Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2018, Az. V ZB 71/17

V. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 14981

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:250118BVZB71.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]
vom

25. Januar 2018

in der Abschiebungshaftsache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
GG Art. 104 Abs. 1 Satz 1; FamFG § 420 Abs. 1 Satz 1, § 26
Wird ein Mangel des [X.] während des Beschwerdeverfahrens durch ergänzende Angaben der Behörde behoben, tritt die Heilung des Mangels mit Wirkung für die Zukunft nicht bereits mit der Anhörung des Betroffenen zu die-sen Angaben, sondern erst mit der Entscheidung des [X.] über die Fortdauer der Haft ein.
[X.], Beschluss vom 25. Januar 2018 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 25. Januar 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterin Weinland und die Richter Dr.
Kazele, [X.] und Dr. Hamdorf

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des [X.] -
4.
Zivilkammer -
vom 7. März 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beschwerde des Betroffenen gegen die Haftanordnung des [X.] vom 14. November 2016 für den Zeitraum ab dem 23.
Dezember 2016 zurückgewiesen wurde.

Es wird festgestellt, dass der Betroffene durch den vorgenannten Beschluss auch in dem Zeitraum vom 23. Dezember 2016 bis zum 1.
Februar 2017 in seinen Rechten verletzt worden ist.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der [X.] auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000

-
3
-
Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat auf Antrag der beteiligten Behörde mit Beschluss vom 14.
November 2016 Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen bis längstens 14. Mai 2017 angeordnet. Das Beschwerdegericht hat auf Antrag des Betroffenen festgestellt, dass der Vollzug der Haft ihn bis zum [X.] 2016 in seinen Rechten verletzt hat. Im Übrigen hat es die Beschwerde zu-rückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene, der am 1. Februar 2017 abgeschoben worden ist, die Feststellung erreichen, dass er durch die Haftanordnung auch über den 22. Dezember 2016 hinaus in seinen Rechten verletzt worden ist.

II.

Das Beschwerdegericht meint, der Haftanordnung habe zunächst kein zulässiger Haftantrag zugrunde gelegen, weil der Haftantrag der beteiligten Be-hörde keine ausreichende Begründung für die als erforderlich angesehene Haftdauer von sechs Monaten enthalten habe. Hierin werde lediglich ausge-führt, dass [X.] Mangel sei durch ergänzende Angaben der beteiligten Behörde mit Schrei-ben vom 22.
Dezember 2016 mit Wirkung für die Zukunft geheilt worden.
1
2
-
4
-
III.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG nach Erledigung der Hauptsache durch die Abschiebung des [X.] mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthaft (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010
-
V [X.], [X.] 2010, 150, 151 Rn. 9 f.) und auch im Übrigen zulässig (§ 71 FamFG).

2. Sie hat in der Sache Erfolg. Die Haftanordnung hat den Betroffenen in seinen Rechten auch in dem Zeitraum vom 23. Dezember 2016 bis 1. Februar 2017 verletzt.
Die Annahme des [X.], der -
von ihm zutreffend erkannte
-
Mangel des [X.] (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 1. Juni 2017 -
V [X.], juris Rn.
14 mwN) sei durch ergänzende Angaben der [X.] bereits am 22. Dezember 2016 geheilt worden, hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des [X.]. Mängel des [X.] können behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt, oder indem der Haftrichter selbst die Vo-raussetzungen zur Durchführbarkeit der Ab-
oder Zurückschiebung des [X.] und zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt (§
26 FamFG, vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 16.
Juli 2014

V
ZB
80/13, [X.] 2014, 384 Rn.
21
ff.). Diese Heilung kann auch noch während des Beschwerdeverfahrens erfolgen (Senat, Beschluss vom 17. No-vember 2016 -
V [X.], juris Rn. 9). Zwingende weitere Voraussetzung für eine rechtmäßige Haftanordnung ist in einem solchen Fall, dass der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird (Senat, Beschlüsse 3
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5
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5
-
vom 15.
September
2016 -
V [X.], juris Rn.
9 mwN und vom 17.
November 2016 -
V [X.], aaO).

b) Anders als das Beschwerdegericht meint, wird
ein Mangel des [X.] aber nicht schon mit dessen Ergänzung durch die beteiligte Behörde und Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht geheilt. Dabei kann dahinstehen, ob die ergänzenden Angaben vorliegend als ausreichend anzuse-hen sind. Die Heilung tritt nämlich erst mit der Entscheidung des [X.] über die Fortdauer der Haft ein.

aa) Dies folgt aus dem Gewicht, das der mündlichen Anhörung des Be-troffenen
vor Anordnung einer Freiheitsentziehung zukommt.
Die in § 420 Abs.
1 Satz 1 FamFG vorgesehene richterliche Pflicht, den Betroffenen vor An-ordnung der Haft mündlich anzuhören, gehört zu den Verfahrensgarantien, die Art.104 Abs.
1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl.
[X.] 58, 208, 220
f.
zu § 18 des [X.]. [X.];
[X.]K 9, 132, 138 f.
zu § 11 Abs. 2 FrEntzG; [X.], Beschluss der 2.
Kammer des [X.] vom 27. Februar 2013 -
2 BvR 1872/10, juris Rn. 17,
19).

