Bundessozialgericht, Urteil vom 28.11.2013, Az. B 3 KR 4/13 R

3. Senat | REWIS RS 2013, 702

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Krankenhaus - Entfallen des Anspruchs auf Zahlung der Aufwandspauschale trotz Bestätigung des Abrechnungsbetrags durch MDK - Beschränkung auf Fälle der nachweislich fehlerhaften Kodierung - Anspruch auf Prozesszinsen


Leitsatz

Der Grundsatz, dass der Anspruch des Krankenhauses auf Zahlung der Aufwandspauschale trotz Bestätigung des Abrechnungsbetrags durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung entfällt, wenn die Krankenkasse durch eine Falschkodierung zur Einleitung des Prüfverfahrens veranlasst worden ist, beschränkt sich auf Fälle der nachweislich fehlerhaften Kodierung, gilt also nicht, wenn das Krankenhaus gute Gründe für die vorgenommene Kodierung geltend machen kann und zur zweifelsfreien Aufklärung weitere aufwändige Ermittlungen erforderlich wären (Bestätigung und Weiterentwicklung von BSG vom 22.6.2010 - B 1 KR 1/10 R = BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 29. November 2012 geändert und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. März 2010 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Juni 2009 zu zahlen sind.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen.

Der Streitwert für alle Instanzen wird auf 100 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die beklagte Krankenkasse der Klägerin eine Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c [X.] in Höhe von 100 Euro nebst Zinsen zu zahlen hat.

2

Die 1919 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Patientin [X.] wurde in der [X.] vom 8. bis 23.10.2007 in der geriatrischen Fachabteilung des von der Klägerin betriebenen [X.] in [X.] vollstationär behandelt. Die Klägerin stellte der Beklagten hierfür auf der Basis des [X.] 2007 die [X.] (geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen am Muskel-Skelett-System und Bindegewebe) zzgl Zu- und Abschlägen insgesamt 6616,57 Euro in Rechnung (Rechnung vom 6.11.2007). Als Hauptdiagnose gab die Klägerin [X.] (arzneimittelinduzierte Osteoporose: Beckenregion und Oberschenkel ) an. Aufgrund einer früheren Fraktur des proximalen Endes des [X.] führte sie [X.] als Nebendiagnose auf. Als durchgeführte Prozedur gab sie die OPS-Position 8-550.1 (geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung: mindestens 14 Behandlungstage und 2[X.]herapieeinheiten) an.

3

Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ([X.]) mit der Begutachtung - soweit nach dem Ausdruck des elektronisch am 16.11.2007 versandten Prüfauftrags lesbar - mit den Fragestellungen:

-       

(…) "ist die Mindestzahl an angeforderten [X.] ([X.]) und Therapieeinheiten (TE) für di"

-       

"Prüfung der Indikation für stationäre geriatrische [X.]: Rechtfertigt das bestehende Krankheitsbild d"

-       

"Bestand die medizinische Notwendigkeit der Aufnahme in ein Krankenhaus zur vollstationären Behandlung § 39 [X.]"

-       

"Prüfung der Indikation für stationäre geriatrische [X.]".

4

Der [X.] führte in seinem [X.] Gutachten vom 14.4.2008 auf der Basis von Auszügen aus der Krankenakte aus:

        

"Geriatr. Behandlung nach operativer Versorgung einer prox. [X.]. Keine Veränderung der [X.] nach Veränderung der Kodierung. [X.] nachvollziehbar. Die Leistungen der Komplexbehandlung wurden erbracht. Noch kurz vor Entlassung Anpassung der antihypertensiven Medikation."

Die vollstationäre Krankenhausbehandlung sei in vollem Umfang medizinisch notwendig gewesen. Bei ordnungsgemäßer Abrechnung hätte als Hauptdiagnose allerdings S42.21 (Fraktur des proximalen Endes des Humerus: Kopf) anstelle der arzneimittelinduzierten Osteoporose angegeben werden müssen. Unter Bemerkungen findet sich der Hinweis: "OP.-Versorgung einer subcapitalen [X.]". Das Groupingergebnis ändere sich dadurch jedoch nicht.

