LSG München, Urteil vom 14.12.2017, Az. L 7 AS 408/15

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Gegenstand

Zur fehlenden Schlüssigkeit eines grundsicherungsrelevanten Mietspiegels aufgrund einer unzureichenden Datenbasis


Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird der Beklagte in Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 22. Mai 2015 sowie des Bescheides des Beklagten vom 22. Oktober 2014, geändert durch Bescheide vom 22. November 2014 und vom 12. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2015, erneut geändert durch Bescheid vom 12. Mai 2015 verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II iHv 1.193,06 € monatlich in der Zeit vom 1. November bis 31. Dezember 2014 und iHv 1.210,93 € monatlich in der Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2015 zu gewähren.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum 1.11.2014 bis 30.4.2015 insbesondere unter dem Gesichtspunkt, ob die dem Kläger und Berufungskläger (in der Folge: Kläger) bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung angemessen i.S. des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sind.

I.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte (in der Folge: Beklagter) nimmt für das Gebiet der kreisfreien Stadt A. als gemeinsame Einrichtung (§ 44 Abs. 1 S. 2 HS 1 SGB II) die Aufgaben der Träger nach dem SGB II wahr. Bei im streitigen Zeitraum rd 280 000 Einwohnern (vgl www....bayern.de) waren von rd 145 000 Wohnungen in Gebäuden mit Wohnraum rd 93 000 zu Wohnzwecken vermietet (vgl Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, zensus 2011, Gebäude und Wohnungen sowie Wohnverhältnisse der Haushalte, Kreisfreie Stadt A. am 9.5.2011). Von den Wohnungen in Gebäuden mit Wohnraum standen rd 35 000 im Eigentum von Wohnungsgenossenschaften, Kommunen oder kommunalen Wohnungsunternehmen, privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen, anderen privatwirtschaftlichen Unternehmen, Bund oder Land oder Organisationen ohne Erwerbszweck (zB Kirchen) (vgl Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, aaO). Mietwerterhebungen für das gesamte Stadtgebiet oder (qualifizierte) Mietspiegel fehlten (zumindest) bis Februar 2013 und liegen - über die Datenbasis des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels hinaus für den streitigen Zeitraum bis heute nicht vor.

Auf dieser Grundlage beauftragte der zum Verfahren beigeladene, zuständige kommunale Träger die R. GbR, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte, mit der Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Mietspiegels zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft für die Stadt A., den diese im Augst 2013 (vgl Bl 79 ff der SG-Akte; in der Folge: Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel) und nach Überarbeitung im laufenden Berufungsverfahren (vgl Bl 245 ff der LSG-Akte; in der Folge: Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel, Juli 2017) wie folgt erstellte:

1. Der Grundsicherungsrelevante Mietspiegel berechnet in einem ersten Schritt an Hand von Bestandsmieten die Angemessenheitsgrenze bestehend aus angemessenen Nettokaltkosten und angemessenen Betriebskosten. In einem zweiten Schritt überprüft er, ob Leistungsberechtigte tatsächlich die Möglichkeit haben, mit den als angemessen bestimmten Beträgen eine bedarfsgerechte Unterkunft anzumieten, ob also zur Angemessenheitsgrenze auf dem örtlichen Wohnungsmarkt hinreichend freier Wohnraum verfügbar ist.

2. Für den ersten Schritt wurden im Zeitraum März und April 2013 zum Stichtag 30.4.2013 (vgl S. 11 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels) im Bereich der gesamten Stadt A. (vgl S. 14 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels) im Rahmen einer Vermieter- und Mieterbefragung 16 765 Datensätze an Bestandsmieten (vgl S. 13 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels) erhoben. Von diesen Datensätzen entfallen insgesamt 15 955 Wohnungen auf Genossenschaften/Wohnungsbauunternehmen (410 Datensätze von der Häuserverwaltung K., 584 von der Postbaugenossenschaft A-Stadt eG, 855 von der SG A-Stadt F., 8 918 von der Wohnungsbaugesellschaft der Stadt A. GmbH, 74 von der Wohnbaugenossenschaft L., 3 030 von der Wohnungs- und Siedlungsbau B. und 2 084 von der W. GmbH des Landkreises A-Stadt; vgl Gutachterliche Stellungnahme vom 29.7.2016, Bl 141, 145 der LSG-Akte); dabei handelte es sich im Wesentlichen um sämtliche Wohnungen, die diese Unternehmen zum damaligen Zeitpunkt (30.4.2013) vermieteten.

3. Die Datensätze wurden in der Folge vereinheitlicht und um redundante Daten, unvollständige Angaben und unplausible Werte bereinigt (vgl S. 14 f des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels). Weiter wurden Wohnungen mit gehobenem Wohnstandard (vgl S. 9 f des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels) ausgeschlossen (vgl S. 15 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels). Im Rahmen des vorliegenden Berufungsverfahrens wurden schließlich von den erhobenen Bestandsmieten solche Datensätze ausgeschlossen, die zum Stichtag älter als vier Jahre waren (vgl S. 6 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels, Stand Juli 2017). Damit liegen dem Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel nunmehr noch 13 357 Bestandsmietendatensätze zugrunde (vgl S. 6 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels, Stand Juli 2017). Die dem Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel im August 2013 darüber hinaus zunächst zugrunde gelegten Daten zu Unterkunftskosten von SGB II- und SGB XII-Leistungsempfängern (vgl S. 13 f des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels) wurden im laufenden Berufungsverfahren entfernt, da hinsichtlich dieser eine Doppelerfassung mit den im Rahmen der Vermieter- und Mieterbefragung erhobenen Daten nicht ausgeschlossen werden konnte (vgl S. 5 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels, Stand Juli 2013).

