Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.12.2014, Az. B 10 ÜG 2/14 KL

10. Senat | REWIS RS 2014, 233

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Gegenstand

Verwerfung einer offensichtlich unzulässigen Klage durch Beschluss - sozialgerichtliches Verfahren - überlanges Gerichtsverfahren - Entschädigungsklage vor dem Bundessozialgericht - Vertretungszwang - fehlende Prozessvertretung - analoge Anwendung der Vorschriften des Revisionsrechts


Leitsatz

1. Für beim BSG erhobene Entschädigungsklagen wegen überlanger Verfahrensdauer gilt der allgemeine Vertretungszwang.

2. Eine unzulässige Entschädigungsklage kann in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Revisionsrechts durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung verworfen werden.

Tenor

Die Klage auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Verfahrens [X.] [X.]/13 S vor dem [X.] wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten für das Klageverfahren.

Der Streitwert wird auf 50 000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Verfahrens [X.] [X.]/13 S vor dem [X.].

2

Im Ausgangsverfahren wandte sich der Kläger mit einer von ihm selbst verfassten Beschwerde und einem Prozesskostenhilfeantrag gegen einen Beschluss des [X.]. Das [X.] hatte seine Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung von [X.] zurückgewiesen (Beschluss vom 10.9.2013).

3

Das [X.] hat den Prozesskostenhilfeantrag des [X.] mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Nichtzulassungsbeschwerde abgelehnt und diese nach § 177 [X.] als unzulässig verworfen (Beschluss vom 30.10.2013).

4

Der Kläger hat dagegen eine von ihm so bezeichnete Rechtsbeschwerde eingelegt, Verzögerungsrüge erhoben und die beteiligten Berufsrichter des entscheidenden Senats als befangen abgelehnt.

5

Diesen Befangenheitsantrag des [X.] hat das [X.] als unzulässig zurückgewiesen (Beschluss vom [X.]) und die Rechtsbeschwerde ebenso als unzulässig verworfen wie eine weitere Beschwerde des [X.] gegen den vorgenannten Beschluss (Beschluss vom 20.1.2014).

6

Mit Schreiben vom 27.3.2014 hat der Kläger beim [X.] wegen der unangemessenen Dauer des Verfahrens vor dem [X.] erhoben und zunächst eine Entschädigung in Höhe von 25 000 Euro verlangt, ua weil es sich bei den Entscheidungen um vorsätzliche Straftaten der an den [X.] beteiligten Richter handele.

7

Mit Beschluss vom 31.7.2014 hat der [X.] das Verfahren nach Anhörung des [X.] an das [X.] abgegeben.

8

Der Kläger beantragt schriftlich sinngemäß,
die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Entschädigung in Höhe von 50 000 Euro wegen der Nachteile, die der Kläger vor dem [X.] gezwungen zu erleiden war, nämlich [X.], Diskriminierung, sittenwidrige und menschenunwürdige Behandlung, sowie auch seelische Quälerei und Schikanierung, um ihn in die Richtung zu bewegen, die Beschreitung des Rechtswegs zu unterlassen, durch wiederholte Verzögerung und Straftaten, die [X.] dieses Gerichts begangen haben (Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB), gemäß §§ 246, 247 BGB verzinst zu leisten.

9

Die Beklagte beantragt,
die Klage zurückzuweisen.

II. Der Senat kann die offensichtlich unzulässige Klage (dazu unter 1.) durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Zuziehung [X.] entsprechend § 169 S 2 und 3 [X.] verwerfen (dazu unter 2.).