5

Die Beklagte zahlte die Krankenhausrechnung, lehnte aber eine Begleichung der Nachtragsrechnung der Klägerin vom 28.5.2008 ab, mit welcher diese eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 100 Euro geltend machte. Gegen die Nachtragsrechnung wandte die Beklagte ein, die Prüfung durch den [X.] sei nur deshalb eingeleitet worden, weil die Klägerin einen nach § 301 [X.] unvollständigen Datensatz gemeldet habe. Die Hauptdiagnose sei seitens des [X.] geändert worden. Bei korrekter Vorlage des Datensatzes wäre die [X.]-Prüfung nicht erforderlich gewesen.

6

Auf die Zahlungsklage der Klägerin hat das [X.] die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung der Aufwandspauschale in Höhe von 100 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem [X.] verurteilt (Urteil vom [X.]): Der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale ergebe sich aus § 275 Abs 1c [X.] in der seit dem [X.] gültigen Fassung. Eine (möglicherweise) fehlerhafte Übermittlung von Daten stehe dem Anspruch nicht entgegen, da für eine solche Einschränkung weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesbegründung Anhaltspunkte böten. Zudem sei nicht erkennbar, aus welchem Grund angesichts des zutreffenden [X.]-Codes die Hauptdiagnose Anlass für die Einschaltung des [X.] gewesen sei. Die Versicherte sei nicht in der chirurgischen Abteilung, sondern in der Geriatrie behandelt worden. Der [X.] für die durchgeführte [X.], die [X.]-Ziffer sowie der Rechnungsbetrag seien unbeanstandet geblieben. Daher stehe der Klägerin die Aufwandspauschale zu. Der Zinsanspruch ergebe sich aus §§ 291, 288 BGB. Für die am 8.5.2008 zugeleitete Rechnung habe eine Zahlungsverpflichtung innerhalb von 30 Tagen bestanden.

7

Auf die von der Beklagten eingelegte Berufung hat das Hessische L[X.] das erstinstanzliche Urteil geändert, die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 29.11.2012). Zur Begründung hat sich das L[X.] auf das Urteil des 1. Senats des B[X.] vom [X.] (B 1 KR 1/10 R - B[X.]E 106, 214 = [X.]-2500 § 275 [X.] 3) berufen: Danach sei die Vorschrift des § 275 Abs 1c [X.] einschränkend auszulegen. Ein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale entstehe nicht, wenn in dem an den [X.] gerichteten Prüfauftrag Auffälligkeiten konkret benannt würden, der [X.] unter Auswertung von medizinischen Behandlungsunterlagen die Widersprüche aufklären könne und es letztlich bei dem angesetzten Rechnungsbetrag bleibe. Die objektiv bestehenden Ungereimtheiten in den vom Krankenhaus übermittelten Daten und Informationen als Grund für die Einschaltung des [X.] seien von der Krankenkasse ([X.]) darzulegen und ggf nachzuweisen. Die von der Klägerin verschlüsselten Diagnosen seien hier nicht kohärent gewesen und hätten auf Unstimmigkeiten schließen lassen. Die angegebene Hauptdiagnose einer arzneimittelinduzierten Osteoporose im Bereich der Beckenregion und Oberschenkel stehe im Widerspruch zu der Nebendiagnose einer Fraktur des [X.]. Es hätte auch eine arzneimittelinduzierte Osteoporose im Oberarmbereich (Humerus, Ellenbogengelenke) mittels des ICD-10-Codes [X.] ausgewiesen werden können. Daher habe die Klägerin die Veranlassung für die weitere Aufklärung des Abrechnungsvorgangs durch den [X.] gesetzt.

