4. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 2960
SCHADENSERSATZ DSGVO AUSKUNFTSANSPRUCH Hinzufügen
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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Datenverarbeitung durch physische Zerstörung einer Festplatte im Rahmen einer vertraglichen Garantie; konkludente Zustimmung in diese Verarbeitung durch Rücksendung durch den Käufer; Reichweite der Auskunftspflicht nach Art. 15 DSGVO.
1. Eine Datenverarbeitung liegt auch in der im Rahmen einer vertraglichen Gewährleistung erfolgten physischen Zerstörung einer Festplatte, die personenbezogene Daten des Betroffenen enthält.
2. Die Einwilligung in eine solche Verarbeitung kann auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden. Bei der Rücksendung einer Festplatte an den Verkäufer im Rahmen einer vertraglichen Garantie liegt sie jedenfalls dann vor, wenn der Verkäufer vorab darauf hingewiesen hatte, dass auch deren Austausch in Betracht kommt und für die Datensicherung allein der Kunde verantwortlich ist.
3. Mit der Erklärung, den eingesandten Datenträger nicht mehr im Besitz und die aufgespielten Daten nicht ausgelesen zu haben, hat der Verantwortliche den Auskunftsanspruch des Betroffenen erfüllt; weitere Auskünfte schuldet er dann nicht.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen [X.]ehaupteter unzulässiger Verar[X.]eitung seiner Daten, [X.] ü[X.]er die Weiterga[X.]e dieser Daten in Form von Haupt- und Hilfsantrag, die Herausga[X.]e einer Festplatte sowie Unterlassung des [X.] oder der Weiterga[X.]e [X.]zw. Veröffentlichung der Daten auf dieser Festplatte.
Die Parteien schlossen im April 2018 einen Kaufvertrag ü[X.]er einen Laptop mit drei Jahren Garantie. Wegen eines Defekts ü[X.]ersandte der Kläger die Festplatte einschließlich der darauf [X.]efindlichen personen[X.]ezogenen Daten im April 2020 an die Beklagte zur Reparatur; die Beklagte hatte vor der Rücksendung in einer E-Mail vom 30.3.2020 (Anlage [X.]) darauf hingewiesen, dass sie eine Datensicherung nicht vornehmen könne, hierfür vielmehr der Kunde sel[X.]st verantwortlich sei. Am 6.4.2020 ü[X.]ersandte sie dem Kläger eine Festplatte, [X.]ei der es sich unstreitig nicht um die von ihm eingesandte handelte. Personen[X.]ezogene Daten des [X.] waren auf dieser Festplatte nicht vorhanden, o[X.] sie Dateien eines [X.] enthielt und o[X.] es sich hier[X.]ei um eine neuwertige Festplatte gehandelt hat, ist zwischen den Parteien streitig. Das [X.] hat nach Vernehmung von Zeugen zum Ver[X.]lei[X.] der Festplatte im Betrie[X.] des [X.] die Klage a[X.]gewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Mit seiner Berufung wiederholt der Kläger seine erstinstanzliche Rechtsauffassung und vertritt die Auffassung, das [X.] ha[X.]e die maßge[X.]lichen Vorschriften der [X.] fehlerhaft ausgelegt und auf unvollständiger Sachverhaltsgrundlage entschieden.
Er [X.]eantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
Die Beklagte [X.]eantragt,
die Berufung des [X.] zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Es wird im Ü[X.]rigen auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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<[X.]r>
Die zulässige Berufung des [X.] hat in der Sache keinen Erfolg. Das [X.] hat im Erge[X.]nis zu Recht sämtliche geltend gemachten Ansprüche verneint. Die Berufungs[X.]egründung zeigt keine Gesichtspunkte auf, die innerhal[X.] der dem Senat durch § 529 ZPO gesetzten Grenzen eine andere Entscheidung oder eine erneute oder ergänzende Beweisaufnahme ge[X.]ieten würden.
