Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.08.2001, Az. 3 StR 225/01

3. Strafsenat | REWIS RS 2001, 1625

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]/01vom15. August 2001in der Strafsachegegen1.2.wegenversuchten Betrugs- 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer am 15. August 2001 gemäß § 349Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. Februar 2001 mit den Feststellungen auf-gehoben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammerdes [X.] zurückverwiesen.Gründe:Das [X.] hat die Angeklagten des versuchten gemeinschaftli-chen Betruges schuldig gesprochen. Die Angeklagte [X.] deswegen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren, den Angeklagten [X.]zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Mit ihren Re-visionen rügen die Angeklagten die Verletzung formellen und materiellenRechts. Die Rechtsmittel haben mit einer Verfahrensrüge Erfolg.1. Die geltend gemachte Verletzung des § 338 Nr. 5 StPO führt zur [X.]. Die Beschwerdeführer beanstanden zu Recht einen [X.] gegen § 247 StPO bei der Vernehmung des Zeugen [X.] W. .a) Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde: Am achten [X.] wurde der Zeuge [X.] [X.]vernommen. Nach [X.] 3 -über sein Zeugnisverweigerungsrecht als [X.] der Angeklagten erklärte [X.], daß er aussagen wolle, wie er es bereits in einem Schreiben vom20. November 2000 an den Verteidiger seiner Mutter, der [X.] [X.], angekündigt hatte. Die unmittelbar anschließenden [X.] stellen sich nach dem [X.] wie folgt [X.] Angeklagten erklären mit Zustimmung ihrer Verteidiger, daßsie während der Vernehmung ihres [X.]es [X.] den [X.] verlassen wollen, um ihm eine unbefangene und wahrheits-gemäße Aussage zu ermöglichen. [X.] [X.] erklärt, erwolle nicht in Gegenwart seiner Eltern aussagen, weil er sich inihrer Abwesenheit unbefangener fühle.Die Staatsanwältin war mit der Entfernung der Angeklagten ein-verstanden.Die Kammer stimmte aus den von dem Angeklagten und [X.] genannten Gründen der Entfernung der Angeklagten ausdem Sitzungssaal zu (§ 247 StPO).Die Angeklagten verließen um 9.18 Uhr im allseitigen [X.] den Sitzungssaal." ([X.], [X.] 109)b) Die Rüge ist begründet. Nach der ständigen Rechtsprechung [X.] ist der zeitweise Ausschluß des Angeklagten stets durchförmlichen Gerichtsbeschluß anzuordnen, der zu begründen und zu verkündenist (BGHR StPO § 247 Ausschließungsgrund 1; BGHSt 22, 18, 20). Die [X.] muß zweifelsfrei ergeben, daß das Gericht von zulässigen Erwägun-gen ausgegangen ist ([X.], 419, 420; [X.] in [X.]. § 247Rdn. 13). Eine nähere Begründung war hier auch nicht deshalb entbehrlich,weil sämtliche Beteiligten mit der Anordnung einverstanden waren. Der Ange-klagte kann nicht wirksam auf seine vom Gesetz vorgeschriebene Anwesenheitverzichten (BGHR StPO § 247 Abwesenheit 22; BGHSt 22, 18, 20).- 4 -Diesen rechtlichen Anforderungen wird der Beschluß des [X.]nicht gerecht. Den protokollierten Verfahrensvorgängen läßt sich nicht entneh-men, ob die Kammer ihrem Beschluß einen der in § 247 StPO abschließendaufgezählten [X.] zugrunde gelegt hat, weil es ohne nähereErläuterung sowohl auf die von den Angeklagten als auch auf die von [X.] genannten Gründe Bezug nimmt. Ein gesetzlicher Grund, der nach§ 247 StPO die Entfernung der Angeklagten rechtfertigen könnte, läßt sich [X.] der Verfahrensbeteiligten nicht entnehmen. Der allgemein gehal-tene Wunsch der Angeklagten, ihrem [X.] eine unbefangene und wahrheits-gemäße Äußerung zu ermöglichen, begründet mangels tatsächlicher [X.] noch nicht die Befürchtung, der Zeuge werde in ihrer Gegenwart nichtdie Wahrheit sagen (§ 247 Satz 1 StPO). Auch die Äußerung des Zeugen [X.], er wolle nicht in Gegenwart seiner Eltern aussagen, weil er sich inihrer Abwesenheit "unbefangener" fühle, enthält für sich genommen nicht [X.], er werde bei einer Vernehmung in Anwesenheit der Angeklagtendie Unwahrheit sagen, wie der [X.] meint. Befangenheit um-schreibt lediglich die Befindlichkeit des Zeugen während der ins Auge gefaßtenAussage. Die Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungssaal ist nicht be-reits dann zulässig, wenn ein Zeuge sich in Gegenwart des Angeklagten [X.] fühlt und daher den Wunsch äußert, in dessen Abwesenheit aussagenzu dürfen (vgl. BGHSt 22, 18, 21; [X.], 419, 420). Da der Zeuge[X.] [X.]unmittelbar zuvor auf entsprechende Belehrung des [X.] seine Aussagebereitschaft bekundet hatte, kann seine Äußerung auchkaum als Ankündigung verstanden werden, er werde bei Anwesenheit der [X.] von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen (vgl.