Bundessozialgericht, Urteil vom 16.03.2016, Az. B 9 V 6/15 R

9. Senat | REWIS RS 2016, 14434

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Soziales Entschädigungsrecht - Antrag auf Beschädigtenversorgung - rückwirkende Leistungsgewährung - Jahresfrist - Fristversäumnis - gesetzlicher Vertreter - Verhinderung - Verschulden - Rechtsunkenntnis - Publizitätsgrundsatz - Antragsteller aus fremdem Sprach- und Kulturkreis - Zumutbarkeit der Erkundigung - sozialrechtlicher Herstellungsanspruch - Beratungspflicht des Jugendamts - keine enge materiell-rechtliche Verknüpfung zwischen Jugendamt und Versorgungsbehörde - sozialrechtliches Verwaltungsverfahren


Leitsatz

1. Die Antragsfrist für eine rückwirkende Gewährung von Versorgungsleistungen ist nicht allein deshalb ohne Verschulden versäumt, weil der Antragsteller aus einem fremden Sprach- und Kulturkreis stammt.

2. Jugendämter sind weder im Sinn einer Funktionseinheit arbeitsteilig in das Verwaltungsverfahren der Versorgungsverwaltung eingeschaltet noch mit dieser materiell-rechtlich eng verknüpft.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 31. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind von den Beteiligten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz ([X.]) in Verbindung mit dem [X.] ([X.]) für den [X.]raum vom [X.] bis zum 30.6.2005.

2

Die 1995 geborene Klägerin ist das Kind von [X.] (Mutter) und [X.] (Vater). Beide Elternteile sind als Asylbewerber aus [X.] (heute [X.]) nach [X.] gekommen und haben ab April 1996 in einer gemeinsamen Wohnung gewohnt. Die in den Kriegswirren in [X.] schwer misshandelte Mutter leidet an einer psychotischen Erkrankung des schizophrenen Formenkreises, sodass ihr bereits 1993 für ihr erstgeborenes Kind die elterliche Sorge entzogen und am 31.10.1995 das Ruhen der elterlichen Sorge auch hinsichtlich der Klägerin festgestellt wurde. Die Vormundschaft über die Klägerin erhielt in der [X.] vom 31.10.1995 bis 24.3.1996 das [X.] und vom [X.] bis 15.1.2003 der Vater. In der [X.] vom 16.1.2003 bis 3.5.2005 lag die elterliche Sorge bei der Kindesmutter, anschließend beim Jugendamt der [X.] (Beigeladene zu 1.) als Amtsvormund. Ab dem 5.10.2011 bis zur Volljährigkeit der Klägerin oblag die elterliche Sorge wieder dem Vater.

3

Am [X.] erlitt die Klägerin (im Alter von 15 Monaten) während der berufsbedingten Abwesenheit des [X.] in der elterlichen Wohnung aufgrund einer Misshandlung durch die Mutter eine Schädel-Hirn-Verletzung mit Erblindung des linken sowie Schädigung des rechten Auges. Ein diesbezüglich eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde nach Vernehmung ua des [X.] mangels Schuldfähigkeit der Mutter zum Tatzeitpunkt eingestellt (Staatsanwaltschaft [X.], [X.] 72 Js 941/97). Die Stellung eines Antrags nach dem [X.] erfolgte erst am [X.] durch den Beigeladenen zu 1. gemäß § 97 [X.]B VIII.

4

Der beklagte Landschaftsverband stellte eine Hirnschädigung nach Schädelfraktur [X.] frontal links mit kleiner Hirnkontusion rechts frontolateral und Subarachnoidalblutung 1997 sowie Sehminderung, Gesichtsfeldausfälle rechtes Auge, Erblindung linkes Auge und ein operiertes Innenschielen linkes Auge als Folge einer Schädigung im Sinne des [X.] fest und gewährte ab dem 1.7.2005 Versorgungsgrundrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um [X.] unter Ablehnung eines früheren Leistungsbeginns (Bescheid vom 20.6.2008; Widerspruchsbescheid vom 10.10.2008).

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf eine rückwirkende Gewährung von Versorgungsleistungen nach § 60 Abs 1 S 2 und 3 [X.] habe. Auch aus dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ergebe sich kein Entschädigungsanspruch für zurückliegende [X.]räume (Urteil vom [X.]).

6

Die anschließende Berufung der Klägerin hat das L[X.] zurückgewiesen (Urteil vom 31.10.2014), weil diese keinen Anspruch auf einen früheren Leistungsbeginn habe. Die Klägerin sei nicht ohne Verschulden gehindert gewesen in der [X.] vor der tatsächlichen Antragstellung Beschädigtenversorgung zu beantragen. Sie müsse sich insoweit das Verschulden des damals sorgeberechtigten [X.], der es pflichtwidrig unterlassen habe einen Antrag nach dem [X.] zu stellen, zurechnen lassen. Rechtsunkenntnis des [X.] schließe ein Verschulden nicht aus und ein schutzwürdiger Interessenkonflikt habe für diesen nicht vorgelegen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheide aus, weil der [X.] selbst keine Beratungspflichten verletzt habe und diesem eine fehlende Beratung durch das damals zuständige Jugendamt nicht zuzurechnen sei.

