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PDF anzeigen[X.]/02vom15. Oktober 2002in der Strafsachegegenwegenschwerer Verunglimpfung des [X.] -Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] - zu 2. auf dessen Antrag - am15. Oktober 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig [X.] Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 30. Januar 2002a) im Schuldspruch dahin neu gefaßt, daß der Angeklagte derschweren Verunglimpfung des Staates schuldig [X.]) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf-gehoben.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] Die weitergehende Revision wird verworfen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten "wegen Verunglimpfung desStaates in der Absicht, sich für Bestrebungen gegen den Bestand der [X.] und seiner Verfassungsorgane einzusetzen," zu einerFreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Der Angeklagte rügt mit seiner Revi-sion die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Sachrüge führt zur- 3 -Aufhebung des Strafausspruchs. Im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründetim Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.I. Nach den Feststellungen verfaßte der mehrfach einschlägig vorbe-strafte Angeklagte im April 2000 einen "Offenen Brief an alle Mitglieder [X.] Bundestages und der Bundesregierung". In dem vierseitigenSchreiben, in dem er seine Auffassungen zu verschiedenen politischen Fragendarlegte und den Politikern Versagen bei deren Behandlung vorwarf, [X.] sich u. a. auch wie folgt:"..... Sie alle haben aus der Bundes- eine Bimbes-Republik gemacht, ei-nen käuflichen Saustall, über dem als Wichtigstes Ihr Glaubensbekenntnissteht: Es darf nie wieder einen selbstbewußten, wirklich souveränen [X.] geben. Nur allzu willig und übereifrig unterwerfen Sie sich [X.],[X.], vor allem aber [X.] Wünschen oder Befehlen. ..... Die[X.] ist kein Staat! ..... Das Grundgesetz ist keine Verfassung undwurde nicht in freier Entscheidung vom [X.] Volke beschlossen, [X.] auch niemals eine Verfassung oder gar die Grundlage eines souveränenStaates werden. ..... Das Grundgesetz ist Besatzungsrecht. ..... Folglich [X.] die Pflicht der Bundesregierung gewesen, 1990 auch das [X.] aufzulösen. ..... Statt dessen hat sie das Grundgesetz, ein Willkür-produkt der Feindmächte, zur [X.] erhoben, ..... Das [X.] mußwieder her! Die [X.] gehört zum traurigsten und würdelosesten Abschnitt [X.] [X.] Geschichte und muß so schnell wie möglich beendet unddurch das [X.] ersetzt werden. Das [X.] muß uns doch bleiben! ".Abschriften des Briefes, den er auch im [X.] publizierte, versandte [X.] ihm Gleichgesinnte und an [X.] -Das [X.] hat in den Äußerungen eine besonders verletzendeMißachtung und Herabwürdigung der [X.] und seinerfreiheitlich [X.] Grundordnung gesehen. Der Angeklagte habe der[X.] die Staatlichkeit, die Souveränität sowie [X.] Legitimation abgesprochen und sie als so verachtenswert de-nunziert, daß sie beseitigt und durch das "Dritte [X.]", also eine Gewalt- [X.], ersetzt werden müsse. Dadurch habe er die [X.] ihre verfassungsmäßige Ordnung sowohl beschimpft als auch böswilligverächtlich gemacht und sich für Bestrebungen gegen ihren Bestand und ge-gen Verfassungsgrundsätze eingesetzt.II. [X.] hält rechtlicher Überprüfung [X.] der Deutung des objektiven Sinns der Äußerungen hat die [X.] nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, insbesondereunter Berücksichtigung der Ausführungen, in denen sie sich mit der [X.] Angeklagten auseinandersetzt, die Anforderungen beachtet, die sich [X.]. 