Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 11.07.2014, Az. 2 BvR 1006/14

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2014, 4116

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Anspruch politischer Parteien auf Chancengleichheit bzgl der Einrichtung eines Girokontos bei einer Sparkasse - hier: Versagung von fachgerichtlichem Eilrechtsschutz gegen Versagung der Kontoeröffnung verletzt nicht die Rechtsschutzgarantie - Anforderungen an Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes nicht überspannt


Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Durchsetzung des Anspruchs einer Partei auf Eröffnung eines Girokontos im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.

2

Der Beschwerdeführer, ein nach eigenen Angaben im August 2013 gegründeter Kreisverband der [X.], bemühte sich zunächst im Oktober 2013 und sodann wieder ab Februar 2014 erfolglos um die Eröffnung eines Girokontos bei der [X.]. Den Antrag des Beschwerdeführers, die [X.] als Rechtsträgerin der [X.] im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, ein Geschäftsgirokonto zu eröffnen, lehnte das Verwaltungsgericht wegen fehlender Glaubhaftmachung eines [X.] ab. Der Beschwerdeführer habe weder die keinen Aufschub duldende Erforderlichkeit der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr noch hinreichende Bemühungen um die Eröffnung eines Girokontos bei einem anderen Kreditinstitut dargelegt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb erfolglos.

3

Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Rechts auf Chancengleichheit der Parteien (Art. 21 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG) sowie eine Verletzung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG). Im Hinblick auf den zweifellos vorliegenden Anordnungsanspruch hätten die Verwaltungsgerichte die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des [X.] überspannt. Insbesondere habe der Beschwerdeführer hinreichende Bemühungen glaubhaft gemacht, bei anderen Banken ein Konto zu eröffnen. Der Beschwerdeführer sei im Entscheidungszeitpunkt auch auf ein eigenes Girokonto angewiesen gewesen, insbesondere um eine angekündigte Wahlkampfspende in Höhe von 1.500 € zu akquirieren und für den Europawahlkampf dringend benötigte Kabelbinder zu beschaffen.

4

Die [X.] hält die Verfassungsbeschwerde bereits für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.

5

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 [X.] liegen nicht vor.

6

1. Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a [X.]). Das [X.] hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage bereits entschieden. Insbesondere die Voraussetzungen für einen Verstoß gegen den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG durch die Nichtgewährung von einstweiligem verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz sind in der Rechtsprechung des [X.]s geklärt (vgl. [X.] 79, 69 <74 ff.>).

7

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1 [X.] genannten Rechten des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

8

a) Die Verfassungsbeschwerde ist zwar zulässig. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch die Fachgerichte kann grundsätzlich Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein, da sie eine selbstständige Beschwer enthält, die sich nicht mit jener der späteren Hauptsacheentscheidung deckt ([X.] 77, 381 <400 f.> m.w.N.). Der Beschwerdeführer hat auch den Rechtsweg im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erschöpft. Der in § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.] niedergelegte Grundsatz der Subsidiarität steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht entgegen. Danach ist die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens erforderlich, wenn es die ausreichende Möglichkeit bietet, der Grundrechtsverletzung abzuhelfen (vgl. [X.] 77, 381 <401>). Die Notwendigkeit, vorab ein Klageverfahren zu betreiben, fehlt allerdings, wenn dies für den Beschwerdeführer nicht zumutbar ist. Das ist der Fall, wenn die Verletzung von Grundrechten durch die Eilentscheidung selbst geltend gemacht wird, wie etwa vorliegend eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG durch die Verweigerung einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes (vgl. [X.] 79, 275 <279> m.w.N.).