8

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts, insbesondere ihres Rechts aus § 275 Abs 1c [X.]. Der vorliegende Sachverhalt sei nicht mit dem zu vergleichen, über den der 1. Senat des B[X.] in seinem Urteil vom [X.] (B 1 KR 1/10 R) entschieden habe, weil dort Konsens über die fehlerhaft kodierte Hauptdiagnose bestanden habe, während hier eine Fehlkodierung weiterhin bestritten werde. Die Humerus-Mehrfragment-Fraktur, die sich die Versicherte durch einen Sturz am [X.] zugezogen habe, sei am [X.] in der unfallchirurgischen Abteilung des [X.] operativ versorgt worden. Danach habe sich die Versicherte mehrere Wochen in der [X.] aufgehalten. Die erneute stationäre Aufnahme im Oktober 2007 sei zur Mobilisierung und Krankengymnastik in der Geriatrie erfolgt. Die Klägerin habe die Osteoporose als Hauptdiagnose gewählt, da die geriatrische Behandlung aufgrund der Gesamtsituation des Bewegungsapparates und des Gesamtzustandes der Patientin erfolgt sei und nicht wegen der alten, bereits seit Monaten versorgten Oberarmfraktur. Die Therapien hätten sich auch nicht auf die Fraktur bezogen. Insbesondere sei die Patientin nicht, wie der [X.] angegeben habe, operativ versorgt worden. Die Osteoporose sei ohne pathologische Fraktur ([X.]) angegeben worden, da die Fraktur auf einem Sturz beruht habe. Anlass für die Beauftragung des [X.] sei - wie sich aus den Fragen im [X.] ergebe - eine Überprüfung der Indikation sowie der Mindestvoraussetzungen (Belegungstage und Therapieeinheiten) der geriatrischen Komplexbehandlung nach dem [X.] gewesen. Diese Fragen habe der [X.] auch zum Gegenstand der Prüfung gemacht und beantwortet. Inkohärenzen bezüglich der übermittelten Haupt- und [X.] oder eine Infragestellung der Hauptdiagnose ließen sich dem Prüfauftrag nicht entnehmen. Eine Pflichtverletzung bei der Kodierung sei daher nicht ersichtlich; weitere medizinische Ermittlungen durch die Gerichte würden deshalb im Widerstreit zu der gesetzgeberischen Intention stehen, bei unstreitigem Rechnungsbetrag zusätzlichen bürokratischen Aufwand zu vermeiden.

9

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen L[X.] vom 29.11.2012 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] Darmstadt vom [X.] zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist - abgesehen von einem Teil des [X.] - begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c [X.] in Höhe von 100 Euro nebst Zinsen seit dem [X.].

1. Rechtsgrundlage des zulässig mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 [X.] verfolgten Klagebegehrens auf Zahlung der Aufwandspauschale ist § 275 Abs 1c [X.] (idF von [X.] Buchst a Gesetz zur Stärkung des [X.] in der [X.] vom 26.3.2007, [X.]). Nach § 275 Abs 1c [X.] (in der genannten Fassung) ist bei Krankenhausbehandlung nach § 39 [X.] eine Prüfung durch den [X.] nach § 275 Abs 1 [X.] 1 [X.] zeitnah durchzuführen. Diese Prüfung ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den [X.] dem Krankenhaus anzuzeigen (§ 275 Abs 1c S 2 [X.]). Daran anschließend bestimmt § 275 Abs 1c [X.]: "Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des [X.] führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 100 Euro zu entrichten." Erst seit dem [X.] beträgt die Aufwandspauschale 300 Euro.

