Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10.01.2018, Az. 2 BvR 2993/14

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2018, 15875

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen ohne hinreichenden Tatverdacht verletzt Art 13 Abs 1 GG - Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme bei unzureichender Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen von Ermittlungen wegen Verdachts auf Insolvenzverschleppung - Verfassungsbeschwerde teils mangels Beschwerdebefugnis unzulässig


Tenor

Der Beschluss des [X.] (Oder) vom 3. März 2014 - 47 [X.]/14 - und der Beschluss des [X.] (Oder) vom 25. November 2014 - 22 [X.]/14 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit die Durchsuchung seiner Privatwohnung und seines persönlichen Büros in den Geschäftsräumen der [X.] angeordnet worden ist.

In dem bezeichneten Umfang wird der Beschluss des [X.] (Oder) vom 25. November 2014 - 22 [X.]/14 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Kosten an das [X.] (Oder) zurückverwiesen.

Das [X.] hat dem Beschwerdeführer zwei Drittel der im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

[X.].

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Anordnung der Durchsuchung der Wohnräume des [X.]eschwerdeführers und der Geschäftsräume der [X.] GmbH.

2

1. Der [X.]eschwerdeführer ist alleiniger Geschäftsführer der [X.]. GmbH mit Sitz in [X.]..., die seit 1998 ein international tätiges Unternehmen für Krantechnik betreibt. Sie stand in langjähriger Geschäftsbeziehung mit der Firma [X.]. mit Sitz in [X.]..., von der sie [X.] anmietete.

3

2. Am 30. Januar 2014 erhob [X.]... unter seiner Firma vor dem [X.] [X.]erlin Zahlungsklage gegen die [X.] GmbH wegen rückständiger Mieten aus der Vermietung von insgesamt sechs Kranen in Höhe von 47.575 Euro nebst Zinsen. [X.] hatte er die [X.] GmbH mit anwaltlichem [X.]reiben vom 6. Dezember 2013 zur Zahlung von 21.584,87 Euro aufgefordert und die Mietverträge über fünf Krane wegen Zahlungsverzugs gekündigt. Dem [X.]reiben hatte er eine Forderungsaufstellung beigefügt, nach der er seine geltend gemachten Ansprüche mit von ihm anerkannten Gegenforderungen in Höhe von 8.100,71 Euro verrechnete, wobei die [X.] GmbH allerdings insgesamt 19.518,29 Euro in Rechnung gestellt hatte. Die [X.] GmbH bat mit anwaltlichem [X.]reiben vom selben Tag um Mitteilung der Grundlage der erhobenen Forderung und "Herreichung eventueller Verträge", worauf die Gegenseite ihr Unverständnis ausdrückte und auf die "umfangreiche Korrespondenz" zu jedem einzelnen Kran verwies. Gleichwohl übersandte sie mit anwaltlichem [X.]reiben vom 12. Dezember 2013 exemplarisch einen der Mietverträge. [X.]n der Folge verlangte die [X.] GmbH nochmals die Vorlage aller Mietverträge, reagierte im Übrigen aber nicht mehr auf die weiteren vorprozessualen Mahnschreiben.

4

3. Am 4. Februar 2014 erstattete [X.]... Strafanzeige gegen den [X.]eschwerdeführer "wegen aller in [X.]etracht kommender Delikte insbesondere gemäß §§ 264, 263, 266 StG[X.]". Er trug vor, dass der [X.]eschwerdeführer seit August 2013 keine Mietzahlungen mehr leiste. Trotz der Kündigung der Mietverträge habe er nur einen der sechs in seinem [X.]esitz befindlichen Krane herausgegeben und die Standorte der übrigen Krane nicht mitgeteilt. [X.]n einem Telefonat im Dezember 2013 habe er versprochen, demnächst alles zu bezahlen, wenn sich seine finanzielle [X.]otlage bessern werde. Seine Zusage habe er jedoch nicht erfüllt und sei seitdem für ihn, den Anzeigeerstatter, nicht mehr erreichbar. Vielmehr sitze er täglich in den [X.]üroräumen der [X.] GmbH und lasse sich von seiner Sekretärin gegenüber Anrufern verleugnen. Es stehe zu befürchten, dass der [X.]eschwerdeführer die Krane nach Osteuropa verkaufen werde, was sehr einfach zu bewerkstelligen sei. Seiner Strafanzeige fügte [X.]... die Klageschrift vom 30. Januar 2014, den vorprozessualen [X.]riftverkehr sowie die Mietverträge über die Krane bei.

