Bundessozialgericht, Urteil vom 10.07.2014, Az. B 10 ÜG 8/13 R

10. Senat | REWIS RS 2014, 4161

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Überlange Verfahrensdauer - Entschädigungsklage - sozialrechtliches Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren als eigenständiges Gerichtsverfahren iS des § 198 Abs 6 Nr 1 GVG - völkerrechtsfreundliche Auslegung - materielle Ausschlussfrist des § 198 Abs 5 S 2 GVG - unmittelbare Klageerhebung nach PKH-Bewilligung - Treu und Glauben - Aktivlegitimation von Prozessbevollmächtigten - Beteiligung am Kostenfestsetzungsverfahren - ausreichende Wiedergutmachung auf andere Weise - Zurückverweisung)


Leitsatz

Das sozialgerichtliche Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren ist ein eigenständiges Gerichtsverfahren im Sinne des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 6. März 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Der Streitwert wird auf 15 300 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten wegen der Dauer eines [X.]s über einen Entschädigungsanspruch der Kläger nach dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ([X.]) vom 24.11.2011 ([X.] 2302).

2

Die Kläger bezogen im [X.] als Bedarfsgemeinschaft Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Sie erhoben jeweils gemeinsam am [X.] drei auf Bescheidung von Widersprüchen gerichtete Untätigkeitsklagen zum [X.] ([X.] AS 854/09, [X.] AS 855/09 und [X.] AS 856/09) und erklärten diese am [X.] nach Erlass der Widerspruchsbescheide durch die zuständigen Leistungsträger ([X.]) in der Hauptsache für erledigt. Das [X.] hat die drei Verfahren am [X.] zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung verbunden (zugestellt am [X.]). Am 4.6.2009 haben die Kläger das Kostengrundanerkenntnis der [X.] angenommen und die Verfahren am 4.6.2009 auch insoweit für erledigt erklärt.

3

Am [X.] beantragte der Prozessbevollmächtigte der Kläger unter Angabe des Rubrums der Untätigkeitsklagen und des Aktenzeichens des nach der Verbindung führenden Verfahrens ([X.] AS 854/09) Kostenfestsetzung für die drei erledigten Gerichtsverfahren in Höhe von insgesamt 615,18 Euro. Der [X.] der Geschäftsstelle des [X.] setzte die den Klägern zu erstattenden außergerichtlichen Kosten für eine Untätigkeitsklage auf 176,12 Euro fest, wobei sich aus den Gründen ergibt, dass der [X.] von (nur) einer Untätigkeitsklage ausging (Kostenfestsetzungsbeschluss vom [X.]). Hiergegen wandte sich der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit der Erinnerung vom [X.] ([X.] SF 23/10 E); er rügte, dass der [X.] statt von drei von nur einem abzurechnenden Verfahren ausgegangen sei, und beantragte nunmehr - unter Berücksichtigung sowohl der Kosten der drei Widerspruchsverfahren als auch der drei Gerichtsverfahren - die Festsetzung von insgesamt 2057,46 Euro. Nach einer Sachstandsanfrage im Oktober 2010 erhoben die Kläger - unter Angabe der drei ursprünglichen [X.]-Aktenzeichen - am 4.12.2011 Verzögerungsrüge in dem Erinnerungsverfahren. Mit Beschluss vom [X.] wies das [X.] die Erinnerung zurück und führte ergänzend aus, dass die von den Klägern für die zum führenden Aktenzeichen [X.] AS 854/09 verbundenen Ausgangsverfahren ([X.] AS 855/09 und 856/09) gestellten Anträge auf Kostenfestsetzung versehentlich noch nicht beschieden worden seien. Nach Erhalt der [X.] vom [X.] in den Verfahren [X.] AS 855/09 und [X.] AS 856/09 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Kläger am 30.1.2012 das Erinnerungsverfahren für erledigt.

4

Dem Antrag der Kläger vom 8.2.2012, ihnen für eine beabsichtigte Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer der drei [X.] Prozesskostenhilfe ([X.]) zu bewilligen, hat das L[X.] mit Beschluss vom 11.10.2012 entsprochen. Sodann haben die Kläger am 18.10.2012 Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer erhoben und ausgeführt, dass auch die überlange Dauer von [X.] Gegenstand einer Entschädigungsklage iS von § 198 [X.] sein könne. Das Verfahren sei auch unangemessen lang gewesen, da es bereits mit Einlegung der Erinnerung entscheidungsreif gewesen sei.

