Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 26.04.2022, Az. 1 VAs 120 - 140, 154 + 155/21

1. Strafsenat | REWIS RS 2022, 5780

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Tenor

Hinsichtlich der Anträge vom 31. August 2021 wird das Verfahren gemäß § 17a Abs. 2 GVG an das jeweils zuständige Verwaltungsgericht verwiesen, und zwar betreffend die Person des Ministers der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen Y an das Verwaltungsgericht Düsseldorf sowie im Übrigen an das Verwaltungsgericht Köln.

Der Antrag vom 04. Oktober 2021 wird unter Festsetzung eines Geschäftswertes von 882.873,02 € bezogen auf jeden der Betroffenen als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Die Betroffenen sind jeweils Partner der A GmbH und waren beide in der Geschäftsleitung der A KGaA mit Sitz in Hamburg (im Folgenden: A-Bank) tätig. Gegen beide sind bei der Staatsanwaltschaft Köln seit dem Jahr 2016 strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Steuerhinterziehung unter dem Az. 113 Js 522/16 im Rahmen sogenannter „Cum-Ex“-Aktiengeschäfte anhängig.

Mit ihren Anträgen auf gerichtliche Entscheidung wenden sie sich jeweils unter Geltendmachung einer vermeintlichen Verletzung der zu ihren Gunsten wirkenden Unschuldsvermutung einerseits mit Anträgen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit (Anträge vom 31. August 2021) gegen

die Mitwirkung und jeweils dezidiert aufgeführte Äußerungen

des Ministers der Justiz des Landes NRW Y,

des Präsidenten des LG Bonn X sowie

der Oberstaatsanwältin Z, Staatsanwaltschaft Köln,

an bzw. in einer am 07. Juni 2021 im ersten Fernsehprogramm der ARD ausgestrahlten und vom WDR und NDR produzierten Fernsehdokumentation zu den so genannten „Cum-Ex“-Ermittlungsverfahren mit dem Titel „Der Milliardenraub: Eine Staatsanwältin jagt die Steuermafia“ (Anträge zu I.),

die (vermeintliche) Entscheidung der Staatsanwaltschaft Köln, die Verwendung von angeblichen Zitaten aus sichergestellten Tagebüchern des Betroffenen zu 1. in dem vorgenannten Dokumentarfilm faktisch zu gestatten (…) und zu unterstützen (Antrag zu II.),

die (vermeintliche) Entscheidung sämtlicher Antragsgegner, die dauerhafte Verwendung des vorgenannten Dokumentarfilms durch öffentliche Zugänglichkeit in der „ARD Mediathek“ zu gestatten (Antrag zu III.), und

die Weigerung des Ministers der Justiz des Landes NRW Y zur Abgabe einer dienstlichen Äußerung betreffend die Mitwirkung sämtlicher Antragsgegner an dem genannten Dokumentarfilm (Antrag zu IV.),

sowie andererseits (Antrag vom 4. Oktober 2021)

gegen die Rechtmäßigkeit einer im September 2021 vermeintlich ergangenen Weisung des Ministeriums der Justiz des Landes NRW an die Generalstaatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Köln sowie an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Köln, in einem näher bezeichneten Ermittlungsverfahren Durchsuchungen bei einem namentlich näher benannten Beschuldigten sowie von Diensträumen des Finanzamts Hamburg zu beantragen und durchzuführen.

