Bundessozialgericht, Urteil vom 12.05.2020, Az. B 12 KR 22/18 R

12. Senat | REWIS RS 2020, 2385

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Kranken- und Pflegeversicherung - Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus einer Direktversicherung an Hinterbliebene - Todesfallleistung - betriebliche Hinterbliebenenversorgung - Einbeziehung des Hinterbliebenen als Bezugsberechtigter in Versicherungsvertrag


Leitsatz

Die Beitragspflicht von Hinterbliebenen in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung auf Einnahmen aus einer vom Arbeitgeber begründeten betrieblichen Hinterbliebenenversorgung in Form der Direktversicherung setzt deren Einbeziehung als Bezugsberechtigte in den Versicherungsvertrag zwischen Versicherer, Arbeitgeber und Arbeitnehmer voraus.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 26. November 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) und [X.] Pflegeversicherung ([X.]) auf eine Kapitalleistung aus einer Direktversicherung.

2

Die 1974 geborene Klägerin ist bei der beklagten Kranken- und der beigeladenen Pflegekasse als Beschäftigte pflichtversichert. Nach dem Tod ihres Ehemanns erhielt sie im Juli 2014 von der [X.] (im Folgenden: [X.]) eine Kapitalleistung ("Todesfallleistung") in Höhe von 46 769,93 Euro. Der Auszahlung lag ein Lebensversicherungsvertrag zugrunde, den die Arbeitgeberin des Verstorbenen zum 1.12.1998 als Direktversicherung abgeschlossen hatte. Versicherungsnehmerin war die Arbeitgeberin, versicherte Person war der Ehemann der Klägerin. Die Beklagte wertete die Zahlung als Versorgungsbezug und erhob auch im Namen der Beigeladenen ab [X.] für einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren monatliche Beiträge zur [X.] und [X.] in Höhe von insgesamt 68,40 Euro (Bescheid vom 10.9.2014, Widerspruchsbescheid vom 16.7.2015).

3

Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 17.3.2017). Das [X.] hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 26.11.2018). Es sei unerheblich, ob die Kapitalleistung als Versorgungsbezug an den verstorbenen Arbeitnehmer oder dessen Hinterbliebene ausgezahlt werde. Maßgebend sei allein, dass sie aus einer sog Direktversicherung stamme. Verfassungsrechtliche Bedenken unter Berücksichtigung des [X.] beständen nicht. Eine eventuelle Ungleichbehandlung dadurch, dass § 229 Abs 1 Satz 1 [X.] seit 1.1.2018 sog [X.] von der Beitragspflicht ausnehme, sei gerechtfertigt. Zweck der Riesterförderung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung sei es, im Rahmen eines gesetzgeberischen Gesamtkonzepts Geringverdienern die Möglichkeit einer zusätzlichen Altersvorsorge zu eröffnen und damit Altersarmut zu vermeiden.

4

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 226 Abs 1 Satz 1 [X.] und § 229 Abs 1 Satz 1 [X.] sowie von Art 14 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG. Der für die betriebliche Altersversorgung notwendige persönliche Bezug zu einem früheren Berufsleben bestehe für sie gerade nicht. Sie sei betrieblich nicht ausdrücklich in den Versicherungsvertrag seitens der Arbeitgeberin aufgenommen worden. Ein beitragspflichtiger Versorgungsbezug könne nicht aus der schlichten Auszahlung aufgrund ihrer Erbenstellung konstruiert werden. Nur ihr Ehemann sei bezugsberechtigt, sie selbst nur Zahlungsempfängerin gewesen. Die Leistung aus der Lebensversicherung sei deshalb in den Nachlass gefallen und nicht beitragspflichtig. Die Verbeitragung ererbten Vermögens verstoße gegen Art 14 Abs 1 GG. Die Erhebung von Beiträgen auf Direktversicherungen sei jedenfalls seit 1.1.2018 auch unverhältnismäßig und verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, weil betriebliche [X.] nicht mehr zu Beiträgen herangezogen würden.

5

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des [X.] vom 26. November 2018 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 17. März 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juli 2015 aufzuheben.

6

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

8

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

9

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung an das [X.] begründet. Ob zu Recht Beiträge auf die Kapitalzahlung der [X.] festgesetzt worden sind, kann der [X.] nicht abschließend entscheiden.