5

Das L[X.] hat die Klage abgewiesen, weil das [X.] kein Gerichtsverfahren darstelle, dessen ggf überlange Dauer nach § 198 Abs 1 [X.] entschädigt werden könne. Zwar sei den Klägern für ihre Klageerhebung am 18.10.2012 unmittelbar nach Zustellung des [X.] bewilligenden Beschlusses Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist des § 198 Abs 5 S 2 [X.] zu gewähren. Eine mögliche Verzögerung der Kostenfestsetzung und des nachfolgenden Erinnerungsverfahrens könne jedoch weder im Rahmen der vorangegangenen Klageverfahren entschädigt werden, weil diese bereits durch die Erklärungen der Kläger vom [X.] erledigt gewesen seien, noch handele es sich um ein eigenständiges Gerichtsverfahren. Die Regelung des § 198 Abs 1 und Abs 6 Nr 1 [X.] gehe von einem auf die Hauptsache ausgerichteten Verfahrensbegriff aus. Nebenverfahren nach deren Erledigung begründeten keinen eigenen Entschädigungsanspruch. Dem stehe nicht entgegen, dass § 198 Abs 6 Nr 1 [X.] auch den vorläufigen Rechtsschutz sowie die Bewilligung von [X.] erwähne, weil beide Verfahrensarten von besonderer Bedeutung für die Verwirklichung des Justizgewährungsanspruchs seien. Das streitgegenständliche [X.] unterfalle entsprechend der Entscheidungspraxis des [X.] ([X.]) nicht dem Schutzbereich des Art 6 Europäische Menschenrechtskonvention ([X.]). Die Gegenauffassung stehe schließlich nicht in Einklang mit § 199 Abs 1 [X.], da diese Vorschrift die Anwendung des § 198 [X.] ausdrücklich auf das Strafverfahren und die Vorbereitung der öffentlichen Klage beschränke und so [X.] nach "§ 463b" (gemeint: § 464b) Strafprozessordnung (StPO) ausschließe (Urteil vom 6.3.2013).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine Verletzung von § 198 Abs 1 S 1 und Abs 6 Nr 1 [X.]. Entgegen der Auffassung des L[X.] stelle ein [X.] ein bei Überlänge zu entschädigendes Gerichtsverfahren dar. Das L[X.] verkenne bei seiner systematischen Auslegung, dass durch die Sonderregel des § 199 [X.] der Anwendungsbereich des § 198 [X.] nur erweitert werden solle. Dem Wortlaut des § 199 [X.] könne nicht entnommen werden, dass es Anspruchsberechtigte hinnehmen müssten, dass über ihre Kosten und Auslagen nicht in angemessener [X.] entschieden werde, ohne dass sie für diese Verzögerung eine Entschädigung erhalten könnten. [X.] seien eigenständige Verfahren mit eigenständiger Hauptsache betreffend die Entscheidung über einen Kostenerstattungsanspruch. So werde vermieden, dass ein unangemessen lange dauerndes [X.] zugleich das vorangegangene, abgeschlossene Hauptsacheverfahren verzögere. Die geforderte Entschädigung entspreche der [X.] des § 198 Abs 2 S 3 [X.] unter Zugrundelegung einer Verzögerung um 17 Monate pro Verfahren (17 x 3 = 51 Verzögerungsmonate pro Kläger x 3 Kläger = 153 Verzögerungsmonate x 100 Euro = 15 300 Euro).

7

Die Kläger beantragen,
das Urteil des [X.] vom 6. März 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, 15 300 Euro an die Kläger zuzüglich Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

8

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Kläger ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung der Sache dorthin begründet (§ 170 Abs 2 S 2 [X.]). Die bisherigen Tatsachenfeststellungen des [X.] lassen eine abschließende Entscheidung des [X.] nicht zu. Das [X.] ist zu Recht von der Zulässigkeit der [X.] ausgegangen; seine Feststellungen tragen jedoch die Annahme der Unbegründetheit nicht.

Materielle Rechtsgrundlage des von den Klägern gegen die Beklagte verfolgten Zahlungsanspruchs ist § 198 Abs 1 S 1 [X.]. Danach wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als [X.] einen Nachteil erleidet. Gerichtsverfahren im Sinne dieser Vorschrift ist jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren (§ 198 Abs 6 [X.] [X.]).

1. § 198 [X.] findet aufgrund der Übergangsregelung des Art 23 S 1 [X.] vom 24.11.2011 ([X.]) auf den vorliegenden Fall Anwendung. Nach Art 23 S 1 [X.] gilt dieses Gesetz ua auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten (gemäß Art 24 [X.] am 3.12.2011) bereits anhängig waren (zeitlicher Anwendungsbereich der Vorschrift).