4. In der Folge wurde als Angemessenheitsgrenze der Nettokaltmiete die obere Grenze des 95%-igen Konfidenzintervalls ermittelt. Dabei wurde davon ausgegangen, dass sich nach statistischen Maßstäben 95% aller Daten der Grundgesamtheit, also nicht nur die Daten aus der Stichprobe, innerhalb dieses Intervalls befinden. Das Konfidenzintervall habe durch die Ermittlung der Standardabweichung und des Mittelwerts der zur Berechnung vorliegenden Daten gebildet werden können. Es gebe somit nicht nur eine Wahrscheinlichkeit der Lage der Daten an, sondern diene auch der Kappung von Ausreißern, da sich diese Werte i.d.R. außerhalb des Konfidenzintervalls befänden (vgl S. 16 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels August 2013). Hieraus wurde auf eine (angemessene) Nettokaltmiete für Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften, bis 50 qm, i.H.v. 5,50 € pro qm geschlossen (vgl S. 16 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels).

5. Die Berechnung der durchschnittlichen kalten Neben- und Betriebskosten folgte zunächst demselben Ansatz wie die Ermittlung der Nettokaltmiete in € pro qm. In der Folge wurde allerdings nicht die obere Grenze des Konfidenzintervalls ermittelt, sondern der Durchschnittswert der Daten, die sich innerhalb des Konfidenzintervalls befanden. Hieraus ergaben sich für Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften, bis 50 qm, kalte Betriebskosten i.H.v. 1,44 € pro qm (vgl S. 16 f des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels).

6. Insgesamt kommt der Grundsicherungsrelevante Mietspiegel für eine Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft, bis 50 qm zu einer (angemessenen) Bruttokaltmiete i.H.v. 347,05 € monatlich (50 qm x 5,50 € + 50 qm x 1,44 €) (vgl S. 17 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels August 2013). An diesem Betrag wurde auch festgehalten, obgleich die im vorliegenden Verfahren vorgenommenen „Nachbesserungen“ (Entfernung der Daten von SGB II- und SGB XII-Leistungsempfängern sowie von Bestandsmieten älter als vier Jahre) für Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften zu einer angemessenen Bruttokaltmiete i.H.v. 330,49 € führten (vgl S. 7 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels, Stand Juli 2013).

7. Im zweiten Schritt wurde überprüft, ob zu der auf Basis der Bestandsmieten vorläufig ermittelten Angemessenheitsgrenze konkrete Wohnungsangebote verfügbar sind. Dies sei nötig, da die vorläufig definierte Obergrenze noch keine Aussage dazu zulasse, ob entsprechende Wohnungen in erforderlichem Umfang neu angemietet werden können. Insoweit wurde der im Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel aus August 2013 zunächst gewählte Ansatz (vgl S. 18 ff des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels) im vorliegenden Verfahren überarbeitet. Nunmehr wird unter Berücksichtigung von Fluktuationsquote und Mehrfachinseratefaktor ein monatliches Transaktionsvolumen berechnet. Die Preisstruktur wurde an Hand der sog Neuvertragsmieten - dh des Mietpreises von Wohnungen, deren Mietverträge in den letzten sechs Monaten vor dem Stichtag 30.4.2013 geschlossen worden sind oder bei denen eine Mietpreisänderung erfolgt ist -, die im Rahmen der Bestandsmieten im März und April 2013 erfasst wurden, analysiert (vgl S. 13 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels, Stand Juli 2017). Im Weiteren wurde auf Grundlage der in der Bürgerumfrage 2015 erhobenen Daten die Nachfragekonkurrenz auf dem Wohnungsmarkt eingestellt (S. 10 ff des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels, Stand Juli 2017). Im Ergebnis kommt (auch) der (im Juli 2017 vorgelegte, überarbeitete) Grundsicherungsrelevante Mietspiegel zu dem Ergebnis, dass sämtliche unangemessen wohnenden SGB II- und SGB XII-Leistungsempfänger, die zu einer Kostensenkung aufgefordert werden, zu der im ersten Schritt ermittelten Angemessenheitsgrenze (für Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften i.H.v. 347,05 € monatlich) auch unter Berücksichtigung der Nachfragekonkurrenz am Wohnungsmarkt A-Stadt eine Wohnung hätten anmieten und damit ihre Unterkunftskosten senken können (S. 15 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels, Stand Juli 2017).

