Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2017, Az. AK 38/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 5431

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:130917BAK38.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

AK 38-40/17
vom
13.
September 2017
in dem Strafverfahren
gegen

1.

2.

3.

wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung
u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie der Angeklagten und ihrer Verteidiger am 13. September 2017 gemäß §§
121, 122 [X.] beschlossen:

Die Untersuchungshaft hat [X.].
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesge-richtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem [X.] übertragen.

Gründe:
I.
1. Der Angeklagte

[X.]

wurde am 2. Juni 2016 festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 1. Juni 2016 (2 [X.] 353/16). Gegenstand dieses Haftbefehls war im Wesentlichen der Vorwurf, der Angeklagte habe sich als Mitglied an der Gruppierung "[X.]" (im Folgenden: [X.]) und damit an einer außereuropäischen terroristischen Vereini-gung beteiligt und sich zugleich mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen (Mord, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und vorsätzlicher unerlaubter Erwerb der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe) zu begehen, indem er im Oktober 2014 im Auftrag einer Führungsperson des [X.] als Angehöriger einer sog. Schläferzelle nach [X.] gereist sei, um sich an einem in [X.]
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dorf geplanten terroristischen Anschlag zu beteiligen. Außerdem wurde dem Angeklagten mit dem Haftbefehl vom 1. Juni 2016 vorgeworfen, sich seit dem [X.] in [X.] durch eine weitere selbständige Handlung als Mitglied an der Gruppierung "[X.] [X.]" (im Folgenden: [X.]) und damit an einer weiteren außereuropäischen terroristischen Vereini-gung beteiligt und eine schwere st[X.]tsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben, indem er sich zumindest im [X.] als Anführer der zur [X.] gehörenden Gruppe "[X.]" (im Folgenden: [X.]) an den Kämpfen gegen das Regime des St[X.]tspräsidenten [X.] beteiligt und zu dieser Zeit in [X.] Sprenggürtel und Granaten herge-stellt habe, die zum Einsatz bei bewaffneten Auseinandersetzungen und bei [X.] bestimmt gewesen seien.
Der Senat hat mit Beschluss vom 15. Dezember 2016 ([X.]) die [X.] über sechs Monate hinaus angeordnet.
Am 13. März 2017 hat der Ermittlungsrichter des [X.] den Haftbefehl vom 1. Juni 2016 abgeändert und neu gefasst. Gegenstand des neu gefassten Haftbefehls ist -
über die bereits dem früheren Haftbefehl zu-grunde liegenden Tatvorwürfe hinaus -
der Vorwurf, der Beschuldigte habe sich durch eine weitere rechtlich selbständige Handlung als Mitglied an der Gruppie-rung [X.] und damit an einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung beteiligt; zugleich habe er gemeinschaftlich handelnd in 36 tatein-heitlichen Fällen im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen [X.] Konflikt eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person aus niedrigen Beweggründen getötet, indem er sich im März 2013 als [X.]" der zur [X.] gehörenden [X.] gemeinsam mit anderen an der Hinrichtung von 36 behördlichen Mitarbeitern der [X.] beteiligt habe.
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Der Senat hat mit Beschluss vom 6.
April 2017 ([X.]) entschieden, dass eine (weitere) Haftprüfung zu diesem Zeitpunkt nicht veranlasst sei, weil der neu gefasste Haftbefehl im Hinblick auf die dem Angeklagten darin vorge-worfene Beteiligung an der Hinrichtung von 36 [X.]smitarbei-tern eine neue Sechsmonatsfrist im Sinne des §
121 Abs. 1 [X.] in [X.] habe. Er hat die Sache deshalb dem Ermittlungsrichter des Bundesge-richtshofs zurückgegeben.
2. Die Angeklagten A.

und [X.]

befinden sich -
[X.] aufgrund der Haftbefehle des Ermittlungsrichters des [X.] vom 14.
Februar 2017 (2
[X.] 200/17 betreffend den Angeklagten A.