Der Anspruch auf die Aufwandspauschale setzt danach voraus, dass die Krankenkasse eine Abrechnungsprüfung durch den [X.] iS des § 275 Abs 1 [X.] 1 [X.] veranlasst hat (dazu a), dem Krankenhaus durch eine Anforderung von [X.] durch den [X.] gemäß § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 [X.] ein Aufwand entstanden ist (dazu b), die Prüfung nicht zu einer Minderung des [X.] geführt hat (dazu c) und das Prüfverfahren nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung seitens des Krankenhauses veranlasst wurde (dazu d). Diese Voraussetzungen liegen vor.

a) Die Beklagte hat eine Abrechnungsprüfung durch den [X.] iS des § 275 Abs 1 [X.] 1 [X.] veranlasst. Da der Anspruch auf die Aufwandspauschale voraussetzt, dass die Prüfung nicht zu einer Minderung des [X.] führt, muss es sich bei der Prüfung des [X.] um eine Prüfung der Abrechnung iS des § 275 Abs 1 [X.] 1 [X.] handeln, die mit dem Ziel der Verminderung des Rechnungsbetrages eingeleitet und durchgeführt wird (vgl dazu ausführlich [X.] vom 22.11.2012 - [X.] KR 20/12 R - [X.] 4-2500 § 275 [X.]). Die Einleitung eines solchen Prüfverfahrens durch die Krankenkasse setzt nach dem vom erkennenden Senat entwickelten dreistufigen Schema voraus, dass sich die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder weitere [X.] den - medizinisch in der Regel nicht beson[X.] ausgebildeten - Mitarbeitern der Krankenkasse aufgrund der Angaben nach § 301 [X.] oder eines etwaigen Kurzberichts nicht selbst erschließen (1. Stufe). Ist das der Fall, muss die Krankenkasse den [X.] einschalten, der zunächst intern - meist durch eine sozialmedizinische Fallberatung - feststellt, ob die zur Verfügung stehenden Informationen ohne Beteiligung des Krankenhauses zur Prüfung insbesondere von Voraussetzung, Art und Umfang der Krankenbehandlung ausreichen (2. Stufe). Erst wenn sich damit kein abschließendes Ergebnis finden lässt, kann der [X.] nach § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 [X.] die im Einzelfall erforderlichen [X.] und Unterlagen vom Krankenhaus anfordern (3. Stufe - vgl hierzu [X.] [X.] vom 22.11.2012 - [X.] KR 20/12 R - [X.] 4-2500 § 275 [X.]).

Die Klägerin hatte der [X.] ihre Aufwendungen für den stationären Aufenthalt der Versicherten unter dem 6.11.2007 abschließend in Rechnung gestellt. Die Beklagte beauftragte den [X.] mit der Überprüfung dieser Rechnung, weil sich die [X.] ihren Mitarbeitern aufgrund der Angaben nach § 301 [X.] nicht selbst erschlossen haben. Das geht aus den an den [X.] gerichteten Fragen im Prüfauftrag hervor. Danach stellte sich den Mitarbeitern der [X.] [X.] die Frage, ob das Krankheitsbild der Versicherten eine stationäre geriatrische Behandlung rechtfertige. Eine Verneinung dieser Frage kann bei objektiver Betrachtungsweise eine Herabsetzung der in Rechnung gestellten Krankenhausvergütung zur Folge haben. Daher kann ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Prüfung durch den [X.] mit dem Ziel der Abrechnungskürzung eingeleitet und durchgeführt wurde. Es handelte sich mithin um eine Abrechnungsprüfung iS des § 275 Abs 1 [X.] 1 [X.].