7

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung der Vorschrift des § 1 Abs 1 [X.] iVm § 60 Abs 1 S 3 [X.]. Es sei rechtsfehlerhaft für die Nichtantragstellung vor dem [X.] ein Verschulden des zu der [X.] allein sorgeberechtigten [X.] anzunehmen und dies der Klägerin zuzurechnen. Obwohl der Vater das Gespräch mit den zuständigen Stellen gesucht und geführt habe, sei durch keine einzige Behörde Aufklärung über eine mögliche Antragstellung nach dem [X.] erfolgt, obwohl sich gerade für den Beigeladenen zu 2. eine solche Hinweispflicht aufgedrängt habe. Zudem wären Leistungen nach dem [X.] im Rahmen von "[X.]B II-Leistungen" bedarfsmindernd zu berücksichtigen gewesen.

8

Jedenfalls stehe der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs eine frühere Leistungsgewährung zu, weil das L[X.] rechtsfehlerhaft eine Funktionseinheit zwischen dem zuständigen Jugendamt und dem [X.]n verkannt habe. Jugendämter besäßen einen nachrangigen Kostenerstattungsanspruch für bereits erbrachte Leistungen gegenüber dem vorrangig zuständigen Sozialleistungsträger, sodass ihnen ein eigenes Antragsrecht auf Gewährung von Versorgung gemäß § 97 [X.]B VIII zustehe. Die materiell-rechtliche Verknüpfung und das arbeitsteilige Zusammenwirken ergebe sich auch aus den diversen Informationsveranstaltungen und Fortbildungsseminaren über das [X.] zur Verbesserung der Kooperation, die ausdrücklich des Rundschreibens des [X.] zum [X.] Entschädigungsrecht vom 15.11.1999 nebst Schreiben des Landesversorgungsamtes [X.] vom 15.3.2000 gefordert worden seien.

9

Auch habe das L[X.] rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass die Mutter und alleinige Gewalttäterin vom 16.1.2003 bis [X.] allein sorgeberechtigt gewesen sei und damit eine Verschuldenszurechnung hinsichtlich der Fristversäumung gegenüber der Klägerin ausscheide.

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des L[X.] [X.] vom 31. Oktober 2014 und des [X.] Köln vom 8. Februar 2013 aufzuheben und den [X.]n unter Abänderung seines Bescheides vom 20. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2008 zu verurteilen, der Klägerin [X.] nach dem [X.] auch für die [X.] vom 1. Januar 1997 bis 30. Juni 2005 zu zahlen.

Der [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des L[X.] für rechtmäßig.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet, sie hat keinen Anspruch auf Versorgungsleistungen aufgrund der am [X.] erlittenen Schädigungen bereits für den [X.]raum vom [X.] bis zum 30.6.2005. Die Urteile des [X.] vom 31.10.2014 und [X.] vom [X.] sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin ebenso wenig in ihren Rechten wie der Bescheid des Beklagten vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2008.

Gegenstand der Revision ist das die Berufung der Klägerin zurückweisende Urteil des [X.]. Dieses hat die Entscheidung des [X.] bestätigt, das die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 und Abs 4 [X.]G) der Klägerin auf einen früheren Leistungsbeginn ihrer Grundrente abgewiesen hat. Dabei sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, dass der beklagte [X.] seit dem 1.1.2008 passiv legitimiert ist (vgl hierzu B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - B[X.]E 104, 245 = [X.]-3100 § 60 [X.], Rd[X.]6 mwN). Dies hat zur Folge, dass allein der im Laufe des Verwaltungsverfahrens zuständig gewordene Rechtsträger, hier der [X.], die von der Klägerin beanspruchte Leistung gewähren kann. Ob für einen Anspruch der Klägerin im streitigen [X.]raum die Voraussetzungen von § 1 Abs 4 [X.] oder von Abs 5 bzw Abs 6 der Vorschrift für Ausländer Anwendung findet, kann hier dahinstehen, weil sich ein Anspruch der Klägerin für einen früheren Leistungsbeginn als ab dem [X.] weder aus § 1 Abs 1 S 1 [X.] § 60 Abs 1 S 2 und 3 [X.] (in der Fassung vom 10.8.1978, [X.] 1217; siehe hierzu 1.) noch unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (siehe hierzu unter 2.) ergibt.