) und vom 28.
Februar 2017 (2
[X.] 295/17 betreffend den [X.]

) -
seit dem 2.
März 2017 bzw. seit dem 1.
März 2017 in [X.]. Gegenstand dieser Haftbefehle war der Vorwurf, sie hätten sich jeweils in zwei Fällen als Mitglied an der [X.]
und damit an einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung beteiligt, indem sie ebenfalls die bereits genannte [X.] gegründet (der Angeklagte A.

) bzw. die-ser beigetreten (der Angeklagte [X.]

) seien. Der Angeklagte A.

habe in dem zweiten Fall tateinheitlich die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen erworben, weil er bei Kampfhandlungen ein Schnellfeuergewehr der Marke [X.] geführt habe. Der Angeklagte [X.]

habe in dem zweiten Fall durch dieselbe Handlung in 36 tateinheitlichen Fällen im [X.] mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person aus niedrigen Beweggründen getötet, indem er sich im März 2013 gemeinsam mit anderen an der Hinrich-tung von 36 behördlichen Mitarbeitern der [X.] beteiligt habe.
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5
-

3. Der [X.] hat unter dem 28.
April 2017 gegen die drei Angeklagten und einen Mitangeklagten vor dem [X.] Anklage erhoben. Gegenstand des Anklagevorwurfs sind -
mit Ausnahme
des Vorwurfs, der Angeklagte

[X.]

sei im Oktober 2014 im Auftrag einer Füh-rungsperson des [X.] als Angehöriger einer sog. Schläferzelle nach [X.] gereist, um sich an einem in [X.] geplanten terroristischen Anschlag zu beteiligen; insoweit ist das Verfahren nach §
154 Abs.
1 [X.] eingestellt [X.] -
die den Angeklagten in den Haftbefehlen zur Last gelegten und weitere Taten.
4. Das [X.] hat mit Beschlüssen vom 29.
Juni 2017 neue Haftbefehle gegen die Angeklagten erlassen; diese hat es mit [X.] vom 13.
Juli 2017 in Vollzug gesetzt und gleichzeitig die Haftbefehle des Ermittlungsrichters des [X.] aufgehoben.
Gegenstand der nunmehrigen Haftbefehle ist der Vorwurf, dass sich die Angeklagten jeweils durch drei selbständige Handlungen (Fälle 1, 3 und 5 der Anklageschrift) als Mitglied an der [X.] und damit an einer terroristi-schen Vereinigung im außereuropäischen Ausland beteiligt hätten, deren [X.] und deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§
211 StGB), Totschlag (§
212 StGB) und Kriegsverbrechen (§§
8, 9, 10, 11 und 12 [X.]) sowie Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des §
239a und des §
239b StGB zu begehen,
-
davon in einem Fall (Fall 3 der Anklageschrift) tateinheitlich und ge-meinschaftlich handelnd über Kriegswaffen die tatsächliche Gewalt ausgeübt hätten, ohne dass der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung 6
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nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen beruhe oder eine Anzei-ge nach diesem Gesetz erstattet worden sei,
-
und in einem Fall (Fall 5 der Anklageschrift) tateinheitlich und gemein-schaftlich handelnd in 36 tateinheitlichen Fällen

im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person getötet hätten
sowie

im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schüt-zende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todes-strafe vollstreckt hätten, ohne dass diese Person in einem unpar-teiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtli-chen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden sei, und

aus niedrigen Beweggründen einen Menschen getötet hätten,
strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 4, §
129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, §§ 211, 25 Abs. 2 StGB, §
8 Abs.
1 Nr.
1, 7, Abs.
6 Nr.
2 [X.], §
22a Abs.
1 Nr.
6 [X.] i.V.m. [X.], Nr.
29 Buchstaben a, b und c, Nr.
37 und Nr.
46 der
Kriegswaffenliste, §§
52, 53 StGB.

