] mit der Maßgabe zu-rückgewiesen, dass die Aufforderung zur Erstattung der zu viel ausgezahlten Vergütung in Höhe von 801,45

In der Sache ha-be das Amtsgericht allerdings zutreffend angenommen, dass der Betreuerin für die berufsmäßige Betreuung
nur
eine Vergütung nach
einem Stundesatz in [X.] von 27

zustehe.
3
4
-
4
-
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde
begehrt die Betreuerin die Festsetzung ihrer Betreuervergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 33,50

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des [X.] Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlan-desgericht.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist die Betreuerin durch die gerichtliche Festsetzung der Betreuervergütung beschwert, weil diese eine Beitreibung des
überzahlten Betrags
im Wege des [X.] nach §
1 Abs.
1 Nr.
8 [X.] vorbereitet
(vgl. [X.] 2006, 116; [X.] Beschluss vom 20.
Dezember 2007

8
T
955/07

juris Rn.
17).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
a) Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Das Amtsgericht sei in dem auf Anregung
des [X.]s
eingeleite-ten gerichtlichen Festsetzungsverfahren nach §
292 Abs.
1 FamFG iVm §
168 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 FamFG nicht an die zuvor erfolgten Anweisungen der [X.] gebunden gewesen.
Zutreffend sei das Amtsgericht auch davon ausgegangen, dass eine erstmalige förmliche Festset-zung der Betreuervergütung für die [X.] vom 27.
November 2007 bis zum 26.
November 2010 noch habe ergehen können. Zwar werde von Teilen der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die Frist des §
2 [X.] auf die 5
6
7
8
9
10
-
5
-
Rückforderung überzahlter Betreuervergütung entsprechend anwendbar sei. Danach wäre eine Rückforderung der Vergütungen für die bis zum 27.
Februar 2010 erbrachten Betreuerleistungen
angesichts des erst am 22.
Juni 2011 bei Gericht eingegangenen Antrags des [X.]s ausgeschlossen gewesen. Dieser Ansicht sei nicht zu folgen. Zweck der Ausschlussfrist des §
2 [X.] sei es zu verhindern, dass ein Betreuer durch säumige Abrechnung erhebliche An-sprüche anhäufe, so dass er nach §
1 Abs.
2 Satz
2 [X.] die Staatskasse in Anspruch nehmen könne, wenn der Betreute jedenfalls zur vollständigen [X.] nicht in der Lage sei und deshalb als mittellos gelte. Schon diese Zielrichtung der Vorschrift verbiete es, einen Rückforde-rungsanspruch der Staatskasse wegen überzahlter Vergütung der Ausschluss-frist des §
2 [X.] zu unterstellen. Der Rückforderungsanspruch unterliege le-diglich der dreijährigen Verjährungsfrist des §
2
Abs.
4 [X.], die aber im [X.]-punkt der Antragstellung durch den [X.] noch nicht abgelaufen gewe-sen sei.
b) Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.
aa) Allerdings ist es nicht zu beanstanden, dass
das Beschwerdegericht keinen erhöhten Stundensatz für die Tätigkeit der Betreuerin festgesetzt
hat. Die tatrichterliche Würdigung des [X.], nach der die Betreuerin nicht über besondere für die Betreuung nutzbare Kenntnisse verfügt, die sie durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule, eine abgeschlos-sene Lehre
oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben hat, hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Das Beschwerdegericht hat unter Be-rücksichtigung der Rechtsprechung
des [X.]s zur Höhe des dem Berufsbe-treuer gemäß §
4 [X.] zu vergütenden Stundensatzes
([X.]sbeschlüsse vom 18.
Januar 2012