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Beiträgen zur [X.] ist hier § 226 Abs 1 Satz 1 [X.] 3 SGB V. Danach wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten - wie der Klägerin - der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) der Beitragsbemessung zugrunde gelegt. Als derartige Versorgungsbezüge gelten auch Renten der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden (§ 229 Abs 1 Satz 1 [X.]). Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt nach § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V in der ab 1.1.2004 anzuwendenden Fassung des Art 1 [X.] des [X.] der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]-Modernisierungsgesetz <[X.]>) vom 14.11.2003 ([X.] 2190, vgl Art 37 Abs 1 [X.]) ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für [X.] Monate. Nach Maßgabe dieser Regelungen unterliegt eine Direktversicherung als Versorgungsbezug zwar grundsätzlich der Beitragspflicht zur [X.] (dazu 1.). Dem stehen verfassungsrechtliche Bedenken nicht entgegen (dazu 2.). Nur an Witwen oder Witwer als Bezugsberechtigte (dazu 3.) ausgezahlte Leistungen aus einer Direktversicherung werden aber zur Hinterbliebenenversorgung erzielt (dazu 4.). Entsprechendes gilt für die Beitragsfestsetzung zur [X.] (dazu 5.).

1. Leistungen aus einer betrieblichen Direktversicherung im Sinne des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung ([X.]) sind grundsätzlich Versorgungsbezüge nach § 229 Abs 1 Satz 1 [X.] und damit der Beitragspflicht unterworfen ([X.] vom 26.2.2019 - B 12 KR 13/18 R - [X.] 4-2500 § 229 [X.] Rd[X.] 11, - B 12 KR 17/18 R - [X.], 254 = [X.] 4-2500 § 229 [X.], - B 12 KR 12/18 R - [X.], 249 = [X.] 4-2500 § 229 [X.], Rd[X.] 12; [X.] vom [X.] - B 12 KR 19/18 R - juris Rd[X.] 9). Die hier zu beurteilende Lebensversicherung ist nach den für den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) eine solche Direktversicherung. Sie wurde von der Arbeitgeberin des verstorbenen Ehemanns der Klägerin für diesen als Versicherungsnehmer abgeschlossen. Dass der berufliche Bezug durch eine Änderung in der Person des Versicherungsnehmers gelöst worden sei, hat die Klägerin nicht vorgetragen und ist nicht ersichtlich.

2. Die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, solange der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts nicht verlassen wird (vgl ua [X.] Beschluss vom 9.7.2018 - 1 BvL 2/18 - juris Rd[X.] 19; [X.] Beschluss vom 27.6.2018 - 1 BvR 100/15 ua - juris Rd[X.] ff; [X.] Beschluss vom 6.9.2010 - 1 BvR 739/08 - [X.] 4-2500 § 229 [X.] Rd[X.] 9 ff; [X.] vom 23.7.2014 - B 12 KR 28/12 R - [X.], 241 = [X.] 4-2500 § 229 [X.], Rd[X.] ff mwN; [X.] vom 13.9.2006 - B 12 KR 5/06 R - [X.] 4-2500 § 229 [X.] Rd[X.] 11 f). Der [X.] hat bereits entschieden, dass die Beitragspflicht auf Versorgungsleistungen an Hinterbliebene aufgrund eines eigenen Bezugsrechts, soweit sie also nicht in das Erbe fallen, nicht gegen die Erbrechtsgarantie aus Art 14 Abs 1 Satz 1 GG verstößt ([X.] vom 5.3.2014 - B 12 KR 22/12 R - [X.] 4-2500 § 229 [X.] Rd[X.] 35). Die Einbeziehung nicht wiederkehrender Versorgungsleistungen in die zum 1.1.2004 eingeführte Beitragspflicht auf Kapitalleistungen, die bereits vor dem 1.1.2004 vertraglich vereinbart waren, verletzt auch nicht das Rückwirkungsverbot (stRspr; zuletzt [X.] vom 26.2.2019 - B 12 KR 12/18 R - [X.], 249 = [X.] 4-2500 § 229 [X.], Rd[X.] und - B 12 KR 17/18 R - [X.], 254 = [X.] 4-2500 § 229 [X.], Rd[X.] 21). Schließlich ist die Freistellung betrieblicher sog [X.] von der Beitragspflicht unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgebots (Art 3 Abs 1 GG) verfassungsgemäß. Diese Privilegierung ist nach der Rechtsprechung des [X.]s ua durch das legitime Ziel der Bekämpfung von Altersarmut sachlich gerechtfertigt und auch nicht unverhältnismäßig (vgl [X.] vom 26.2.2019 - B 12 KR 13/18 R - [X.] 4-2500 § 229 [X.] Rd[X.] ff und - B 12 KR 17/18 R - [X.], 254 = [X.] 4-2500 § 229 [X.], Rd[X.] 23 ff; [X.] vom [X.] - B 12 KR 19/18 R - juris Rd[X.] ff).

