Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2006, Az. VI ZR 4/06

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 321

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.] Verkündet am: 12. Dezember 2006 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja ZPO § 526 Die Revision kann grundsätzlich nicht auf eine erfolgte Übertragung auf den [X.] gestützt werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt bei verfas-sungskonformer Auslegung von § 526 Abs. 3 ZPO nur unter den engen Vorausset-zungen der Willkür in Betracht.
[X.], Urteil vom 12. Dezember 2006 - [X.] - [X.]AG [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], [X.] [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] vom 30. November 2005 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Am 3. Juni 2003 kam es zu einem Verkehrsunfall, bei dem der PKW der Klägerin, den ihr Ehemann fuhr, und der bei der [X.] zu 2 haftpflichtversi-cherte PKW der [X.] zu 1, dessen Fahrerin und Halterin sie selbst war, beschädigt wurden. Die Klägerin hat von den [X.] vollen Ersatz ihres Schadens verlangt und Zahlung von 1.685,54 • begehrt. Die Beklagte zu 1 hat im Wege der Widerklage von der Klägerin und deren Ehemann sowie dem [X.] (als Drittwiderbeklagten) hälftigen Ersatz ihres Schadens von insgesamt 2.003,00 • verlangt und Zahlung von 1.001,50 • begehrt. Das Amtsgericht hat nach Beweisaufnahme der Widerklage in vollem Umfang und der Klage in Höhe von 829,27 • stattgegeben und dabei jeweils eine Haftungs-quote von 50 % zugrunde gelegt. Gegen dieses Urteil hat nur die Klägerin [X.] eingelegt und ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Das [X.] hat im ersten Termin als Kollegium über die Sache verhandelt und 1 - 3 - den Rechtsstreit später "im vermuteten Einverständnis der Parteien" der Be-richterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Diese hat nach weiterer Beweisaufnahme eine Haftungsquote von 80 % zum Nachteil der [X.] bejaht und diese als Gesamtschuldner zur Zahlung weiterer 663,42 • verurteilt. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision erstreben die [X.] die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht bejaht die Zulässigkeit der Berufung und meint, es sei unschädlich, dass ein Rechtsmittel nur hinsichtlich der teilweisen Klageab-weisung, nicht aber auch hinsichtlich der stattgebenden Entscheidung über die Widerklage eingelegt worden sei, denn hierbei handele es sich um zwei ver-schiedene Streitgegenstände. Zur Klärung dieser Rechtsfrage hat es die Revi-sion zugelassen. In der Sache ist es der Auffassung, dass die Beklagte zu 1 den Verkehrsunfall überwiegend verschuldet habe und die Klägerin sich ledig-lich die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs mit einer Quote von 20 % anrechnen lasse müsse. 2 I[X.] Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision stand. 3 1. Die Revision ist insgesamt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht die Zulassung der Revision auf die Frage der Zulässigkeit der Berufung beschränken wollte, da eine solche [X.] - 4 - kung jedenfalls unzulässig wäre. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs kann die Revision nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbst-ständigen Teil des [X.] beschränkt werden, der Gegenstand ei-nes selbstständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte ([X.] 101, 276, 278; [X.], Urteile vom 20. Mai 2003 - [X.] - VersR 2003, 1396, 1397; vom 4. Juni 2003 - [X.]II ZR 91/02 - NJW-RR 2003, 1192, 1193 und vom 5. November 2003 - [X.]II ZR 320/02 - NJW-RR 2004, 426 f.). Auf die Frage der Zulässigkeit der Berufung kann die Revision nicht wirksam beschränkt werden ([X.], Urteile vom 6. Mai 1987 - [X.] - NJW 1987, 3264; vom 3. Mai 2001 - [X.] - NJW 2001, 2259 und vom 10. Mai 2005 - [X.] - [X.], 427, 428; [X.]/[X.], ZPO, 27. Aufl., § 543, Rn. 10; [X.] in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 65. Aufl., § 543, Rn. 10; a.A.: [X.], ZPO, 21. Aufl., § 546, Rn. 28; Musielak/Ball, ZPO, 5. Aufl., § 543, Rn. 11). Zwar kann über die Zulässigkeit der Berufung durch Zwischenurteil nach § 303 ZPO entschieden werden; dieses ist jedoch nicht selbstständig, sondern nur zusammen mit dem Endurteil anfechtbar ([X.] 102, 232, 234). Soweit es danach an einer wirksamen Beschränkung der [X.] fehlt, ist allein die Beschränkung, nicht aber die Zulassung unwirksam. Das bedeutet, dass die Revision in einem solchen Fall unbeschränkt zugelas-sen ist (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 4. April 2006 - [X.] ZR 151/05 - [X.], 931; [X.], Urteile vom 7. Juli 1983 - [X.] - [X.], 38, in-soweit nicht in [X.] 88, 85 abgedruckt; vom 20. Mai 2003 - [X.] - aaO und vom 21. September 2006 - [X.] - z. [X.]). 2. Die Revision rügt ohne Erfolg, dass die Einzelrichterin nicht befugt gewesen sei, anstelle des Kollegiums zu entscheiden, weil bereits im Haupt-termin zur Hauptsache verhandelt worden sei (§ 526 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Nach § 526 Abs. 3 ZPO kann ein Rechtsmittel nicht auf eine erfolgte Übertragung auf 5 - 5 - den Einzelrichter gestützt werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll der [X.] unanfechtbar sein (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, [X.]). Die Revision kann [X.] nicht mit der Verfahrensrüge begründet werden, das Berufungsgericht habe die Voraussetzungen von § 526 Abs. 1 ZPO verkannt oder es liege ein Fehl-gebrauch des Ermessens vor ([X.] in: [X.]