Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.03.2017, Az. 2 StR 656/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 13619

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:220317U2STR656.13.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
2 StR
656/13
vom
22. März 2017
in der Strafsache
gegen

wegen Mordes

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 22.
März 2017, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Appl

als Vorsitzender,

[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. [X.],
[X.],
[X.],
[X.]in am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],

Oberstaatsanwältin
beim Bundesgerichtshof

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

,
Rechtsanwältin

als Verteidiger,

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Die Revision des Angeklagten gegen
das Urteil des [X.] vom 3. Juli 2013 wird
verworfen.
2.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der [X.] zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision bleibt ohne Erfolg.

I.
Nach den Feststellungen des [X.]s tötete der Angeklagte seine Ehefrau am 22. September 2012 durch insgesamt 60 Stiche und Schnitte mit einem Messer. Hintergrund der Tat war die Eifersucht des Angeklagten auf ei-nen Nebenbuhler, mit dem seine Ehefrau seit längerer Zeit eine auch intime Beziehung unterhielt, und seine mangelnde Bereitschaft, eine von dem [X.] angekündigte Trennung
hinzunehmen. Das Schwurgericht hat insoweit angenommen, der Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen gehandelt.
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-
II.
Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg, soweit er die Verlet-zung formellen Rechts beanstandet.
Nach der Entscheidung des [X.] vom 15. Juli 2016 ([X.]) enthält §
252 StPO kein umfassendes [X.], das die Vernehmung eines [X.]s über den Inhalt der Aus-sage eines Zeugen ausschließt, den der [X.] in dem die konkrete Tat betref-fenden Ermittlungsverfahren vor der Hauptverhandlung vernommen hat. Die Einführung und Verwertung des Inhalts der Bekundungen des (Angaben in der Hauptverhandlung verweigernden) Zeugen erfordert lediglich, dass der [X.] ihn über sein Zeugnisverweigerungsrecht nach §
52 StPO belehrt hat; einer weitergehenden (qualifizierten) Belehrung auch über die Möglichkeit der [X.] und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren bedarf es hierfür nicht. Die [X.] des Angeklagten, mit denen er sich gegen die Verwertung der Angaben seiner Tochter, die in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisver-weigerungsrecht nach § 52 StPO Gebrauch gemacht und sich mit einer Verwer-tung ihrer Angaben im Ermittlungsverfahren nicht einverstanden erklärt hatte, greifen demnach nicht durch. Die Angaben des
Ermittlungsrichters, der die Tochter vor ihrer Vernehmung zwar über das ihr zustehende Auskunftsverwei-gerungsrecht belehrt, sie aber nicht darauf hingewiesen hatte, dass bei späterer Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung ihre zuvor beim [X.] ge-machten Angaben verwertet werden könnten, durfte das [X.] seiner Überzeugungsbildung zugrunde legen.

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III.
Die umfassende Überprüfung der angegriffenen Entscheidung aufgrund der Sachrüge deckt ebenfalls keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Dies gilt auch, soweit das [X.] niedrige Beweggründe angenommen und den Angeklagten wegen Mordes verurteilt hat.
Das [X.] ist davon ausgegangen, das prägende Hauptmotiv der Tat sei die Eifersucht des Angeklagten und seine Weigerung gewesen, die Trennung von seiner Ehefrau zu akzeptieren; diese Motivation stehe sittlich auf niedrigster Stufe; sie sei Ausdruck der Geisteshaltung des Angeklagten, seine Frau als sein Eigentum zu begreifen, über das er verfügen könne. Zudem [X.] sich auch ein deutliches Missverhältnis zwischen dem [X.], den [X.] seiner Ehefrau und der Tat.
Beweggründe sind im Sinne von
§
211 Abs.
2 StGB niedrig, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb [X.] verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur

in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Tot-schlag

als verachtenswert erscheinen, hat auf Grund einer Gesamtwürdigung
aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des [X.] maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des [X.] und seiner Persönlichkeit zu erfolgen (vgl. [X.]St 47, 128, 130).
Bei einer Tötung aus Wut, Ärger, Hass oder Rache kommt es darauf an, ob diese An-triebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (st. Rspr.; vgl. nur [X.]St 47, 128, 130; [X.], NJW 2006, 1008, 1011; NStZ-RR 2006, 340, 341). In subjektiver Hinsicht muss hinzukommen, dass der Täter die Umstände, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung ins Bewusstsein aufgenommen hat und, soweit gefühlsmäßige 4
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6
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oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann. Dies ist
nicht der Fall, wenn der Täter außer Stande ist, sich von seinen gefühlsmäßigen und triebhaften Regungen freizu-machen (vgl. [X.]R StGB §
211 Abs.
2
Niedrige Beweggründe
26 mwN).
Nach diesem Maßstab, den das [X.] seiner Bewertung zugrunde gelegt hat, ist die Annahme niedriger Beweggründe nicht zu beanstanden. Die Würdigung, mit der das [X.] zu der Feststellung gelangt ist, dass Eifer-sucht und der Unwillen des Angeklagten, die Trennung zu akzeptieren, bei ei-nem Motivbündel ganz im Vordergrund standen und nicht etwa Niedergeschla-genheit oder Verzweiflung die Tat maßgeblich bestimmt haben, weist keinen Rechtsfehler auf. Die [X.] hat in ihrer Gesamtwürdigung alle [X.] Gesichtspunkte in den Blick genommen und dabei auch das ambivalente Verhalten des [X.], das sich trotz vorangegangener Gewalttätigkeiten durch den Angeklagten mehrfach auf neuerliche [X.] einließ und ihn in [X.] vermisste, berücksichtigt. Dass sie gleichwohl die Beweggründe für das Verhalten des Angeklagten als niedrig eingestuft hat,
ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Soweit das [X.] in diesem d-lungsalternativen gehabt und hätte die Situation anders als durch die Tötung

was bedenklich wäre

als bloßer Vorwurf, die Tat überhaupt begangen zu haben, zu verstehen. Die [X.] hat hiermit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass sich der Angeklagte nicht in einer alwas
die Annah-me niedriger Beweggründe in Frage gestellt hätte. Angesichts des nach Ansicht des [X.]s im Vordergrund stehenden Handlungsmotivs beim Angeklag-ten ist es im Übrigen

auch wenn die [X.] den unmittelbaren [X.] in der konkreten Situation nicht festzustellen vermochte

nicht zu [X.]
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standen, dass sie von einem deutlichen Missverhältnis zwischen [X.] und Tat ausgegangen ist.
[X.]

[X.] Eschelbach

[X.] [X.]

Meta

2 StR 656/13

22.03.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.03.2017, Az. 2 StR 656/13 (REWIS RS 2017, 13619)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13619

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5 ARs 64/14

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