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7
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II.
1. Die Angeklagten sind der ihnen zur Last gelegten Taten dringend ver-dächtig.
Betreffend den Angeklagten

[X.]

nimmt der Senat insoweit [X.] Bezug auf seine Beschlüsse vom 15.
Dezember 2016 (AK
63-65/16) und vom 6.
April 2017 ([X.]), mit denen er die [X.] angeordnet bzw. entschieden hat, dass eine weitere Haftprüfung nicht veranlasst war. Im Übrigen gilt Folgendes:
a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
[X.]) Bei der [X.] handelt es sich um eine Ende 2011 von [X.] in [X.] gegründete Vereinigung, die es sich -
von [X.] religiösen Anschauungen geleitet -
zum Ziel gesetzt hat, das [X.]-Regime in [X.] zu stürzen und durch einen [X.] St[X.]t auf der Grundlage ihrer eigenen Interpretation der Scharia zu ersetzen. Darüber hinaus erstrebt sie die "Befreiung" des historischen Großsyrien, das heißt [X.]s einschließlich von Teilen der südlichen [X.], des [X.], [X.], [X.] und der [X.]. Diese Ziele verfolgt die [X.] mittels militäri-scher Operationen, aber auch durch Sprengstoffanschläge, [X.], Entführungen sowie gezielte Tötungen von Angehörigen des [X.] Mili-tär-
und [X.]. Insgesamt werden der Gruppierung allein bis Ende 2014 mehr als 1.500 Anschläge zugerechnet, bei denen mindestens 8.700 Menschen getötet wurden. So hat sich die [X.] auch zu meh-reren Selbstmordanschlägen auf Angehörige der [X.] Armee am 14. April 10
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2014 und am 25. Mai 2014 mittels mit Sprengstoff beladener Fahrzeuge [X.].
Die [X.] ist militärisch-hierarchisch organisiert. [X.], der die Organisation nach wie vor anführt, ist ein aus fünf bis sechs Personen gebildeter [X.] zugeordnet. Unterhalb dieser Führungs-ebene stehen die Kommandeure der kämpfenden Einheiten, die ihrerseits un-tergliedert sind in die vor Ort agierenden
Kampfgruppen. Die Zahl der Kämpfer der [X.] wird derzeit auf 4.000 bis 6.000 geschätzt. Ihre militärische Ausbildung erhalten diese in einem verzweigten Netz von Trainingslagern. [X.] gibt es Hinweise auf sogenannte "[X.]" in den
von der [X.] kontrollierten Gebieten, die religiöse Angelegenheiten regeln und den Aufbau eines eigenen Justiz-
und [X.] vorantreiben. Für ihre Öffentlichkeitsarbeit bedient sich die [X.] der eigenen Me-dienstelle "al-manara al-baida" ("Der weiße Leuchtturm"), über die sie im [X.] Verlautbarungen, Operationsberichte und Anschlagsvideos verbreitet. [X.] hinaus unterhält sie ein Netzwerk von "Korrespondenten" in [X.], die ihre Berichte über [X.] veröffentlichen.
Seit Juli 2016 nennt sich die Organisation offiziell "[X.]". Am 28. Januar 2017 hat sie sich mit weiteren Gruppierungen zu dem Bündnis "[X.]" zusammengeschlossen.
bb) Den Angeklagten liegen im Einzelnen folgende Beteiligungshandlun-gen zur Last:
Der Angeklagte

[X.]

beteiligte sich bereits im [X.] in [X.] an der Gründung einer mit [X.]-Gewehren und Pistolen bewaffneten Miliz mit dem Namen "[X.]", die unter anderem von seinem
Onkel 14
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angeführt wurde und an Kampfhandlungen gegen das [X.]-Regime teilnahm. Im [X.] 2012 leistete der Onkel des Angeklagten als [X.] der Miliz im [X.] mit dem Angeklagten

[X.]