3. Renten der betrieblichen Altersversorgung gelten allerdings nur dann als Versorgungsbezüge, wenn sie ua zur Hinterbliebenenversorgung erzielt werden. "Zur Hinterbliebenenversorgung erzielt" sind Zahlungen aus einer Direktversicherung, wenn sie den Charakter einer unmittelbaren Leistung der Hinterbliebenenversorgung haben. Das setzt voraus, dass an Hinterbliebene (dazu a) geleistet wird, diese die Leistung als Bezugsberechtigte (dazu b) erhalten und die Leistung einem [X.] (dazu 4.) dient.

a) Die Klägerin gehörte als Witwe ihres verstorbenen Ehemanns zu den Hinterbliebenen im Sinne des § 229 Abs 1 Satz 1 SGB V. Der Begriff der Hinterbliebenen ist gesetzlich nicht definiert. Er umfasst nach seinem Wortsinn Personen, die als Angehörige ein besonderes Näheverhältnis zum Verstorbenen hatten. Dazu zählen jedenfalls Witwen, Witwer und Waisen. Sie werden durch ihre grundsätzliche Anspruchsberechtigung für [X.] nach dem [X.] auch gesetzlich den Hinterbliebenen zugeordnet (vgl zum Kreis der Hinterbliebenen nach dem [X.] [X.] Urteil vom 18.11.2008 - 3 [X.] - juris).

b) Leistungen an Hinterbliebene aus im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherungen unterliegen nur dann der Beitragspflicht, sofern sie aufgrund eines durch den Versicherungsvertrag begründeten eigenen Bezugsrechts erbracht werden.

Wesentliches Merkmal einer Rente der betrieblichen Altersversorgung iS des Beitragsrechts der [X.] ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s ein Zusammenhang zwischen dem Erwerb dieser Rente und der früheren Beschäftigung. Entscheidend ist, dass der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts, also im Falle der Direktversicherung der auf den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer laufende Versicherungsvertrag, zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung genutzt wird ([X.] vom 26.2.2019 - B 12 KR 17/18 R - [X.], 254 = [X.] 4-2500 § 229 [X.], Rd[X.] mwN). Das ist zu Lebzeiten des Versicherten der Fall, solange der Arbeitgeber Versicherungsnehmer der von ihm abgeschlossenen Direktversicherung ist (vgl [X.] vom 26.2.2019 - B 12 KR 13/18 R - [X.] 4-2500 § 229 [X.] Rd[X.] 13 mwN).

Der durch die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Versicherer begründete institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts wird aber auch dann genutzt, wenn Hinterbliebene als Bezugsberechtigte in den Vertrag einbezogen sind (vgl [X.] vom 5.3.2014 - B 12 KR 22/12 R - [X.] 4-2500 § 229 [X.] Rd[X.] 20). An Hinterbliebene im Rahmen einer betrieblichen Direktversicherung geleistete Zahlungen beruhen auf dem Versorgungsversprechen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, zu dessen Erfüllung er einen Vertrag mit einem Versicherer schließt. Die Gewährung von [X.] aufgrund eines solchen Versicherungsvertrags zugunsten Dritter im Sinne des § 328 Abs 1 BGB ist Teil der Vereinbarung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Versicherer (vgl [X.] vom 25.4.2012 - B 12 KR 19/10 R - [X.] 4-2500 § 229 [X.], Rd[X.]). Das der Direktversicherung immanente Versorgungsversprechen erfüllt sich nach § 331 Abs 1 BGB dadurch, dass der Dritte mit dem Tod des [X.] das Recht auf die Versicherungsleistung erwirbt (vgl [X.] vom 5.3.2014 - B 12 KR 22/12 R - [X.] 4-2500 § 229 [X.] Rd[X.] 23; [X.] Urteil vom [X.] - 3 AZR 731/16 - [X.]E 163, 192 Rd[X.] mwN). Bei einem solchen Bezugsrecht fällt die Leistung von vorneherein nicht in den Nachlass, sondern unmittelbar dem Bezugsberechtigten zu. Er erwirbt nach §§ 328, 330, 331 Abs 1 BGB unmittelbar das Recht, die Leistung bei Eintritt des Versicherungsfalls vom Versicherer zu fordern (vgl [X.] vom 25.4.2012 - B 12 KR 19/10 R - [X.] 4-2500 § 229 [X.] Rd[X.] mwN; [X.] Urteil vom 23.10.2003 - [X.]/01 - [X.]Z 156, 350, 353 = juris Rd[X.] 12 mwN). Mit der Einbeziehung [X.] in die vertraglichen Abreden zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Versicherer wird der Bezug der Versicherungsleistung zur Erwerbstätigkeit des Verstorbenen hergestellt und eine Leistung der Hinterbliebenenversorgung aus der betrieblichen Altersversorgung vereinbart.

