Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2009, Az. V ZB 67/09

V. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 152

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[X.]BESCHLUSS [X.]/09 vom 10. Dezember 2009 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 72 Abs. 2 Satz 1 Liegt eine Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 [X.] vor, kann Berufung fristwahrend nur bei dem Gericht des § 72 Abs. 2 Satz 1 [X.] einge-legt werden; eine Verweisung in entsprechender Anwendung von § 281 ZPO scheidet aus. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die Frage, ob ei-ne solche Streitigkeit vorliegt, für bestimmte Fallgruppen noch nicht höchstrich-terlich geklärt ist und man über deren Beantwortung mit guten Gründen unter-schiedlicher Auffassung sein kann. [X.], [X.]uss vom 10. Dezember 2009 - [X.]/09 - [X.] - 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 10. Dezember 2009 durch [X.] Dr. [X.], [X.] [X.], die Richterin [X.] und [X.] Czub und [X.] beschlossen: Auf die Rechtbeschwerde der Beklagten wird der [X.]uss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 3. April 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 6.500 •. Gründe: [X.] Die [X.]en sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus einem gerichtlichen Vergleich in Anspruch, mit dem die [X.]en den Umfang der Tier-haltung der Beklagten (Lärmbelästigung durch einen Papagei) geregelt hatten. Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das [X.] als unzulässig verwor-fen. Mit der Rechtsbeschwerde möchte die Beklagte die Abweisung der Klage und hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das [X.] bzw. an das [X.] erreichen. 1 - 3 - I[X.] Das Berufungsgericht steht auf dem Standpunkt, die Berufung sei nicht bei dem nach § 72 Abs. 2 [X.] allein zuständigen [X.] einge-legt worden. Das führe zur Unzulässigkeit der Berufung. Für eine ergänzende Anwendung der Vorschriften des § 17a Abs. 3 bis 5 [X.] sei nach der Geset-zesreform 2007 kein Raum mehr. Es liege eine Streitsache im Sinne des § 43 Nr. 1 [X.] vor, weil mit dem Vergleich der Umfang der Tierhaltung der Beklag-ten und damit die Art und Weise des Gebrauchs des Sondereigentums gemäß § 14 Nr. 1 [X.] geregelt worden sei. 2 II[X.] 1. Die gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statt-hafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig (§§ 574 Abs. 2, 575 ZPO). Insbesondere kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu (dazu [X.], [X.] 151, 221, 223). Es muss die entscheidungserhebliche Frage geklärt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Klage, die auf eine in einem [X.] enthaltene Vertragsstraferegelung gestützt wird, als Streitigkeit im Sinne von § 43 Abs. 1 Nr. 1 [X.] anzusehen ist. 3 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. 4 a) Die Entscheidung des Berufungsgerichts begegnet schon deshalb Be-denken, weil sie keine Darstellung des Sachverhalts enthält. [X.]üsse, die mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden können, müssen den maßgeb-lichen Sachverhalt wiedergeben und die Anträge der Beteiligten erkennen [X.]. Andernfalls ist das Rechtsbeschwerdegericht, das grundsätzlich von dem durch das Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt auszugehen hat, zu [X.] rechtlichen Überprüfung des angefochtenen [X.]usses nicht in der Lage (std. Rspr., vgl. nur [X.], [X.]. v. 7. Mai 2009, [X.]/08, [X.], 5 - 4 - 442 f. m.w.N.; [X.], [X.]. v. 22. Januar 2008, [X.], [X.], 1670, 1671; [X.]