5

4. Die Staatsanwaltschaft [X.] (Oder) leitete daraufhin mit Verfügung vom 25. Februar 2014 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der [X.]nsolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 [X.] gegen den [X.]eschwerdeführer ein. Gemäß ihrem Antrag vom selben Tag ordnete das Amtsgericht [X.] (Oder) mit [X.]eschluss vom 3. März 2014 auf der Grundlage von § 102 StPO die "Durchsuchung der Wohn-, Geschäfts- und [X.]ebenräume des [X.]eschuldigten W..., [X.]) in [X.]..., [X.], [X.][X.]) in [X.]..., [X.] (Geschäftsräume der [X.] GmbH), sowie seiner Person und der in seinem [X.]esitz befindlichen Kraftfahrzeuge" zur Auffindung von "Mietverträgen, [X.]riftverkehr mit der Firma [X.]..., Kontounterlagen, Summen- und Saldenlisten, [X.]uchungsunterlagen, Kreditoren- sowie Debitorenlisten und [X.]uchführungsunterlagen auf EDV" an. Die [X.] GmbH sei spätestens ab dem 1. Oktober 2013 zahlungsunfähig gewesen, weil sie nicht mehr in der Lage gewesen sei, wesentliche fällige Verbindlichkeiten, insbesondere die der Firma [X.]... geschuldeten Mieten für fünf Krane, zu begleichen. Seit September 2013 seien fällige Mietzinsen von über 40.000 Euro kumulativ aufgelaufen. Einen Antrag auf Eröffnung des [X.]nsolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH habe der [X.]eschwerdeführer als Geschäftsführer jedoch pflichtwidrig nicht gestellt. Der Tatverdacht der [X.]nsolvenzverschleppung gründe sich auf die Anzeige des [X.]...

6

5. [X.]achdem die Polizei Anfang Juni 2014 zunächst ermittelt hatte, dass kein [X.]nsolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] GmbH bei dem Amtsgericht [X.] (Oder) anhängig gemacht worden war, wurde die Durchsuchungsanordnung am 19. Juni 2014 in der Privatwohnung des [X.]eschwerdeführers [X.] in [X.]... und in den Geschäftsräumen der [X.] GmbH [X.] in [X.]... vollzogen. [X.]n der Privatwohnung wurden zwei Aktenordner mit Kontoauszügen und in den Geschäftsräumen der [X.] GmbH, namentlich im persönlichen [X.]üro des [X.]eschwerdeführers und im [X.]üro der Mitarbeiterin [X.]..., diverse Geschäftsunterlagen sichergestellt. Der [X.]eschwerdeführer erklärte sich damit und auch mit der anschließenden Sicherstellung der elektronischen [X.]uchhaltungsunterlagen bei dem von der [X.] GmbH mit der [X.]uchhaltung beauftragten Steuerbüro zunächst einverstanden.

7

6. Am 15. August 2014 legte der [X.]eschwerdeführer gegen die Durchsuchungsanordnung vom 3. März 2014 [X.]eschwerde ein und beantragte zugleich, durch gerichtliche Entscheidung die Sicherstellung aufzuheben und die Herausgabe der sichergestellten Unterlagen und Daten anzuordnen. Er machte geltend, dass es an jeglichen [X.]ndizien für eine Zahlungsunfähigkeit der [X.] GmbH fehle. Vielmehr sei aus der vom Anzeigeerstatter vorgelegten Klageschrift und insbesondere dem beigefügten vorprozessualen [X.]riftwechsel ersichtlich, dass die Forderungen des [X.] bestritten würden. Durch bloße Lektüre könne festgestellt werden, dass es sich um einen Fall der Zahlungsunwilligkeit, nicht aber der Zahlungsunfähigkeit handle. Dennoch sei der Durchsuchungsbeschluss ohne die geringsten weiteren Ermittlungen beantragt und erlassen worden. Erkundigungen bei dem [X.]uldnerregister, dem zuständigen Vollstreckungsgericht, den Krankenkassen als Einzugsstellen für die Sozialversicherungsbeiträge oder dem Finanzamt seien genauso unterblieben wie ein [X.]lick in die für jedermann zugänglichen Jahresabschlüsse. Solche Ermittlungen hätten ohne Mühe unternommen werden können und zu dem Ergebnis geführt, dass die [X.] GmbH zu keiner Zeit mit irgendwelchen Forderungen rückständig gewesen sei und es keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen sie gegeben habe.