Dem [X.] steht auch nicht entgegen, dass die Kläger ihre [X.] erst am 18.10.2012 und damit mehr als sechs Monate nach Abschluss des Ausgangsverfahrens erhoben haben. Gemäß § 198 Abs 5 S 2 [X.] muss die Klage zwar spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Dabei handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (so schon die Gesetzesbegründung, BT-Drucks 17/3802, [X.]), sodass den Klägern durch das [X.] auch nicht - wie rechtsfehlerhaft geschehen - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden konnte (vgl [X.] in [X.]/[X.], Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, A § 198 [X.] Rd[X.] 255; [X.] in [X.] Kommentar zur ZPO, 4. Aufl 2013, § 198 [X.] Rd[X.] 74). Da ein Fristversäumnis nach der Gesetzesbegründung (aaO) "nur" zur Verwirkung des Anspruchs führen soll, hat das [X.] jedoch im Ergebnis zutreffend auf den von den Klägern vor Ablauf der Klagefrist gestellten [X.] vom 8.2.2012 abgestellt, weil die Kläger unmittelbar nach Bewilligung von [X.] Klage erhoben haben (vgl [X.], aaO, Rd[X.] 258). Die Beklagte kann sich hier nach [X.] und Glauben nicht auf den Eintritt von Verwirkung berufen, da sie durch den [X.] rechtzeitig Kenntnis von dem Entschädigungsbegehren der Kläger hatte. Insoweit lässt sich der Rechtsgedanke des § 204 Abs 1 [X.] fruchtbar machen, wonach durch die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von [X.] die Verjährung gehemmt wird. Auch in der Gesetzesbegründung (aaO) wird diesbezüglich unter Hinweis auf Rechtsprechung des [X.] ausdrücklich auf die Möglichkeit der entsprechenden Anwendung einzelner Verjährungsvorschriften hingewiesen.

2. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 [X.]) statthaft, ohne dass zuvor ein vom Gesetz nicht vorgesehener Verwaltungsakt (vgl § 198 Abs 5 [X.]) zu ergehen hatte (vgl [X.]urteil vom 21.2.2013 - [X.] ÜG 1/[X.] - [X.], 75 = [X.]-1720 § 198 [X.] Rd[X.]5). Dabei ist das [X.] in der Sache zu Recht davon ausgegangen, dass ein [X.] nach § 197 [X.] im Hinblick auf § 198 [X.] nicht als Teil des vorangegangenen Hauptsacheverfahrens anzusehen ist ([X.], [X.] 2013, 61 f). Denn es handelt sich um ein chronologisch nachgeordnetes Verfahren, das unter Umständen - wie im vorliegenden Fall - erst beginnt, nachdem der zeitliche Anwendungsbereich des § 198 Abs 6 [X.] [X.] hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens bereits vollständig abgeschlossen ist.

Die von den Klägern ursprünglich erhobenen Untätigkeitsklagen waren bereits seit mehr als acht Monaten erledigt, als gemäß § 197 [X.] Kostenfestsetzung beantragt wurde. Entscheidend ist jedoch, dass mit diesem Antrag ein anderer Anspruch zum Gegenstand einer Entscheidung des Gerichts gemacht wurde, der unabhängig vom Streitgegenstand des vorangegangenen Klageverfahrens ist. Anders als etwa eine Anhörungsrüge, die darauf abzielt, die Rechtskraft einer vorangegangenen Entscheidung zu beseitigen, und im Erfolgsfall zu einer Fortsetzung des an sich bereits erledigten Verfahrens führt (s zu den entschädigungsrechtlichen Konsequenzen [X.] Urteil vom 21.5.2014 - [X.] 355/13 - NJW 2014, 2443 f = Juris Rd[X.]0 ff), setzt der [X.] ein selbstständiges Verfahren in Gang. Dieses ist von keinerlei Relevanz für den Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens.

Dem steht nicht entgegen, dass der [X.], wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, in der Vergangenheit die [X.] verschiedentlich unter Einbeziehung des Kostenfestsetzungsverfahrens bewertet hat (s nur Urteil vom [X.] - 13791/06 - Juris). Denn § 198 [X.] beinhaltet insoweit eine eigenständige, von der [X.] unabhängige Regelung. Diese geht zwar von einem an der Hauptsache orientierten Verfahrensbegriff aus, sodass nicht jeder einzelne Antrag oder jedes Gesuch im Zusammenhang mit dem verfolgten [X.] ein eigenständiges Verfahren darstellt (vgl [X.] Urteil vom 5.12.2013 - [X.] 73/13 - Rd[X.] 20; [X.]Z 199, 190 = NJW 2014, 789, 790; [X.], aaO, Rd[X.] 33 f). Hier hatten die Kläger jedoch ihre mit den Untätigkeitsklagen verfolgten [X.] bereits vollständig erreicht. Mit dem Umfang der (dem Grunde nach unstreitig) von der Beklagten der Ausgangsverfahren zu erstattenden Kosten wurde sodann ein neuer Streitgegenstand zur Entscheidung des Gerichts gestellt. Das [X.] nach § 197 [X.] folgt als ein eigenständiges Verfahren auf ein (uU bereits abgeschlossenes) vorangegangenes Hauptsacheverfahren und ist nach Sinn und Zweck des § 198 [X.] nicht dessen Bestandteil.