8. Der Stadtrat der Beigeladenen beschloss am 24.10.2013 die Anwendung der im Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel ermittelten Richtwerte für die Angemessenheit für die Zeit ab 1.11.2013 (vgl Bl 217 ff der LSG-Akte). Eine Fortschreibung wurde am 25.6.2015 für die Zeit ab 1.9.2015 beschlossen (vgl Bl 93 ff der LSG-Akte). Der Beklagte vollzog die so beschlossenen Angemessenheitsgrenzen entsprechend.

II

Der 1952 geborene Kläger lebte im streitigen Zeitraum allein unter der im Rubrum angegebenen Adresse. Ausweislich des am 2.12.2006 geschlossenen Mietvertrages schuldete der Kläger für die ca 58 qm große Drei-Zimmer-Wohnung 350 € Miete zzgl 50 € Betriebskostenvorauszahlung und 60 € für Heizung und Warmwasser, insgesamt also 460 € monatlich. Über Einkommen oder Vermögen verfügte der Kläger im streitigen Zeitraum nicht. Der Kläger hatte im streitigen Zeitraum einen Vertrag über eine private Kranken- und Pflegeversicherung abgeschlossen, für die er einen monatlichen Gesamtbeitrag i.H.v. 393,52 € (davon Gesamtmonatsbeitrag zur Pflegeversicherung iHv 34,38 €) bis Dezember 2014 bzw 413,94 € (davon Gesamtmonatsbeitrag zur Pflegeversicherung iHv 38,44 €) ab Januar 2015 schuldete.

Der Kläger bezog ab Mai 2011 vom Beklagten und Berufungsbeklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dabei wurden neben dem jeweils gültigen Regelbedarf für Alleinstehende und dem Zuschuss zum Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung Leistungen für Unterkunft und Heizung i.H.v. zunächst 460 € und von Januar 2012 bis einschließlich Oktober 2014 iHv 453,80 € monatlich bewilligt.

Mit Schreiben vom 17.4.2014, dessen Kenntnisnahme der Kläger am 29.4.2014 bestätigte, wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass seine derzeitigen Kosten für Unterkunft (Kaltmiete und Betriebskosten) in Höhe von derzeit 393,80 € nach den Richtlinien der Stadt A. zur derzeitigen Angemessenheit unangemessen hoch seien. Die Grenze der Angemessenheit für die Kaltmiete und die Betriebskosten beliefen sich im Fall des Klägers auf 347,05 €. Unangemessene Kosten seien solange als Bedarf anzuerkennen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder zumutbar sei, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermietung oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel aber längstens für sechs Monate (Bl 434 der Beklagten-Akte).

Für die Zeit vom 1.11.2014 bis 30.4.2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger im Hinblick auf dessen selbstständige Tätigkeit nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 S. 1 SGB III vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Anrechnung von Einkommen unter Berücksichtigung des jeweils gültigen Regelbedarfs, eines Zuschusses zum Beitrag zur privaten Krankenversicherung i.H. des halben Basistarifs bzw zur privaten Pflegeversicherung in tatsächlich geschuldeter Höhe sowie Leistungen für die Unterkunft und Heizung i.H.v. 407,05 € (347,05 € + tatsächliche Heizkosten i.H.v. 60 €) monatlich, insgesamt für November und Dezember 2014 i.H.v. 1.146,31 € monatlich bzw für Januar bis April 2015 i.H.v. 1.164,18 € monatlich (vgl Bescheid vom 22.10.2014 - Bl 460 der Beklagten-Akte, geändert durch Bescheide vom 22.11.2014 - Bl 99 der Akte des Sozialgerichts (Anpassung Regelbedarf ab Januar 2015), vom 12.1.2015 - Bl 492 der Beklagten-Akte (Anpassung des Zuschusses nach § 26 SGB II ab Januar 2015) sowie vom 12.1.2015 - Bl 543 der Beklagten-Akte (Berichtigung des Zuschusses zum Beitrag zur privaten Krankenversicherung in November und Dezember 2014).

Der Kläger ließ hiergegen Widerspruch erheben. Die bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung seien zu gering. Der Beklagte könne die Absenkung der Unterkunftskosten nicht auf ein schlüssiges Konzept stützen. Das im Konzept des Beklagten gefundene Ergebnis werde durch eine klare Überrepräsentation der strukturell schwachen Stadtteile stark verzerrt. Es fehlten jegliche Angaben, wie der genannte Spannoberwert ermittelt worden sei. Die als angemessen erachteten kalten Betriebskosten seien nicht zutreffend. Es fehlten jegliche Angaben zur Aktualität und insbesondere zur Fortentwicklung des Konzepts. Die konkrete Angemessenheit des Konzepts sei nicht gegeben und es sei im Regelfall nicht möglich, zu den genannten Preisen konkret eine Wohnung anzumieten.