8

7. Das Amtsgericht [X.] (Oder) half der [X.]eschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung mit [X.]eschluss vom 15. September 2014 nicht ab und wies darauf hin, dass die sichergestellten Unterlagen möglicherweise auch zur Entlastung des [X.]eschwerdeführers geeignet seien, der den Tatvorwurf bestreite.

9

8. Mit [X.]eschluss vom 25. [X.]ovember 2014 verwarf das [X.] [X.] (Oder) die [X.]eschwerde als unbegründet. [X.]ei Erlass des [X.] habe ein Anfangsverdacht für eine Straftat des [X.]eschwerdeführers nach § 15a Abs. 4 [X.] bestanden. Dieser habe sich darauf gegründet, dass der [X.]eschwerdeführer Mietzinsen für sechs von dem Unternehmen des [X.]... gemietete Krane in einer Größenordnung von 47.575 Euro seit September 2013 nicht gezahlt habe. Dabei habe zuvor eine seit mehreren Jahren funktionierende Geschäftsbeziehung bestanden und die [X.] seien stets nach Übersendung der Monatsabrechnungen gezahlt worden. Auch habe der [X.]eschwerdeführer erst im Juli 2014 vier der gemieteten Krane zurückgegeben, obwohl der Anzeigeerstatter schon am 6. Dezember 2013 die fristlose Kündigung von fünf Mietverträgen ausgesprochen habe. Über den Verbleib der Krane habe der Anzeigeerstatter keine Auskunft erhalten; der [X.]eschwerdeführer sei für ihn telefonisch nicht erreichbar gewesen. Alle diese Umstände stellten hinreichende [X.] dafür dar, dass der [X.]eschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, einen wesentlichen Teil seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen für einen Zeitraum von jedenfalls mehreren Monaten zu erfüllen, und gingen in ihrer Gesamtheit über die bloße Vermutung einer Zahlungsunfähigkeit hinaus. Die Anordnung der Durchsuchung sei auch verhältnismäßig gewesen. Anfragen bei öffentlichen Stellen wie dem [X.]uldnerregister, den Krankenkassen und dem Finanzamt wären als mildere Mittel nicht in [X.]etracht gekommen, weil sie lediglich einen Teil der Verbindlichkeiten betroffen hätten, zumal die (für die Arbeitnehmer der [X.] GmbH zuständigen) Krankenkassen unbekannt gewesen seien und zunächst hätten ermittelt werden müssen.

9. Auf den Antrag des [X.]eschwerdeführers vom 15. August 2014 auf gerichtliche Entscheidung analog § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO hob das Amtsgericht [X.] (Oder) die Sicherstellung mit [X.]eschluss vom 16. April 2015 auf und ordnete die Rückgabe der sichergestellten Gegenstände an. Fraglich sei bereits, ob bei [X.]eginn des Ermittlungsverfahrens ein "hinreichender Tatverdacht" bestanden habe. Jedenfalls sei eine Fortdauer der Durchsuchungsmaßnahme unverhältnismäßig geworden, nachdem seit der Durchsuchung mehr als neun Monate vergangen seien, ohne dass eine Auswertung der Unterlagen und Daten erfolgt sei.

10. Mit Verfügung vom 11. Juni 2015 stellte die Staatsanwaltschaft [X.] (Oder) das gegen den [X.]eschwerdeführer geführte Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein.

[X.][X.].

Mit seiner gegen die Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts [X.] (Oder) vom 3. März 2014 und den [X.]eschluss des [X.] [X.] (Oder) vom 25. [X.]ovember 2014 gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt der [X.]eschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG.