und im Namen der gesamten Gruppe den Treueeid auf die [X.]. Nach außen behielt die "[X.]" zwar ihren Namen bei, militärisch und strukturell integrierte sie sich aber in die Befehlshierarchie der [X.]. Nachdem die Gruppe an der [X.], einen Vorort der [X.] Stadt [X.] teilgenom-men und die Siedlung erobert hatte, formierte sich die Miliz neu. Es wurde [X.] im Februar 2013 unter Beteiligung der Angeklagten

[X.]

und A.

die [X.] "Mohamed Ibn Abd Allah" gegründet, über die der
Ange-klagte

[X.]

die Befehlsgewalt erhielt. In dieser Kampfgruppe, die nach wie vor der Miliz "[X.]" und damit auch der Führung der [X.] unterstand, schuf er eine straffe paramilitärische Führungsstruktur. Die Mitglieder trugen
schwarze Kleidung, um sich im Kampf gegenseitig zu erken-nen; die [X.], die zunächst aus 25 und später aus 50 Kämpfern bestand, führte eine schwarze Flagge mit dem [X.] Glaubensbekenntnis und dem auf die [X.] verweisenden Zusatz "Mohamed Ibn Abd
Allah" und [X.] -
wie die übergeordnete Miliz und die terroristische Vereinigung [X.] -
neben dem Sturz der Regierung des [X.] Präsidenten [X.] die Errichtung eines islamistischen Herrschaftssystems unter der Geltung der Scharia in [X.]. Der Angeklagte [X.]

schloss sich spätestens am 10.
Februar 2013 der [X.] an, die an diesem Tag zusammen mit anderen Kampfverbänden der [X.] die Stadt [X.] eroberte. Im März 2013 beteiligte sich die [X.] und mit ihr die Angeklagten an der Eroberung der [X.] [X.].
Nach der Schlacht um [X.] im Februar 2013 brachte die [X.] Kriegswaffen in ihren Besitz, namentlich Handgranaten, Schnellfeuergewehre 18
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vom Typ [X.], mehrere Maschinengewehre, teilweise auf Pickups montiert, Raketenwerfer, ein Luftabwehrgeschütz und ein gepanzertes Fahr-zeug mit einem Geschütz vom Kaliber 14,5 mm. Die Angeklagten hatten von diesem Zeitpunkt an jederzeit Zugriff auf die Waffen. Ihnen war bewusst, dass sie nicht zum Umgang mit Kriegswaffen berechtigt waren.
Im März 2013 beteiligten sich die Angeklagten -
der Angeklagte

[X.]

als Anführer der zur [X.] gehörenden [X.] -
gemeinsam mit an-deren Personen auf einem Müllplatz entlang einer Straße zwischen den syri-schen Städten [X.] und [X.] an der Tötung von insgesamt 36 behörd-lichen Mitarbeitern der [X.], insbesondere Polizeibeamten,
Sicherheitsdienstmitarbeitern, Grenzschützern, Armeeangehörigen und Milizio-nären. Diese wurden mit Steinen erschlagen sowie unter Verwendung eines Maschinengewehrs, mehrerer Pistolen und eines Messers getötet. Die Opfer hatte die [X.] zuvor bei der Eroberung des Gouverneurspalasts in [X.] gefangen genommen. Die Hinrichtung der Gefangenen wurde durch die Ange-klagten und ihre Mittäter auf Anweisung des [X.] von [X.], der selbst Mitglied der [X.] war, vollzogen. Den Angeklagten und den anderen an den Exekutionen beteiligten Personen ging es dabei um die Besei-tigung von Angehörigen des politischen Gegners, um letztlich den Weg für die Übernahme der Macht in [X.] durch die [X.] vorzubereiten.
b) Hinsichtlich der Umstände, die den dringenden Tatverdacht betreffend die terroristische Vereinigung [X.] begründen, nimmt der Senat auf seine [X.]entscheidung vom 15. Dezember 2016 sowie auf die aus-führlichen Darlegungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen in der An-klageschrift des [X.]s vom 28.
April 2017 Bezug.
Zu den Beteiligungshandlungen der Angeklagten gilt Folgendes:
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Der dringende Tatverdacht, dass sich die Angeklagten wie geschildert an der [X.] beteiligt haben, deren Eingliederung in die [X.] und dass die Angeklagten im angegebenen Umfang gegen das Kriegswaffenkontrollge-setz verstoßen haben, ergibt sich im Wesentlichen aus den Angaben des [X.].