. v. 20. Juni 2006, [X.], [X.], 2910). Das Fehlen [X.] Sachdarstellung hindert eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde vor-liegend nur deshalb nicht, weil sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt mit gerade noch hinreichender Deutlichkeit den rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts entnehmen lässt. b) In der Sache führt die Rechtsbeschwerde zur Aufhebung des die [X.] als unzulässig verwerfenden [X.]usses und zur Zurückverweisung der Sache an das für Berufungen in [X.] nach § 72 Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m § 43 Nr. 1 [X.] zuständige [X.]. 6 [X.]) Allerdings ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass es sich vorliegend um eine Streitsache zwischen Wohnungseigentümern im Sinne von § 43 Nr. 1 [X.] handelt. Der [X.] hat bereits entschieden, dass die genannte Vorschrift auch unter der nunmehrigen Geltung der [X.] weit auszulegen ist und deshalb etwa eine Vollstreckungsgegenklage, die sich gegen einen in einem [X.] nach § 43 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 [X.] ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss richtet, ebenfalls als Streitig-keit im Sinne der genannten Vorschrift einzuordnen ist ([X.]. v. 19. Februar 2009, [X.]/08, [X.], 1282 f.). Für den Streit um die Frage, ob eine auf einen [X.] gestützte Vertragsstrafe verwirkt ist, gilt nichts [X.]. Dabei kommt es für die Anwendung des § 43 Nr. 1 [X.] nicht entschei-dend auf die Rechtsgrundlage an, aus der ein Anspruch hergeleitet wird. [X.] ist vielmehr, ob die Forderung, um deren Durchsetzung oder sanktions-rechtliche Absicherung es geht, in einem inneren Zusammenhang mit einer An-gelegenheit steht, die aus dem [X.] erwachsen ist (vgl. [X.], Urt. v. 30. Juni 1995, [X.], NJW 1995, 2851, 2852 m.w.N.). 7 Gemessen daran liegt eine (Annex-)Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 [X.] vor. Die Vertragsstrafenregelung wurde zur Durchsetzung der den [X.] aufgrund ihrer gemeinschaftsrechtlichen Verbundenheit auf-8 - 5 - erlegten Verpflichtung getroffen, von dem Sondereigentum nur in einer Weise Gebrauch zu machen, dass keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus Nachteile erwachsen (§ 14 Nr. 1 [X.]). Dass hierzu auch eine die Belange der Miteigentümer wahrende schonende Tierhaltung gehört (vgl. nur [X.]/ [X.], [X.], 69. Aufl., § 14 [X.] Rdn. 6 m.w.N.), liegt auf der Hand. Die in dem Vergleich getroffene Regelung stellt lediglich eine Konkretisierung der [X.] Wohnungseigentümer treffenden Verpflichtung dar. Das [X.] knüpft an die Verletzung dieser Verpflichtung an. Dass an dem Vergleich [X.] offenbar vor dem Hintergrund einer unterschiedlichen Betroffen-heit [X.] nicht sämtliche Wohnungseigentümer beteiligt waren, ändert daran nichts. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht dem nicht das [X.]surteil vom 20. Juni 1986 ([X.], NJW-RR 1986, 1335) entgegen. In dieser Entscheidung hat der [X.] lediglich ausgesprochen, dass die Ausei-nandersetzung über ein Verbot, das seine rechtliche Grundlage [X.] anders als hier [X.] nicht im Gemeinschaftsrecht und insbesondere nicht in § 14 Nr. 1 [X.] findet, nur dann als Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 [X.] angesehen wer-den kann, wenn das Verbot durch Vereinbarung sämtlicher [X.] begründet wurde. [X.]) Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht auch davon aus, dass eine Berufung bei Vorliegen einer Streitigkeit nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 [X.] fristwahrend nur bei dem von der Regelung des § 72 Abs. 2 [X.] vorgegebenen Berufungsgericht eingelegt werden kann (vgl. [X.], [X.]. v. 19. Februar 2009, [X.]