1. Die Klage ist offensichtlich unzulässig, weil sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eingelegt worden ist. Gemäß § 201 Abs 1 S 2 Gerichtsverfassungsgesetz ([X.]) iVm § 202 S 2 Var 2 [X.] ist das [X.] für die vom Kläger erhobene Klage auf Entschädigung gegen den [X.] wegen der angeblichen Überlänge des vorangegangenen Verfahrens [X.] [X.]/13 S - ebenfalls vor dem [X.] - zuständig. Vor dem [X.] müssen sich die Beteiligten indes nach § 73 Abs 4 [X.] außer im Prozesskostenhilfeverfahren von einem zur Vertretung vor dem [X.] befugten Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. § 73 Abs 4 [X.] ordnet den [X.] allgemein für alle Verfahren vor dem [X.] an, eine Ausnahme für [X.]n lässt sich § 198 [X.] nicht entnehmen (ebenso für die Finanzgerichtsordnung <[X.]> [X.], [X.]E 240, 219 - "allgemeine Meinung"; vgl [X.]/[X.], Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, Teil 2 E. § 155 [X.] Rd[X.] 9; BT-Drucks 17/3802 [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 201 [X.] Rd[X.] 36; vgl für das Klageverfahren nach § 39 [X.] [X.] in ders, [X.], 4. Aufl 2012, § 39 Rd[X.]). Der [X.] dient in [X.] wie auch sonst zum einen dem Schutz des Gerichts vor einer Belastung mit Rechtsmitteln, deren Erfolgsaussichten die Beteiligten nach ihrer Vorbildung nicht richtig einschätzen können und folglich auch nicht richtig und fachkundig zu führen wissen; zum anderen schützt er damit auch den Rechtssuchenden ([X.] aaO). Entgegen dieser Voraussetzung hat der Kläger aber persönlich und damit in unzulässiger Form Klage erhoben.

2. Die Klage ist in entsprechender Anwendung des § 169 S 2 [X.] im [X.] zu verwerfen (so schon erkennender Senat, Beschluss vom [X.] ÜG 1/[X.]; die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss hat das [X.] nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluss vom 23.9.2014 - 1 BvR 1045/14, 1 BvR 1088/14, 1 BvR 1197/14, 1 BvR 2081/14). Wie § 202 S 2 [X.] iVm § 201 Abs 2 S 1 [X.] bestimmen, sind auf die [X.] zum [X.] grundsätzlich die Vorschriften des [X.] über das Verfahren im ersten Rechtszug entsprechend heranzuziehen. Zwar wäre auf dieser Grundlage der Erlass eines Gerichtsbescheids nach § 105 [X.] ohne mündliche Verhandlung denkbar (vgl die zunächst als Gerichtsbescheid ergangene Entscheidung des [X.], [X.]E 240, 219; allgemein [X.], aaO, § 105 Rd[X.] 4), welche die Beteiligten nach § 105 Abs 2 S 2 [X.] nachträglich noch erzwingen könnten. Die von § 105 Abs 1 S 2 [X.] vorgeschriebene Anhörung der Beteiligten würde indes die Schwierigkeit aufwerfen, wie sich der anwaltlich nicht vertretene Kläger trotz § 73 Abs 4 [X.] wirksam äußern könnte.

Der Senat zieht für seinen Beschluss deshalb § 169 S 2 und 3 [X.] entsprechend heran. Danach kann das [X.] eine unzulässige Revision ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss als unzulässig verwerfen, ohne [X.] hinzuzuziehen. § 169 S 2 [X.] vereinfacht die Arbeitsweise des [X.] und dient dadurch seiner Entlastung (vgl [X.], aaO, § 169 Rd[X.]). Denn der Gesetzgeber hat bei einer Verwerfung als unzulässig, mithin allein aus prozessualen Gründen, eine mündliche Verhandlung ebenso wenig wie eine Mitwirkung [X.] für erforderlich gehalten. Das [X.] hat § 169 S 2 und 3 [X.] schon vor der Einfügung von § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 [X.] entsprechend auf die Verwerfung unzulässiger Nichtzulassungsbeschwerden angewandt (vgl [X.], aaO, § 160a Rd[X.] 21; [X.] § 160a [X.], [X.]). Auch für die nunmehr neu eingeführte [X.] zum [X.] nach § 202 S 2 Var 2 [X.] iVm § 201 Abs 1 S 2 [X.] hält der Senat eine solche entsprechende Anwendung nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 169 [X.] gerechtfertigt und zur Entlastung des [X.] geboten. Denn eine solche Klage ist im Fall ihrer offensichtlichen Unzulässigkeit prozessual keineswegs bedeutsamer als eine unzulässige Revision, für die der Gesetzgeber die Verwerfung per Beschluss in § 169 S 2 und 3 [X.] ausdrücklich vorgesehen hat (vgl [X.] § 160a [X.]).