(1) Nur bei einer einstweiligen Anordnung der Haft kann die Anhörung bei Gefahr im Verzug ausnahmsweise zunächst unterbleiben; sie ist dann [X.] unverzüglich nachzuholen (§ 427 Abs.
2 FamFG). Die verfahrensrechtli-che Pflicht zur unverzüglichen
Nachholung der Anhörung nimmt über Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG an dem Schutz durch das [X.] teil. Mit der Nachholung der Anhörung ist auch die Verpflichtung verbunden, den getroffe-nen vorläufigen Beschluss über die Anordnung der einstweiligen
Freiheitsent-ziehung dahingehend zu überprüfen, ob er angesichts der vervollständigten 6
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-
6
-
Entscheidungsgrundlage aufrechterhalten werden kann oder ob er der Abände-rung oder Aufhebung bedarf ([X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 27. Februar 2013 -
2 BvR 1872/10, juris Rn. 17, 19).

(2) Nichts anderes gilt, wenn die Anhörung nicht im Rahmen einer vor-läufigen Haftanordnung unterblieben, sondern -
wie hier -
im Rahmen der Über-prüfung einer amtsgerichtlichen Hauptsacheentscheidung durch das Beschwer-degericht deswegen nachzuholen ist, weil der durch das Amtsgericht durchge-führten
Anhörung ein unzulässiger Haftantrag zugrunde lag, der erst im Be-schwerdeverfahren durch die Behörde ergänzt bzw. durch Ermittlungen des [X.] vervollständigt wurde. Denn die Anhörung auf der [X.] eines unzulässigen [X.] verstößt gegen § 420 Abs. 1 Satz 1
FamFG,
und dieser Verfahrensfehler betrifft nicht nur den formal ordnungsge-mäßen Ablauf der Anhörung, sondern deren Grundlagen; er
verletzt daher den Betroffenen in seinem
grundrechtsgleichen Recht aus Art. 104 Abs. 1 GG (Se-nat, Beschluss vom 18. Februar 2016 -
V [X.], [X.] 2016, 235 Rn. 26). Erforderlich ist daher in dieser Konstellation, dass das Beschwerdegericht den Betroffenen auf der Grundlage des ergänzten [X.] anhört und sodann eigenständig prüft, ob die Haftanordnung angesichts der vervollständigten [X.] und des Ergebnisses der Anhörung (vgl. dazu Senat, [X.] vom 13. Juli 2017 -
V [X.], juris Rn. 10) aufrechterhalten werden kann oder ob sie
der Abänderung oder Aufhebung bedarf. Erst mit dieser Ent-scheidung tritt die Heilung des in der fehlerhaften Anhörung -
und damit zu-gleich fehlerhaften Haftanordnung -
liegenden [X.] mit Wirkung
für die Zukunft ein.

bb)
Dem wird die hier gewählte Verfahrensgestaltung des [X.] nicht gerecht. In aller Regel entscheidet das Beschwerdegericht an 9
10
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dem Tag der Anhörung, so dass von da an der Verfahrensmangel geheilt ist
(vgl. Senat,
Beschluss vom 15.
September 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 471 Rn. 8; Beschluss vom 6. Dezember 2012 -
V [X.], [X.] 2013, 87 Rn.
15; Beschluss vom 7. November 2013 -
V [X.], juris Rn. 5). [X.] wurde der Betroffene aber am 22. Dezember 2016 lediglich (durch ein Mitglied des [X.] als [X.])
angehört.
Die Ent-scheidung über die Beschwerde, für die das Beschwerdegericht in voller Kam-merbesetzung zuständig war (§ 95 GVG), wurde hingegen erst nach der Ab-schiebung
des Betroffenen getroffen. Bei dieser Verfahrensgestaltung hat der Betroffene keine Möglichkeit, durch seine Stellungnahme zu den neuen, den [X.] Tatsachen in der Anhörung eine Abänderung oder Aufhebung der Haftanordnung durch das Beschwerdegericht zu bewirken. Eine solche Verfahrensweise macht die Anhörung zu einer
bloßen
Förmelei und wird dem verfassungsrechtlichen Gewicht nicht gerecht, das Art. 104 Abs. 1 GG ihr beimisst. Wird ein Mangel des [X.] während des Beschwerdever-fahrens durch ergänzende Angaben der Behörde behoben, tritt die Heilung des Mangels daher mit Wirkung für die Zukunft nicht bereits mit der Anhörung des Betroffenen zu diesen Angaben, sondern erst mit der Entscheidung des [X.] über die Fortdauer der Haft ein.

-
8
-
IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG, Art. 5 Abs. 5 [X.] analog, die Entscheidung über den Geschäftswert auf § 36 Abs. 3 GNotKG.

Stresemann [X.]

Kazele

Göbel Hamdorf

Vorinstanzen:

[X.], Entscheidung vom 14.11.2016 -
8 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 07.03.2017 -
4 T 4102/16 -

11

Meta

V ZB 71/17

25.01.2018

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2018, Az. V ZB 71/17 (REWIS RS 2018, 14981)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14981

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