5 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes ergeben (vgl. [X.] NJW 1999, 204,205; 1995, 3303, 3305). Sie hat sich vor allem mit der Behauptung des Ange-klagten befaßt, mit "[X.]" sei nicht das "Dritte [X.]", sondern das "[X.]Bismarcks" gemeint und diese Auslegungsmöglichkeit auch unter Berücksichti-gung der Passage des Briefes, in der der Angeklagte zur Begründung seinerThese vom "Fortbestand des Deutschen [X.]s" das [X.] zitiert, mit einer ausführlichen, tragfähigen Begründung ausgeschlossen([X.], 19). Bei der Deutung des objektiven Sinns der Äußerungen [X.] neben ihrem Wortlaut und Kontext Umstände außerhalb desOffenen Briefes berücksichtigen ([X.] NJW 1995, 3303, 3305). [X.] konnte sie auch darauf abstellen, daß der Angeklagte seit [X.] -rechtsradikales Gedankengut verbreitet und die freiheitlich demokratischeGrundordnung der [X.] bekämpft.2. Die Äußerungen des Angeklagten erfüllen den Tatbestand des § 90 aAbs. 1 Nr. 1, Abs. 3 i. V. m. § 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6, Abs. 3 Nr. 1 und 3 StGBin der Alternative des böswilligen Verächtlichmachens der [X.][X.] und ihrer verfassungsmäßigen Ordnung.Der Angeklagte hat mit seiner Äußerung, die [X.] und ihrefreiheitlich demokratische Grundordnung seien minderwertig und müßten durchdas "Dritte [X.]" ersetzt werden, diese als der Achtung der Bürger unwert undunwürdig hingestellt (vgl. [X.]St 3, 346; 7, 110, 111). Die Äußerung stellt sichals böswillig dar, weil er aus bewußt feindlicher Gesinnung gegen die freiheit-lich demokratische Grundordnung handelte ([X.] NJW 1964, 1481, 1483), de-ren Existenzrecht er bestreitet und die er beseitigen will.3. Das [X.] hat bei der Anwendung des § 90 a StGB die wertset-zende Bedeutung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung für den frei-heitlich [X.] Rechtsstaat entsprechend der Rechtsprechung [X.] berücksichtigt (vgl. [X.] NJW 1978, 1043,1045; 1995, 3303, 3304). Es hat insbesondere gesehen, daß bei der gesetzli-chen Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit durch eine Staatsschutz-norm besonders sorgfältig zwischen einer - wie verfehlt auch immer erschei-nenden - Polemik und einer Beschimpfung oder einem böswilligen [X.] zu unterscheiden ist, weil Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes geradeaus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darinunverändert seine Bedeutung findet ([X.] NJW 1995, 3303, 3304; 1999,204, 205). Angesichts der schwerwiegenden Verunglimpfungen durfte es [X.] der gebotenen Abwägung der Anwendung des § 90 a StGB den Vor-rang vor der Meinungsäußerungsfreiheit einräumen.Die [X.] hat § 90 a StGB zum Schutz des Ansehens des [X.] nicht so ausdehnend ausgelegt, daß die Meinungsfreiheit nicht mehr dieaußergewöhnlich große Bedeutung hat, die ihr innerhalb der freiheitlich demo-kratischen Grundordnung der [X.] zukommt. Ihre Interpretationführt nicht dazu, daß vom Gebrauch des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1des Grundgesetzes deswegen abgeschreckt wird, weil aus Furcht vor [X.] auch zulässige Kritik unterbleibt (vgl. [X.] NJW 1995, 3304). Zu [X.] sie den Äußerungen des Angeklagten ein Gewicht beigemessen, das überEntstellungen, Übertreibungen und Geschmacklosigkeiten deutlich hinausgeht.Dabei hat sie zutreffend gesehen, daß § 90 a StGB nicht verbietet, [X.] Kritik am Staat zu üben und selbst verfassungsfeindliche Ziele zupropagieren ([X.]E 47, 198, 232). Es durfte aber auch berücksichtigen, daßdie [X.] als rechtsstaatlich verfaßte Demokratie in ih-rem von der inneren Zustimmung ihrer Bürger abhängigen Bestand auf [X.] an Achtung dieser Bürger ihr gegenüber angewiesen ist, auch umdie Grundrechtsausübung wirksam gewährleisten zu können (vgl. [X.]R StGB§ 90 a Kunstfreiheit 1), zumal der Angeklagte die in seinem Offenen Brief an-gesprochenen politischen Anliegen auch in einer vom Grundrecht der [X.] gedeckten Form hätte verbreiten können, ohne daßihm dadurch ein Verzicht auf gedankliche Teile seiner Äußerungen zugemutetwerden würde (vgl. [X.]E 47, 198, 233).4. Den mit dem Wortlaut des [X.] gemäß § 90 aAbs. 3 StGB nicht übereinstimmenden Schuldspruch des angefochtenen [X.] der [X.] neu gefaßt. Er hat dabei die Tat als schwere Verunglimpfung des- 7 -Staates bezeichnet, um zum Ausdruck zu bringen, daß sich der Angeklagtedurch sie absichtlich für verfassungswidrige Bestrebungen eingesetzt hat.