§ 202 S 2 Var 2 [X.] iVm § 201 Abs 2 S 1 [X.] ordnet für die [X.] nach dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ohnehin lediglich die entsprechende Anwendung der Vorschriften über das erstinstanzliche Klageverfahren an. Der Gesetzgeber selbst hält somit das erstinstanzliche Verfahrensrecht bei [X.]n wegen überlanger Verfahrensdauer für ergänzungsbedürftig. Dies lässt Raum für seine angemessene Vervollständigung durch einzelne Bestimmungen des [X.], soweit die entsprechend anwendbaren Normen über das erstinstanzliche Klageverfahren der §§ 87 ff [X.] keine adäquaten Regelungen bereitstellen. Es bietet sich an, dafür solche Vorschriften des [X.] wie insbesondere § 169 S 2 und 3 [X.] heranzuziehen, die an das [X.] als handelndes Gericht anknüpfen (für das Klageverfahren nach § 39 [X.] vgl Fichte in Breitkreuz/Fichte, [X.], 2. Aufl 2014, § 39 Rd[X.] 7; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 39 Rd[X.]1).

Der Vergleich mit den anderen öffentlich-rechtlichen [X.] bestätigt die Berechtigung und das Bedürfnis einer entsprechenden Anwendung von § 169 [X.]. So hat das [X.]esverwaltungsgericht in der vergleichbaren Konstellation einer dort erhobenen, unzulässigen Nichtigkeitsklage diese Klage in entsprechender Anwendung von § 585 ZPO iVm § 144 Abs 1 VwGO, der [X.] zu § 169 S 2 [X.], als unzulässig verworfen (BVerwG [X.] 310 § 144 VwGO [X.] 6). Die [X.] eröffnet im Gegensatz zum [X.] in § 79a Abs 3 und 4 [X.] von Gesetzes wegen erweiterte Möglichkeiten für eine vereinfachte Behandlung unzulässiger Klagebegehren. Dies spricht ebenfalls für die vom Senat gewählte entsprechende Anwendung des § 169 [X.] auf die hier vorliegende Fallgestaltung einer offensichtlich unzulässigen [X.].

Der auf dieser Rechtsgrundlage möglichen Entscheidung des Senats im [X.] stehen auch nicht Art 6 Abs 1 [X.] ([X.]) und der darin enthaltene Anspruch auf öffentliche mündliche Verhandlung entgegen. Denn nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) kann von der grundsätzlich von Art 6 Abs 1 [X.] vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung gleichwohl im Einzelfall abgesehen werden, wenn das Gericht nur über Rechtsfragen entscheiden muss, die nicht besonders schwierig und nicht von allgemeiner Bedeutung sind (vgl [X.] Entscheidung vom 6.12.2001 - Beschwerde [X.] 31178/96 [X.]/[X.], NJW 2003, 1921, 1923; [X.], [X.], 3. Aufl 2011, Art 6 Rd[X.]71 mwN). So liegt es hier, weil die vom Kläger entgegen § 73 Abs 4 [X.] persönlich erhobene Klage schon nach hergebrachten und unstreitigen prozessualen Grundsätzen - unabhängig von dem damit verfolgten materiellen Anspruch - formell eindeutig unzulässig ist.

3. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 [X.] iVm § 154 Abs 2 VwGO.

Die [X.] folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 [X.] iVm § 63 Abs 2 S 1 und § 52 Abs 3 S 1 GKG. Der vom Kläger zuletzt gestellte schriftliche Klageantrag richtet sich auf Schadensersatz in Höhe von 50 000 Euro.

Meta

B 10 ÜG 2/14 KL

17.12.2014

Bundessozialgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend SG Dortmund, 13. August 2013, Az: S 27 AS 2503/13 ER, Beschluss

§ 73 Abs 4 SGG, § 169 S 2 SGG, § 169 S 3 SGG, § 105 Abs 1 S 2 SGG, § 105 Abs 2 S 2 SGG, § 202 S 2 Alt 2 SGG, § 201 Abs 1 S 2 GVG, § 198 GVG, Art 6 Abs 1 MRK

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.12.2014, Az. B 10 ÜG 2/14 KL (REWIS RS 2014, 233)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 233

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