1. Ein Anspruch der Klägerin auf die von ihr begehrte Leistung für die [X.] vor dem [X.] richtet sich nach § 1 [X.] den Vorschriften des [X.]. Insoweit setzt § 1 Abs 1 S 1 [X.] allgemein voraus, dass eine natürliche Person ("wer") im (räumlichen) Geltungsbereich des [X.] durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Außerdem ist ein wirksamer Antrag ("auf Antrag") weitere materiell-rechtliche Voraussetzung (zu den allgemeinen Leistungsvoraussetzungen für eine Entschädigung nach dem [X.] vgl [X.] B[X.] Urteil vom 8.11.2007 - [X.]/9a [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.] = [X.] 2008, 507). Dass die Klägerin am [X.] Opfer einer Gewalttat iS des § 1 Abs 1 S 1 [X.] geworden ist und dadurch eine bleibende gesundheitliche Schädigung erlitten hat, steht nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] außer Zweifel; der beklagte [X.] hat als zuständige [X.] der Klägerin ab Beginn des [X.]s ([X.]) Leistungen nach dem [X.] dem [X.] zuerkannt. Entsprechend der Auffassung der Vorinstanzen lässt sich ein früherer Beginn der von der Klägerin begehrten Beschädigtenversorgung - hier der Beschädigtengrundrente - nicht aus § 1 Abs 1 S 1 [X.] § 60 Abs 1 S 3 [X.] herleiten. Der Vater der Klägerin war als ihr gesetzlicher Vertreter zum [X.]punkt des schädigenden Ereignisses nicht ohne Verschulden gehindert, vor Ablauf der Jahresfrist des § 60 Abs 1 S 2 [X.] Antrag auf Leistungen der Beschädigtenversorgung nach dem [X.] zu stellen.

Nach § 1 Abs 1 S 1 [X.] § 60 Abs 1 S 1 [X.] beginnen auch bei Opfern von Gewalttaten die Leistungen der Beschädigtenversorgung im Grundsatz mit dem [X.], wenn die sonstigen materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Vorschrift des § 60 Abs 1 [X.] ist nach § 1 Abs 1 S 1 [X.] auf die Opferentschädigung entsprechend anwendbar (vgl B[X.] Urteil vom 11.12.2008 - [X.]/9a [X.] - [X.]-3100 § 60 [X.] Rd[X.] 18 mwN zum Konzept des § 60 Abs 1 [X.]). Ausnahmsweise eröffnet § 60 Abs 1 S 2 [X.] eine Rückwirkung, wenn der Antrag innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Schädigung gestellt wird. Die Jahresfrist wird nach § 60 Abs 1 S 3 [X.] wiederum um den [X.]raum verlängert, in dem eine unverschuldete Verhinderung der Antragstellung vorlag. Ihrer Wirkung nach ermöglicht die (verlängerte) Jahresfrist eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bei Eintritt der Schädigung. Entgegen der Auffassung der Revision sind hier die Voraussetzungen des Verlängerungstatbestands des § 60 Abs 1 S 3 [X.] nicht gegeben, denn die Klägerin war nicht ohne Verschulden gehindert, bis zum Ablauf der Jahresfrist (beginnend mit dem Eintritt der Schädigung) Leistungen wie [X.] die Beschädigtengrundrente nach § 1 Abs 1 S 1 [X.] § 31 Abs 1 [X.] zu beantragen.

Ein eigenes Verschulden der Klägerin scheidet allerdings schon deshalb aus, weil diese in der [X.] vom 4.1.1997 bis zum [X.] (also während der Jahresfrist des § 60 Abs 1 S 2 [X.]) weder geschäftsfähig (§ 104 [X.]) noch sozialrechtlich handlungsfähig (§ 36 Abs 1 [X.]B I) war und deshalb keine rechtswirksamen Willenserklärungen abgeben, mithin auch keinen Antrag nach dem [X.] stellen konnte (zum Antrag als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung stellvertretend B[X.] [X.] 3-1200 § 16 [X.]; B[X.] [X.]-1200 § 44 [X.] Rd[X.]3; Urteil vom 11.12.2008 - [X.]/9a [X.] - [X.]-3100 § 60 [X.] Rd[X.]0).

Die Klägerin muss sich jedoch entsprechend der in § 27 Abs 1 S 2 [X.]B X getroffenen Regelung sowie den zu § 67 Abs 1 [X.]G von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ein Verschulden ihres [X.] als ihren gesetzlichen Vertreter zurechnen lassen (vgl B[X.]E 59, 40, 41 f = [X.] 3800 § 1 [X.] S 13; B[X.] [X.] 3-3100 § 60 [X.]; B[X.]E 94, 282 = [X.]-3800 § 1 [X.], Rd[X.]; B[X.] Urteil vom 11.12.2008 - [X.]/9a [X.] - [X.]-3100 § 60 [X.] Rd[X.]1; siehe zur Zurechnung des Verschuldens des gesetzlichen Vertreters auch § 51 Abs 2 ZPO). Danach liegt ein Verschulden nur dann nicht vor, wenn der Vertreter die nach den Umständen des Falles zu erwartende Sorgfalt beachtet hat. Grundsätzlich gilt insoweit ein subjektiver Maßstab. Es sind insbesondere der Geisteszustand, das Alter, der Bildungsgrad und die Geschäftsgewandtheit zu berücksichtigen. [X.] schließt ein Verschulden allerdings nicht aus (vgl B[X.] [X.] 3-3100 § 60 [X.]; B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - B[X.]E 104, 245 = [X.]-3100 § 60 [X.], Rd[X.]0).

Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den [X.] bindenden (§ 163 [X.]G) tatsächlichen Feststellungen des [X.] war gesetzlicher Vertreter der Klägerin in der [X.] vom 25.3.1996 bis zum 15.1.2003 allein deren Vater, der in diesem [X.]raum vom Amtsgericht (AG) E. mit Beschluss vom [X.] bestellt worden war. Diesem war die sich aus der elterlichen Sorge (§ 1626 Abs 1 S 1 BGB) ergebende Personensorge (§ 1626 Abs 1 S 2 BGB) vom AG nach §§ 1666, 1666a BGB nur hinsichtlich des Rechts auf Feststellung der [X.]chaft, die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen sowie die Regelung von Erb- und Pflichtteilsrechten im Falle des Todes des [X.] und seiner Verwandten entzogen und dem Jugendamt E. als Pflegschaft übertragen worden. Nur für diese Angelegenheiten (diesen Wirkungskreis) war das Jugendamt damit gesetzlicher Vertreter, sodass mit der Befugnis des [X.] zur Antragstellung nach § 97 S 1 [X.]B VIII keine Verschuldenszurechnung zu Lasten der Klägerin begründet werden kann (vgl hierzu B[X.] Urteil vom 11.12.2008 - [X.]/9a [X.] - [X.]-3100 § 60 [X.] Rd[X.]5 ff). Die übrigen sich aus der Personen- und Vermögenssorge ergebenden Rechte und Pflichten, wie [X.] die Pflicht zur Stellung des Antrags auf Beschädigtengrundrente nach dem [X.], blieben bei dem Vater der Klägerin; für diese Angelegenheiten war dieser nach wie vor ihr gesetzlicher Vertreter bis zum 15.1.2003. Der Vater der Klägerin war auch entgegen der Auffassung der Revision nicht gehindert, bis zum Ablauf der Jahresfrist - also zum [X.] (§ 187 Abs 1, § 188 Abs 2 BGB) - einen Antrag auf Leistungen nach dem [X.] zu stellen.

Als gesetzlicher Vertreter der Klägerin wäre der Vater verpflichtet gewesen, deren Interessen wahrzunehmen. Zu seinen objektiven Betreuungspflichten hätte es gehört, rechtzeitig (innerhalb der Jahresfrist des § 60 Abs 1 S 2 [X.]) einen [X.] nach dem [X.] zu stellen. Dass diese Möglichkeit besteht, ist ihm zwar nach seinem eigenen Vorbringen weder bekannt gewesen, noch ist er hierüber insbesondere vom Jugendamt in Kenntnis gesetzt worden. Nach den Feststellungen des [X.] liegen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Vater im Hinblick auf seinen Geisteszustand, sein Alter, seinen Bildungsstand und/oder seine Geschäftsgewandtheit subjektiv nicht in der Lage gewesen wäre, die nach den Umständen des Falles zu erwartende zumutbare Sorgfalt bei der Antragstellung zu beachten. Auch ein [X.] ist nicht ersichtlich.