XII
ZB
409/10
FamRZ 2012, 629 Rn.
11; vom 4.
April 11
12
-
6
-
2012

XII
ZB
447/11

NJW-RR 2012, 774 Rn.
16
ff. und vom 22.
August 2012

XII
ZB
319/11
NJW-RR 2012, 1475 Rn.
16
ff.)
in nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass das von der Betreuerin abgeschlossene [X.] im Studiengang Chemie keine besonderen, für die Führung der [X.] nutzbaren Kenntnisse vermittelt und die von ihr absolvierten Fort-
und Weiterbildungsmaßnahmen ohne staatlich reglementierten Abschluss einer ab-geschlossenen Lehre nicht vergleichbar sind
([X.]sbeschlüsse vom 18.
Janu-ar 2012

XII
ZB
461/10
FamRB 2012, 119 Rn.
11
f. und vom 26.
Oktober 2011

XII
ZB
312/11
FamRZ 2012, 113 Rn.
14
ff.).
bb) Ebenso
hat das Beschwerdegericht zutreffend eine analoge Anwen-dung des §
2 [X.] auf die
amtswegige gerichtliche Festsetzung nach §
168 Abs.
1 Satz
1 FamFG mit dem Ziel der
Rückforderung überzahlter Betreuerver-gütung abgelehnt.
Gemäß §
292 Abs.
1 FamFG iVm §
168 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 FamFG setzt das Amtsgericht auf Antrag des Betreuers oder des Betreuten oder von Amts wegen in einem gerichtlichen Festsetzungsverfahren die dem Betreuer zu be-willigende Vergütung fest. Schließt sich das gerichtliche Festsetzungsverfahren

wie hier

an eine Festsetzung und Auszahlung der Betreuervergütung im ver-einfachten [X.]
nach §
292 Abs.
1 FamFG iVm §
168 Abs.
1 Satz
4 FamFG durch den Kostenbeamten des Gerichts an, ist das [X.] nicht an die vorherige Festsetzung gebunden; es kann diese über-
oder unterschreiten. Mit der gerichtlichen Entscheidung wird die Anweisung des Kos-tenbeamten des Gerichts wirkungslos
([X.] 2006, 116; [X.]/[X.]
FamFG 17.
Aufl. §
168 Rn.
5; [X.]/[X.] Die Vergütung des Betreuers 6.
Aufl. Rn.
1495; [X.]/Kretz
Betreuungsrecht 4.
Aufl. §
168 Rn.
5; [X.]/[X.] ZPO 29.
Aufl. §
168 FamFG Rn.
3; Jurgeleit/[X.] Betreu-13
14
-
7
-
ungsrecht 2.
Aufl. §
168 FamFG Rn.
9; vgl. auch [X.]sbeschluss vom 27.
Februar 2013

XII
ZB
492/12
mRZ 2013, 781 Rn.
7 mwN).
Ist die Tätigkeit des Betreuers gemäß §
4 [X.] entsprechend seiner Ausbildung tatsächlich mit einem geringeren als dem bei der Anweisung
im vereinfachten [X.] zugrunde gelegten Stundensatz zu vergüten, kann die Staatskasse den überzahlten Betrag grundsätzlich zurück-fordern. Ihr steht insoweit ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu (OLG Köln
[X.] 2006, 116; [X.] Beschluss vom 20.
Dezember 2007

8
T
955/07
juris Rn.
13; vgl. zur Rückforderung zu viel
gezahlter Sach-verständigenvergütung Bach/Meyer/[X.] [X.] 25.
Aufl. §
2 [X.] Rn.
2.10), welcher im Wege des Justizbeitreibungsverfahrens nach §
1 Abs.
1 Nr.
8, Abs.
2 [X.] nach vorheriger Festsetzung im gerichtlichen Festsetzungsver-fahren beizutreiben
ist.
In der Rechtsprechung und Literatur ist
streitig, ob die
Rückforderung der im vereinfachten [X.] zu viel gezahlten Betreuervergü-tung einer zeitlichen Begrenzung durch §
2 [X.] unterliegt.
Gemäß §
2 Satz
1 [X.] erlischt der Vergütungsanspruch des Betreuers, wenn er nicht binnen 15
Monaten nach seiner Entstehung beim Familiengericht geltend gemacht wird.