[X.], 502; [X.], 509). Ob das [X.], auf dessenEinschätzung es ankommt, eine vollständige und wahrheitsgemäße [X.] 5 -des Zeugen [X.] [X.] in Gegenwart der Angeklagten nicht gewährlei-stet sah, läßt sich seiner fragmentarischen Begründung gerade nicht entneh-men. Die gewählte Formulierung, es werde der Entfernung der Angeklagten"zugestimmt", läßt eher befürchten, daß die Kammer die Voraussetzungen des§ 247 StPO rechtsirrig zu weit gefaßt hat, indem sie dem - verständlichen -Wunsch des Zeugen [X.] W. , in Abwesenheit seiner Eltern auszusa-gen, entsprochen hat. Nach der Rechtsprechung ist der absolute Revisions-grund des § 338 Nr. 5 StPO gegeben, wenn - wie im vorliegenden Fall - wegender unvollständigen oder unzureichenden Begründung zweifelhaft bleibt, obdas Gericht von zulässigen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist ([X.] § 247 Satz 2 Begründungserfordernis 1 und 2; BGHSt 22, 18, 20; 15,194, 196).Der Geltendmachung des Verstoßes steht nicht entgegen, daß die [X.] der Beschwerdeführer während der Zeugenaussage ihres [X.]es ihrereigenen Anregung entsprach. Die Voraussetzungen des § 247 StPO unterlie-gen nicht der Disposition der Verfahrensbeteiligten (BGHR StPO § 247 Aus-schließungsgrund 1; § 338 Nr. 5 Angeklagter 10, 18). Zureichende [X.] für ein gezielt auf die - vorsorgliche - Schaffung eines Revisionsgrundesgerichtetes Verhalten, das Anlaß zur Prüfung geben könnte, ob dadurch in [X.] den Angeklagten zurechenbaren Weise die Zulässigkeit der Rüge unterdem Gesichtspunkt arglistigen (rechtsmißbräuchlichen) Verhaltens beeinflußtsein könnte (vgl. dazu BGHR StPO § 247 Ausschließungsgrund 1 m.w.[X.] sich aus dem dem Senat bekannten Sachverhalt nicht.2. Im übrigen weist der Senat auf folgendes hin:Die Beschwerdeführer beanstanden mit Recht, daß das [X.] s[X.] Beweiswürdigung Angaben des erfolgreich abgelehnten Sachverständigen- 6 -Dr. [X.]zugrunde gelegt hat, obwohl dieser nicht als Zeuge vernommenworden war.Der Brandsachverständige Dr. H. hatte im Auftrag der Allianz-Ver-sicherung, bei der die zerstörte Mühle versichert war, die Brandstelle [X.]. Anhand von Zeichnungen und Plänen hatte ihm der Angeklagte Reinhold[X.] den Aufbau der Mühle im Detail erörtert. Die Angeklagten lehntenden Sachverständigen im Anschluß an seine einzige Vernehmung in [X.] im Hinblick auf seine Tätigkeit für die Versicherung wegenBesorgnis der Befangenheit ab. Mit Beschluß vom 21. November 2000 erklärtedas [X.] die Ablehnung des Sachverständigen für begründet, würdigtejedoch in den Urteilsgründen seine Angaben zum Aufbau der Mühle und [X.] der Gasexplosion als Zeugenaussage ([X.], 40), obwohl [X.] nicht als Zeuge belehrt und vernommen worden war.Die erfolgreiche Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnisder Befangenheit hindert nicht, ihn als Zeugen oder sachverständigen [X.] Tatsachen zu vernehmen, die ihm bei Durchführung des erteilten [X.] bekannt geworden sind (BGHSt 20, 222, 224; [X.] in [X.]. § 74Rdn. 15; [X.]/[X.], StPO 45. Aufl. § 74 Rdn. 19). Dazu gehö-ren zunächst die sogenannten Befundtatsachen, die der Sachverständige alleinaufgrund seiner besonderen Sachkunde bei der Vorbereitung seines Gutach-tens festgestellt hat. Ihre Kenntnis vermittelt der Sachverständige dem [X.] Teil des Gutachtens, ohne daß eine weitere Beweisaufnahme durch denTatrichter erforderlich wäre (BGHSt 18, 107, 108; 20, 164, 165 f; [X.]/[X.], aaO § 79 Rdn. 10).Die vom [X.] ausweislich der Urteilsgründe verwerteten Anga-ben Dr. [X.]'s zum Aufbau der zerstörten Mühle, insbesondere zum [X.] 7 -schluß und der [X.] zwischen [X.] und Erdgeschoß (UAS. 33), betrafen dagegen Zusatztatsachen, zu deren Ermittlung und Wahrneh-mung keine besondere Sachkunde erforderlich war. Diese Tatsachen hättejeder beliebige Zeuge feststellen können, da sie allein auf Angaben des Ange-klagten Reinhold [X.]beruhten, der dem Sachverständigen die [X.] anhand von Plänen erläutert hatte. Vom Sachverständigen ermittelteZusatztatsachen müssen stets im Wege des [X.] in die [X.] eingeführt werden (BGHSt 18, 107, 108 f; Klein-knecht/[X.], aaO § 74 Rdn. 11). Das [X.] hätte deshalb - undzwar ohne Rücksicht auf die erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen -Dr. [X.]förmlich als Zeugen belehren und über die Angaben des Angeklag-ten vernehmen müssen; dies ist nicht geschehen. Im Ergebnis wäre dieser Rü-ge allerdings der Erfolg versagt geblieben, da ausgeschlossen werden kann,daß das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht.[X.] von [X.]

Meta

3 StR 225/01

15.08.2001

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.08.2001, Az. 3 StR 225/01 (REWIS RS 2001, 1625)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 1625

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 492/02 (Bundesgerichtshof)


3 StR 29/01 (Bundesgerichtshof)


4 StR 46/01 (Bundesgerichtshof)


5 StR 268/00 (Bundesgerichtshof)


GSSt 1/09 (Bundesgerichtshof)

Absoluter Revisionsgrund im Strafverfahren: Abwesenheit des während der Zeugenvernehmung entfernten Angeklagten bei der Verhandlung über …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.