Der für die Anordnung der Durchsuchung erforderliche Anfangsverdacht habe auch bei einer Gesamtschau aller Umstände nicht angenommen werden können. Der Tatvorwurf habe sich allein auf vage Vermutungen, Andeutungen und widersprüchliche [X.]ehauptungen des [X.], nicht aber auf konkrete Tatsachen gestützt. Der von dem Anzeigeerstatter vorgelegte vorprozessuale [X.]riftverkehr lasse ohne weiteres erkennen, dass die [X.] GmbH die geltend gemachten Forderungen in rechtlich zulässiger Weise bestritten habe und nicht zur Zahlung gewillt gewesen sei. Die Anordnung der Durchsuchung sei darüber hinaus unverhältnismäßig gewesen, da zahlreiche grundrechtsschonendere Ermittlungsmaßnahmen zur Verfügung gestanden hätten. [X.]ließlich lasse die Durchsuchungsanordnung keine eigenverantwortliche Prüfung des Verdachts durch die zuständige Ermittlungsrichterin erkennen und bezeichne die sicherzustellenden [X.]eweismittel nicht ausreichend genau.

[X.][X.][X.].

Zur Verfassungsbeschwerde hat der [X.] Stellung genommen. Er hält sie für erfolgversprechend. Zweifelhaft sei bereits, ob im Zeitpunkt der Anordnung der Durchsuchung ein ausreichender Tatverdacht bestanden habe. Jedenfalls ließen die angefochtenen [X.]eschlüsse nicht erkennen, dass die Fachgerichte der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs das notwendige Gewicht beigemessen hätten.

Das [X.] [X.] hat von einer Stellungnahme abgesehen.

Die Akten des Ausgangsverfahrens haben der Kammer vorgelegen.

[X.]V.

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung der Durchsuchung der Privatwohnung des [X.]eschwerdeführers und seines in den Geschäftsräumen der [X.] GmbH befindlichen persönlichen [X.]üros richtet, wird sie zur Entscheidung angenommen, da dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.]VerfGG genannten Rechte angezeigt erscheint (§ 93b [X.]. § 93a Abs. 2 [X.]uchst. b [X.]VerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]VerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind insoweit gegeben, da die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen in der Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts bereits geklärt sind und die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist.

Die Verfassungsbeschwerde wird hingegen nicht zur Entscheidung angenommen, soweit sie sich gegen die Anordnung der Durchsuchung der übrigen Geschäftsräume der [X.] GmbH richtet, da ein Annahmegrund nicht gegeben ist (§ 93a Abs. 2 [X.]VerfGG). [X.]nsoweit kommt ihr weder grundsätzliche verfassungsrechtliche [X.]edeutung zu noch dient sie der Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des [X.]eschwerdeführers, weil sie unzulässig ist.

1. Der [X.]eschwerdeführer ist nur beschwerdebefugt (§ 90 Abs. 1 [X.]VerfGG), soweit die Durchsuchungsanordnung seine Wohnräume und sein persönliches [X.]üro in den Räumen der [X.] GmbH betraf. Soweit er die Durchsuchung der übrigen Geschäftsräume der [X.] GmbH beanstandet, kommt eine Verletzung in eigenen Grundrechten nicht in [X.]etracht, da allein das Grundrecht der [X.] GmbH aus Art. 13 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG betroffen sein kann.

a) Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG schützt auch Arbeits-, [X.]etriebs- und Geschäftsräume, und juristische Personen des Privatrechts können Träger dieses Grundrechts sein (vgl. [X.]VerfGE 44, 353 <371>). Die Durchsuchung von Geschäftsräumen einer juristischen Person tangiert die Sphäre ihrer Organe und ihrer wirtschaftlichen Eigentümer grundsätzlich nicht; Grundrechtsträgerin ist die juristische Person selbst (vgl. [X.]VerfG, [X.]eschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 9. Februar 2005 - 2 [X.]vR 1108/03 -, juris, Rn. 9; [X.]eschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 16. April 2015 - 2 [X.]vR 2279/13 -, juris, Rn. 14 und 15). Eine [X.]eschwerdeberechtigung von Privatpersonen bei der Durchsuchung von Geschäftsräumen einer juristischen Person besteht deshalb nur, wenn und soweit die Räumlichkeiten der Privatsphäre der natürlichen Person zuzuordnen sind (vgl. [X.]VerfGE 103, 142 <150>; [X.]VerfG, [X.]eschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 12. Februar 2004 - 2 [X.]vR 1687/02 -, juris, Rn. 13), was zugunsten des allein hinter einer Ein-Personen-Gesellschaft stehenden Gesellschafter-Geschäftsführers unterstellt werden kann (vgl. [X.]VerfG, [X.]eschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 16. April 2015 - 2 [X.]vR 2279/13 -, juris, Rn. 14).