Die Rechtsbehelfsstelle des Beklagten wies den Widerspruch zurück. Das Konzept, mit dem die angemessenen Kosten der Unterkunft ermittelt worden seien, sei schlüssig, da es auf einem planmäßigen Vorgehen der Beigeladenen beruhe. Eine Ghettoisierung scheide aus, da die zugrunde liegenden Bestandsmieten über das gesamte Stadtgebiet verteilt erhoben worden seien. Eine Verzerrung sei ausgeschlossen, da zunächst der gehobene Standard herausgefiltert und in der Folge der Spannoberwert des 95%-Konfidenzintervalls als angemessene Nettokaltmiete bestimmt worden sei. Die Ermittlung der angemessenen kalten Nebenkosten sei entsprechend der Vorgaben des BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS50/10 R erfolgt.

Eine Fortschreibung des Konzepts werde - wie bei qualifizierten Mietspiegeln vorgegeben - nach einer Geltungsdauer des Konzepts von zwei Jahren vorgenommen. Im Rahmen der Verfügbarkeitsprüfung seien die von der Wohnungsbaugesellschaft der Stadt A. GmbH mitgeteilten Angebotsmieten zu einem Anteil von mehr als 50% unterhalb der ermittelten Mietobergrenze gelegen. Der Beklagte wisse schließlich aus eigenen Ermittlungen der vergangenen Monate, dass ausreichend Wohnungen angeboten würden, die den Vorgaben seines Konzepts entsprächen (Widerspruchsbescheid vom 3.2.2015).

Mit seiner am 16.2.2015 zum Sozialgericht Augsburg erhobenen Klage wiederholte und vertiefte der Kläger seine Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren. Die Beweisaufnahme in einem Parallelverfahren habe ergeben, dass zu der vom Beklagten als angemessen bestimmten Referenzmiete innerhalb von sechs Monaten Wohnungen insbesondere von Leistungsempfängern nicht angemietet werden konnten. Für Ein-Personen-Haushalte sei es schwierig, bei der Wohnungsbaugesellschaft der Stadt A. GmbH eine 50 qm-Wohnung anzumieten, da diese grds nur an Zwei-Personen-Haushalte vermietet würden.

Der Beklagte trat dem entgegen und verwies darauf, dass am 3. und 17.12.2014 stichprobenhaft 18 bzw elf Wohnungen zu der von ihm ermittelten Angemessenheitsgrenze im Internet angeboten worden seien.

Das Sozialgericht Augsburg hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch des Klägers auf höhere Unterkunftskosten bestehe nicht, da die vom Beklagten vorgenommene Begrenzung der Leistungen auf 347,05 € monatlich auf einem schlüssigen Konzept beruhe und damit nicht zu beanstanden sei (Urteil vom 22.5.2015).

Mit seiner vom Sozialgericht zugelassenen, am 17.6.2015 zum Landessozialgericht erhobenen Berufung möchte der Kläger Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft i.H.v. 393,80 € monatlich (dies entspricht dem Tabellenwert nach § 12 WoGG zzgl 10%) erreichen. Er wiederholt insbesondere seine Kritik an den dem Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel zugrundeliegenden Daten. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass lediglich aktuell geschuldete Mieten berücksichtigt worden seien.

Bedenken bestünden weiter, als die erhobenen Daten weit überwiegend, nämlich zu 96,7%, von Leistungsbeziehern und Wohnungsbaugesellschaften und lediglich zu 3,3% aus einer Mieterbefragung stammten. Damit werde der örtliche Wohnungsmarkt nicht ausreichend abgebildet und es fehle bereits an der für ein schlüssiges Konzept i.S. der Rechtsprechung des BSG erforderlichen Datengrundlage. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Regelbedarfen (Beschlüsse vom 23.7.2014 - u.a. 1 BvL 10/12) sei auf die Notwendigkeit einer fortwährenden Fortschreibung des Konzepts zu schließen. Nachdem der Beklagte bereits über die hierfür erforderliche Software verfüge, könne eine Fortschreibung keinen großen Aufwand bedeuten. Die Tatsache, dass es Leistungsempfängern regelmäßig nicht gelinge, angemessene Wohnungen anzumieten, begründe offensichtliche Zweifel an der konkreten Verfügbarkeit von angemessenem Wohnraum. Dies begründe eine entsprechende Nachweispflicht des Beklagten, der dieser noch nicht nachgekommen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.5.2015 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22.10.2014, geändert durch die Bescheide vom 22.11.2014 und vom 12.1.2015 i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom 3.2.2015, erneut geändert durch Bescheid vom 12.5.2015 zu verurteilen, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II i.H.v. 1.193,06 € monatlich in der Zeit vom 1.11. bis 31.12.2014 und i.H.v. 1.210,93 € monatlich in der Zeit vom 1.1. bis 30.4.2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er geht davon aus, dass die Entscheidung des Sozialgerichts nicht zu beanstanden ist. Der Mietmarkt weise ausreichende Mietangebote zur Angemessenheitsgrenze auf. Die Wohnung des Klägers sei mit 58 qm einfach unangemessen groß.