, der anlässlich seiner Anhörung nach §
25 [X.] Ende [X.] 2016 und in mehreren Beschuldigtenvernehmungen seit Anfang [X.] 2016 umfangreich ausgesagt hat. Sie werden bestätigt durch das Ergebnis weiterer Ermittlungen, insbesondere durch andere Zeugenaussagen, durch die Auswertung eines Mobiltelefons, das bei dem Angeklagten

[X.]

gefunden worden ist, und durch [X.] und weitere Daten aus [X.] Netz-werken, die sichergestellt worden sind. Wegen der Einzelheiten nimmt der [X.] Bezug auf die ausführlichen Darlegungen in den Haftbefehlen des Oberlan-desgerichts Stuttgart und im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen in der An-klageschrift des [X.]s vom 28.
April 2017.
Im Hinblick auf die den Angeklagten zur Last gelegte Beteiligung an der Hinrichtung von 36 [X.]sangestellten ergibt sich der dringende Tatverdacht aus den Angaben eines am 9. Februar 2017 vernommenen [X.],
die durch weitere Ermittlungsergebnisse gestützt werden.
Der Zeuge, dessen Personalien nach § 68 Abs. 3 Satz 1 [X.] gesperrt sind, hat die Hinrichtung der 36 [X.]smitarbeiter, die er seiner Darstellung zufolge miterlebt hat, detailreich und anschaulich geschildert. [X.] hat er bekundet, dass der Angeklagte

[X.]

, den er im Rahmen einer Lichtbildvorlage als Anführer der [X.] wiedererkannt hat, die anderen Kämpfer ermutigt habe, die Gefangenen zu töten, und dem letzten Gefangenen selbst die Kehle durchgeschnitten habe. Die beiden anderen Angeklagten hat er ebenfalls bei einer Lichtbildvorlage als an den Hinrichtungen beteiligte Per-22
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sonen wiedererkannt. Bei im [X.] an die Aussage des gesperrten Zeugen durchgeführten Internetrecherchen wurden u.a. zwei am 7.
März 2013 im [X.] veröffentlichte Videoaufnahmen gefunden, welche seine Angaben stützen. In einem der [X.] wird über die Gefangennahme von 36 Personen im Zu-sammenhang mit der Eroberung des Gouverneurspalasts in [X.] durch die [X.] berichtet, und in dem anderen Video ist zu sehen, wie gefangen ge-nommene Personen in einen Bus verbracht werden, wobei eine männliche Per-son arabisch spricht.
Der sich daraus ergebende Tatverdacht wird durch Äußerungen des [X.]

[X.]

erhärtet, die er am 21. Januar 2016 im Rahmen einer
"Facebook"-Kommunikation gemacht hat. Dabei berichtete er darüber, dass "Interpol" drei Monate lang gegen ihn ermittelt habe. In diesem Zusammenhang sprach er davon, "verraten" worden zu sein, obwohl er keinem "davon" erzählt habe; er wisse dies, da er "mit dem [X.] konfrontiert" worden sei: "Sie" hätten ihm "Details von dem Gouvernement-Gefangenen-[X.]" erzählt, die er selbst vergessen gehabt habe. Ein -
verhältnismäßig geringer -
Beweis-wert kommt insoweit schließlich auch den Angaben eines weiteren Zeugen zu, wonach Angehörige der [X.] zwischen August und Dezember 2013 nach den Kämpfen um das Rathaus in [X.] insgesamt 176 Zivilisten getötet hätten; der Zeuge habe von einem "Augenzeugen" erfahren, dass der Angeklagte

[X.]