Zum Hintergrund der in der Antragsschrift nicht näher erläuterten „Cum-Ex“-Verfahren, die Gegenstand der monierten Fernsehsendung sind, ist anzuführen, dass nach dem Kenntnisstand des Senats insoweit bisher eine rechtskräftige Verurteilung vorliegt.Mit Urteil des Landgerichts Bonn vom 18. März 2020 (62 KLs - 213 Js 41/19 - 1/19) wurden zwei Börsenhändler wegen der Mitwirkung an in Absprache mit Verantwortlichen der A-Bank getätigten „Cum-Ex“-Geschäften zu Bewährungsstrafen verurteilt, gleichzeitig wurde gegen die A-Bank als Einziehungsbeteiligte die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 176.574.603 Euro, davon in Höhe von 166.574.603 Euro als Gesamtschuldnerin, angeordnet. Das Urteil ist nach Verwerfung der Revision durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Juli 2021 (1 StR 519/20) rechtskräftig.Nach den Feststellungen des vorgenannten Urteils (nachfolgend sinngemäß zitiert nach der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs zum Urteil vom 28. Juli 2021) kaufte die A-Bank in der jeweiligen Dividendensaison der Jahre 2007 bis 2011 von Leerverkäufern jeweils kurz vor dem Hauptversammlungstag Aktien mit Dividendenanspruch (sog. "Cum-Aktien"); die Leerverkäufer lieferten - wie von vornherein geplant und auch gewollt - Aktien ohne Dividendenanspruch (sog. "Ex-Aktien") und leisteten zur Kompensation an die Bank je eine Ausgleichszahlung (sog. Dividendenkompensationszahlung), für die ab dem Jahr 2007 Kapitalertragsteuer zu entrichten ist. Allen handelnden Beteiligten war als Bankkaufleuten bekannt, dass diese Steuer weder auf Seiten der Leerverkäufer noch sonst einbehalten wurde. Gleichwohl stellte die A-Bank sich selbst Steuerbescheinigungen zur Vorlage bei den Finanzbehörden aus, mit denen sie - fälschlicherweise - den angeblichen Steuereinbehalt bestätigte. Unter Vorlage dieser Bescheinigungen bei den Finanzbehörden erreichten insbesondere die gesondert Verfolgten W und V, dass an die A-Bank zu Unrecht insgesamt über 166 Millionen Euro ausbezahlt wurden. Aus diesen Taterträgen erwirtschaftete die Einziehungsbeteiligte weitere 10 Millionen Euro.

Die Betroffenen monieren u.a. die in der Fernsehberichterstattung wiedergegebenen (nach Bewertung des Senats allerdings auch zutreffenden, vgl. dazu auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 09. März 2021 – 2 Ws 132/20 –, juris) Äußerungen der Antragsgegner, Cum-Ex-Geschäfte zeigten die „Merkmale der Organisierten Kriminalität“, es handele sich um „industriell begangene Steuerhinterziehung“ bzw. „organisierte Kriminalität“, die „sich vom Kriminalitätsgehalt in nichts von Rauschgiftbanden, Clan-Kriminalität, Sprengung von Geldautomaten – das ist alles derselbe kriminelle Gehalt“ unterscheide.

II.

Hinsichtlich der Anträge zu I. – IV. vom 31. August 2021 ist der Rechtsweg gemäß der §§ 23 ff. EGGVG nicht eröffnet, sondern die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gemäß § 40 VwGO gegeben.

Der Antrag vom 04. Oktober 2021 ist als unzulässig zurückzuweisen.

1. Anträge vom 31. August 2021

Zwar ist der Senat in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Betroffenen der Auffassung, dass die in den Anträgen aufgeworfenen Rechtsfragen vorliegend zumindest betreffend die beanstandeten Äußerungen der Oberstaatsanwältin Z und des Ministers der Justiz NRW (der Pressearbeit der Staatsanwaltschaften ist nach Bewertung des Senats ebenso gleich zu achten, wenn sich der Minister der Justiz ersichtlich auch in seiner Eigenschaft als oberster Dienstvorgesetzter der Strafverfolgungsbehörden zu laufenden Ermittlungsverfahren äußert) grundsätzlich einer Klärung im Verfahren auf gerichtliche Entscheidung gemäß der §§ 23 ff. EGGVG zugänglich sind, und hat zur Frage des Rechtsweges betreffend die Pressearbeit von Ermittlungsbehörden mit Beschluss vom 30. März 2017 (III-1 VAs 1/17, Rn. 14, juris) folgendes ausgeführt:

„Der Senat hat allerdings entschieden, dass die Auskunft der Staatsanwaltschaft an die Presse oder andere Medien über ein Ermittlungsverfahren grundsätzlich unter die Maßnahmen falle, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen würden (§ 23 Abs. 1 EGGVG), und dass der Rechtsstreit um solche Mitteilungen an Publikationsorgane deshalb zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehöre und im Verfahren nach §§ 23 ff EGGVG auszutragen sei (Senatsbeschluss vom 07.12.1994 - 1 VRs 57/94 - m.w.N.). Presseerklärungen seien wegen ihres engen Zusammenhangs mit dem jeweiligen Strafverfahren als Maßnahmen auf dem Gebiet der Strafrechtspflege anzusehen. Hierbei sei von Bedeutung, dass üblicherweise in einem solchen Rechtsstreit Fragen zu klären seien, die auch Gegenstand des Strafverfahrens selbst seien. So werde etwa zu prüfen sein, ob die Ermittlungsbehörden berechtigterweise von einem Anfangsverdacht ausgegangen seien, ob ihre strafrechtliche Würdigung des Sachverhaltes zutreffe oder ob angeordnete strafrechtliche prozessuale Maßnahmen rechtmäßig gewesen seien. Die richterliche Untersuchung derartiger Fragen erfordere spezifisch strafrechtliche Kenntnisse und Erfahrungen. Angesichts dessen sei es nicht sachgerecht, Rechtsschutz gegen Presseerklärungen von Staatsanwalt und Polizei durch die Verwaltungsgerichte zu gewähren und könne daher der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, Presseverlautbarungen seien vor den ordentlichen Gerichten nicht anfechtbar, vielmehr sei der Verwaltungsrechtsweg gegeben (vgl. BVerwG NStZ 1988, 513, und NJW 1992, 62), nicht gefolgt werden. Von dieser Auffassung abzuweichen, sieht der Senat auch keinen Anlass.“