Der Ausnahmecharakter der erweiterten Rückwirkung des Antrags nach § 60 Abs 1 S 3 [X.] gebietet eine enge Handhabung (vgl insgesamt Rohr/Sträßer/[X.], [X.] Soziales Entschädigungsrecht und Sozialgesetzbücher, § 60 [X.], Stand Januar 2010 Anmerkung 2). Nach der Gesetzesbegründung sollte den Belangen von Impfgeschädigten und Opfern von Gewalttaten Rechnung getragen werden (BT-Drucks 8/1735 [X.]). Allein das fehlende Wissen um einen möglicherweise bestehenden Anspruch nach § 1 [X.] stellt keinen Anwendungsfall von § 60 Abs 1 S 3 [X.] dar, weil jedem Bürger gesetzliche Bestimmungen nach ihrer Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt als bekannt gelten (Publizitätsgrundsatz, vgl B[X.] Urteil vom 27.7.2004 - B 7 SF 1/03 R - [X.]-1200 § 14 [X.] Rd[X.] 14 mwN) und im Sozialrecht für den Bürger vielfältige Möglichkeiten bestehen, sich über seine [X.] Rechte zu informieren wie [X.] nach den §§ 13 bis 15 [X.]B I (vgl B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - [X.] 3-3100 § 60 [X.], [X.]). Auch der Umstand, dass eine betreffende Person [X.] ist und aus einem fremden Sprach- und Kulturkreis stammt, reicht für die Annahme höherer Gewalt als [X.] nicht aus (vgl B[X.] Urteil vom 2.2.2006 - [X.] EG 9/05 R - B[X.]E 96, 44 = [X.]-1300 § 27 [X.], Rd[X.] 17 f). Die Forderung an einen Ausländer, der mit den einschlägigen [X.] Rechtsvorschriften nicht vertraut ist, sich zu erkundigen, verlangt dem Betroffenen auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts Unzumutbares ab ([X.] Kammerbeschluss vom [X.] - Juris Rd[X.]6). Unter Anwendung äußerster Sorgfalt wäre es dem Vater der Klägerin möglich und zumutbar gewesen, vorsorglich bei einer der mit ihm in Kontakt stehenden Behörden, insbesondere beim Jugendamt, nachzufragen, ob eventuell weitere Anspruchsmöglichkeiten für die Klägerin auf Entschädigungsleistungen bestehen (vgl [X.] Urteil vom 8.2.2001 - VII R 59/99, [X.]E 194, 466 = [X.], 506, zum Ausschluss höherer Gewalt bei Vertrauen auf richtige Sachbehandlung durch eine Behörde; vgl auch BVerwG Urteil vom 11.5.1979 - 6 C 70/78 -, BVerwGE 58, 100). Die bloße Unkenntnis eines gesetzlichen Vertreters über anspruchsbegründende Umstände und Rechtsnormen stellt nach der Rechtsprechung des B[X.] selbst dann keinen Umstand höherer Gewalt dar, wenn diese im Wesentlichen auf einer mangelnden Aufklärung durch die zuständigen staatlichen Stellen beruhte (vgl B[X.] Beschluss vom 27.3.2014 - [X.] V 69/13 B - Juris; Urteil vom 27.7.2004 - B 7 SF 1/03 R - [X.]-1200 § 14 [X.] Rd[X.] 14; Urteil vom 10.12.2003 - [X.] VJ 2/02 R - B[X.]E 92, 34 = [X.]-3100 § 60 [X.] 1, Rd[X.]3; Urteil vom 11.5.2000 - B 13 [X.] R - B[X.]E 86, 153, 161 f = [X.] 3-5750 Art 2 § 6 [X.] 18, [X.] f). Auf eine den Grundsatz der formellen Publizität möglicherweise aufhebende falsche oder irreführende amtliche Information oder sonstiges rechts- oder treuwidriges Verhalten des Beklagten beruft sich die Klägerin selbst nicht (vgl hierzu B[X.]E 67, 90 = [X.] 3-1200 § 13 [X.] 1; B[X.]E 91, 39 = [X.]-1500 § 67 [X.] 1, Rd[X.]). Derartiges ist weder festgestellt noch ersichtlich.

Dem Gebot, im Interesse des Kindes rechtzeitig Antrag auf Leistungen nach dem [X.] zu stellen, standen nach den Feststellungen des [X.] auch keine eigenen schutzwürdigen tat- oder täterbestimmten Interessen entgegen, die dazu führen könnten, das Verschulden des gesetzlichen Vertreters ausnahmsweise nicht dem minderjährigen Gewaltopfer zuzurechnen. Zwar hat das B[X.] von dem Grundsatz, dass eine pflichtwidrig unterlassene rechtzeitige Antragstellung des gesetzlichen Vertreters dem Opfer einer Gewalttat iS des § 1 Abs 1 S 1 [X.] zuzurechnen ist, in seiner bisherigen Rechtsprechung Ausnahmen zugelassen (vgl die umfassende Darstellung in: B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - B[X.]E 104, 245 = [X.]-3100 § 60 [X.], Rd[X.]4 ff). Allerdings liegt eine derartige Konstellation, in der der gesetzliche Vertreter zugleich der - bisher unentdeckte - Täter war oder dieser im Falle des [X.] mit einem empfindlichen Ansehensverlust und einer Kriminalstrafe seines Angehörigen zu rechnen hat, ebenso wenig vor wie die Gefahr eines zivilrechtlichen Regressanspruchs durch den [X.] Kostenträger gegen den Gewalttäter. Denn zum einen lag eine unentdeckte Straftat bereits deshalb nicht vor, weil die Misshandlung der Klägerin aufgrund der dramatischen gesundheitlichen Konsequenzen umgehend sowohl dem Jugendamt des Beigeladenen zu 2. als kurz danach auch den Strafverfolgungsbehörden bekannt geworden ist. Nach den Feststellungen des [X.] ist dabei von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden ersichtlich nicht in Betracht gezogen worden, strafrechtlich gegen den Vater der Klägerin vorzugehen, der in dem Ermittlungsverfahren gegen die Mutter umfassend als Zeuge ausgesagt und dem Jugendamt [X.] erteilt hat. Ebenso ist danach vom Beklagten zu keinem [X.]punkt ein zivilrechtlicher Regressanspruch gegen den Vater der Klägerin als vermeintlichem Täter in Betracht gezogen worden. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] hat kein schuldhaftes tatbezogenes Verhalten des [X.] vorgelegen, welches einen Interessenkonflikt hätte auslösen können. Dies gilt auch hinsichtlich eines erstmals im Revisionsverfahren behaupteten Bezuges von "[X.]B II-Leistungen". Insoweit fehlen schon Darlegungen dazu, wer diese wann tatsächlich bezogen haben soll.