b) Nach der Rechtsprechung des B[X.] ([X.] vom 22.11.2012 - [X.] KR 20/12 R - [X.] 4-2500 § 275 [X.] Rd[X.] 14; vgl auch [X.] vom [X.] - B 1 KR 1/10 R - [X.], 214 = [X.] 4-2500 § 275 [X.], Rd[X.] 16) kommt die Pflicht zur Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c [X.] nur in Betracht, wenn der [X.] auf der 3. Stufe der Sachverhaltserhebung auf Veranlassung der Krankenkasse zuvor [X.] gemäß § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 [X.] zur Rechnungsprüfung beim Krankenhaus angefordert hatte. Denn nach der Gesetzesbegründung zu § 275 Abs 1c [X.] (BT-Drucks 16/3100 S 171) dient diese Vorschrift in erster Linie dem Bürokratieabbau; die festgestellten hohen Prüfquoten im Rahmen der Einzelfallprüfung belasteten die Abläufe in den Krankenhäusern teils erheblich, sorgten für zusätzlichen personellen und finanziellen Aufwand und führten in der Regel zu hohen und nicht gerechtfertigten Außenständen und Liquiditätsproblemen. Die Aufwandspauschale soll daher einen Anreiz setzen, Einzelfallprüfungen zielorientierter und zügiger einzusetzen und damit einen Beitrag zum angestrebten Bürokratieabbau leisten. § 275 Abs 1c [X.] soll - so die Gesetzesbegründung weiter - eine einfache und unbürokratische Regelung sein; [X.] werde nicht in jedem Einzelfall gewährleistet. Deshalb wurde auch die Entschädigung der Krankenhäuser für den unnötigen - zusätzlichen - Verwaltungsaufwand pauschaliert. Diesem gesetzgeberischen Ziel entsprechend ist aber gleichwohl ein tatsächlich entstandener Aufwand des Krankenhauses als Voraussetzung für die Aufwandspauschale erforderlich. Denn eine Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse ohne Aufwand seitens des Krankenhauses würde nicht dem gesetzlichen Zweck gerecht und wi[X.]präche daher dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand wird beim Krankenhaus indes regelmäßig anfallen, wenn der [X.] gemäß § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 [X.] auf der dritten Stufe des Prüfverfahrens weitere [X.] und/oder Unterlagen anfordert (B[X.], aaO).

Ausweislich des vom [X.] gefertigten Gutachtens lagen diesem nicht nur die Daten nach § 301 [X.], sondern darüber hinaus Auszüge aus der Krankenakte, insbesondere der Krankenhausentlassungsbericht zugrunde, die nur vom [X.] angefordert worden sein können. Das Heraussuchen, Zusammenstellen und Vorlegen dieser Unterlagen, ja selbst das erneute [X.] mit dem Vorgang, verursacht bei einem Krankenhaus immer einen Verwaltungsaufwand.

c) Schließlich hat die Überprüfung hier auch nicht zu einer Minderung des [X.] geführt. Für diesen Fall bestimmt § 275 Abs 1c [X.] grundsätzlich, dass die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 100 Euro (ab dem [X.]: 300 Euro) zu entrichten hat.

d) Dem Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale kann nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs wegen eigenem Fehlverhalten der Klägerin entgegengehalten werden. Insbesondere hat die Klägerin das Prüfverfahren nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung selbst veranlasst.

aa) Der erkennende 3. Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des 1. Senats, nach der ein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale trotz unvermindert gebliebener Abrechnung ausscheidet, wenn die Krankenkasse durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung des Krankenhauses veranlasst wurde, das Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 [X.] 1 [X.] unter Beteiligung des [X.] einzuleiten (vgl [X.] vom [X.] - B 1 KR 1/10 R - [X.], 214 = [X.] 4-2500 § 275 [X.]). Danach wird ausdrücklich eine nachgewiesene Fehlerhaftigkeit der Abrechnung vorausgesetzt (B[X.], aaO, Rd[X.] 26). Das ist folgerichtig, denn nach der oa Gesetzesbegründung zu § 275 Abs 1c [X.] sollen insbesondere solche zusätzlichen und bürokratieverursachenden Streitigkeiten vermieden werden, in denen die Beteiligten nur mittelbar - also allein wegen der Aufwandspauschale - rechtliche Auseinan[X.]etzungen über die Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit einer Kodierung des Krankenhauses führen. Der erkennende 3. Senat weist zudem darauf hin, dass eine weitere Aufklärung des Sachverhalts in solchen Fällen mit ggf aufwändigen Ermittlungen mit dem Sinn und Zweck von § 275 Abs 1c [X.] nicht vereinbar wäre. Mit der Pauschale wird ausdrücklich eine vereinfachte, aber unbürokratische Regelung verfolgt; sie kann und will deshalb auch keine [X.] in jedem Einzelfall gewährleisten (BT-Drucks 16/3100 S 171). Es wäre geradezu wi[X.]innig, zu der Frage, ob ein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale besteht, aufwändige Ermittlungen im Hinblick auf die Fehlerhaftigkeit einer Kodierung durchzuführen, wenn feststeht, dass der Abrechnungsbetrag unvermindert bleibt.