(1)
Von Teilen der Rechtsprechung und Literatur wird vertreten, dass im umgekehrten Fall der
Rückforderung
überzahlter Betreuervergütung entspre-chend §
2 [X.] ebenfalls eine Frist von
15
Monaten
ab dem Schluss der [X.] Abrechnungsperiode des §
9 [X.]
gilt
([X.] Beschluss vom 20.
Dezember 2007

8
T
995/07

juris Rn.
19;
LG [X.], 1689;
LG [X.] BtPrax 2012, 173;
Knittel Betreuungsgesetz
[Stand: 1.
September 2011]
§
2 [X.] Rn.
30).
Eine nachträgliche Festsetzung der Be-15
16
17
-
8
-
treuervergütung im
gerichtlichen Verfahren nach §
168 Abs.
1 Satz
1 FamFG mehr als 15
Monate nach der Entstehung des Anspruchs wäre nach dieser An-sicht ausgeschlossen.
(2)
Nach anderer Ansicht unterliegt
die Rückerstattung jedenfalls nicht der Ausschlussfrist des §
2 [X.] ([X.] NJW-RR 2012, 390,
391; [X.] Betreuungsrecht 4.
Aufl. 2010 §
2 [X.] Rn.
3; jurisPK-BGB/[X.] 6.
Aufl. §
2 [X.] Rn.
20; [X.]/Götz 72.
Aufl. §
2 [X.] Rn.
1), so dass eine gerichtliche Festsetzung nach §
168 Abs.
1 Satz
1 FamFG grund-sätzlich auch nach Ablauf von 15
Monaten nach der Entstehung des Anspruchs möglich wäre.
(3) Der letztgenannten Ansicht ist zu folgen. §
2 [X.] richtet sich nach seiner Stellung im Gesetz
ausschließlich
an den Vormund bzw. Betreuer. Für den Fall der Rückforderung
zu viel gezahlter Betreuervergütung findet sich hin-gegen keine ausdrückliche Regelung.
Einer analogen Anwendung des §
2 [X.] steht jedenfalls entgegen, dass eine vergleichbare Interessenlage nicht gegeben ist. Sinn und Zweck der mit §
2 [X.] geregelten
fünfzehnmonatigen Ausschlussfrist für die Geltend-machung des Vergütungsanspruchs ab dessen Entstehung ist es, den Betreuer zur zügigen Geltendmachung seiner Ansprüche anzuhalten. Damit soll verhin-dert werden, dass Ansprüche in einer Höhe auflaufen, die die Leistungsfähigkeit des Betreuten überfordert, dessen Mittellosigkeit begründet und damit eine Ein-standspflicht der Staatskasse auslöst, die bei rechtzeitiger Inanspruchnahme des Betreuten nicht begründet gewesen wäre.
Die Inanspruchnahme der Staatskasse soll in allen Fällen vermieden werden, in denen die [X.] bei fristgerechter Geltendmachung aus dem einzusetzenden Einkom-men und Vermögen des Betroffenen befriedigt werden können. Die Obliegen-18
19
20
-
9
-
heit zur fristgerechten Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs dient wesentlich dem Interesse der Staatskasse; sie kann nach ihrem Sinn und Zweck nicht
die Staatskasse selbst treffen
(BT-Drucks. 13/7158 S.
27
und S.
22
f. zur Vorgängervorschrift §
1836 Abs.
2 Satz
4 BGB).
Soweit die Rechtsbeschwerde demgegenüber
einwendet, auch die Staatskasse sei zur zügigen Geltendmachung ihrer Rückforderungsansprüche anzuhalten, um der Gefahr zu begegnen, dass ein Rückforderungsanspruch ins Leere gehe, wenn der Betreuer seinerseits zwischenzeitlich mittellos werde, ist dem nicht zu folgen.
Sonst würde nach Ablauf der materiellen Ausschlussfrist des §
2 [X.] auch ein noch realisierbarer Rückforderungsanspruch erlöschen und damit
ein [X.] der Staatskasse eintreten, der dem Sinn und Zweck der Vorschrift erkennbar zuwiderläuft.
cc) Allerdings hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft nicht erwogen, ob eine
nachträgliche Herabsetzung der
Betreuervergütung im gerichtlichen Festsetzungsverfahren
zum Zweck der Rückforderung überzahlter Betreuerver-gütung nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt des
Vertrauensschut-zes ausgeschlossen sein könnte.
Zwar ist die Staatskasse dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Ver-waltung verpflichtet, so dass ihr Interesse darauf gerichtet sein muss, eine ohne Rechtsgrund eingetretene Vermögensverschiebung zu beseitigen und den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen. Nachdem das Gericht in dem [X.] nach §
168 Abs.
1 Satz
1 FamFG nicht an die vorangegan-gene Anweisung der Betreuervergütung im Wege des vereinfachten Justizver-waltungsverfahrens gebunden ist, kann die zu viel
gezahlte Betreuervergütung grundsätzlich zurückgefordert werden.