Die Frage, ob ein schutzwürdiger Interessenkonflikt für den Vater überdies bereits deshalb ausscheidet, weil dieser nach den Feststellungen des [X.] mit der Mutter der Klägerin weder verlobt noch verheiratet ist und ihm kein Zeugnisverweigerungsrecht (§ 383 Abs 1 [X.] 1 - 3 ZPO) zusteht (vgl hierzu B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - B[X.]E 104, 245 = [X.]-3100 § 60 [X.], Rd[X.]7 f mwN), kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.

Eine darüber hinausgehende Verlängerung der Antragsfrist nach § 60 Abs 1 S 3 [X.] ergibt sich entgegen dem Vorbringen der Revision nicht aus dem Umstand, dass die Mutter der Klägerin in der [X.] vom 16.1.2003 bis 3.5.2005 die elterliche Sorge innehatte. Denn eine erweiternde Rückwirkung des Antrags nach § 60 Abs 1 S 2 [X.] iS von § 60 Abs 1 S 3 [X.] kann entsprechend dem Wortlaut der Regelung denknotwendig nur nahtlos, vor Ablauf der Frist, erfolgen. Im Falle der Klägerin war nach Ablauf des Jahres die Antragsfrist des § 60 Abs 1 S 2 [X.] am [X.] nach § 187 Abs 1 und § 188 Abs 2 BGB abgelaufen. Später liegende [X.]räume sind damit ohne Belang, ebenso ein eventueller Interessenkonflikt der Mutter im Falle einer versäumten Antragstellung.

Soweit die Klägerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör darin sieht, dass das [X.] sie von weiterem Sachvortrag abgehalten habe, weil der Berichterstatter des [X.]-[X.]s in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung die bloße Möglichkeit eines Interessenkonflikts beim Vater der Klägerin als anspruchsbegründend bewertet habe, dringt sie damit nicht durch. Der in §§ 62, 128 Abs 2 [X.]G konkretisierte Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 101 Abs 1 GG) soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht haben äußern können (s § 128 Abs 2 [X.]G; vgl B[X.] [X.] 3-1500 § 62 [X.]; [X.]E 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen miteinbezogen wird ([X.]E 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). In diesem Rahmen besteht jedoch weder eine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage, noch die Pflicht bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der mündlichen Verhandlung bereits die endgültige Beweiswürdigung darzulegen; denn das Gericht kann und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in seiner nachfolgenden Beratung erst gefunden werden soll, nicht vorwegnehmen. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Art 103 Abs 1 GG gebietet vielmehr lediglich dann einen Hinweis, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem ein gewissenhafter und kundiger [X.] nicht zu rechnen brauchte (vgl [X.]E 84, 188, 190).

Die Bewertung der im Verfahren insgesamt vorliegenden Tatsachen und Beweise ist grundsätzlich eine tatrichterliche Aufgabe. Der der rechtskundig vertretenen Klägerin insgesamt bekannte Sachverhalt ist ohne juristische oder anderweitige besondere Kenntnisse zu erfassen gewesen. Insofern waren dazu Hinweise des [X.] nicht erforderlich. Die Mitteilung der persönlichen Rechtsauffassung des Berichterstatters in einem von ihm rund neun Monate vor der mündlichen [X.]sverhandlung durchgeführten Erörterungstermin, der sich noch ein kontroverser Austausch von Schriftsätzen zwischen den Beteiligten angeschlossen hat, führt nicht zu einer Sachlage, bei der die Klägerin nicht damit zu rechnen brauchte, dass das [X.] im Rahmen der Beratung nach der mündlichen Verhandlung ihren Anspruch für die [X.] vor der Antragstellung verneinen würde. Damit musste die Klägerin schon aufgrund des Inhalts des Widerspruchsbescheides und des Urteils des [X.] rechnen. Im Übrigen hat die Klägerin nicht dargelegt, welcher Vortrag ihrerseits unterblieben sein soll und zu welchem Ergebnis dieser auf der Grundlage der Rechtsauffassung des [X.] geführt hätte.

2. Schließlich kann die Klägerin auch unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht so gestellt werden, als sei ein Antrag früher gestellt worden.

Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Berechtigten obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur [X.] und Beratung (§§ 14, 15 [X.]B I), ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Er setzt demnach eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus, die (als wesentliche Bedingung) kausal zu einem sozialrechtlichen Nachteil des Berechtigten geworden ist. Außerdem ist erforderlich, dass durch Vornahme einer zulässigen Amtshandlung der Zustand hergestellt werden kann, der bestehen würde, wenn die Behörde ihre Verpflichtungen gegenüber dem Berechtigten nicht verletzt hätte (stRspr, vgl B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - B[X.]E 104, 245 = [X.]-3100 § 60 [X.], Rd[X.] 41). Darüber hinaus hat der [X.] auch bereits entschieden, dass die Regelung des § 60 [X.] die Begründung eines früheren Leistungsbeginns im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht ausschließt, insbesondere wenn feststeht, dass eine Behörde pflichtwidrig eine gebotene Beratung über bestehende Antragsmöglichkeiten unterlassen hat. Über die in § 60 Abs 1 S 3 [X.] praktisch enthaltene Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Eintritt der Schädigung erfasst der Herstellungsanspruch zusätzlich auch [X.], die auf [X.] beruhen (vgl insgesamt B[X.], aaO, Rd[X.] 42 mwN). Insoweit ist insbesondere § 14 [X.]B I Grundlage für den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, wonach jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch hat. Zuständig für die Beratung sind allerdings (grundsätzlich) die Leistungsträger, denen gegenüber Rechte geltend zu machen oder Pflichten zu erfüllen sind. In der Regel wird die Beratungspflicht durch ein entsprechendes Begehren des Berechtigten ausgelöst. Aber auch unabhängig davon ist der Leistungsträger gehalten, bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und von jedem verständigen Berechtigten mutmaßlich genutzt werden (sog Spontanberatung, vgl B[X.], aaO, Rd[X.] 43 mwN). Eine solche Beratungspflichtverletzung kann dem beklagten [X.] nach den Feststellungen des [X.] vorliegend nicht angelastet werden, weil diesem erst bei Antragstellung am [X.] bei dem damals zuständigen Versorgungsamt [X.] Kenntnis vom Tatgeschehen am [X.] zugerechnet werden kann. Im davorliegenden [X.]raum war den für die Angelegenheiten nach dem [X.] zuständigen Stellen die Gewalttat völlig unbekannt und bestand auch keinerlei Kontakt zum Vater der Klägerin.

Zwar kann sich nach ständiger Rechtsprechung des B[X.] ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auch aus einem fehlerhaften Verhalten anderer Behörden ergeben, welches sich der zuständige Leistungsträger zurechnen lassen muss. Einer anderen Behörde als der für Entscheidung über die Leistung befugten Stelle kann eine Beratungspflicht, deren Verletzung zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gegen den zuständigen Leistungsträger führen kann, dann obliegen, wenn die andere Behörde vom Gesetzgeber im Sinne einer Funktionseinheit in das Verwaltungsverfahren "arbeitsteilig" eingeschaltet ist. Ebenso muss sich ein Leistungsträger das Fehlverhalten derjenigen Behörde zurechnen lassen, deren Funktionsnachfolge er angetreten hat (hier das Versorgungsamt [X.] ; vgl hierzu insbesondere [X.]surteil vom 16.12.2004 - [X.] VJ 2/03 R - Juris Rd[X.]8 mwN). Eine zurechenbare Beratungspflichtverletzung wird von der Rechtsprechung des B[X.] auch dann angenommen, wenn die Zuständigkeitsbereiche beider Stellen materiell-rechtlich eng miteinander verknüpft sind, die andere Behörde im maßgeblichen [X.]punkt aufgrund eines bestehenden Kontaktes der aktuelle "Ansprechpartner" des Berechtigten ist und sie - die Behörde - aufgrund der ihr bekannten Umstände erkennen kann, dass bei dem Berechtigten im Hinblick auf das andere sozialrechtliche Gebiet ein dringender Beratungsbedarf in einer gewichtigen Frage besteht (vgl hierzu insgesamt B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - B[X.]E 104, 245 = [X.]-3100 § 60 [X.], Rd[X.] 44 mwN; s auch zur Zurechnung des Verhaltens Dritter iS einer Funktionseinheit B[X.] Urteil vom 8.10.1998 - B 8 KN 1/97 U R - B[X.]E 83, 30, 35 f = [X.] 3-5670 § 5 [X.] 1 S 7 f).