3. Entgegen der Auffassung des [X.] handelt es sich bei einem [X.] vor dem [X.] nach § 197 [X.] um ein eigenständiges Gerichtsverfahren iS von § 198 Abs 1 S 1 [X.] und nicht lediglich um einen unselbstständigen Annex zum vorangegangenen, abgeschlossenen Hauptsacheverfahren. Die insoweit maßgebenden Voraussetzungen der oben zitierten Legaldefinition des § 198 Abs 6 [X.] [X.] sind erfüllt (im Ergebnis übereinstimmend etwa [X.]/[X.], NJW 2012, 1, 4 unter Hinweis auf die [X.], Mai 2010, dort unter 6 b; [X.], [X.] 2012, 2, 3; [X.], aaO, Rd[X.] 54; [X.], NZ[X.]12, 493, 495). Ebenso hat der erkennende Senat bereits mit Beschluss vom 27.6.2013 ([X.] ÜG 9/13 B - NZ[X.]13, 958, 959 = Juris Rd[X.] 26) das Verfahren einer Nichtigkeitsklage als (eigenständiges) Gerichtsverfahren iS des § 198 Abs 6 [X.] [X.] angesehen (vgl ferner die Rechtsprechung des [X.] zum selbstständigen Beweisverfahren nach § 485 Abs 2 ZPO: Urteil vom 5.12.2013 - [X.] 73/13 - Rd[X.] 20; [X.]Z 199, 190 = NJW 2014, 789).

a) Für ein weites Verständnis dieser Norm, das auch ein [X.] einschließt, spricht bereits der Wortlaut des Gesetzes. Wenn dort ausdrücklich "jedes" Verfahren als potentiell entschädigungspflichtig benannt ist, duldet dies zunächst keine Ausnahme. Selbst die im zweiten Halbsatz des § 198 Abs 6 [X.] [X.] getroffene Sonderregelung für das eröffnete Insolvenzverfahren bedeutet eher eine Konkretisierung als eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Entschädigungspflicht. Mit dem - in § 198 [X.] durchgängig verwendeten - Begriff des Gerichtsverfahrens ist auch keine Beschränkung auf Verfahren verbunden, die mit einer richterlichen Entscheidung abgeschlossen werden.

Die Formulierung zur zeitlichen Begrenzung der (sodann auf ihre Angemessenheit zu untersuchenden) Verfahrensdauer in § 198 Abs 6 [X.] [X.] spricht ebenfalls nicht für ein engeres Verständnis des Anwendungsbereichs der Entschädigungspflicht. Maßgebend ist insofern der Zeitraum "von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss". Darunter ist die formelle Rechtskraft einer Entscheidung zu verstehen, sodass in die Verfahrensdauer auch der Zeitraum bis zur Zustellung des Urteils oder einer anderen das Verfahren abschließenden Entscheidung einbezogen ist (vgl bereits [X.]urteil vom 21.2.2013 - [X.] ÜG 1/[X.] - [X.], 75, 78 = [X.]-1720 § 198 [X.] Rd[X.] 24 mwN). Zudem zeigt der allgemein gehaltene Begriff "Einleitung", dass "alle Formen, mit denen ein Verfahren in Gang gesetzt werden kann, unabhängig davon, ob dies durch Antrag oder Klageerhebung geschieht oder ein Verfahren von Amts wegen eingeleitet wird" (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung, BT-Drucks 17/3802, [X.]), in Betracht kommen sollen, um ein potentiell entschädigungspflichtiges Gerichtsverfahren in die Wege zu leiten. Das Kostenfestsetzungsverfahren wird nach § 197 [X.] nur auf Antrag eines Beteiligten oder seines Bevollmächtigten eingeleitet. [X.] des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ergehen aufgrund eines eigenständigen gerichtlichen Verfahrens mit freigestellter mündlicher Verhandlung und sind der Rechtskraft fähig (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 197 Rd[X.] 6, 9d). Diese tritt spätestens aufgrund eines entsprechenden Beschlusses des [X.] im ggf anschließenden Erinnerungsver-fahren nach § 197 Abs 2 [X.] iVm § 178 [X.] ein.