Demgegenüber ist eine Zahlung im Wege der Erbfolge keine Leistung der Hinterbliebenenversorgung nach § 229 Abs 1 Satz 1 [X.]. Sie hat ihre rechtliche Grundlage nicht in einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer sowie Versicherer, ist daher nicht (unmittelbar) auf eine frühere Erwerbstätigkeit zurückzuführen (vgl [X.] vom 5.3.2014 - B 12 KR 22/12 R - [X.] 4-2500 § 229 [X.] Rd[X.] 22) und liegt deshalb außerhalb des institutionellen Rahmens des Betriebsrentenrechts. Leistungen an Erben werden vielmehr aus dem auf sie übergegangenen Vermögen (Nachlass) nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen in §§ 1922 ff BGB erbracht, die ohne Zutun des Arbeitgebers oder des Versicherers durch Testament (§§ 2064 ff BGB) oder Erbvertrag (§§ 2274 ff BGB) ausgestaltet oder abbedungen werden können. Der Versicherer zahlt im Erbfall nicht an nach §§ 328, 330, 331 Abs 1 BGB in den Versicherungsvertrag einbezogene Dritte, sondern an die Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Versicherten (vgl §§ 1922, 2032, 2039 BGB).

Die betriebsrentenrechtliche Einbeziehung [X.] in das Versorgungsversprechen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer aufgrund eines ihm eingeräumten Bezugsrechts muss sich aus einer versicherungsvertraglichen Vereinbarung unter Berücksichtigung Allgemeiner Geschäftsbedingungen und etwaiger, das Vertragsverhältnis gestaltender Richtlinien des Arbeitgebers ergeben (vgl [X.] vom 5.3.2014 - B 12 KR 22/12 R - [X.] 4-2500 § 229 [X.] Rd[X.] 31; [X.] vom 25.4.2012 - B 12 KR 19/10 R - [X.] 4-2500 § 229 [X.] Rd[X.] ff). Ob der Klägerin nach dem Lebensversicherungsvertrag ein eigenes Bezugsrecht zusteht, vermag der [X.] indes nicht zu beurteilen. Feststellungen zum Vertragsinhalt im Hinblick auf ein Bezugsrecht Dritter hat das [X.] nicht getroffen. Allein die Bezeichnung als "Todesfallleistung" lässt noch nicht darauf schließen, dass die Klägerin die Kapitalzahlung wegen eines versicherungsvertraglichen Bezugsrechts erhalten hat. Ob das der Fall ist, hat das [X.] im wiedereröffneten Berufungsverfahren festzustellen. Dabei ist das Berufungsgericht nicht auf die Heranziehung der Klägerin zur Vorlage von Unterlagen beschränkt (§ 106 Abs 3 SGG).

4. Der Beitragspflicht steht nicht schon entgegen, dass es hier an dem neben der Bezugsberechtigung auch erforderlichen [X.] fehlen würde. Den aus der Formulierung in § 229 Abs 1 Satz 1 SGB V, dass Leistungen zur "Hinterbliebenenversorgung erzielt" sein müssen, abzuleitenden [X.] verfolgt eine Leistung aus einer Direktversicherung nach der Rechtsprechung des [X.]s (vgl [X.] vom 26.2.2019 - B 12 KR 13/18 R - [X.] 4-2500 § 229 [X.] Rd[X.] 11; [X.] vom 26.2.2019 - B 12 KR 12/18 R - [X.], 249 = [X.] 4-2500 § 229 [X.], Rd[X.] ff), wenn sie - wie hier - der Sicherung des Lebensstandards des Empfängers zu dienen bestimmt (dazu a) und darin einer Rente nach dem [X.] vergleichbar ist (dazu b).