Der Senat hat den zuständigen kommunalen Träger zum Verfahren beigeladen, da er dessen berechtigte Interessen berührt sah (Beschluss vom 31.5.2016).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vom Beklagten übermittelte Akte, die vom Sozialgericht beigezogene Akte sowie die Akte des Berufungsverfahrens verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

1. Streitgegenstand sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.11.2014 bis 30.4.2015, als sie der Beklagte mit Bescheiden vom 22.10.2014, geändert durch Bescheide vom 22.11.2014 sowie vom 12.1.2015 i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom 3.2.2015, erneut geändert durch Bescheid vom 12.5.2015 festgestellt hat, sowie die Entscheidung des Sozialgerichts Augsburg vom 22.5.2015, die die hiergegen erhobene Klage abgewiesen hat.

Dabei gelten die insgesamt mit den genannten Bescheiden vorläufig bewilligten Leistungen mit Ablauf des 31.7.2017 als abschließend festgesetzt (§ 41a Abs. 5 S. 1 SGB II i.V.m. § 80 SGB II in der Fassung vom 26.7.2016). Insbesondere ist nach den vorliegenden Akten weder ein Antrag des Klägers auf den Erlass einer abschließenden Entscheidung noch der Erlass einer abschließenden Entscheidung des Beklagten über den streitigen Zeitraum nachzuvollziehen.

2. Die Berufung ist statthaft, da sie vom Sozialgericht zugelassen worden ist (§ 144 Abs. 3 SGG). Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben.

3. Die Berufung ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zu korrigieren, da auf die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGG) die Bescheide des Beklagten antragsgemäß zu ändern sind. Der Kläger hat im streitigen Zeitraum Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, als ihm vom Beklagten bewilligt wurden. Die vom Beklagten vorgenommene Absenkung der Leistungen für Unterkunft und Heizung auf die aus seiner Sicht angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung findet keine Stütze im Gesetz, da ihr kein schlüssiges Konzept zugrunde liegt.

4. Der im streitigen Zeitraum 62-jährige Kläger erfüllt die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im streitigen Zeitraum nicht erwerbsfähig gewesen sein könnte (vgl hierzu auch Gutachten vom 3.7.2012, Bl 294 der Beklagten-Akte). Der Kläger war im streitigen Zeitraum auch hilfebedürftig, da er nicht über Einkommen oder Vermögen verfügte, mit dem er seinen Bedarf decken konnte. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Leistungsausschlüssen sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

5. Der Kläger hat Anspruch auf höhere Leistungen, als ihm mit den streitgegenständlichen Bescheiden bewilligt wurden, da er aus diesen seinen Bedarf (§ 19 Abs. 3 S. 1, Abs. 1 S. 3 SGB II) nicht vollständig decken konnte. Zwar decken die bewilligten Leistungen den Regelbedarf (im streitigen Zeitraum für alleinstehende Personen i.H.v. 391 € monatlich für die Zeit bis Dezember 2014 bzw i.H.v. 399 € monatlich für die Zeit ab Januar 2015), wobei Anhaltspunkte für Mehrbedarfe nicht bestehen, sowie den Zuschuss zum Beitrag zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung nach § 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 SGB II (1/2 Beitrag zum Basistarif iHv 313,88 € + tatsächlicher Beitrag zur Pflegeversicherung i.H.v. 34,38 € monatlich bis Dezember 2014 bzw 1/2 Beitrag zum Basistarif i.H.v. 319,69 € + tatsächlicher Beitrag zur Pflegeversicherung i.H.v. 38,44 € monatlich). Zu Recht hat der Beklagte schließlich die vom Kläger geschuldete monatliche Vorauszahlung für Heizung i.H.v. 60 € vollumfänglich als Bedarf berücksichtigt, da nicht ersichtlich ist, dass diese unangemessen i.S. des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sein könnte. Rechtswidrig teilweise ungedeckt bleibt hingegen der Bedarf für Unterkunft i.S. des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II.

6. Rechtsgrundlage für die damit i.E. ausschließlich streitige Höhe der Leistungen für Unterkunft i.S. der sog Bruttokaltmiete ist § 22 Abs. 1 SGB II. Danach werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen, wobei zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen ist (BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R - RdNr. 13; Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/1 R - RdNr. 17; Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr. 18). Weiter müssen die Unterkunftsbedarfe als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (vgl zuletzt BSG, Urteil vom 18.11.2013 - B 4 AS 9/14 R - RdNr. 13 mwN).

7. Eine solche realitätsgerechte Berechnung der Unterkunftsbedarfe ist dem Beklagten mit dem Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel nicht gelungen. Dabei kann dahinstehen, ob die dort gewählte Methode grds ein schlüssiges Konzept i.S. der genannten Rechtsprechung begründen kann. Denn die realitätsgerechte Beantwortung der Frage, wie viel auf dem Wohnungsmarkt der Stadt A. im streitigen Zeitraum für eine einfache Wohnung aufzuwenden war, scheitert vorliegend - unter Berücksichtigung jedes im Raum stehenden methodischen Ansatzes - daran, dass die zugrundeliegenden Daten nicht hinreichend repräsentativ sind.