Diese Bewertung erachtet der Senat weiterhin für zutreffend, sieht sich an einer entsprechenden Handhabung jedoch durch die nachfolgend ergangene und vom Senat im Rahmen der Sachbearbeitung zunächst unbemerkt gebliebene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehindert, der hierzu mit Beschluss vom 27. Juli 2017 (2 ARs 188/15 –, Rn. 14 - 22, juris) folgendes ausgeführt hat:

„Der Antrag der Beschwerdeführer auf Feststellung, dass die Äußerungen des Oberstaatsanwalts, die Erteilung einer Dreherlaubnis in den Räumen der Generalstaatsanwaltschaft und das Nachstellen der Aktenversendung rechtswidrig gewesen seien, betrifft auch nach Ansicht des Senats eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist; die Streitigkeit ist nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht zugewiesen (§ 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO).

aa) Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG liegen nicht vor.Nach der Vorschrift des § 23 Abs. 1 EGGVG, die von vornherein nur vorübergehend Bedeutung haben sollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1974 - 1 C 11.73, BVerwGE 47, 255, 258), entscheiden über die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten unter anderem auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen werden, auf Antrag die ordentlichen Gerichte. Betrifft der Antrag eine Angelegenheit der Strafrechtspflege, so entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Justizbehörde ihren Sitz hat. Der besonderen Rechtswegregelung des § 23 Abs. 1 EGGVG liegt die Annahme zugrunde, dass den ordentlichen Gerichten die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsmaßnahmen auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege von der Sache her näher stehen als den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die für bestimmte Sachgebiete geltende Generalklausel soll deshalb die gerichtliche Kontrolle gewisser Maßnahmen aus der sonst gemäß § 40 Abs. 1 VwGO gegebenen Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte herausnehmen und bewirken, dass über die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen die Gerichte der sachnäheren Gerichtsbarkeit entscheiden. Außerdem soll die Regelung verhindern, dass Gerichte verschiedener Gerichtszweige über Verwaltungsstreitigkeiten desselben Rechtsgebietes entscheiden. Aus diesem Gesetzeszweck und der Entstehungsgeschichte folgt, dass § 23 EGGVG die Nachprüfung von Maßnahmen den ordentlichen Gerichten nur zuweist, wenn die in Rede stehende Amtshandlung der zuständigen Behörde gerade als spezifisch justizmäßigen Aufgabe auf einem der dort genannten Rechtsgebiete anzusehen ist. Auch systematisch ist § 23 Abs. 1 EGGVG als Ausnahmevorschrift eng auszulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 1998 - 5 AR [VS] 1/98, BGHSt 44, 107, 112 ff.).Der Begriff der Justizbehörde ist weder in § 23 Abs. 1 EGGVG noch in anderen Vorschriften definiert. Damit soll letztlich auch nur eine Unterscheidung exekutivischer Maßnahmen von einer Rechtsprechungstätigkeit im weiteren Sinne vorgenommen werden. Der Begriff der Justizbehörde ist in dieser Vorschrift deshalb auch nicht organisationsrechtlich, sondern rein funktional zu verstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 1984 - 1 C 10.84, BVerwGE 69, 192, 195 ff.; Conrad aaO S. 121 ff.). Er kann demnach auch auf Maßnahmen solcher Behörden Anwendung finden, die organisatorisch nicht zum Justizressort gehören, namentlich solche der zum Innenressort gehörenden Polizeibehörden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1974 - 1 C 11.73, BVerwGE 47, 255, 259).Für die Anwendung der speziellen Rechtswegbestimmung des § 23 Abs. 1 EGGVG auf dem Gebiet der Strafrechtspflege ist danach letztlich allein maßgebend, ob die beanstandete Maßnahme funktional der Verfolgung strafbarer Handlungen dient. Das ist, anders als bei Öffentlichkeitsfahndungen (vgl. KK/Mayer, StPO, 7. Aufl., § 23 EGGVG Rn. 28), bei lediglich berichtenden Presseäußerungen eines Staatsanwalts zu einem Strafverfahren regelmäßig nicht der Fall. Darin stimmt der Senat mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überein.