b) Auch die historische Auslegung des § 198 [X.] spricht für die Annahme, die Regelung habe einen weiten Anwendungsbereich. Mit dem [X.] sollte der menschen- wie grundrechtlich fundierte Anspruch auf Erlangung effektiven Rechtsschutzes in angemessener Zeit einfachgesetzlich umgesetzt werden, um so eine Handhabe gegen überlange gerichtliche Verfahren sämtlicher Gerichtsbarkeiten zu schaffen. Der Gesetzgeber ist dabei der Einschätzung des [X.] und des [X.] gefolgt, wonach das [X.] Bundesrecht zuvor in diesem Punkt lückenhaft war. Zur Verwirklichung der Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 [X.] und des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs gemäß Art 20 Abs 3 [X.] sowie des Rechts auf ein faires und zügiges Verfahren aus Art 6 Abs 1 [X.] und des in Art 13 [X.] verbürgten Rechts auf eine wirksame Beschwerde sollte mit dem [X.] eine umfassende und möglichst lückenlose Regelung geschaffen werden (vgl zum Ganzen die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung BT-Drucks 17/3802, [X.], 15 f). Für eine Beschränkung auf bestimmte Verfahrensarten, etwa Klageverfahren, finden sich in der [X.] keine Anhaltspunkte. Lediglich Richtervorlagen nach Art 100 [X.], für die durch Art 2 [X.] eine spezielle Regelung im Bundesverfassungsgerichtsgesetz geschaffen wurde, und Vorlageverfahren an den [X.], für die der [X.] Staat keine Haftung übernehmen könne, sollten den gerichtlichen Verfahren nicht zugerechnet werden (BT-Drucks 17/3802, [X.]). Dem Gesetzgeber kam es bei der Definition des Begriffs Gerichtsverfahren in § 198 Abs 6 [X.] [X.] entscheidend darauf an, dass ein solches gerichtliches Verfahren einen eigenen Beginn hat (Einleitung durch Antrag, Klage oder von Amts wegen) und mit einer (rechtskräftigen) Endentscheidung abgeschlossen wird. In diesem Fall sollte ein "selbständiges Verfahren" vorliegen, wie gerade die Begründung für die Ausnahmen für auf Dauer angelegte Verfahren im Bereich des Insolvenzrechts und der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zeigt (vgl BT-Drucks 17/3802, [X.]). Speziell für einem ursprünglichen Hauptsacheverfahren nachfolgende eigenständige Verfahren findet sich in den Gesetzesmaterialien ein weiterer Hinweis, der die Einschätzung des [X.] bestätigt: "Wenn später weitere Endentscheidungen zu treffen sind, handelt es sich jeweils um neue (Gerichts-)Verfahren." (so die Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zur Ablehnung der Ergänzung des Wortlauts von § 198 Abs 6 [X.] [X.] im Hinblick auf Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit; BT-Drucks 17/7217, S 27).

Entgegen der Ansicht des [X.] folgt ein anderes Ergebnis auch nicht aus der Vorgeschichte des Gesetzgebungsverfahrens, die in dem angefochtenen Urteil im Ausgangspunkt zutreffend wiedergegeben wird. Anlass für die Schaffung des [X.] waren zwar ua die Entscheidungen des [X.] vom [X.] in der Sache Sürmeli ([X.] - NJW 2006, 2389 ff), mit der dieser festgestellt hat, dass seinerzeit in der [X.] pflichtwidrig kein wirksamer Rechtsbehelf iS von Art 13 [X.] gegen eine überlange Verfahrensdauer existierte, und vom [X.] in der Sache Rumpf (Az 46344/06 - NJW 2010, 3355 ff), mit der dieser der [X.] aufgegeben hat, ohne Verzögerung und spätestens innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft seines Urteils einen oder mehrere Rechtsbehelfe gegen überlange Gerichtsverfahren einzuführen. Er hat jedoch stets betont, dass die nähere Ausgestaltung des nationalen Rechts Aufgabe der [X.] ist. Obgleich die [X.] ersichtlich von der Motivation geprägt ist, den Vorgaben des [X.] zur Etablierung eines wirksamen Rechtsbehelfs im [X.]n Recht gerecht zu werden, hält es der Senat für unproblematisch, wenn die Auslegung der mit Wirkung zum 3.12.2011 neu geschaffenen Regelungen der §§ 198 ff [X.] zu von der Rechtsprechung des [X.] zu Art 6 [X.] abweichenden Ergebnissen führt. Zwar handelt es sich dabei um in der [X.] unmittelbar geltendes Recht; es steht aber "nur" im Rang eines einfachen Bundesgesetzes (vgl Art 59 Abs 2 S 1 [X.] und dazu [X.]E 74, 358, 370; 111, 307 ff). Dadurch kann es zu einer Verdrängung durch spätere Bundesgesetze kommen (eingehend [X.], Die Rezeption der [X.] sowie der Urteile des [X.] in der [X.] und [X.]n Rechtsprechung, 2012). Soweit zur Vermeidung eines solchen Ergebnisses vor dem Hintergrund der Völkerrechtsfreundlichkeit des [X.] eine mittelbare Bindung des Bundesgesetzgebers an die [X.] und ihre Auslegung durch den [X.] erwogen wird, kann diese zumindest nicht dazu führen, dass es ihm verwehrt sein sollte, über die völkerrechtlich vereinbarten Anforderungen hinauszugehen.