a) Dabei ist dem Beklagten zunächst insoweit zuzustimmen, als zur Feststellung der Beschaffenheit des örtlichen Mietwohnungsmarktes nicht zwingend auf einen qualifizierten oder einfachen Mietspiegel i.S. der §§ 558c f BGB abgestellt werden muss (vgl BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R; Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr. 16; Urteil vom 19.1.2010 - B 14 AS 50/10 R - RdNr. 31; zur grundsätzlichen Eignung der hinter einem Mietspiegel liegenden Daten, die grundsicherungsrechtliche Angemessenheit zu bestimmen vgl aber u.a. BSG, Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - RdNr. 32 f sowie Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr. 25 ff; zur Repräsentativität und Validität der Datenerhebung bei Mietspiegeln vgl BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - RdNr. 28; zur Empfehlung sich im Rahmen von Grundsicherungsrelevanten Mietspiegeln hinsichtlich Stichprobenumfang und Auswertung etc an den für Mietspiegel geltenden Standard anzulehnen vgl BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - RdNr. 24;). Die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage muss gleichwohl auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiederzugeben (stRspr, vgl ua BSG, 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr. 16; Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - RdNr. 17; Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr. 24).

Das kann ua dann der Fall sein, wenn die Datenbasis auf mindestens 10% des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr. 16). Dabei ist eine Auswertung nur des Wohnungsbestandes bestimmter Anbieter bei der Erstellung des Konzepts zulässig, wenn gleichzeitig gewährleistet ist, dass hierdurch das untere Mietpreisniveau des gesamten örtlich in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes realistisch abgebildet wird. So ist es u.a. nicht zulässig, Hilfebedürftige auf bestimmte Wohnungsbaugesellschaften als Anbieter zu verweisen, wenn nicht erkennbar ist, dass diese das in Bezug zu nehmende Mietsegment aufgrund einer marktbeherrschenden Stellung im Wesentlichen abdecken (BSG, Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - RdNr. 19). Datenerhebungen allein bei den örtlichen Wohnbaugenossenschaften sind nicht ausreichend, wenn die Genossenschaften über keinen ins Gewicht fallenden Anteil am Wohnungsbestand des Vergleichsraumes verfügen und eine Mietpreisabfrage keine valide Datengrundlage für die Angemessenheitsgrenze ergeben kann (BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - RdNr. 20 aE).

b) Diese Anforderungen erfüllt der Grundsicherungsrelevante Mietspiegel nicht. Die ihm zugrunde gelegte Datenbasis ermöglicht kein realitätsgerechtes Abbild der (im Vergleichszeitraum bzw streitigen Zeitraum) aktuellen Situation bei Neuanmietungen.

aa) Zwar stützt sich der Grundsicherungsrelevante Mietspiegel auf eine Datenbasis von 10% des regional in Betracht zu ziehenden Wohnungsbestands für die Ermittlung der angemessenen Mietwerte (vgl BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R; Urteil vom 23.8.2011 - B 14 AS 91/10 R - RdNr. 24) und berücksichtigt Daten über den gesamten Vergleichsraum (vgl S. 14 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels; hier das Gebiet der Stadt A., vgl BSG, Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - RdNr. 16).

bb) Es ist allerdings unter keinem Gesichtspunkt nachzuvollziehen, dass die erhobenen Daten die (im Jahr 2013 und in der Folge) aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietmarktes der Stadt A. wiedergeben.

Insoweit lässt der Kläger zu Recht darauf hinweisen, dass die dem Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel zugrunde liegenden Daten weit überwiegend Mietverhältnisse mit wenigen Wohnungsbaugesellschaften betreffen. So stammen von den im März und April 2013 zum Stichtag 30.4.2013 erhobenen 16 765 sog Primärdatensätze 15 955 von lediglich sieben Anbietern, wobei innerhalb dieser Datensätze wiederum 14 032 Datensätze von drei (Wohnungs- und Siedlungsbau B. GmbH & Co. OHG, W. GmbH des Landkreises A-Stadt und Wohnungsbaugesellschaft der Stadt A. GmbH) Anbietern von Wohnraum stammen. Dies entspricht hinsichtlich der sieben Anbieter rd 95% bzw hinsichtlich der drei zuletzt genannten Anbieter rd 84% der dem Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel zugrundeliegenden Daten.

Es ist an Hand keiner der für den Vergleichsraum vorliegenden statistischen Datenerhebungen (vgl zensus 2011 - Gebäude und Wohnungen Kreisfreie Stadt A., Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung) nachzuvollziehen, dass diese Anbieter den gesamten örtlich in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestand (im unteren Mietpreisniveau) derart beherrschen. Einen entsprechenden Schluss lässt auch die vom Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel angenommene Ausgangslage nicht zu, nachdem er den Daten des Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung (aaO) im Wesentlichen entsprechend von 93 588 zu Wohnzwecken vermieteten Wohnungen in Gebäuden mit Wohnraum ausgeht und gleichzeitig in seine 16 765 Datensätze umfassende Stichprobe mit 15 955 sämtliche zu Wohnzwecken vermietete Wohnungen der genannten Anbieter einstellte. Die in der Stichprobe erfassten Daten können nicht als repräsentativ angesehen werden, da die Daten der genannten sieben Unternehmen mit einem Umfang und damit Gewicht berücksichtigt wurden, das nicht dem entspricht, das ihnen in der Realität zukommt.

cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil die genannten sieben Anbieter im Wesentlichen das Mietangebot (zu der vom Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel in der ersten Stufe ermittelten Angemessenheitsgrenze) im Wesentlichen abdecken würden. So haben die im Rahmen der Erstellung des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels erhobenen Daten (vgl S. 18 f des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels sowie Stellungnahme R. vom 29.7.2016 Bl 141, 149 der LSG-Akte) ergeben, dass von den insgesamt 1 659 erhobenen Angebotsmieten „lediglich“ 182 von Wohnungsunternehmen stammten. Dies entspricht schließlich bei weitem nicht dem Umfang an Angebotsmieten, die der Grundsicherungsrelevante Mietspiegel in der Folge als der im Schritt 1 ermittelten Angemessenheitsgrenze entsprechende Angebotsmieten identifiziert (vgl S. 20 Abbildung 15 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels, die nach den vorherigen Ausführungen unter 4.3 bzw Abbildung 14 allein bei Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften von rd 210 und insgesamt (also über alle Bedarfsgemeinschaftsgrößen) von 427 angemessenen Angebotsmieten ausgeht (vgl auch S. 21 Abbildung 17 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels).

dd) Die dargestellte Problematik des Ansatzes des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels, die Primärdaten im Wesentlichen bei sieben Wohnungsunternehmen zu erheben, kann schließlich auch durch die Überarbeitung während des Berufungsverfahrens (vgl Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel Juli 2017) nicht „geheilt“ werden. Dort wird zur Ermittlung des zur Angemessenheitsgrenze verfügbaren Angebots nicht mehr auf die zum Stichtag 30.4.2013 erhobenen Daten von Angebotsmieten zurückgegriffen. Nunmehr werden zur Ermittlung, wie viele Wohnungen den nachfragerelevanten Gruppen zu den ermittelten Angemessenheitsgrenzen zur Verfügung stehen, ausschließlich die im Rahmen der Bestandsmieten zum 30.4.2013 erhobenen Neuvertragsmieten, dh den Mietpreis von Wohnungen, deren Mietverträge in den letzten sechs Monaten vor dem Stichtag 30.4.2013 geschlossen worden sind oder bei denen eine Mietpreisveränderung erfolgt ist, herangezogen (S. 14 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels Juli 2017). Damit setzt sich aber die hinsichtlich der Bestandsmieten dargestellte Problematik in der Bestimmung des Mengengerüsts der Angebotsseite fort, da davon auszugehen ist, dass auch bei den Neuvertragsmieten ein Übergewicht an Wohnungen von Wohnungsunternehmen vorliegt, das in der Realität am Wohnungsmarkt A-Stadt so nicht nachzuvollziehen ist. Insgesamt spricht an dieser Stelle alles dafür, dass dieser Ansatz, sprich die Berücksichtigung ausschließlich der zusammen mit den nicht repräsentativ erhobenen Bestandsmieten erhobenen Neuvertragsmieten, die fehlende Schlüssigkeit bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze aus den Bestandsmieten fortschreibt.

ee) Es ist schließlich weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass die in der Datenerhebung im Wesentlichen berücksichtigten Wohnungsunternehmen oder Teile von diesen jedem Hilfebedürftigen rechtzeitig vor einer Absenkung der Leistungen für Unterkunft und Heizung auf den aus Sicht des Beklagten angemessenen Umfang eine Wohnung anbieten könnten. Damit ist auch unter diesem Gesichtspunkt die vom Beklagten vorgenommene Gewichtung der Wohnungsunternehmen bei der Erhebung der Bestanddaten nicht zu rechtfertigen.

ff) Das dargestellte Defizit der dem Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel zugrundeliegenden Datenbasis kann schließlich nicht durch die vom Beklagten oder der Beigeladenen (punktuell) erhobenen Daten zu den Angebotsmieten aus der Lokalpresse oder einschlägigen Internetportalen (vgl Ausführungen im Widerspruchsbescheid bzw der Stellungnahme des Beklagten vom 30.4.2015 vor dem Sozialgericht bzw der dieser beigefügten Stellungnahme der Beigeladenen, Bl 65 ff der SG-Akte) behoben werden (vgl BSG, Urteil vom 16.6.2015 - B 4 AS 44/14 R - RdNr. 22 zur fehlenden systematischen Einbeziehung des Faktors der Neuvertragsmieten). Entsprechendes muss im Hinblick auf Ausführungen unter bb) bis ee) hinsichtlich des Hinweises auf die zur Angemessenheitsgrenze von der Wohnungsbaugenossenschaft der Stadt A. GmbH im Zeitraum 2014 und 2015 neu vermieteten Wohnungen (vgl Anlage 7 und 8 zur Berufungsschrift des Beklagten im Verfahren L 7 AS 466/16) gelten (vgl BSG, Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - RdNr. 19).