1.
Der Kläger hat weder nach § 15 DS-GVO noch nach § 666 BGB einen Anspruch auf weitergehende [X.]. <[X.]r>
a) Nach Art. 15 DS-GVO hat der Verantwortliche dem Betroffenen zunächst [X.] darü[X.]er zu erteilen, o[X.] dessen personen[X.]ezogene Daten verar[X.]eitet werden. Hieraus wird in der Literatur eine Einschränkung auf aktuell noch vorhandene personen[X.]ezogenen Daten a[X.]geleitet, weil eine vergangenheits[X.]ezogene [X.]spflicht, die sich auch auf [X.]ereits gelöschte Daten erstreckte, Art. 5 A[X.]s. 1 Buch[X.]e und den ü[X.]er Art. 15 A[X.]s. 1 Buch[X.]d anzuge[X.]enden Speicherfristen widerspräche ([X.] in: [X.], [X.]/[X.], 3. Aufl. 2018, Artikel 15 [X.], Rn. 5; [X.]/Schmidt-Wudy, Art. 15 [X.] Rz. 52; [X.]/[X.]/Bäcker, Art. 15 [X.] Rz. 9). Der Senat lässt offen, o[X.] dieser Auffassung, die dem [X.]sanspruch des [X.] von vornherein die Grundlage entzöge, zu folgen i[X.]Jedenfalls steht im [X.] an die erstinstanzliche Beweisaufnahme fest, dass die Beklagte ü[X.]er die eingesandte Festplatte nicht mehr im Besitz und auf die darauf möglicherweise enthaltenen Daten keinen Zugriff (mehr) hat, was sie dem Kläger auch [X.]ereits vorprozessual mitgeteilt hatte. Etwaige [X.]spflichten nach Art. 15 [X.] hat sie damit jedenfalls gemäß § 362 BGB erfüllt. Wie der [X.] zu Art. 15 [X.] [X.]ereits entschieden hat, ist ein [X.]sanspruch erfüllt, wenn die Anga[X.]en nach dem erklärten Willen des Schuldners die [X.] im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Wird die [X.] in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Der Verdacht, dass die erteilte [X.] unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf [X.] in weitergehendem Umfang nicht [X.]egründen. Wesentlich für die Erfüllung des [X.]sanspruchs ist allein die - gege[X.]enenfalls konkludente - Erklärung des [X.]sschuldners, dass die [X.] vollständig ist (vgl. [X.], Urteil vom 3.9.2020 - III ZR 136/18, GRUR 2021, 110 Rn. 43 mwN). Die Annahme eines derartigen Erklärungsinhalts setzt demnach voraus, dass die erteilte [X.] erkenn[X.]ar den Gegenstand des [X.]erechtigten [X.]s[X.]egehrens vollständig a[X.]decken soll ([X.], Urteil vom [X.] – [X.] –, Rn. 19 - 20, juris). Dies ist hier der Fall. Zwar mag im Erge[X.]nis der Beweisaufnahme offenge[X.]lie[X.]en sein, o[X.] die Festplatte [X.]ei der Beklagten vernichtet oder an den Hersteller zurückgesandt wurde; in jedem Fall ist die Beklagte zu weiteren Auskünften a[X.]er nicht mehr in der Lage, eine etwaige Unvollständigkeit der [X.] steht einer Erfüllung mithin nicht entgegen.