21
22
23
-
10
-
Allerdings kann einer
(Neu-)Festsetzung der Betreuervergütung, welche
eine Rückforderung überzahlter
Beträge zur
Folge hätte, im Einzelfall der [X.] entgegenstehen, wenn das Vertrauen des Betreuers auf die Beständigkeit einer ihm in der Vergangenheit rechtswidrig
gewährten Vergütung schutzwürdig ist. Der Vertrauensschutz
ist bereits bei der Festsetzung der Be-treuervergütung im
gerichtlichen Verfahren nach §
168 Abs.
1 Satz
1 FamFG zu prüfen, denn mit der gerichtlichen Festsetzung der Vergütung wird im Falle be-reits zuviel erhaltener Leistungen zugleich der Rechtsgrund für deren
Rückfor-derung
geschaffen. Das
nachfolgende
Verfahren der Justizbeitreibungsordnung lässt
keinen Raum für Einwendungen der vorbezeichneten Art, denn es dient lediglich dem Vollzug der Rückforderung. Dies folgt aus
§
8 Abs.
1 Satz
1 [X.], wonach im Fall des §
1 Abs.
1 Nr.
8 [X.] (Ansprüche gegen Be-treuer auf Erstattung von zuviel gezahlten Beträgen; vgl. insoweit [X.]. 960/96 S.
41) solche Einwendungen, die den [X.] Anspruch selbst betreffen, nach den Vorschriften über die Feststellung des Anspruchs gericht-lich geltend zu machen
sind. Dabei ist der Begriff der Einwendung i.S.d. §
8 [X.] weit zu verstehen; er umfasst sämtliche Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch (vgl. LG
Braunschweig Beschluss vom 20.
Dezember 2007