Bei den durch das [X.] eingeführten Entschädigungsregelungen der §§ 198 ff [X.] handelt es sich um einen autonomen Teil des Bundesrechts, der unabhängig neben den menschen- und grundrechtlichen Garantien steht. Die einfachgesetzlichen Vorschriften sind daher zunächst nach den allgemeinen Regeln der juristischen Methodenlehre auszulegen. Kommt es dadurch - wie möglicherweise im vorliegenden Fall - zu einer Erweiterung des Schutzes gegen Verfahrensverzögerungen durch das nunmehr vorhandene einfache Gesetzesrecht, erscheint dies von vornherein unproblematisch. Daher kann die Argumentation des [X.] letztlich nicht durchdringen, das darzulegen versucht hat, dass ein Kostenfestsetzungsverfahren, das einer Untätigkeitsklage in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende nachfolgt, nicht vom Schutzbereich des Art 6 [X.] umfasst ist. Darauf kommt es nicht an, weil der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der §§ 198 ff [X.] ersichtlich nicht auf zivilrechtliche Streitigkeiten und Strafverfahren iS von Art 6 [X.] beschränkt hat.

c) Den (im Ergebnis restriktiven) Überlegungen des [X.] und der Beklagten zur Gesetzessystematik kann sich der Senat ebenfalls nicht anschließen. Er hält zunächst die ausdrückliche Erwähnung der Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe in § 198 Abs 6 [X.] [X.] für unergiebig zur Beantwortung der Streitfrage, ob ein Kostenfestsetzungsverfahren ebenfalls vom Anwendungsbereich der Norm umfasst ist. Mit der diese Aufzählung einleitenden Formulierung "einschließlich" hat der Gesetzgeber lediglich die genannten Verfahren besonders hervorgehoben. Dies ist nach der Gesetzesbegründung ihrer Bedeutung für die Gewährung effektiven Rechtsschutzes geschuldet (BT-Drucks 17/3802, [X.] f). Ein Ausschluss nicht eigens genannter Verfahren sollte damit aber nicht verbunden sein. Die gesetzliche Regelung hielte auch keinerlei Kriterien zur Beantwortung der Frage bereit, welche Verfahren aus ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen sein sollten. Es handelt sich also um eine exemplarische Nennung, die nicht als Basis für einen Umkehrschluss dienen kann. Sie belegt nur, dass nicht nur Klageverfahren erfasst werden.

Auch die weitere Begründung des [X.], das sozialgerichtliche Kostenfestsetzungsverfahren könne schon deshalb der Entschädigungsregelung des § 198 [X.] nicht unterfallen, weil auch das strafprozessuale Kostenfestsetzungsverfahren durch § 199 Abs 1 [X.] ausdrücklich aus dessen Anwendungsbereich ausgeschlossen sei, vermag den Senat nicht zu überzeugen. Sie beruht schon im Ansatz auf einem rechtsfehlerhaften Verständnis des § 199 Abs 1 [X.]. Dieser "erstreckt … den Rechtsschutz bei überlanger Verfahrensdauer auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren" (so die Gesetzesbegründung: BT-Drucks 17/3802, [X.]). Es handelt sich also - worauf die Revision zu Recht hinweist - um eine Vorschrift, die den Anwendungsbereich des § 198 Abs 1 [X.] erweitert, indem sie auch die Entschädigung von Nachteilen ermöglicht, die infolge der unangemessenen Dauer eines staatsanwaltschaftlichen Verfahrens eingetreten sind. Eine Aussage zur Entschädigungspflicht für überlange strafprozessuale Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 464b StPO lässt sich der Norm schwerlich entnehmen - insoweit bleibt es bei der allgemeinen Regelung des § 198 Abs 6 [X.] [X.].