b) Die [X.] weist nur den [X.]eschwerdeführer als solchen aus. [X.]hr ist nicht zu entnehmen, dass die Verfassungsbeschwerde auch im [X.]amen der [X.] GmbH erhoben werden soll. Gleichwohl legt der [X.]eschwerdeführer nicht dar, warum er durch die Durchsuchung der Räumlichkeiten der GmbH in seiner persönlichen Privatsphäre betroffen sein könnte. Aus seinem Vortrag geht auch nicht hervor, dass er alleiniger Gesellschafter der GmbH ist. Allerdings ergibt sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde vorgelegten Sicherstellungsprotokollen, dass unter anderem in dem persönlichen [X.]üro des [X.]eschwerdeführers innerhalb der Geschäftsräume der [X.] GmbH Unterlagen sichergestellt wurden, die Durchsuchung sich mithin auch auf dieses [X.]üro bezog. Es kann unterstellt werden, dass das [X.]üro des alleinigen Geschäftsführers einer GmbH typischerweise nur von diesem benutzt wird und regelmäßig weder Unternehmensmitarbeitern noch der Öffentlichkeit ohne weiteres zugänglich ist. Es liegt mithin auf der Hand, dass die räumliche Privatsphäre des [X.]eschwerdeführers hinsichtlich seines persönlichen [X.]üros betroffen ist. Hinsichtlich der übrigen Räume der [X.] GmbH bestehen dafür hingegen keine Anhaltspunkte.

2. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist der [X.]eschwerdeführer durch die angegriffenen [X.]eschlüsse in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG verletzt.

a) Mit der Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Art. 13 Abs. 1 GG erfährt die räumliche Lebenssphäre des Einzelnen einen besonderen grundrechtlichen [X.]utz, in den mit einer Durchsuchung schwerwiegend eingegriffen wird (vgl. [X.]VerfGE 42, 212 <219 f.>; 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.>).

[X.]otwendiger, aber auch in Anbetracht der Eingriffsintensität hinreichender Anlass für eine Wohnungsdurchsuchung ist der Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde. Dieser Anfangsverdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl. [X.]VerfGE 44, 353 <371 f.>; 115, 166 <197 f.>; [X.]VerfGK 5, 84 <88>). Eine Durchsuchung darf somit nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur [X.]egründung eines Anfangsverdachts erst erforderlich sind ([X.]VerfGK 8, 332 <336>; 11, 88 <92>). Eine ins Einzelne gehende [X.]achprüfung des von den Fachgerichten angenommenen Verdachts ist nicht Aufgabe des [X.]undesverfassungsgerichts. Sein Eingreifen ist nur geboten, wenn sich sachlich zureichende, plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen, so dass die richterliche Entscheidung im Ergebnis bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist (vgl. [X.]VerfGE 42, 64 <73 f.>; 59, 95 <97>; [X.]VerfGK 3, 55 <61>).

Der Erheblichkeit des Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des [X.]etroffenen entspricht des Weiteren ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Durchsuchung muss vor allem in angemessenem Verhältnis zu der [X.]were der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein (vgl. [X.]VerfGE 20, 162 <186 f.>; 96, 44 <51>; 115, 166 <197>). Dabei ist es grundsätzlich Sache der ermittelnden [X.]ehörden, über die Zweckmäßigkeit und die Reihenfolge vorzunehmender [X.] zu befinden. Ein Grundrechtseingriff ist aber jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn nahe liegende grundrechtsschonende Ermittlungsmaßnahmen ohne greifbare Gründe unterbleiben oder zurückgestellt werden und die vorgenommene Maßnahme außer Verhältnis zur Stärke des in diesem [X.] vorliegenden Tatverdachts steht ([X.]VerfGK 11, 88 <92>; [X.]VerfG, [X.]eschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 13. [X.]ovember 2005 - 2 [X.]vR 728/05 u.a. -, juris, Rn. 24).