dabei gewesen sei und selbst acht Menschen getötet habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht be-gründenden Umstände wird ebenfalls auf die Ausführungen in den Haftbefeh-len
vom 29.
Juni 2017 und die dort in Bezug genommenen Beweismittel sowie auf die Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen in der [X.] des [X.]s vom 28.
April 2017 verwiesen.
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2. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daraus, dass die Angeklagten sich durch drei zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit stehende Taten (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juli 2015 -
3 StR 537/14, [X.]St 60, 308, 311 f., 319 f.) mit hoher Wahrscheinlichkeit als Mitglieder an der [X.] und damit an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt haben, § 129a Abs. 1 Nr.
1, Abs. 2 Nr. 2 und 4, §
129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB. Infolge der [X.] im Februar 2017 haben sie zugleich die tatsächli-che Gewalt über diese
ausgeübt, ohne dass der Erwerb der tatsächlichen Ge-walt auf einer Genehmigung beruht hätte, §
129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 4, §
129b Abs. 1 Sätze 1 und 2
StGB, §
22a Abs.
1 Nr.
6 Buchst. a [X.] i.V.m. Nr.
25, Nr.
29 Buchst. a, b und c, Nr.
37 und Nr.
46 der Kriegswaffenliste (Anlage zu §
1 Abs.
1 [X.]), §
52 StGB. Hinsichtlich des Vorfalls mit den be-hördlichen Mitarbeitern der [X.] im März 2013 haben die [X.] -
wiederum in Tateinheit mit Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung -
in 36 rechtlich zusammentreffenden Fällen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person getötet, gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Stra-fe, insbesondere die Todesstrafe,
vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich [X.] Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist, und aus niedrigen Beweg-gründen einen Menschen getötet, strafbar gemäß § 129a
Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 4, §
129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 211 StGB, §
8 Abs.
1 Nr.
1, 7, Abs.
6 Nr.
2 [X.], §
52 StGB.
a) Hinsichtlich des [X.] und des [X.] nach §
8 Abs.
1 Nr.
7 [X.] nimmt der Senat Bezug auf die rechtliche Bewertung in seinem Beschluss betreffend den Angeklagten

[X.]

vom 6.
April 2017. [X.] [X.] erfüllt auch den Tatbestand 27
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14
-
der Tötung einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person, §
8 Abs.
1 Nr.
1, Abs.
6 Nr.
2 [X.]. Es handelte sich um nach dem humanitä-ren Völkerrecht geschützte Personen und die Tat wurde im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen Konflikt verübt (vgl. [X.], Beschluss vom 6.
April 2017 -
[X.], juris Rn.
23 ff. [X.]). Die Tatbestände von §
8 Abs.
1 Nr.
1 und Nr.
7 [X.] dienen unterschiedlichen Schutzzwecken: Nr.
1 dient
dem Schutz des Lebens der geschützten Personen, Nr. 7 soll darüber
hinausgehend diese Personen auch davor bewahren, unter Verstoß
gegen rechtsst[X.]tliche Garantien Opfer von Willkürverfahren zu werden (MüKoStGB/[X.]/[X.], 2. Aufl., §
8 [X.] Rn.
180). Die [X.] von §
52 StGB gebietet daher die Annahme von Idealkonkurrenz, wenn -
wie hier -
die Tötung der zu schützenden Personen zugleich die Voll-streckung der Todesstrafe darstellt, die ohne Einhaltung der völkerrechtlich er-forderlichen Rechtsgarantien verhängt worden ist.
b) [X.] Strafrecht ist anwendbar. Dies folgt hinsichtlich des den Angeklagten zur Last gelegten [X.] gegen Personen unmittelbar aus §
1 [X.], bezüglich der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der [X.] Vereinigung [X.] infolge ihrer Betroffen-heit im Inland aus §
129b Abs. 1 Satz 2 StGB (zum Strafanwendungsrecht vgl. [X.], Beschluss vom 6.
Oktober 2016 -
AK 52/16, juris Rn. 33 ff.) und im [X.] auf die Verstöße gegen das [X.] und die Mordtat aus §
7 Abs.
2 Nr.
2 StGB. Die Verstöße gegen das [X.] sind nach syrischem Recht gemäß § 39 i.V.m. §
41 des [X.] [X.] [X.] vom 24.
September 2001 mit Strafe bedroht, gleiches gilt nach Art.
534 Nr. 1 des [X.] Strafgesetzbuchs für Mord aus niedrigen Beweggründen. Eine Aus-lieferung der Angeklagten kommt angesichts der Verhältnisse in [X.] derzeit nicht in Betracht.
29
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15
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c) Die nach § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderliche Ermächti-gung zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern der [X.] liegt vor.
d) Hinsichtlich des Angeklagten A.