bb) Die hiergegen vorgebrachten Gründe sind von Gewicht, können aber ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigen.Die größere Sachnähe der Strafgerichte ist vor allem von Bedeutung, wenn strafprozessuale oder materiell-strafrechtliche Rechtsfolgen von Presseäußerungen eines Strafrichters oder Ermittlungsbeamten in Bezug auf ein Strafverfahren geltend gemacht werden sollen. So kann eine Verletzung der Unschuldsvermutung durch eine dem Staat zuzurechnende Art der Presseberichterstattung bei der Beweiswürdigung oder bei der Strafzumessung von Bedeutung sein (vgl. zur Frage einer Kompensation nach der Vollstreckungslösung BGH, Urteil vom 7. September 2016 - 1 StR 154/16, NJW 2016, 3670 ff.). Eine „öffentliche Vorverurteilung“ (vgl. BT-Drucks. 10/4608) kann unter anderem einen Strafmilderungsgrund ergeben. Eine sachwidrige Presseäußerung kann im Einzelfall ein Grund zur Ablehnung eines Strafrichters wegen Besorgnis der Befangenheit oder Entpflichtung eines Ermittlungsbeamten von der Sachbearbeitung nach § 145 GVG sein (vgl. Meyer-Mews NJW 2016, 3672, 3673). Alle diese Aspekte sind aber gemäß § 23 Abs. 3 EGGVG vorrangig im Strafverfahren selbst von den dort zuständigen Gerichten, also dem Ermittlungsrichter, dem erkennenden Gericht oder den Rechtsmittelgerichten in Strafsachen, zu berücksichtigen und deshalb von der Anwendung des § 23 Abs. 1 EGGVG ausgeschlossen.Soweit mit der Beanstandung einer Pressemitteilung eines Strafrichters oder Ermittlungsbeamten dagegen allgemein eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der betroffenen Person in der Medienöffentlichkeit (vgl. Raabe, Medienöffentlichkeit im Ermittlungsverfahren. Zur Zulässigkeit von Pressemitteilung der Ermittlungsbehörden, 2016, S. 124 ff.) geltend gemacht werden soll, unterscheidet sich dieser Beanstandungsgegenstand hinsichtlich der für die Rechtswegfrage maßgeblichen Gesichtspunkte nicht grundlegend von entsprechenden Beanstandungen der Presseäußerungen durch Amtsträger außerhalb des Bereichs der Strafrechtspflege. Das gilt zum Beispiel für Äußerungen von Beamten des Innenministeriums oder der diesem unterstehenden Polizeibehörden zu Maßnahmen der Gefahrenabwehr, die im Einzelfall im Zusammenhang mit einem Strafverfahren erfolgen können (zur Problematik konkurrierender Rechtswege LR/Böttcher, StPO, 26. Aufl., § 23 EGGVG Rn. 17; zur Rechtswegfrage bei doppelfunktionalen Maßnahmen Conrad aaO S. 129 ff.). Hinsichtlich der Frage des Rechtswegs für die Prüfung einer Rechtswidrigkeit von Presseäußerungen durch Amtsträger im Hinblick auf eine Verletzung eines Persönlichkeitsrechts ist deshalb weniger die Sachkunde der ordentlichen Gerichte von Bedeutung. Im Vordergrund steht vielmehr das Interesse an der Vermeidung einer Rechtswegspaltung.Aus den Geboten der Zweckmäßigkeit und Rechtswegeeinheitlichkeit ergibt sich eine enge Auslegung des § 23 Abs. 1 EGGVG (vgl. Conrad aaO S. 104 ff.). Das Interesse an der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung, gebietet es auch, Fälle der vorliegenden Art einheitlich im Verwaltungsrechtsweg zu klären. Dadurch soll eine divergierende Rechtsprechung, ein „Durcheinander oder Gegeneinander“ (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1957 - 2 C 72.57, BVerwGE 6, 86, 89 f.; Urteil vom 3. Dezember 1974 - 1 C 11.73, BVerwGE 47, 255, 260) in verschiedenen Gerichtsverfahren verhindert werden. Diese droht etwa auch, wenn gemeinsame Presseerklärungen durch Vertreter von Behörden aus verschiedenen Ressorts abgegeben werden (vgl. VGH München, Beschluss vom 27. März 2014 - 7 CE 14.253, NJW 2014, 2057, 2058).“

