Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 03.11.2011, Az. 2 B 1/11

2. Senat | REWIS RS 2011, 1755

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Gegenstand

Bindungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO


Gründe

1

Die auf Divergenz und Verfahrensmängel gestützte [X.]eschwerde (§ 69 [X.] und § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO) hat keinen Erfolg.

2

1. Der [X.]eklagte, ein Zollhauptsekretär ([X.], ist vom [X.]hof nach § 9 [X.] in das Amt eines [X.] ([X.] A 7) zurückgestuft worden. Dabei ist der [X.]hof davon ausgegangen, der [X.]eklagte habe im [X.]raum von Februar bis Dezember 2004 seinen Dienst an 173 Tagen unter Verletzung der Vorschriften über die Kernzeit verspätet angetreten. Ferner sei der [X.]eklagte in der [X.] vom 14. bis 30. März 2005 an insgesamt elf Tagen dem Dienst unerlaubt ferngeblieben. Für sieben Arbeitstage sei dem [X.]eklagten lediglich Fahrlässigkeit anzulasten; dagegen habe der [X.]eklagte in den vier Tagen ab dem 23. März 2005 vorsätzlich gehandelt. Den Vorwurf, am 18. April 2005 einen Urlaubstag ohne vorherige Genehmigung in Anspruch genommen zu haben, hat der [X.]hof nach § 56 Satz 1 [X.] ausgeschieden.

3

2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 69 [X.] und § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

4

Die Auffassung des Senats in seinem zurückverweisenden [X.]eschluss vom 29. Juli 2009 (- [X.]VerwG 2 [X.] 15.09 - Rn. 12), der [X.]hof müsse den vom [X.]eklagten erhobenen Mobbingvorwürfen nachgehen und gegebenenfalls aufklären, ob das dem [X.]eklagten vorgeworfene Dienstvergehen mit [X.] Verhaltensweisen seiner Mitarbeiter und Vorgesetzten in Zusammenhang gestanden habe, stellt keinen abstrakten Rechtssatz dar, von dem der [X.]hof im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO abgewichen sein könnte. Der vom [X.]eklagten gerügte Verstoß gegen die [X.]indungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO ist unter dem Gesichtspunkt des Verfahrensfehlers nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu würdigen ([X.]eschluss vom 29. Juni 1977 - [X.]VerwG 5 [X.] - [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 154 S. 30 f.).

5

3. Die Revision ist auch nicht wegen Verfahrensmängeln (§ 69 [X.] und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

6

a) Die vom [X.]eklagten ausdrücklich erhobene Verfahrensrüge, der [X.]hof habe bei seiner neuerlichen [X.]erufungsentscheidung die [X.]indungswirkung des zurückweisenden [X.] vom 29. Juli 2009 nicht beachtet, ist unbegründet.

7

Nach § 144 Abs. 6 VwGO, der auch für [X.] nach § 133 Abs. 6 VwGO gilt, hat das [X.] seiner Entscheidung die rechtliche [X.]eurteilung des [X.] zugrunde zu legen. Die [X.]indungswirkung bezieht sich auf alle Punkte der rechtlichen Würdigung, die für die Aufhebung des ersten Urteils ursächlich (tragend) gewesen sind, wobei auch die - möglicherweise nicht ausdrücklich ausgesprochenen - logischen Voraussetzungen für die rechtliche [X.]eurteilung des [X.] einzubeziehen sind ([X.]eschlüsse vom 17. März 1994 - [X.]VerwG 3 [X.] 24.93 - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 57 S. 1 f. und vom 21. August 1997 - [X.]VerwG 8 [X.] 151.97 - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 65).

8

Diese [X.]indungswirkung hat der [X.]hof nicht missachtet. Wie in der [X.]eschwerdebegründung unter Hinweis auf Rn. 12 des [X.] vom 29. Juli 2009 dargelegt, ist das [X.]erufungsgericht verpflichtet, den vom [X.]eklagten erhobenen Mobbingvorwürfen nachzugehen und gegebenenfalls aufzuklären, ob das dem [X.]eklagten vorgeworfene Dienstvergehen mit [X.] Verhaltensweisen seiner Mitarbeiter und Vorgesetzten in Zusammenhang stand. Dem [X.]eschluss ist aber nicht im Einzelnen zu entnehmen, welche konkreten Verhaltensweisen der Mitarbeiter und Vorgesetzten des [X.]eklagten aufzuklären sind oder welcher [X.]raum insoweit relevant ist. Da das Verhältnis von Mobbing und Dienstvergehen als bedeutsam angesehen wird, sind aufgrund der Zurückverweisung solche Verhaltensweisen aufzuklären, die zeitlich vor dem 30. März 2005 liegen. Das gegebenenfalls als Mobbing zu wertende Verhalten kommt als Motiv oder [X.]eweggrund für das dem [X.]eklagten angelastete Fehlverhalten nur in [X.]etracht, wenn es dem Dienstvergehen zeitlich vorangegangen ist. Danach entspricht die vom [X.]eklagten beanstandete Vorgehensweise des [X.]hofs, sich auf Geschehnisse in der [X.] vor dem 30. März 2005 zu beschränken, der rechtlichen [X.]eurteilung des zurückverweisenden [X.] im Sinne von § 144 Abs. 6 VwGO.