gg) Die fehlende Repräsentativität der dem Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel zugrundeliegenden Daten kann schließlich nicht deshalb unbeachtlich bleiben, weil dem Beklagten bzw der Beigeladenen als für die Kosten der Unterkunft nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II zuständigen kommunalen Träger auch nach beachtlichen Bemühungen um eine hinreichende Datenbasis schlussendlich weitere und insbesondere repräsentative Daten nicht zur Verfügung stehen. Denn es ist Angelegenheit und Verantwortung des Grundsicherungsträgers, bereits im Verwaltungsverfahren ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten zu entwickeln. Die umfassende Ermittlung der Daten sowie deren Auswertung ist dessen Aufgabe (BSG, Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - RdNr. 21; Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - RdNr. 26). Ist - wie hier - eine umfassende (oder hinreichende) Datenerhebung im Verwaltungsverfahren nicht gelungen (und kann diese - wie hier - im sozialgerichtlichen Verfahren nicht mehr nachgeholt werden) rechtfertigt dies gerade keine Bestimmung der Angemessenheitsgrenze durch ein dann unschlüssiges Konzept. Vielmehr ist in diesem Fall vom Fehlen einer Angemessenheitsgrenze auszugehen (vgl BSG, Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - RdNr. 21; Urtiel vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 - RdNr. 27) bzw macht den Rückgriff auf die Tabellenwerte des § 12 WoGG zzgl eines „Sicherheitszuschlags“ nach generell-abstrakten Kriterien im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze erforderlich (BSG, Urteil vom 16.6.2015 - B 4 AS 44/14 R - RdNr. 25).

c) Fehlt es aber bereits an einer zureichenden Datenbasis, kommt es auf die weitere Auseinandersetzung mit den Überlegungen des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels nicht weiter an. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass - wie dargestellt - nicht ersichtlich ist, dass die fehlende Repräsentativität der Daten innerhalb des Konzepts korrigiert werden könnte.

d) Der Senat sieht keine Möglichkeit, wie im Hinblick auf den zwischenzeitlich abgelaufenen Streit- und Vergleichszeitraum eine zureichende Datenbasis - die schließlich Grundlage eine jeden schlüssigen Konzepts ist - noch erreicht werden könnte. Einen (qualifizierten) Mietspiegel i.S. der §§ 558c f BGB oder einem solchen zugrunde liegende Daten gibt es für den Streit- bzw. Vergleichszeitraum nicht. Auch sonst ist nicht ersichtlich, woher oder wie die (für eine Nachbesserung des konzeptionellen Ansatzes des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels) validen Daten zur Abbildung der Verhältnisse des Augsburger Mietwohnungsmarktes in 2014 und 2015 noch erreicht werden könnten. So war bereits Ausgangspunkt des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels, dass es Mietwerterhebungen für das gesamte Stadtgebiet gerade nicht gibt und die Beigeladene betonte bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, über andere Daten nun einmal nicht zu verfügen.

8. Damit sind der Berechnung der Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Kläger dessen tatsächliche Aufwendungen zugrunde zu legen, die allerdings - im streitigen Zeitraum - durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben begrenzt sind (stRspr, vgl zuletzt BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - RdNr. 25), wobei wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umstände im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte zurückzugreifen und ein Sicherheitszuschlag i.H.v. 10% des genannten Tabellenwerte einzubeziehen ist (zur den Werten des vorliegend maßgeblichen § 12 WoGG vgl BSG, aaO - RdNr. 27 f).

Auf dieser Grundlage errechnet sich für einen Ein-Personen-Haushalt unter Berücksichtigung der Mietenstufe IV für die Gemeinde A-Stadt (vgl Anlage zu § 1 Abs. 3 der Wohngeldverordnung in der Neufassung der Bekanntmachung vom 19.10.2013, BGBl I 2722) ein Tabellenwert nach § 12 WoGG iHv 358 € monatlich, der unter Berücksichtigung des Sicherheitszuschlags i.H.v. 10% aus 358 € eine Begrenzung der dem Kläger im streitigen Zeitraum zustehenden Leistungen für Unterkunft (ohne Heizung) auf 393,80 € (358 € + 35,80 €) bedeutet.

9. Da der Kläger darüber hinausgehende Leistungen vorliegend nicht geltend macht, kommt es für die vorliegende Entscheidung nicht darauf an, ob die weiteren Voraussetzungen für eine Absenkung der Leistungen für Unterkunft (insbesondere das Vorliegen einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung und der subjektiven Zumutbarkeit einer Kostensenkung) erfüllt sind.

10. Insgesamt errechnet sich damit der vom Kläger begehrte Leistungsanspruch in den Monaten November und Dezember 2014 i.H.v. 1.193,06 € monatlich (391 € + 393,80 € + 60 € + 313,88 € + 34,38 €) bzw in der Zeit in der Zeit von Januar bis April 2015 i.H.v. 1.210,93 € monatlich (399 € + 393,80 € + 60 € + 319,69 € + 38,44 €).

Dem entsprechend waren das Urteil des Sozialgerichts sowie die streitgegenständlichen Entscheidungen des Beklagten abzuändern.

11. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

12. Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht

Meta

L 7 AS 408/15

14.12.2017

LSG München

Urteil

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: LSG München, Urteil vom 14.12.2017, Az. L 7 AS 408/15 (REWIS RS 2017, 522)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 522

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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