Auch wenn bei einer beabsichtigten hiervon abweichenden Entscheidung kein Fall der Vorlagepflicht gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 1 - 3 GVG vorläge, wäre der Senat nach den gegebenen Umständen gehalten, im Rahmen einer Sachentscheidung hinsichtlich der Frage der eigenen Zuständigkeit bzw. der Zulässigkeit des Rechtsweges die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne des § 29 Abs. 2 Nr. 2 EGGVG zuzulassen. Dies würde nach sicherer Erwartung des Senats zur Aufhebung der eigenen Entscheidung führen, da neue Erwägungen bzw. rechtliche Gesichtspunkte, welche eine Änderung der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach sich ziehen würden, auch für den Senat nicht ersichtlich sind. Eine entsprechende Handhabung würde auch dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes entgegenstehen.Hinsichtlich der seitens der Betroffenen monierten Erklärungen des Präsidenten des Landgerichts Bonn X wäre ohnehin zunächst eine originäre Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts anzunehmen; insoweit hat auch der Senat entschieden, dass die allgemeine Presse- und Öffentlichkeitsarbeit  das allgemeine Verwaltungshandeln der Gerichte betrifft, hinsichtlich derer der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 VwGO gegeben ist (Senat, Beschluss vom 26. Januar 2015 – III-1 VAs 70/15 –, Rn. 9, juris); insofern hätte der Senat es im Fall einer Sachentscheidung gemäß der §§ 23 ff. EGGVG in dem vorliegenden Sonderfall gleichzeitiger Äußerungen der Repräsentanten verschiedener Justizbehörden zu dem gleichen Ermittlungskomplex ohnehin allenfalls erwogen, diesen Rechtsweg auch hinsichtlich der Äußerungen des Präsidenten des Landgerichts Bonn im Wege einer weiten Auslegung bzw. einer Annexzuständigkeit für eröffnet zu erachten.Der Senat hat dementsprechend das Verfahren hinsichtlich der Anträge vom 31. August 2021, deren Anträge zu II. – IV. sich als gleich zu behandelnder Annex zu den Anträgen zu I. darstellen, an die jeweils zuständigen Verwaltungsgerichte verwiesen.Die Beteiligten sind hierzu angehört worden und haben der beabsichtigten Verfahrensweise nicht widersprochen.

2. Antrag vom 04. Oktober 2021

Der Antrag vom 04. Oktober 2021 war nach Maßgabe des Hinweises des Senatsvorsitzenden vom 21. Oktober 2021 sowie unter Bezugnahme auf die zutreffenden Ausführungen in der Zuschrift des Ministeriums der Justiz NRW vom 17. Dezember 2021 und der Generalstaatsanwaltschaft Hamm vom 22. Dezember 2021 als unzulässig zu verwerfen, da bezogen auf die beanstandete (vermeintliche) Weisung des Ministeriums der Justiz des Landes NRW an die Generalstaatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Köln sowie an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Köln mangels Vorliegens eines Justizverwaltungsaktes mit Außenwirkung der Rechtsweg der §§ 23 ff. EGGVG nicht eröffnet und insoweit auch kein anderweitiger Rechtsweg gegeben ist, hinsichtlich dessen eine Verweisung gemäß § 17a Abs. 2 GVG in Betracht käme.

Die insoweit gebotene Kostenentscheidung beruht auf § 22 Abs. 1 GNotKG i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 19 GNotKG.Die Festlegung des Geschäftswertes beruht auf § 36 Abs. 2 GNotKG i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 19 GNotKG. Angesichts der von den Betroffenen hervorgehobenen besonderen Bedeutung der Angelegenheit erschien es dem Senat angemessen, den Geschäftswert für beide Betroffene auf jeweils ein halbes Prozent des mit Urteil des Landgerichts Bonn vom 18. März 2020 gegen die A-Bank als Einziehungsbeteiligte angeordneten Einziehungsbetrages von 176.574.603,00 €, mithin auf jeweils 882.873,02 € festzusetzen.

Meta

1 VAs 120 - 140, 154 + 155/21

26.04.2022

Oberlandesgericht Hamm 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

EGGVG § 23 ff., VwGO § 40

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 26.04.2022, Az. 1 VAs 120 - 140, 154 + 155/21 (REWIS RS 2022, 5780)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5780

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Zitiert

1 StR 519/20

2 ARs 188/15

1 StR 154/16

1 VAs 70/15

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