Dem kann nicht von der [X.] entgegengehalten werden, Krankenhäuser müssten ein Gutachten des [X.] nur - und sei es auch pauschal und substanzlos - im Ergebnis bestreiten, um einen Anspruch auf die Aufwandspauschale geltend machen zu können. Dieser Einwand berücksichtigt nicht, dass nach dem Wortlaut § 275 Abs 1c [X.] die Aufwandspauschale ohne weitere Voraussetzungen dann zu entrichten ist, wenn die Prüfung nicht zu einer Minderung des [X.] führt. Die dem Sinn und Zweck nach gerechtfertigte Einschränkung des Anspruchs für den Fall einer unstreitig oder nachgewiesen fehlerhaften Abrechnung bildet lediglich einen eng zu begrenzenden Ausnahmefall.

bb) Die Klägerin hat das Prüfverfahren vorliegend nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung veranlasst.

Es ist schon nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Wahl der Haupt- bzw [X.] zum Anlass für ihre Überprüfung genommen hat. Die an den [X.] gerichteten Fragen im Prüfauftrag sprechen vielmehr dafür, dass die Beklagte lediglich überprüfen lassen wollte, ob die Voraussetzungen für die durchgeführte geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung nach [X.], Therapieeinheiten und gegebenenfalls sonstigen durchgeführten Therapien und Maßnahmen sowie aufgrund der Indikation und des insgesamt bestehenden Krankheitsbildes vorgelegen haben. Fragen bzgl der Haupt- und/oder [X.] enthält der Gutachtenauftrag nicht.

Darüber hinaus ist eine Falschkodierung durch die Klägerin weder zwischen den Beteiligten unstreitig noch seitens der [X.] nachgewiesen. Denn die Ausführungen des [X.], dass die Fraktur des proximalen Endes des [X.] ([X.]) als Hauptdiagnose hätte angegeben werden müssen, während die arzneimittelinduzierte Osteoporose im Bereich des Beckens und der Oberschenkel ([X.]) stattdessen als Nebendiagnose aufzuführen gewesen wäre, ist nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Nach den [X.] (Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren, Version 2007 <[X.]>) wird die Hauptdiagnose definiert als: "Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist" ([X.], [X.] - Hauptdiagnose, [X.] ff). Weiter wird in den [X.] zur Hauptdiagnose ausgeführt: "Wenn zwei oder mehrere Diagnosen in Bezug zu Aufnahme, [X.] und/oder der durchgeführten Therapie gleichermaßen die Kriterien für die Hauptdiagnose erfüllen und ICD-10-Verzeichnisse und Kodierrichtlinien keine Verschlüsselungsanweisungen geben, muss vom behandelnden Arzt entschieden werden, welche Diagnose am besten der [X.] entspricht" ([X.] - [X.], [X.]-6). Die Nebendiagnose wird demgegenüber definiert als: "Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt" ([X.] - [X.] - [X.], [X.] ff). Dazu wird weiter ausgeführt: "Für [X.] müssen [X.] als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist:
- therapeutische Maßnahmen
- diagnostische Maßnahmen
- erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand" ([X.] - [X.], [X.]-12).