b) Die angegriffenen Entscheidungen tragen diesen Maßstäben nicht Rechnung. Letztlich kann dahingestellt bleiben, ob zum Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungsanordnung plausible Gründe für einen gegen den [X.]eschwerdeführer gerichteten Anfangsverdacht der [X.]nsolvenzverschleppung gemäß § 15a Abs. 4 [X.] vorlagen. Jedenfalls war der [X.] so schwach, dass sich die Anordnung einer Durchsuchung als unverhältnismäßig darstellt.

aa) Für eine Zahlungsunfähigkeit der [X.] GmbH sprach, dass ausweislich der Strafanzeige des [X.]... eine langjährige Geschäftsbeziehung zwischen beiden Unternehmen bestand und die [X.] GmbH die [X.] bis August 2013 offenbar regelmäßig wie vereinbart gezahlt hatte. Seitdem aber blieben jegliche Zahlungen aus und der [X.]eschwerdeführer begründete dies nach den Angaben des [X.]... in einem Telefonat im Dezember 2013 mit einer finanziellen [X.]otlage. Danach, so die Strafanzeige weiter, ließ sich der [X.]eschwerdeführer gegenüber Anrufern verleugnen und gab keine Auskunft über die Standorte der vermieteten Krane. Den von [X.]... vorgelegten vorprozessualen Anwaltsschreiben der [X.] GmbH ließ sich zudem nicht entnehmen, dass in der Sache Einwendungen gegen die Forderungen erhoben werden sollten oder die Aufrechnung mit Gegenforderungen erklärt werden sollte. Sie beschränkten sich auf die Aufforderung, [X.]... möge die fraglichen Mietverträge vorlegen. Da die [X.] GmbH gleichzeitig jedoch nicht bestritt, im [X.]esitz von Kranen des [X.]... zu sein, erschien es wenig verständlich, dass sie die Mietverträge nicht kennen wollte. Es sprachen daher manche Gründe dafür, ihr [X.] Agieren als bloßes Hinhalten aufzufassen.

Allerdings ging aus dem mit der Strafanzeige vorgelegten Aufforderungsschreiben des [X.] vom 6. Dezember 2013 und insbesondere der beigefügten Forderungsaufstellung hervor, dass [X.]... selbst Gegenforderungen der [X.] GmbH verrechnete, wobei er sie nur in deutlich geringerer Höhe als von dieser in Rechnung gestellt anerkannte. Angesichts der ganz offensichtlich bestehenden Gegenansprüche erschien die Zahlungsverweigerung der [X.] GmbH mit einem gewöhnlichen Geschäftsgebaren unter Geschäftspartnern somit nicht von vornherein unvereinbar.

Vor allem aber fehlten nähere Erkenntnisse zu den finanziellen Verhältnissen der [X.] GmbH bei Erlass der Durchsuchungsanordnung vollständig. Es waren keine [X.]nformationen darüber vorhanden, welche Umsätze sie erzielte, in welcher Höhe und gegenüber wie vielen Gläubigern fällige Verbindlichkeiten bestanden und inwiefern den Verbindlichkeiten Kapital und eigene realisierbare Forderungen gegenüberstanden. Unbekannt war insbesondere, ob die [X.] GmbH auch Forderungen anderer Gläubiger trotz Mahnungen nicht bediente. Der Ermittlungsakte lässt sich noch nicht einmal entnehmen, dass vor Erlass des [X.] ermittelt worden war, ob der [X.]eschwerdeführer einen [X.]nsolvenzantrag gestellt hatte. Das in der Akte befindliche Auskunftsersuchen der Polizei an das [X.]nsolvenzgericht datiert jedenfalls erst vom 4. Juni 2014.

Wenn in dem [X.]ichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts die Auffassung vertreten wird, der mit einer Durchsuchung verbundene schwerwiegende Grundrechtseingriff könne auch mit der möglichen Entlastung des [X.]eschwerdeführers gerechtfertigt werden, legt dies - wie der [X.] zu Recht anmerkt - im Übrigen nahe, dass die Durchsuchung erst der [X.]egründung des Anfangsverdachts dienen sollte.

bb) [X.]ei dieser Sachlage waren die Ermittlungsbehörden zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit gehalten, alle in [X.]etracht kommenden, nahe liegenden und grundrechtsschonenderen Ermittlungsmaßnahmen auszuschöpfen, bevor sie eine Durchsuchung in [X.]etracht ziehen durften. Solche grundrechtsschonenderen Ermittlungsmaßnahmen standen zahlreich zur Verfügung und waren ohne großen Aufwand zu bewerkstelligen.