[X.]) Liegt – wie hier – eine negative Verar[X.]eitungs[X.]estätigung vor, kommt ein Anspruch auf weitergehende [X.] hinsichtlich der in Art. 15 A[X.]s. 1 Buch[X.]a - h [X.]eschrie[X.]enen Informations[X.]estandteile von vornherein nicht in Betracht ([X.] in: [X.], aaO, Artikel 15 [X.], Rn. 3). Auch der unter [X.]) geltend gemachte Anspruch auf Rechenschaftslegung nach § 666 BGB scheidet aus. O[X.] § 666 BGB im Anwendungs[X.]ereich der Datenschutzgrundverordnung durch Art. 15 [X.] verdrängt wird, kann offen[X.]lei[X.]en, weil auch dieser Anspruch erfüllt wäre. Eine weitergehende Rechenschaft als die hier allein mögliche Anga[X.]e, dass die Festplatte sich nicht mehr in ihrem Besitz [X.]efindet und sie keinen Zugriff auf die aufgespielten Daten genommen hat, schuldet die Beklagte auch nach dieser Vorschrift nicht. Da[X.]ei kommt es nicht darauf an, o[X.] sie vernünftigerweise nach den Umständen des konkreten Falles und des Hinweises auf die Verantwortlichkeit des Kunden für die Datensicherheit in der E-Mail vom 30.3.2020 ([X.]) davon ausgehen durfte, dass der Kläger im Tausch gegen eine neue Festplatte auf den eingesandten Datenträger und die aufgespielten Daten verzichtet hatte. Wie das [X.] auf der Grundlage der Zeugenaussagen ohne Fehler in der Beweiswürdigung festgestellt hat, hat die Beklagte jedenfalls auf die Festplatte und die aufgespielten Daten keinerlei Zugriff mehr, Aufzeichnungen hierü[X.]er hat sie e[X.]enfalls nicht geführt. Weitere [X.] sind ihr damit unmöglich geworden.
2.
Aus densel[X.]en Gründen kommt auch, ungeachtet des Vorliegens der sonstigen Voraussetzungen des § 985 BGB die Herausga[X.]e der Festplatte wegen o[X.]jektiver Unmöglichkeit nicht in Betracht. O[X.] die Unterlassung einer weiteren Verar[X.]eitung der Daten, sofern sie auf einen Verstoß gegen Bestimmungen der [X.] gestützt wird, ü[X.]erhaupt mit einem zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch durchgesetzt werden könnte, ist [X.]ereits im Ausgangspunkt fraglich. Nach dem Wortlaut des Art. 79 A[X.]s. 1 [X.] [X.]lei[X.]en nur andere verwaltungsrechtliche oder außergerichtliche Rechts[X.]ehelfe „un[X.]eschadet“, nicht a[X.]er gerichtliche Rechts[X.]ehelfe. Hieraus wird teilweise gefolgert, dass ü[X.]er die in den [ref=a7d62a82-7187-4604-9a53-3dc[X.]e[X.]ccc2d1]Art. 12 [X.]is 22 [X.][/ref] eingeräumten [X.]s-, Berichtigungs- und Löschungsrechte (Art. 17 [X.]) sowie das Recht auf Einschränkung der Verar[X.]eitung personen[X.]ezogener Daten hinaus dem Betroffenen keine Rechte zustünden, zu deren Durchsetzung ein wirksamer Rechts[X.]ehelf nach Art. 79 [X.] zur Verfügung gestellt werden müsste; dies schließe auch Ansprüche nach §§ 823, 1004 BGB aus (VG Regens[X.]urg, Gerichts[X.]escheid vom 6.8.2020 – [X.] 19.1061 –, Rn. 19 - 20, juris; anders allerdings Senat, Beschluss vom 19.4.2021 – 4 W 243/21 –, juris). Dies kann hier a[X.]er e[X.]enfalls dahinstehen, weil es jedenfalls an der für einen solchen Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr fehlt. E[X.]enso wenig wie der Beklagten eine Herausga[X.]e der Festplatte möglich ist, ist ihr wegen Zerstörung oder Verlust des Datenträgers auch eine Weiterga[X.]e der darauf ggf. enthaltenen Daten möglich. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte diese vor der Vernichtung gesichert oder an Dritte weitergege[X.]en hätte, sind vom Kläger weder vorgetragen noch nach der Beweisaufnahme des [X.]s ersichtlich.
3.