8
T
955/07
juris Rn.
18 unter Hinweis auf [X.] Beschluss vom 25.
Feb-ruar 2003

VII
K
1/03
juris Rn.
3). Denn der Streit über die Frage, ob eine Leistungs-
oder Duldungspflicht besteht, ist nicht im Vollstreckungsverfahren auszutragen (vgl. BT-Drucks. 2/2545 S.
211; [X.] 1996,
769, 770). Das gilt auch für Rückforderungsansprüche gegen Betreuer auf Erstattung zuviel gezahlten Leistungen der Staatskasse. Zwar sind Vormünder, Betreuer, Pfleger und Verfahrenspfleger
in §
8 Abs.
1 Satz
1 [X.] nicht ausdrücklich erwähnt. Hierbei handelt es sich jedoch um ein offensichtliches Redaktionsversehen des Gesetzgebers, der die Rückforderung zuviel gezahlter Leistungen in diesen Fäl-len wie bei den übrigen in §
1 Abs.
1 Nr.
8 [X.] aufgeführten [X.]
-
11
-
pen regeln wollte
(vgl. [X.]. 960/96 S.
41)
und
bei der Änderung des §
1 Abs.
1 Nr.
8 [X.] übersah, auch den korrespondierenden Wortlaut des §
8 Abs.
1 Satz
1 [X.] entsprechend anzupassen.
Nach der Systematik des §
8 [X.] sollen besondere Rechtsbehelfe außerhalb des den Rechtsgrund für die Beitreibung schaffenden Festsetzungsverfahrens nämlich nur dort eröffnet sein, wo der Prüfungsumfang des
Festsetzungsverfahrens besonderen inhaltli-chen Beschränkungen unterliegt, insbesondere im
Bereich der
Kostenfestset-zung, wo nur Einwendungen erhoben werden können, die dem Kostenrecht entnommen sind (vgl. BT-Drucks. 2/2545 S.
211).
Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch
auf Rückforderung über-zahlter Betreuervergütung kann
entfallen, wenn eine Abwägung im Einzelfall ergibt, dass dem Vertrauen des [X.] auf die Beständigkeit der ein-getretenen Vermögenslage gegenüber dem öffentlichen Interesse an der [X.] einer dem Gesetz entsprechenden Vermögenslage
der
Vorrang einzuräumen ist ([X.] 2006, 116
unter Berufung auf [X.], 2436,
2437;
LG
Braunschweig Beschluss vom 20.
Dezember 2007

8
T
955/07
juris Rn.
21;
[X.] Beschluss vom 12.
Mai 2010

3
T
8/10
juris Rn.
3; [X.]/[X.] FamFG 17.
Aufl. §
168 Rn.
5; [X.]/Kretz
Betreuungsrecht 4.
Aufl. §
168 Rn.
5; [X.]/[X.] ZPO 30.
Aufl. §
168 FamFG Rn.
3; vgl. auch zur Rückforderung zu viel gezahlter [X.] Justiz 1991, 208).
In diesem Fall wäre schon eine abweichende Festsetzung im gerichtlichen Festsetzungsverfahren ausgeschlossen.
Die Betreuerin hat sich im Festsetzungsverfahren nach §§
292 Abs.
1,
168 Abs.
1 FamFG darauf berufen, dass sie sich auf die Beständigkeit der Aus-zahlung ihrer im Verwaltungsverfahren erfolgten Vergütung verlassen habe. Auch entstehe ihr ein finanzieller Schaden, weil sie auf der Grundlage der Ein-25
26
-
12
-
künfte Einkommen-
und Gewerbesteuer entrichtet sowie Krankenkassenbeiträ-ge abgeführt habe. Dies stelle eine unbillige Härte dar.
Das Beschwerdegericht hätte
daher
prüfen müssen, ob dieses Vorbringen einen die Rückforderung ganz oder teilweise ausschließenden Vertrauenstatbestand begründet.
3. Wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers kann die angefochtene Ent-scheidung keinen Bestand haben. Der [X.] kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, weil der von der Betreuerin geltend gemachte [X.] einer tatrichterlichen Beurteilung bedarf, die der [X.] nicht ersetzen kann.
Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin:
Bei der Beurteilung, ob im Rahmen der Herabsetzung der [X.] der Betreuerin in die Beständigkeit der eingetretenen Ver-mögenslage schützenswert ist, wird einerseits zu berücksichtigen sein, dass die schlichte Anweisung der Vergütung im [X.] wirkungslos wird, wenn in einem Verfahren auf Festsetzung der Vergütung nach §
168 Abs.
1 FamFG eine Entscheidung ergeht. In dem förmlichen Festsetzungsver-fahren ist das Gericht nicht an die vorherige formlose Verwaltungsanordnung (§
168 Abs.
2 Satz
4 FamFG) gebunden; es kann diese überschreiten oder