Vorliegend waren die Jugendämter des Beigeladenen zu 1. und zu 2. weder im Sinne einer Funktionseinheit in das Verwaltungsverfahren der [X.] "arbeitsteilig" eingeschaltet noch mit dieser materiell-rechtlich eng verknüpft. Insbesondere bestand nach den Feststellungen des [X.] bis zur Antragstellung am [X.] keinerlei Kontakt zwischen der [X.] und dem Jugendamt. Damit kommt es auf die Frage, ob die Jugendämter eine Beratungspflicht hinsichtlich einer Antragstellung nach dem [X.] gegenüber dem Vater der Klägerin oder deren Mutter verletzt haben könnten, nicht an. Die Jugendämter sind grundsätzlich nicht mit der Bearbeitung von Anträgen nach dem [X.] befasst. Über solche Anträge entscheidet allein die [X.]. Auch an der Vorbereitung solcher Entscheidungen sind die Jugendämter nicht beteiligt. Deren Befugnis nach § 97 S 1 [X.]B VIII beim zuständigen Versorgungsamt ein Verwaltungsverfahren zur Feststellung einer Leistungspflicht nach dem [X.] einzuleiten, bezieht sich lediglich darauf, im eigenen Interesse und im eigenen Namen gegenüber einem anderen Leistungsträger ein fremdes Recht geltend zu machen, nämlich die Feststellung einer (anderen) Sozialleistung zu betreiben und (als gesetzlicher Prozessstandschafter des eigentlich Berechtigten) gegen eine ablehnende Entscheidung Rechtsmittel einzulegen (B[X.] Urteil vom 11.12.2008 - [X.]/9a [X.] - [X.]-3100 § 60 [X.] Rd[X.]5 mwN). Daneben obliegt dem Jugendamt [X.] im Rahmen der Hilfeplanung nach § 36 [X.]B VIII keine Pflicht, über sämtliche rechtlichen Vorteile und Möglichkeiten im Zuständigkeitsbereich anderer Behörden zu beraten (vgl B[X.] Urteil vom 27.7.2004 - B 7 SF 1/03 R - [X.]-1200 § 14 [X.] Rd[X.] 10 und 12). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Verfügung des [X.] vom 15.3.2000 (II/1 c - 1204/4370/4370.2.2/ 4372 A - 476/99 - Sa.-[X.]. 43/2000), mit dem das Rundschreiben des [X.] vom 15.11.1999 (VI a 2 - 52039) bekanntgegeben worden ist. Zwar sollte durch dieses Rundschreiben ein bestehendes erhebliches Informationsdefizit über das [X.] bei den Jugendämtern ausgeräumt werden, weil insbesondere die Kenntnis darüber fehlte, dass auch ohne Strafanzeige Anträge nach dem [X.] mit grundsätzlicher Aussicht auf Erfolg gestellt werden könnten. Dieser Umstand ändert jedoch nichts an der ausschließlichen Zuständigkeit für Anträge nach dem [X.] durch die [X.]. Ferner bewirkt weder die Verfügung des [X.] noch das Rundschreiben des [X.] eine arbeitsteilige Einschaltung der Jugendämter in das Verwaltungsverfahren der Behörden der [X.] und führt nicht zu einer materiell-rechtlichen Verknüpfung der Zuständigkeitsbereiche beider Behörden (vergleichbar etwa des Leistungsbezugs aus der Arbeitslosenversicherung mit der Rentenversicherung, hierzu B[X.] [X.] 3-1200 § 14 [X.]2). Damit kann der Beklagte im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auch nicht für eine möglicherweise unterbliebene [X.] über eine Antragstellung nach dem [X.] durch das Jugendamt verpflichtet werden. Dieses ist keine für die [X.] über alle [X.] Angelegenheiten nach dem Sozialgesetzbuch zuständige Stelle (vgl § 15 Abs 1 [X.]B I). Ein weiter gefasstes Verständnis der Pflicht zur Aufklärung iS des § 13 [X.]B I und zur Beratung iS des § 14 [X.]B I würde im Übrigen die [X.] und Antragsfristen in sozialrechtlichen Leistungsgesetzen unterlaufen (vgl B[X.] Urteil vom 27.7.2004 - B 7 SF 1/03 R - [X.]-1200 § 14 [X.] Rd[X.] 15).

3. [X.] beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 9 V 6/15 R

16.03.2016

Bundessozialgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: V

vorgehend SG Köln, 8. Februar 2013, Az: S 8 VG 318/08, Urteil

§ 60 Abs 1 S 2 BVG, § 60 Abs 1 S 3 BVG, § 1 Abs 1 S 1 OEG, § 67 Abs 1 SGG, § 62 SGG, § 13 SGB 1, § 14 SGB 1, § 15 Abs 1 SGB 1, § 97 S 1 SGB 8, § 27 Abs 1 S 2 SGB 10, § 1626 Abs 1 S 2 BGB, § 383 Abs 1 Nr 1 ZPO, § 383 Abs 1 Nr 2 ZPO, § 383 Abs 1 Nr 3 ZPO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 16.03.2016, Az. B 9 V 6/15 R (REWIS RS 2016, 14434)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14434

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