d) Schließlich spricht auch die teleologische Auslegung des § 198 [X.] für die Annahme, der (weite) Anwendungsbereich der Norm umfasse auch [X.] nach § 197 [X.]. Die Entschädigungsregelung bezweckt einen umfassenden und möglichst lückenlosen (zunächst präventiven, notfalls kompensatorischen) Schutz gegen überlange Gerichtsverfahren (vgl auch [X.] Urteil vom 21.5.2014 - [X.] 355/13 - NJW 2014, 2443 f = Juris Rd[X.]4). Eine Differenzierung nach dem materiellen Rechtsgrund des geltend gemachten Anspruchs, wie sie das [X.] vorgenommen hat, lässt das Gesetz nicht zu. Sie ließe sich auch im Ergebnis nicht sachlich rechtfertigen. Die Bedeutung des Verfahrens für den Berechtigten ist nach der Systematik des § 198 [X.] erstmals bei der Prüfung der Verfahrensdauer auf ihre Angemessenheit zu berücksichtigen. Damit geht aber kein Ausschluss aus dem sachlichen Anwendungsbereich der Entschädigungsregelung einher. Das erscheint konsequent, besteht doch im Ausgangspunkt auch für chronologisch der Erledigung eines [X.] nachfolgende Nebenverfahren ein eigenständiges Interesse an einem zeitgerechten Abschluss. Zudem ist auch keine anderweitige Beschleunigungsmöglichkeit ersichtlich, mit der sich ein Antragsteller überlanger [X.] erwehren könnte.

Den Schutzbereich der Garantie der Justizgewährung in angemessener Zeit hat das [X.] unter Hinweis auf die Rechtsprechung des [X.] zu Art 6 [X.] für solche Verfahren als eröffnet angesehen, in denen zuvor entstandene (dort nur zivilrechtliche) Ansprüche gerichtsförmig festgestellt werden. Diese (in anderen Randbereichen zu enge) Formel schließt entgegen der Ansicht des [X.] ein [X.] nach § 197 [X.] aber nicht aus. Dieses dient wie ein übliches Erkenntnisverfahren der Titulierung einer (streitigen) Forderung und ist damit notwendige Voraussetzung, um es dem Gläubiger zu ermöglichen, notfalls ein Zwangsvollstreckungsverfahren zur Durchsetzung seines Anspruchs einzuleiten (vgl § 199 Abs 1 [X.] 4 [X.]). Die in der prozessrechtlichen Natur der Rechtsgrundlage (hier § 193 [X.]) liegende Besonderheit des [X.] wirkt sich auf seine gerichtsförmige Feststellung nicht aus. Das vereinfachte Verfahren der Titulierung im Wege der Kostenfestsetzung steht grundsätzlich etwa auch einem Rechtsanwalt zur Durchsetzung vertraglicher Honoraransprüche gegen seinen Mandanten zur Verfügung. Die demgegenüber im vorliegenden Fall bestehende Besonderheit der inhaltlichen Abhängigkeit der Entscheidung von der in einem Vorprozess getroffenen Kostengrundentscheidung (bzw - wie hier - einem auf die Kostenerstattung bezogenen angenommenen Anerkenntnis) wirkt sich nicht auf die Charakterisierung der Entscheidungsfindung als Gerichtsverfahren aus. Es handelt sich lediglich um eine inhaltliche Frage, die den Prüfungsumfang im [X.] bestimmt. Insoweit ist die prozessuale Situation nicht anders als in anderen Fällen, in denen Vorfragen bereits rechtskräftig geklärt sind (etwa in einem Höhenstreit nach Feststellung des Bestehens eines Zahlungsanspruchs dem Grunde nach).

4. Das [X.] hat § 198 Abs 1 S 1 iVm Abs 6 [X.] [X.] nicht als erfüllt angesehen und deshalb aus seiner Sicht konsequent die weiteren Voraussetzungen des geltend gemachten [X.] nicht untersucht. Diese tatrichterliche Prüfung kann das B[X.] nicht selbst nachholen. Auf der Grundlage der vom [X.] getroffenen Tatsachenfeststellungen (vgl § 163 [X.]) ist dem Senat keine abschließende Beurteilung des streitgegenständlichen Anspruchs möglich. Daher ist das Urteil des [X.] aufzuheben und die Sache gemäß § 170 Abs 2 S 2 [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung dorthin zurückzuverweisen.

a) Das [X.] wird zunächst festzustellen haben, wie viele [X.] Gegenstand der [X.] sind. Die Kläger gehen - nicht zuletzt bei ihrer Berechnung der geforderten Entschädigungssumme - davon aus, dass es sich um drei parallele überlange Gerichtsverfahren gehandelt hat. [X.] ist indes nur ein einziger Schriftsatz vom [X.], mit dem der Prozessbevollmächtigte der Kläger beim [X.] unter Angabe des Rubrums der Untätigkeitsklagen und des Aktenzeichens des nach der Verbindung führenden Klageverfahrens ([X.] AS 854/09) Kostenfestsetzung für alle drei erledigten Gerichtsverfahren in Höhe von insgesamt 615,18 Euro beantragt hat. Das damit eingeleitete Gerichtsverfahren iS von § 198 [X.] hat nach Aktenlage seinen Abschluss am 30.1.2012 gefunden - auch hierzu wird das [X.] genauere Feststellungen zu treffen haben.