9

Danach kommt es für den geltend gemachten Verfahrensmangel der Missachtung der [X.]indungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO auf das Vorbringen des [X.]eklagten zu nach dem 30. März 2005 liegenden Umständen und Verhaltensweisen nicht an. Da der Senat auf die Prüfung der fristgerecht geltend gemachten [X.]eschwerdegründe beschränkt ist, ist es nicht seine Aufgabe zu erwägen, welchem sonstigen Verfahrensmangel dieser Vortrag mit Aussicht auf Erfolg zuzuordnen sein könnte. Sofern der [X.]eklagte meint, auch Mobbingvorwürfe nach dem letzten Dienstvergehen seien im Rahmen der Maßnahmebemessung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] von [X.]edeutung, ist hiermit kein Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 69 [X.] und § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO bezeichnet oder sinngemäß dargelegt (§ 69 [X.] und § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

b) Auch die Ablehnung der vom [X.]eklagten in der [X.]erufungsverhandlung gestellten [X.]eweisanträge begründet keinen Verfahrensmangel.

Die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Verfahrensmangel leidet, ist vom materiellrechtlichen Standpunkt der Tatsacheninstanz aus zu beurteilen, selbst wenn dieser verfehlt sein sollte (Urteil vom 14. Januar 1998 - [X.]VerwG 11 C 11.96 - [X.]VerwGE 106, 115 <119> und [X.]eschluss vom 25. Januar 2005 - [X.]VerwG 9 [X.] 38.04 - [X.] 406.25 § 43 [X.]ImSchG Nr. 22, stRspr).

Danach kommt es auf die in den [X.]eweisanträgen unter [X.]eweis gestellten Tatsachen nicht an. Teilweise beziehen sich die Anträge auf Umstände, die zeitlich nach den dem [X.]eklagten vorgeworfenen [X.] liegen ([X.]eweisanträge Nr. 1 bis 5). Andere unter [X.]eweis gestellte Tatsachen sind ausgehend von der Rechtsauffassung des [X.]erufungsgerichts unerheblich, weil zwischen ihnen und den festgestellten [X.] nicht der vom [X.]hof geforderte Zusammenhang besteht ([X.]eweisanträge Nr. 6, 7, 8, 10 und 11). Die im Antrag Nr. 9 unter [X.]eweis gestellte Tatsache, die Klägerin habe den über Monate anhaltenden Verstoß eines anderen [X.]eamten gegen die Vorschriften über die Gleitzeit wesentlich milder als im Fall des [X.]eklagten geahndet, ist ebenfalls unerheblich. Der [X.]hof hat die beiden Sachverhalte wegen des zusätzlichen Dienstvergehens des [X.]eklagten des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst für die Dauer von elf Tagen als nicht vergleichbar angesehen.

c) Unbegründet ist auch die Verfahrensrüge, der [X.]hof habe dadurch den Anspruch des [X.]eklagten auf rechtliches Gehör verletzt, dass er zu dessen Ungunsten einige seiner, in den Akten enthaltenen, Schreiben verwertet habe, die nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen seien.

Nach § 3 [X.] und § 108 Abs. 2 VwGO darf das Urteil nur auf Tatsachen und [X.]eweisergebnisse gestützt werden, zu denen die [X.]eteiligten sich äußern konnten. Diese Vorschrift ist hier nicht verletzt. Denn die den [X.]eklagten betreffende Personalhauptakte, die Ermittlungsakte und auch die Disziplinarakten hatten dem Vertreter des [X.]eklagten bereits im Oktober 2006 vorgelegen. Damit hatte der [X.]eklagte Gelegenheit, sich zum Akteninhalt zu äußern. Zudem konnte der [X.]eklagte sowohl dem Urteil des [X.] als auch dem ersten [X.]erufungsurteil vom 28. Oktober 2008 entnehmen, dass die Akten von den Instanzgerichten herangezogen werden.

Selbst wenn angenommen wird, der [X.]hof wäre verpflichtet gewesen, den [X.]eklagten in der [X.]erufungsverhandlung darauf hinzuweisen, dass er im Hinblick auf den von ihm erhobenen Vorwurf, seine Versetzung habe dazu gedient, seinen täglichen Anfahrtsweg zur Dienststelle zu erschweren und damit seine gesundheitlichen [X.]eschwerden zu verstärken, dessen schriftliche Angaben zu seinem Wohnsitz verwerten will, hat der [X.]eklagte einen Verfahrensmangel nicht dargelegt. Nach der insoweit maßgeblichen Rechtsansicht des [X.]erufungsgerichts kommt es für die [X.]eurteilung der für eine Versetzung relevanten Frage des Wohnsitzes eines [X.]eamten auf die der zuständigen [X.]ehörde vorliegenden Akten an. Diese hat das [X.]erufungsgericht ausgewertet. Es hat sich auch mit dem Vorbringen des [X.]eklagten zu seinem tatsächlichen Wohnsitz auseinander gesetzt. Darauf kommt es jedoch nach der Rechtsauffassung des [X.]erufungsgerichts nicht an.

4. Soweit in der [X.]eschwerdebegründung die Richtigkeit der [X.]emessungsentscheidung des [X.]hofs, etwa wegen der Nichtberücksichtigung der Dauer des Verfahrens, angegriffen wird, ist der [X.]eschwerde nicht einmal ansatzweise zu entnehmen, auf welchen Revisionszulassungsgrund sie sich stützt. Insoweit wird lediglich nach Art einer [X.]erufung oder Revision die eigene Rechtsansicht der des [X.]erufungsgerichts entgegen gestellt.

Meta

2 B 1/11

03.11.2011

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 22. September 2010, Az: 16b D 09.2133, Urteil

§ 144 Abs 6 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 133 Abs 6 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 03.11.2011, Az. 2 B 1/11 (REWIS RS 2011, 1755)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1755

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Zur Bindungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO


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IX ZR 204/15

14 Sa 591/17

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