Daraus wird deutlich, dass die Abgrenzung von Haupt- und [X.] nicht immer einfach und eindeutig ist. Entscheidend ist danach nicht in erster Linie die Schwere der Erkrankung, sondern welche Diagnose den Krankenhausarzt nach eigener Analyse zur stationären Aufnahme veranlasste, auf welches Krankheitsbild sich die Behandlung in erster Linie bezieht, welche Diagnose also den Schwerpunkt der stationären Behandlung gebildet hat. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, welche operativen Prozeduren durchgeführt werden (sollen). Im Zweifel entscheidet der behandelnde Arzt (vgl hierzu [X.] in: [X.]/[X.]/[X.], G-DRG, Praxiskommentar zum [X.], Allgemeines, 1.4.1 Festlegung der Hauptdiagnose und 1.4.2 Kodierung von [X.]).

Nach diesen Kriterien war die von der Klägerin vorgenommene Kodierung nicht nachweislich falsch. Der stationäre Aufenthalt der Versicherten wurde zur Durchführung einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen am Muskelskelettsystem und Bindegewebe veranlasst. Neben der Diagnose einer arzneimittelinduzierten Osteoporose in der Beckenregion und im Bereich der Oberschenkel (Becken, Femur, Gesäß, Hüfte, Hüftgelenk sowie Iliosakralgelenk) lag eine Fraktur des proximalen Endes des [X.] vor. Welche der beiden Erkrankungen hauptsächlich für den stationären Aufenthalt der Versicherten verantwortlich war, ließe sich allenfalls durch ein medizinisches Sachverständigengutachten auf der Basis der gesamten Patientenakte gegebenenfalls unter Heranziehung weiterer Unterlagen und Befragung der behandelnden Ärzte, Therapeuten und der Versicherten aufklären - insbesondere mit der Fragestellung, ob sich die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung in erster Linie auf die Behandlung der Osteoporose im Becken- und Oberschenkelbereich bezog oder ob die Beweglichkeit des Oberarms nach der bereits Ende August 2007 stattgehabten Fraktur und operativen Versorgung im Vordergrund stand. Möglicherweise erfüllen aber auch beide Diagnosen gleichermaßen die Kriterien für die Hauptdiagnose, sodass die Entscheidung des behandelnden Arztes, welche Diagnose am besten der [X.] entspricht, nicht zu beanstanden wäre. Das Gutachten des [X.] enthält hierzu keine Aussagen. Die Angaben der Klägerin, die Therapien hätten sich nicht auf die Oberarmfraktur bezogen, sprechen für die Richtigkeit ihrer Kodierung. Eine nachgewiesene Falschkodierung liegt ersichtlich nicht vor.

2. Die Klägerin hat Anspruch auf Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem [X.]. Dieser Zinsanspruch kann nicht auf Vereinbarungen oder sonstige Regelungen zum Anspruch auf Vergütung für erbrachte Leistungen gestützt werden, da die Aufwandspauschale kein Vergütungsanspruch des Leistungserbringers ist. Die Klägerin kann daher - mangels anderweitiger Rechtsgrundlage - nur Prozesszinsen nach §§ 291, 288 Abs 1 S 2 BGB geltend machen (vgl hierzu [X.] vom 2.11.2010 - B 1 KR 11/10 R - [X.], 78 = [X.] 4-2500 § 140d [X.] 2; [X.] vom 25.11.2010 - [X.] KR 6/10 R - Juris). Danach hat der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Nach § 94 [X.] wird die Streitsache durch die Erhebung der Klage rechtshängig. Die Klage ist am [X.] beim [X.] eingegangen und damit rechtshängig geworden. Der Anspruch auf Prozesszinsen beginnt daher an diesem Tag.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 [X.] iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 [X.] iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 3 KR 4/13 R

28.11.2013

Bundessozialgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Darmstadt, 24. März 2010, Az: S 10 KR 155/09, Urteil

§ 275 Abs 1 Nr 1 SGB 5, § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 vom 26.03.2007, § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB 5, § 288 Abs 1 S 2 BGB, § 291 BGB, § 94 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 28.11.2013, Az. B 3 KR 4/13 R (REWIS RS 2013, 702)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 702

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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