[X.] Gegen den Strafausspruch bestehen jedoch durchgreifende rechtli-che Bedenken.Auch wenn die Meinungsäußerungsfreiheit nicht vor einer Verurteilungwegen Verunglimpfung des Staates schützt, weil sie bei der gebotenen fallbe-zogenen Abwägung hinter dem Rechtsgut des Schutzes des Staates vor [X.] verächtlich machenden Äußerungen zurücktritt, muß bei der Strafzumes-sung ihre wertsetzende Bedeutung beachtet werden. Denn dem einge-schränkten Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit ist bei der Rechtsan-wendung auf allen Ebenen Rechnung zu tragen. Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2des Grundgesetzes enthält nicht nur den verfassungsrechtlichen Maßstab fürdie Beurteilung, ob eine Meinungsäußerung erlaubt oder verboten ist, [X.] auch bei der Zumessung der Sanktion für eine verbotene Meinungs-äußerung Beachtung (vgl. [X.] NStZ 1994, 357, 358; NJW 1999, 204, 205;2002, 1031, 1034 f). Die erforderliche Abwägung auf [X.] der Strafzu-messung hat die [X.] nicht erkennbar vorgenommen.Von dieser Abwägung war die [X.] auch nicht deshalb entho-ben, weil die Äußerungen eine reine Schmähkritik darstellen könnten. Denneine überzogene oder ausfällige Kritik macht eine Äußerung noch nicht [X.]. Hinzutreten muß vielmehr, daß nicht mehr die [X.] in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht. Die Äuße-rung muß jenseits auch polemischer Kritik in der persönlichen Herabsetzungbestehen. Dementsprechend liegt Schmähkritik bei Stellungnahmen in einerdie Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und- 8 -wird im übrigen eher auf die sogenannte Privatfehde beschränkt bleiben([X.] NJW 1999, 204, 206; 1995, 3303, 3304).Die strafbaren Äußerungen des Angeklagten bezweckten nicht aus-schließlich die Schmähung des Staates und seiner verfassungsmäßigen Ord-nung. Bei ihrer Bewertung muß berücksichtigt werden, daß nur wenige [X.] innerhalb eines vierseitigen Textes, der weitgehend strafrechtlich irrele-vante, von Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 des Grundgesetzes gedeckte Mei-nungsäußerungen enthält, betroffen sind und zwischen allen Äußerungen einenger Zusammenhang besteht. Bei dieser Sachlage bedarf es keiner Entschei-dung, ob die vom [X.] für die Annahme der [X.] entwickelten Grundsätze auf den Bereich des durch § 90 a Abs. 1Nr. 1 StGB geschützten Rechtsguts übertragbar sind.Der [X.] kann nicht ausschließen, daß die Bemessung der Freiheits-strafe auf dem dargestellten Rechtsmangel beruht und hebt deshalb den Straf-ausspruch auf. Die [X.], die keinen Rechtsfehler aufweist,kann bestehen bleiben.IV. Für das weitere Verfahren weist der [X.] darauf hin, daß noch nichtrechtskräftige Verurteilungen nicht strafschärfend h[X.]gezogen werden [X.] insoweit mißverständliche Formulierungen vermieden werden sollten.Schließlich wird der neue Tatrichter Gelegenheit haben für die Überprüfung, obim Hinblick auf § 21 StGB die Beiziehung eines Sachverständigen geboten ist.Der Angeklagte ist letztmals vor circa 20 Jahren hinsichtlich seiner strafrechtli-chen V[X.]twortlichkeit untersucht worden. Die Intensität, Hartnäckigkeit undinsbesondere die Unbelehrbarkeit, mit der er in Kenntnis drohender Strafver-fahren öffentlich die nationalsozialistische Ideologie vertritt, könnten zumal- 9 -unter Berücksichtigung der Möglichkeit altersbedingter Abbauprozesse eineerneute Untersuchung angezeigt erscheinen lassen.[X.] von [X.][X.]
Meta
15.10.2002
Bundesgerichtshof 3. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.10.2002, Az. 3 StR 270/02 (REWIS RS 2002, 1168)
Papierfundstellen: REWIS RS 2002, 1168
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
3 StR 323/05 (Bundesgerichtshof)
3 StR 109/17 (Bundesgerichtshof)
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Coronavirus, SARS-CoV-2, Revision, Schuldspruch, Hauptverhandlung, Berufung, Auslegung, Generalstaatsanwaltschaft, Meinungsfreiheit, Zustellung, Staatsanwaltschaft, Frist, Rechtsmittel, Angeklagte, Angeklagten, …
3 StR 109/17 (Bundesgerichtshof)
1 StR 184/00 (Bundesgerichtshof)
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