a) Zur Sicherung des Lebensstandards bestimmt sind jedenfalls Leistungen, die einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch ersetzen (vgl [X.] vom 26.2.2019 - B 12 KR 12/18 R - [X.], 249 = [X.] 4-2500 § 229 [X.], Rd[X.]). Das ist bei Leistungen an [X.] Ehegatten der Fall. Eine aus Anlass des Todes des Ehemanns an seine Witwe als Bezugsberechtigte gezahlte Leistung aus einer Direktversicherung ersetzt den mit dem Tod entfallenden (§ 1360a Abs 3, § 1615 Abs 1 BGB) Unterhaltsanspruch und dient der Sicherung des Lebensstandards der Witwe. Ehegatten sind gemäß § 1360 Satz 1 BGB einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Diese zivilrechtliche Unterhaltspflicht unter Lebenden umfasst alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten sowie den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen (§ 1360a Abs 1 BGB). Der Lebensstandard von Eheleuten wird mithin zu Lebzeiten durch die "Verhältnisse" der Ehegatten, also das Einkommen, die Arbeit und das Vermögen beider Eheleute bestimmt. Bezieht ein Ehegatte seinen Ehepartner nach §§ 328, 330, 331 Abs 1 BGB als Bezugsberechtigten in das Versorgungsversprechen des Arbeitgebers ein, sichert er damit seinen Anteil am Ehegattenunterhalt und den Lebensstandard des anderen Ehegatten nach seinem Tod.

b) Die unterhaltsersetzende, an eine [X.] Witwe ausgezahlte Leistung aus einer Direktversicherung ist auch mit einer Rente wegen Todes nach dem [X.] vergleichbar. § 229 Abs 1 Satz 1 [X.] hat zum Ziel, Bezieher gesetzlicher und betrieblicher Renten gleichzustellen ([X.] vom 26.2.2019 - B 12 KR 12/18 R - [X.], 249 = [X.] 4-2500 § 229 [X.], Rd[X.] 14 mit Hinweis auf BT-Drucks 9/458 S 29, 34 f zu Art 2 [X.] 2 § 180 Abs 5 bis 8). Erfasst werden sollen Versorgungsbezüge, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ([X.]) ersetzen oder ergänzen. Da beitragspflichtige Renten der betrieblichen Altersversorgung "zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt" werden müssen, ist deren Vergleichbarkeit mit Renten der [X.] allerdings nur in Bezug auf den jeweiligen [X.], also die [X.] erforderlich. Daher kommt es nicht darauf an, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer vergleichbaren Rente der [X.] im Einzelfall erfüllt sind. Entscheidend ist vielmehr, ob der Zweck der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung bei typisierender Betrachtung mit dem [X.] einer Hinterbliebenenrente nach dem [X.] vergleichbar ist (vgl [X.] vom 26.2.2019 - B 12 KR 12/18 R - [X.], 249 = [X.] 4-2500 § 229 [X.], Rd[X.] f). Leistungen der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung sind daher dann nicht der Beitragspflicht zur [X.] unterworfen, wenn eine Rente wegen Todes nach dem [X.] bei typisierender Betrachtung von vorneherein nicht in Betracht kommt. Das hat der [X.] bisher nur ausnahmsweise für Waisen bejaht, die bei Auszahlung der Leistungen bereits das 27. Lebensjahr vollendet hatten und damit regelmäßig keinen Unterhaltsanspruch mehr hätten ([X.] vom 26.2.2019 - B 12 KR 12/18 R - [X.], 249 = [X.] 4-2500 § 229 [X.]). Eine vergleichbare Konstellation besteht bei Witwen und Witwern nicht.