/08, [X.], 1282). Eine Aufspaltung der [X.] für die Einlegung einerseits und die Entscheidung über das Rechtsmittel andererseits scheidet in der Regel aus. Eine mit Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsst[X.]tsprinzip unvereinbare Zugangshürde wird dadurch im Allgemeinen nicht errichtet, weil sich die [X.]en in der Berufungs-instanz durch Rechtsanwälte vertreten lassen müssen, die mit der Materie des Berufungsverfahrens vertraut sind und die anhand der Vorschriften des [X.] - 6 - richtsverfassungsgesetzes, der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen und der Einteilung der Gerichtsbezirke in der Regel unschwer das richtige Rechtsmittelgericht feststellen können. Vor diesem Hintergrund kann eine bei dem falschen Berufungsgericht eingelegte Berufung, die nicht rechtzeitig in die Verfügungsgewalt des richtigen Berufungsgerichts gelangt, auch nicht in ent-sprechender Anwendung von § 281 ZPO an dieses Gericht verwiesen werden. Vielmehr ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen ([X.], [X.]. v. 10. Juli 1996, [X.], NJW-RR 1997, 55 f.; [X.]. v. 19. Juni 2007, [X.] 3/07, NJW-RR 2007, 1436; vgl. auch [X.] 155, 46, 50). Jedoch gilt das nicht aus-nahmslos. So ist nach der Rechtsprechung des [X.] eine fristwah-rende Berufungseinlegung bei dem funktionell unzuständigen Berufungsgericht und die Möglichkeit einer Verweisung entsprechend § 281 ZPO zu bejahen, wenn die für die Abgrenzung der Berufungszuständigkeit in Familien- und [X.] Zivilsachen maßgebliche formelle Anknüpfung keine zweifelsfreie Bestimmung des für das Rechtsmittel zuständigen Gerichts ermöglicht ([X.] 72, 182, 193 f.; [X.], [X.]. v. 2. November 1994, [X.] 121/94, NJW-RR 1995, 379, 380; [X.]. v. 10. Juli 1996, [X.]O; Urt. v. 15. Februar 2005, [X.], NJW-RR 2005, 780; jeweils m.w.N.). Eine weitere Ausnahme lässt der Kartellsenat des [X.] zu, wenn es um die mit beträchtlichen Ab-grenzungsschwierigkeiten behaftete Beantwortung der Frage geht, ob über eine Berufung das in Zivilsachen allgemein zuständige [X.] oder das sog. Kartell-[X.] zu entscheiden hat (vgl. [X.] 71, 367, 371 ff.). 10 Vergleichbar liegt es in Konstellationen der vorliegenden Art. Zwar berei-tet die Beantwortung der Frage, ob eine zur Berufungszuständigkeit nach § 72 Abs. 2 Satz 1 [X.] führende Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 [X.] vorliegt, in aller Regel keine Schwierigkeiten. Anders verhält es sich da-gegen, wenn die Frage, ob eine Streitigkeit im Sinne der genannten Regelun-gen vorliegt, für bestimmte Fallgruppen noch nicht höchstrichterlich geklärt ist 11 - 7 - und man über deren Beantwortung [X.] wie hier [X.] mit guten Gründen unterschied-licher Auffassung sein kann. Dann besteht [X.] da für eine ergänzende Heranzie-hung der §§ 17a Abs. 3 bis 5, 17b [X.] nach der Überführung des [X.]s in die Zivilprozessordnung kein Raum mehr ist (vgl. [X.] 155, 46, 50 f.) [X.] auch ein Bedürfnis für eine entsprechende Anwendung von § 281 ZPO (vgl. auch [X.] 71, 367, 374; [X.], [X.]. v. 2. November 1994, [X.] 121/94, NJW-RR 1995, 379, 380; [X.]. v. 10. Juli 1996, [X.], NJW-RR 1997, 55 f.). Einer [X.] kann in einer solchen Konstellation nicht angeson-nen werden, zur Meidung der Verwerfung ihres Rechtsmittels als unzulässig Berufung sowohl bei dem allgemein zuständigen Berufungsgerichts einzulegen als auch bei dem des § 72 Abs. 2 [X.] (vgl. [X.], [X.]. v. 10. Juli 1996, [X.]O). Da die Beklagte hilfsweise die ([X.] an das zuletzt [X.] beantragt hat und ein solcher Antrag in Fällen der vorliegenden Art zulässigerweise auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellt werden kann (vgl. [X.] 49, 33, 39), ist die Sache unmittelbar an das nach § 72 Abs. 2 - 8 - Satz 1 [X.] zuständige [X.] zu verweisen (vgl. auch [X.] 72, 182, 198). [X.] [X.] Stresemann
Czub Roth Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 25.11.2008 - 55 C 205/08 - [X.], Entscheidung vom 03.04.2009 - 5 S 14/09 -

Meta

V ZB 67/09

10.12.2009

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2009, Az. V ZB 67/09 (REWIS RS 2009, 152)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 152

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