Vertragliche Ansprüche auf den hier allein geltend gemachten immateriellen Schaden scheiden von vornherein aus. Der Kläger hat a[X.]er auch weder einen Anspruch auf eine Geldentschädigung nach Art. 2 A[X.]s. 1 i.V.m. Art. 1 GG noch auf immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 [X.] wegen des [X.]ehaupteten Verlusts seiner personen[X.]ezogenen Daten, die sich auf der Festplatte [X.]efunden ha[X.]en sollen.
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<[X.]r>
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung ü[X.]er die vorläufige Vollstreck[X.]arkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, für die nichtvermögensrechtlichen Ansprüche auf [X.] und Unterlassung aus § 709 ZPO.
2. Gründe für die Zulassung der Revision sieht der Senat nicht. Auch eine Vorlage an den [X.] zur Auslegung des Begriffs der Einwilligung im Sinne der Art. 4 Nr. 11, 6 A[X.]s. 1 lit a) [X.] ist nicht ge[X.]oten. Nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.] NJW 1983, 1257 Rn. 21 – [X.]; [X.] BeckRS 2005, 70935 Rn. 16; stRspr) kann von einer Vorlage a[X.]gesehen werden, wenn feststeht, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserhe[X.]lich ist, dass die [X.]etreffende unionsrechtliche Bestimmung [X.]ereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war (acte éclairé) oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum [X.]lei[X.]t (acte clair). Davon darf das innerstaatliche Gericht ausgehen, wenn es ü[X.]erzeugt ist, dass auch für die Gerichte der ü[X.]rigen Mitgliedstaaten und für den [X.] die gleiche Gewissheit [X.]estünde ([X.]Rspr., vgl. zuletzt [X.] NJW 2021, 1005 Rn. 10, [X.]eck-online). So liegt der Fall hier. Der Senat geht angesichts der Formulierung in den Erwägungsgründen zur [X.], die das Verständnis des normsetzenden [X.] Gesetzge[X.]ers wiederge[X.]en und für die Auslegung durch die Gerichte der Mitgliedsstaaten maßge[X.]lich sind, von einer eindeutigen Rechtslage ("acte clair") aus; a[X.]weichende Auffassungen zur Zulässigkeit einer konkludenten Einwilligung werden in Literatur und Rechtsprechung – soweit ersichtlich – nicht vertreten.
3. Bei der Streitwertsetzung gemäß § 48 A[X.]s. 2 GKG hat der Senat den Schadensersatzanspruch entsprechend dem Antrag des [X.] mit 10.000,00 €, die dane[X.]en haupt- und hilfsweise geltend gemachten [X.]sansprüche mit 3.000,00 € [X.]ewertet, den Unterlassungsanspruch mit 2.000,00 € und den Herausga[X.]eanspruch der Festplatte mit 35,00 €, da dies der unwidersprochen vorgetragene Wert der Festplatte ist.
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31.08.2021
Urteil
Sachgebiet: U
Vorgehend Landgericht Chemnitz, 5 O 1041/20
Art. 15 DSGVO, Art. 82 DSGVO, § 666 BGB
Zitiervorschlag: OLG Dresden, Urteil vom 31.08.2021, Az. 4 U 324/21 (REWIS RS 2021, 2960)
Papierfundstellen: REWIS RS 2021, 2960
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
10 O 1510/22 (LG Nürnberg-Fürth)
Datenschutzgrundverordnung, Erfüllung des Auskunftsanspruchs, Benachrichtigungspflicht, Feststellungsinteresse, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit, Darlegungs- und Beweislast, Elektronischer Rechtsverkehr, …
3 O 99/22 (Landgericht Paderborn)
28 O 221/21 (Landgericht Köln)
2 C 133/21 (Amtsgerich Pfaffenhofen a.d. Ilm)
Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO wegen der unberechtigten Nutzung einer anwaltlichen E-Mailadresse.
2 O 212/22 (Landgericht Paderborn)