,
der im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vom 14.
Februar 2017 noch nicht wegen der Tötung der [X.]smitarbeiter verdächtigt worden war, hat durch die Aufnahme dieser Tat in den Haftbefehl des Oberlandesgerichts vom 29.
Juni 2017 keine neue Sechsmonatsfrist zu laufen begonnen. Denn dieser Tatvorwurf hätte grundsätzlich bereits seit dem 10. Februar 2017 in ei-nen Haftbefehl gegen ihn aufgenommen werden können, nachdem das ihn [X.] Beweismittel, die Aussage des gesperrten Zeugen, die auch gegen die Angeklagten

[X.]

und [X.]

den dringenden Tatverdacht begründe-te, am 9.
Februar 2017 erhoben worden war (vgl. zu den Voraussetzungen ei-ner neuen Sechsmonatsfrist [X.], Beschluss vom 6.
April 2017 -
[X.], juris Rn.
6 ff. [X.]).
3. Es besteht hinsichtlich aller Angeklagten der Haftgrund der Fluchtge-fahr, §
112 Abs.
2 Nr.
2 [X.]. Sie haben im Fall ihrer Verurteilung empfindliche -
bis hin zu lebenslangen -
Freiheitsstrafen zu erwarten, die einen erheblichen Fluchtanreiz begründen. Außerdem liegt der Haftgrund der [X.] in mehrfacher Hinsicht vor (§
112 Abs.
3 [X.]).
Mit Blick darauf steht nicht zu erwarten, dass die Angeklagten, die in der Bundesrepublik [X.] nicht über nennenswerte [X.] oder sonstige Bindungen verfügen, dem von der Straferwartung ausgehenden Fluchtanreiz widerstehen und sich den [X.] Strafverfolgungsbehörden freiwillig zur Verfügung stellen werden. Der Zweck der Untersuchungshaft kann deshalb 30
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33
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16
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auch nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des §
116 [X.] erreicht werden.
4. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§
121 Abs.
1 [X.]) sind gegeben; der Umfang der [X.] und ihre Schwierigkeit haben ein
Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Das Verfahren ist auch mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung gefördert worden:
Der [X.] hat nach der Festnahme der Angeklagten A.

und [X.]

bzw. nach der Erweiterung des Haftbefehls gegen den Angeklagten

[X.]

bereits am 28. April 2017 in dem umfangreichen Verfahren Anklage erhoben, die am 5.
Mai 2017 beim [X.] einging und am 9.
Mai 2017 zugestellt wurde. Schon ab dem 11. Mai 2017 wurden für den Fall der Eröffnung [X.] vereinbart; am 18.
Juni 2017 wurde die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Die Hauptverhandlung wird am 25.
September 2017 beginnen und ist -
zunächst -
auf 81 [X.] bis zum 8.
Oktober 2018 terminiert.
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5. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach alldem nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafen (§
120 Abs.
1 Satz
1 [X.]).
Becker Gericke Berg

36

Meta

AK 38/17

13.09.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2017, Az. AK 38/17 (REWIS RS 2017, 5431)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5431

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Untersuchungshaft: Dringender Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung


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3 StR 537/14

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