9

b) Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte verletzt nicht die Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG.

aa) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert über das formelle Recht, die Gerichte anzurufen, hinaus die Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. [X.] 35, 263 <274>; stRspr). Das gilt auch für den verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz gemäß § 123 VwGO. Die Auslegung und Anwendung des § 123 VwGO kann vom [X.] aber nur daraufhin überprüft werden, ob sie Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts des jeweiligen Antragstellers und seines Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz beruhen (vgl. [X.] 79, 69 <74>). Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (vgl. [X.] 79, 69 <74 f.>; 93, 1 <13 f.>). Je schwerer die sich aus der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ergebenden Belastungen wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtspositionen zurückgestellt werden (vgl. [X.] 35, 382 <402>). Entscheidend ist, dass die Prüfung eingehend genug ist, um den Antragsteller vor erheblichen und unzumutbaren, anders weder abwendbaren noch reparablen Nachteilen effektiv zu schützen (vgl. [X.] 79, 69 <74>; 93, 1 <13 f.>; [X.]K 5, 135 <139 f.>).

bb) Hieran gemessen sind die angegriffenen Entscheidungen nicht zu beanstanden.

Zwar gehen die Verwaltungsgerichte auf das Vorliegen eines [X.] nicht ein. Hiervon ist allerdings auszugehen. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beschwerdeführers führt die [X.] bei der [X.] Girokonten für Kreisverbände anderer Parteien. Aufgrund der verfassungsrechtlich gewährleisteten Chancengleichheit der Parteien (Art. 21 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG), die durch das Gleichbehandlungsgebot in § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG konkretisiert wird (vgl. [X.], 363 <364>), ist die [X.] als Trägerin öffentlicher Gewalt deshalb - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - verpflichtet, ein Girokonto für den Beschwerdeführer bei der [X.] zu eröffnen, ohne diesen auf die Benutzung eines anderweitig eingerichteten Kontos oder auf die Möglichkeit verweisen zu können, bei einem privaten Kreditinstitut ein Konto zu eröffnen (vgl. [X.], Beschluss vom 10. August 2010 - 6 [X.]/10 -, juris, Rn. 11; [X.], Beschluss vom 14. Dezember 2007 - OVG 3 B 7.06 -, juris, Rn. 25 ff.; [X.], Beschluss vom 26. Januar 2010 - 2 MB 28/09 -, juris, Rn. 6 ff.).

Auch ist dem Beschwerdeführer zuzugeben, dass der im Rahmen einer vorläufigen Prüfung erkennbare Anordnungsanspruch für die Prüfung des [X.] vorgreiflich sein kann (vgl. [X.] 79, 69 <78>).

Die angefochtenen Entscheidungen lassen jedoch eine verfassungswidrige Überspannung der Anforderungen an die Glaubhaftmachung des [X.] nicht erkennen. Auch wenn - wie hier - mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist für eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls erforderlich, dass das subjektive Recht des Beschwerdeführers bei Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird (vgl. [X.] 79, 69 <77>). Hierfür war im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des [X.] nichts ersichtlich. Weder hatte der Beschwerdeführer substantiiert geltend gemacht, für den Europawahlkampf auf die erwartete Spende in Höhe von 1.500 € dringend angewiesen zu sein, noch nachvollziehbar dargelegt, weshalb die benötigten Kabelbinder nur mittels eines Girokontos bei der [X.] beschafft werden könnten (vgl. auch [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 15. Mai 2014 - 2 BvR 1006/14 -, juris, Rn. 8). Auch im Übrigen sind die Verwaltungsgerichte nachvollziehbar davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer die keinen Aufschub duldende Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr (über ein Konto bei der [X.]) nicht dargelegt habe. Da eine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung des Rechts auf Chancengleichheit, hier in seiner Ausprägung durch § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG, nach alldem nicht zu befürchten war, gebot Art. 19 Abs. 4 GG vorliegend nicht die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 1006/14

11.07.2014

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 7. Mai 2014, Az: OVG 3 S 25.14, Beschluss

Art 3 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 21 Abs 1 GG, § 5 Abs 1 S 1 PartG, § 123 Abs 1 S 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 11.07.2014, Az. 2 BvR 1006/14 (REWIS RS 2014, 4116)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4116

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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