/[X.], [X.] 2002 mit [X.], § 526 ZPO, Rn. 15; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3. Aufl., § 526, Rn. 20; MünchKomm ZPO/Rimmelspacher, 2. Aufl., [X.], § 526, Rn. 33; HK-Wöstmann, ZPO, § 526, Rn. 11; vgl. aber [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 26. Aufl., § 526, Rn. 12; Musielak/Ball, ZPO, 5. Aufl., § 526 Rn. 9). Eine Aus-nahme von diesem Grundsatz kommt bei verfassungskonformer Auslegung von § 526 Abs. 3 ZPO nur unter den engen Voraussetzungen der Willkür in [X.], da in einem solchen Fall eine Verletzung des Anspruchs auf [X.] und damit ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gegeben wäre ([X.]/Schütze/[X.], aaO). Dies wird von der Revision nicht gel-tend gemacht und ist vorliegend auch nicht ersichtlich. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob ein Verstoß gegen § 526 Abs. 1 Nr. 4 ZPO durch [X.] geheilt werden kann (vgl. [X.] 147, 397, 400). 3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Berufung sei trotz der [X.] zur Klage zulässig, begegnet keinen Be-denken und wird von den Parteien im [X.] auch nicht mehr in Zweifel gezogen. 6 a) Wie sich schon aus § 520 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ergibt, muss der [X.]skläger die ihm nachteilige erstinstanzliche Entscheidung nicht in vollem Umfang seiner Beschwer angreifen. Er kann das Rechtsmittel auf abgrenzbare Teile beschränken. So kann die Anfechtung auf einen von mehreren [X.] - 6 - genständen, aber auch auf einen quantitativ abgegrenzten Teil des [X.] begrenzt werden ([X.]/[X.]/[X.], aaO, § 520, Rn. 29). Bei einander gegenüberstehenden Ansprüchen ist eine Beschränkung der Anfech-tung auf den einen oder anderen Anspruch zulässig, mag die Gegenforderung im Wege der Zurückbehaltung, der Aufrechnung oder der Widerklage geltend gemacht werden ([X.], Urteil vom 13. Juni 2001 - [X.]II ZR 294/99 - NJW-RR 2001, 1572 m.w.N.). Das gilt auch, wenn Gegenstand von Klage und Widerkla-ge Forderungen aus demselben Lebenssachverhalt wie z.B. einem Verkehrsun-fall sind. Dem steht nicht entgegen, dass bei einer [X.] die Entschei-dung über den nicht angegriffenen Teil in Rechtskraft erwächst, denn diese [X.] nicht den Rest der geltend gemachten Ansprüche. Nach § 322 Abs. 1 ZPO reicht die Rechtskraft eines Urteils so weit, als über den erhobenen (pro-zessualen) Anspruch entschieden ist. Sie beschränkt sich auf den unmittelba-ren Gegenstand des Urteils, d.h. auf die Rechtsfolge, die auf eine Klage oder Widerklage aufgrund eines bestimmten Sachverhalts bei Schluss der mündli-chen Verhandlung den Entscheidungssatz bildet. Einzelne Urteilselemente, tat-sächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen die getroffene Entscheidung aufbaut, werden dagegen von der Rechtskraft nicht erfasst ([X.] vom 5. Juli 1977 - [X.] ZR 268/75 - VersR 1978, 59 f.; [X.], Urteile vom 12. Dezember 1975 - [X.] - NJW 1976, 1095 und vom 17. Februar 1983 - [X.]/81 - NJW 1983, 2032). b) [X.] ein Urteil über zwei mit Klage und Widerklage geltend ge-machte gegenseitige Ansprüche aus einem Verkehrsunfall nur hinsichtlich eines dieser Ansprüche in Rechtskraft, tritt dadurch hinsichtlich des Gegenanspruchs keine Bindungswirkung ein. Bei der Entscheidung über den noch anhängigen Anspruch kann das Gericht, wenn es zu einer anderen Bewertung des [X.] gelangt, eine von der Begründung des früheren Urteils abwei-chende Entscheidung treffen. Das gilt insbesondere für die Bemessung der [X.] - 7 - tungsquote im Rahmen der gemäß §§ 254 Abs. 1 BGB, 17 Abs. 1 [X.] vorzu-nehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile. Dem steht nicht entgegen, dass bei der Gefahr einander widersprechender Entscheidun-gen ein Teilurteil gemäß § 301 Abs. 1 ZPO grundsätzlich auch dann nicht erge-hen dürfte, wenn es eine Frage entscheiden würde, die sich im weiteren Verfah-ren über einen anderen Anspruch noch einmal stellt, wenn es sich dabei nur um eine Vorfrage handelt, die nicht in Rechtskraft erwächst ([X.], Urteil vom 28. November 2002 - [X.]I ZR 270/01 - NJW-RR 2003, 303 f. m.w.N.). § 301 Abs. 1 ZPO regelt allein die Zulässigkeit gerichtlicher Entscheidungen. Aus die-ser Vorschrift lässt sich eine Beschränkung der Dispositionsbefugnis der [X.] (vgl. §§ 253, 308, 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) nicht herleiten. 4. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. 9 [X.] [X.]

[X.]

Pauge Zoll Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 21.03.2005 - 11 C 677/04 - [X.], Entscheidung vom 30.11.2005 - 3 S 40/05 -

Meta

VI ZR 4/06

12.12.2006

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2006, Az. VI ZR 4/06 (REWIS RS 2006, 321)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 321

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