Die Staatsanwaltschaft hätte etwa bei dem zentralen Vollstreckungsgericht des Landes [X.]randenburg Einsicht in das [X.]uldnerverzeichnis nehmen (vgl. § 882f Abs. 1 Satz 1 [X.]r. 5 ZPO) und auf diese Weise in Erfahrung bringen können, ob in der Vergangenheit Zwangsvollstreckungsverfahren gegen die [X.] GmbH betrieben worden waren, die zu einer Eintragungsanordnung geführt hatten. Auf einfache Weise hätte so ermittelt werden können, ob der [X.]eschwerdeführer als Geschäftsführer der [X.] GmbH in der Vergangenheit die Vermögensauskunft abgegeben hatte oder dieser Pflicht unentschuldigt nicht nachgekommen war und ob etwaige Vollstreckungsverfahren nicht zur [X.]efriedigung der beitreibenden Gläubiger geführt hatten. [X.]n ein eventuell für die [X.] GmbH abgegebenes Vermögensverzeichnis hätte nach § 802k Abs. 1 Satz 2 ZPO Einsicht genommen werden können. Da die [X.] GmbH als Kapitalgesellschaft gemäß § 325 HG[X.] zur Offenlegung ihrer Jahresabschlüsse verpflichtet ist, waren ihre Jahresabschlüsse für die vergangenen Jahre zudem über die [X.]nternetseite des [X.]undesanzeigers ohne weiteres zugänglich. Ergänzend hätte die Staatsanwaltschaft die [X.]undesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ([X.]aFin) gemäß § 24c Abs. 3 [X.]r. 2 KWG um Auskünfte aus der [X.] ersuchen und auf dieser Grundlage gemäß § 161 Abs. 1 StPO die einzelnen Kreditinstitute um [X.]nformationen über die Kontoumsätze der [X.] GmbH bitten können. Die genannten [X.]nformationsquellen hätten bereits eine recht zuverlässige Einschätzung über die Finanzlage der [X.] GmbH ermöglicht, die gegebenenfalls noch durch eine [X.]onitätsauskunft einer privaten Wirtschaftsauskunftei hätte erhärtet werden können.

Daneben hätte die Staatsanwaltschaft Einsicht in die zivilgerichtlichen Akten nehmen oder auch den Anzeigeerstatter zu dem Fortgang des Zivilprozesses vernehmen lassen können. Aus dem dort zu Tage tretenden prozessualen Verhalten der [X.] GmbH hätten sich gegebenenfalls Anhaltspunkte für oder gegen eine Zahlungsunfähigkeit gewinnen lassen können.

V.

Es war festzustellen, dass der [X.]eschluss des Amtsgerichts [X.] (Oder) vom 3. März 2014 - 47 [X.]/14 - und der [X.]eschluss des [X.] [X.] (Oder) vom 25. [X.]ovember 2014 - 22 [X.]/14 - den [X.]eschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG verletzen, soweit die Durchsuchung seiner Privatwohnung [X.] in [X.]... sowie seines persönlichen [X.]üros innerhalb der Geschäftsräume der [X.] GmbH [X.] in [X.]... angeordnet worden ist. Die Entscheidung des [X.] war in diesem Umfang aufzuheben (§ 93c Abs. 2 [X.]. § 95 Abs. 2 [X.]VerfGG), während von einer Aufhebung des angegriffenen [X.] des Amtsgerichts aufgrund des bereits erfolgten Vollzugs und der damit eingetretenen prozessualen Überholung abzusehen war. Die Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen, das noch insgesamt über die Kosten des [X.]eschwerdeverfahrens neu zu entscheiden hat.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung im Verfassungsbeschwerdeverfahren beruht auf § 34a Abs. 2 [X.]VerfGG.

Meta

2 BvR 2993/14

10.01.2018

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend LG Frankfurt (Oder), 25. November 2014, Az: 22 Qs 188/14, Beschluss

Art 13 Abs 1 GG, Art 13 Abs 2 GG, § 90 Abs 1 BVerfGG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 15a Abs 4 InsO, § 98 StPO, § 102 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10.01.2018, Az. 2 BvR 2993/14 (REWIS RS 2018, 15875)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15875

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