Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.02.2018, Az. VIII ZR 39/18

8. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 13245

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Gegenstand

Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung im Revisionsverfahren: Vorliegen eines „unersetzlichem Nachteils“ bei unterlassener Stellung eines Vollstreckungsschutzantrags im Berufungsverfahren


Tenor

Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil der 23. Zivilkammer des [X.] vom 6. Dezember 2017 einstweilen einzustellen, wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Das Berufungsgericht hat die Beklagten mit Urteil vom 6. Dezember 2017 (unter Bewilligung einer Räumungsfrist von drei Monaten) zur Räumung und Herausgabe ihrer Mietwohnung verurteilt und das Urteil nach § 708 Nr. 7 ZPO ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit der Nichtzulassungsbeschwerde und beantragen zugleich, die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen.

II.

2

Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist unbegründet.

3

1. Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Revision [X.], so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 ZPO). Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gilt dies entsprechend (§ 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO).

4

2. Die Beklagten haben die Voraussetzungen des § 719 Abs. 2 ZPO nicht dargetan.

5

a) Nicht unersetzlich sind Nachteile, die der Schuldner selbst vermeiden kann. Deswegen kann er sich nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] grundsätzlich nur dann darauf berufen, die Zwangsvollstreckung bringe ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil, wenn er in der Berufungsinstanz einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO gestellt hat. Hat der Schuldner dies versäumt, kommt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn es dem Schuldner im Berufungsverfahren aus besonderen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar war, einen Vollstreckungsschutzantrag zu stellen (Senatsbeschlüsse vom 19. August 2003 - [X.], [X.], 637 unter II; vom 9. August 2004 - [X.], [X.], 553 unter [X.]; vom 1. April 2014 - [X.], juris Rn. 5; jeweils mwN).

6

b) Die Beklagten haben in der Berufungsinstanz einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO nicht gestellt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ihnen die Stellung eines solchen Antrags nicht möglich oder nicht zumutbar war.

7

Dass das Berufungsgericht es (rechtsfehlerhaft) unterlassen hat, den Beklagten gemäß § 711 ZPO eine Abwendungsbefugnis einzuräumen, rechtfertigt schon deshalb keine andere Entscheidung, weil die Beklagten es versäumt haben, im Hinblick auf die versehentlich nicht angeordnete Abwendungsbefugnis einen Antrag auf Urteilsergänzung gemäß §§ 716, 321 ZPO zu stellen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. August 2004 - [X.], aaO unter II 2 a; vom 4. Juli 2017 - [X.], [X.], 607 Rn. 4; jeweils mwN).

8

Eine Urteilsergänzung wäre nur dann - mangels Bestehens einer Entscheidungslücke - ausgeschlossen, wenn das Berufungsgericht die Anordnung einer Abwendungsbefugnis, etwa infolge einer fehlerhaften Anwendung des § 713 ZPO (vgl. Senatsbeschluss vom 9. August 2004 - [X.], aaO), bewusst unterlassen hätte. Hierfür bestehen indes keine Anhaltspunkte. Im Berufungsurteil wird die Vorschrift des § 713 ZPO nicht genannt und die unterbliebene Anordnung einer Abwendungsbefugnis auch sonst nicht begründet. Es erscheint ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht in Verkennung der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde von der Unanfechtbarkeit seines Urteils ausgegangen ist, zumal es auch von der in einem solchen Fall bestehenden Möglichkeit eines abgekürzten Urteils nach § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 ZPO keinen Gebrauch gemacht hat.

9

Im Übrigen wäre ein Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO selbst bei Anordnung der Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO nicht völlig entbehrlich gewesen, weil diese entfällt, wenn der Gläubiger seinerseits vor der Vollstreckung Sicherheit leistet (Senatsbeschlüsse vom 18. Juli 2012 - [X.], [X.], 510 Rn. 8; vom 19. August 2003 - [X.], aaO; vom 9. August 2004 - [X.], aaO unter [X.]).

Dr. Milger     

      

[X.]     

      

[X.]

      

Dr. Bünger     

      

Kosziol     

      

Meta

VIII ZR 39/18

27.02.2018

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Düsseldorf, 6. Dezember 2017, Az: 23 S 27/17

§ 321 ZPO, § 711 ZPO, § 712 ZPO, § 716 ZPO, § 719 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.02.2018, Az. VIII ZR 39/18 (REWIS RS 2018, 13245)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 927-928 NJW 2019, 1745 REWIS RS 2018, 13245


Verfahrensgang

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Az. VIII ZR 39/18

Bundesgerichtshof, VIII ZR 39/18, 10.04.2019.

Bundesgerichtshof, VIII ZR 39/18, 27.02.2018.


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