wie vorliegend

unterschreiten ([X.]sbeschluss vom 8.
Februar 2012

XII
ZB
230/11

juris Rn.
14
f.; vgl.
auch
[X.] 2006, 116). Damit muss ein Betreuer, der die förmliche Festsetzung seiner Vergütung auch selbst zunächst nicht beantragt hatte, grundsätzlich rechnen.
Andererseits ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Berufsbetreuer seinen Lebensunterhalt ganz oder teilweise aus den Einnahmen der [X.] bestreitet und die formlos festgesetzten und ausgezahlten Beträge im [X.]punkt der späteren förmlichen Festsetzung regelmäßig bereits ver-27
28
29
30
-
13
-
braucht sind. Daher kann eine Zumutbarkeitsschwelle überschritten sein, wenn bereits ausgezahlte Vergütungen für einen übermäßig langen [X.]raum rückge-fordert werden.
Das Kostenrecht
hat den Vertrauensschutzgesichtspunkt aufgegriffen, indem es für einen Fall mit vergleichbarer Interessenlage, nämlich der Nachfor-derung ursprünglich zu niedrig festgesetzter
Kosten, in §
20 Abs.
1 GNotKG (früher: §
20
Abs.
1 GKG) eine Regelung getroffen hat, wonach diese nur nach-gefordert werden dürfen, wenn der berichtigte Ansatz dem Zahlungspflichtigen vor Ablauf des nächsten Kalenderjahres nach Absendung der den Rechtszug abschließenden Kostenrechnung (Schlusskostenrechnung) mitgeteilt worden ist; dies gilt nur dann nicht, wenn die Nachforderung auf vorsätzlich oder grob fahrlässig falschen Angaben des Kostenschuldners beruht oder wenn der ur-sprüngliche [X.] unter einem bestimmten Vorbehalt erfolgt ist. [X.] wird dem [X.] auferlegt, die kostenrechtlichen Interessen der Staatskasse binnen der genannten Fristen zur Geltung zu bringen, andernfalls das gutgläubige Vertrauen in die verwaltungsmäßig getroffene Regelung [X.] genießt.
Zwar
ist die
in §
20 Abs.
1 GNotKG bestimmte Ausschlussfrist auf den vorliegenden Fall nicht unmittelbar anzuwenden, da es sich hier nicht um eine Kostennachforderung, sondern um die Rückerstattung überzahlter Beträge handelt. Die in der Vorschrift zum Ausdruck gekommene Wertung, dass das [X.] der Staatskasse zurücktreten kann, wenn es von der zuständi-gen Stelle nicht innerhalb angemessener Frist verfolgt wird und sich das Ge-genüber auf die getroffene Regelung gutgläubig eingerichtet hat, kann jedoch auch bei der Beurteilung des schutzwürdigen Vertrauens des Betreuers in die Beständigkeit seiner Vermögenslage berücksichtigt werden (vgl. bereits [X.] BtPrax 2011, 134). Für eine entsprechende
zeitliche Begrenzung der 31
32
-
14
-
Rückforderungsmöglichkeit spricht auch, dass das vereinfachte Verfahren der Festsetzung der Betreuervergütung durch den Urkundsbeamten der [X.] gezielt erhalten blieb, um gerichtliche Entscheidungen entbehrlich zu ma-chen und damit erheblichen Verwaltungsaufwand bei den Gerichten einzuspa-ren (BT-Drucks. 13/10709 S.
2). Es würde indessen der Stellung eines berufs-mäßigen Betreuers nicht gerecht und entspricht auch nicht der erkennbaren Intention des Gesetzgebers, diese gerichtliche Aufwandsersparnis mit einer auf Jahre rückwirkenden erheblichen Rechtsunsicherheit der Betreuer in die Be-ständigkeit ihrer Vermögenslage zu erkaufen.

Dose

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.07.2011 -
53 XVII G 1465 -

LG Berlin, Entscheidung vom 18.01.2013 -
87 [X.] -

Meta

XII ZB 86/13

06.11.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.11.2013, Az. XII ZB 86/13 (REWIS RS 2013, 1396)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1396

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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