Die Witwenrente der [X.] hat ebenso wie eine Leistung der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung [X.] (vgl zum Begriff [X.]/[X.], [X.] 2017, 149, 152 f). Sie ersetzt den Ehegattenunterhalt, den der verstorbene Versicherte vor dem Tod aus seinem Einkommen geleistet hat (vgl [X.] Beschluss vom 18.2.1998 - 1 BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86 - [X.]E 97, 271, 287 = [X.] 3-2940 § 58 [X.] 1 S 8 = juris Rd[X.] 70, jeweils mwN). Der zivilrechtliche Anspruch auf Ehegattenunterhalt ist grundsätzlich altersunabhängig. Auch das Recht der [X.] sieht keinen für Witwen und Witwer geltenden Zeitpunkt vor, ab dem ein Anspruch auf Rente von vorneherein nicht mehr in Betracht kommt. Wie der [X.] bereits entschieden hat, haben Witwen, die das 47. Lebensjahr vollendet und damit gegebenenfalls Anspruch auf große Witwenrente (§ 46 Abs 2 Satz 1 [X.] 2, Abs 3 [X.]) haben, Beiträge auf Leistungen der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung zu entrichten ([X.] vom 5.3.2014 - B 12 KR 22/12 R - [X.] 4-2500 § 229 [X.]; [X.] vom 25.4.2012 - B 12 KR 19/10 R - [X.] 4-2500 § 229 [X.]). Für jüngere Witwen und Witwer gilt nichts anderes. Auch sie können - abhängig von ihrer Lebenssituation im Einzelfall - nach oder während des Bezugs der auf maximal 24 Monate beschränkten kleinen Witwenrente (§ 46 Abs 1 [X.]) jederzeit einen Anspruch auf zeitlich unbegrenzte (§ 102 Abs 2 Satz 5 [X.]) große Witwenrente erwerben, wenn der vom Gesetzgeber typisierte Fall der Erwerbsminderung eintritt (§ 46 Abs 2 Satz 1 [X.] 3, Abs 3 [X.]). Anders als bei Waisen (§ 48 Abs 4 Satz 1 [X.] 2 [X.]) ist für Witwen und Witwer kein Zeitpunkt gesetzlich festgelegt, ab dem - unabhängig von der persönlichen Lebens- und Einkommenssituation - eine Rente von vorneherein ausscheidet.

Ob eine den Anspruch auf große Witwenrente begründende Erwerbsminderung tatsächlich bereits eingetreten ist oder noch eintritt, spielt für die Frage der Beitragspflicht keine Rolle. Die Hinterbliebenenversorgung verliert ihren Charakter als Unterhaltsersatz nicht deshalb, weil in der solidarisch finanzierten [X.] die Unterhaltssicherung durch eine Hinterbliebenenrente auf bestimmte [X.] begrenzt ist. Dadurch, dass der Anspruch auf eine große Witwen- oder Witwerrente - sofern das 47. Lebensjahr noch nicht vollendet ist - auf Personen beschränkt ist, die der Gesetzgeber als besonders sozial schutzbedürftig ansieht, weil eine Erwerbstätigkeit wegen eingetretener Erwerbsminderung nicht möglich oder wegen der Erziehung von Kindern nicht zumutbar ist, wird der Versorgungscharakter der [X.] nicht in Frage gestellt, sondern eher unterstützt (vgl Bohlken in jurisPK-[X.], 2. Aufl 2013, Stand 25.5.2018, § 46 Rd[X.] 52; kritisch im Hinblick auf nicht verheiratete Eltern [X.]/[X.], [X.] 2017, 149, 160 ff). Diesem [X.] in bestimmten [X.] entspricht es, dass ein Anspruch auf große Witwen- oder Witwerrente auch während des Bezugs der kleinen Witwen- oder Witwerrente entstehen oder nach zunächst wegen Wiederheirat entfallener Anspruchsberechtigung (wieder) aufleben kann (vgl § 46 Abs 3 [X.]).

Die Beitragspflicht vom Vorliegen der Voraussetzungen eines Witwen- oder Witwerrentenanspruchs im Einzelfall abhängig zu machen, würde ungeachtet dessen zu nicht sachgerechten Ergebnissen führen. Dafür, dass eine jüngere kindererziehende Mutter mit typisiert erhöhtem Unterhaltsbedarf beitragspflichtig sein soll, eine kinderlose Witwe im selben Alter aber nicht, ist ein sachlicher Grund nicht zu erkennen.

5. Die vorstehenden Erwägungen gelten für die festgesetzten Beiträge zur [X.] entsprechend (§ 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI).

6. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Entscheidung des [X.] vorbehalten.

Meta

B 12 KR 22/18 R

12.05.2020

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Osnabrück, 17. März 2017, Az: S 3 KR 398/15, Gerichtsbescheid

§ 226 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 5, § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 5, § 46 SGB 6, § 57 Abs 1 S 1 SGB 11, § 328 Abs 1 BGB, Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 S 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 12.05.2020, Az. B 12 KR 22/18 R (REWIS RS 2020, 2385)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2385

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1 BvL 2/18

1 BvR 739/08

3 AZR 731/16

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