b) Sodann wird das [X.] zu ermitteln haben, wer [X.] dieses Gerichtsverfahrens war und wem dadurch die Aktivlegitimation für einen möglichen Entschädigungsanspruch gemäß § 198 Abs 1 S 1 [X.] zusteht. Die damit verbundene Frage der personellen Reichweite des [X.] hat der Gesetzgeber durch die Legaldefinition des § 198 Abs 6 [X.] 2 [X.] beantwortet (s hierzu BT-Drucks 17/3802, [X.]). Danach ist [X.] iS von § 198 [X.] jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind. Maßgebend ist demnach die Beteiligtenstellung in dem (als überlang monierten) Ausgangsverfahren. Insofern weist das Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 197 [X.] die Besonderheit auf, dass nicht nur die Beteiligten des vorangegangenen Hauptsacheverfahrens, sondern auch deren Bevollmächtigte antragsberechtigt sind (vgl dazu [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 197 Rd[X.] 4, Stand Einzelkommentierung Dezember 2011).

c) Schließlich wird das [X.] nach Ermittlung der hierfür maßgeblichen Umstände des Einzelfalls darüber zu befinden haben, ob das [X.] von unangemessener Dauer war. Dabei sind die exemplarisch in § 198 Abs 1 S 2 [X.] genannten Gesichtspunkte - Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter - zu berücksichtigen (dazu näher [X.]urteil vom 21.2.2013 - [X.], 75, 78 ff = [X.]-1720 § 198 [X.] Rd[X.] 25 ff).

d) Sollte das [X.] nach Durchführung der erforderlichen Tatsachenfeststellungen zu dem Ergebnis gelangen, dass die Kläger Beteiligte eines oder mehrerer Gerichtsverfahren von unangemessener Dauer gewesen sind, bleibt als letzte Tatbestandsvoraussetzung zu prüfen, ob sie dadurch (kausal) einen Nachteil erlitten haben. Gemäß § 198 Abs 2 S 1 [X.] wird dabei allerdings ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet. Zu ermitteln ist also nur, ob Anhaltspunkte bestehen, die geeignet sind, diese gesetzliche Vermutung zu widerlegen.

e) Was die von den Klägern geltend gemachte Entschädigung als Rechtsfolge des § 198 Abs 1 S 1 [X.] angeht, weist der Senat in diesem Stadium des Verfahrens lediglich auf Folgendes hin: eine Entschädigungszahlung kann nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise ausreichend ist, insbesondere durch die an keinen Antrag gebundene (§ 198 Abs 4 S 2 [X.]) Feststellung einer unangemessen langen Verfahrensdauer. Letzteres hat der Gesetzgeber zB als ausreichend betrachtet, wenn das verzögerte Verfahren für den Beteiligten keine besondere Bedeutung hatte (vgl BT-Drucks 17/3802, [X.]; [X.]urteil vom 21.2.2013 - [X.], 75, 84 f = [X.]-1720 § 198 [X.] Rd[X.] 44 ff; [X.], 516, 528 ff = Juris Rd[X.] 56 ff; BVerwGE 147, 146, 165 f = Juris Rd[X.] 57). Im Hinblick auf eine mögliche Verursachung immaterieller Nachteile dürfte ein [X.] nach Erledigung des vorangegangenen Hauptsacheverfahrens für dessen Beteiligte im Allgemeinen von untergeordneter Bedeutung sein. Im Mittelpunkt dürften finanzielle Interessen des Prozessbevollmächtigten stehen, der jedoch möglicherweise - was vom [X.] noch festzustellen ist - nicht Beteiligter des Kostenfestsetzungsverfahrens war. Vor diesem Hintergrund ist eine genaue Differenzierung geboten, in wessen Person welche immateriellen Nachteile eingetreten sind, die eine Entschädigungszahlung rechtfertigen könnten.

5. Das [X.] wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

6. Die Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren ergibt sich aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 [X.] iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 10 ÜG 8/13 R

10.07.2014

Bundessozialgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 6. März 2013, Az: L 15 SF 4/12 EK AS, Urteil

ÜberlVfRSchG, § 198 Abs 1 S 1 GVG, § 198 Abs 6 Nr 1 GVG, § 198 Abs 6 Nr 2 GVG, § 198 Abs 5 S 2 GVG, § 198 Abs 4 S 2 GVG, § 199 Abs 1 GVG, § 197 SGG, § 193 SGG, § 170 Abs 2 S 2 SGG, § 204 Abs 1 Nr 14 BGB, § 242 BGB, § 114 ZPO, § 117 ZPO, Art 6 Abs 1 MRK, Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 59 Abs 2 S 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 10.07.2014, Az. B 10 ÜG 8/13 R (REWIS RS 2014, 4161)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4161

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