Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.04.2010, Az. V ZB 38/10

5. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 7023

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Gegenstand

Rechtsanwaltsgebühr: Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in Kostenfestsetzungsverfahren in Altfällen


Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beklagten wird der Beschluss des 2. Zivilsenats des [X.] vom 12. Januar 2010 aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.] vom 8. Dezember 2009 abgeändert.

Die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten werden auf 7.959 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 29. Oktober 2009 festgesetzt.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Klägerin.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 2.044,90 €.

Gründe

I.

1

Nach Abweisung der Klage der Insolvenzverwalterin auf Rückübertragung eines von der Schuldnerin an die Beklagte verkauften Grundstücks hat diese am 28. Oktober 2009 bei dem [X.] einen [X.] gestellt, in dem sie - hier allein von Interesse - unter anderem eine 1,3fache Verfahrensgebühr nach § 13, Nr. 3100 VV [X.] in Ansatz gebracht hat. Auf Nachfrage der Rechtspflegerin teilte die Beklagte mit, dass für die außergerichtliche Tätigkeit ihrer Anwälte eine 1,3fache Geschäftsgebühr nach §§ 13, 14, Nr. 2300 VV [X.] entstanden sei.

2

In dem Kostenfestsetzungsbeschluss hat das [X.] die von der Klägerin zu erstattenden Kosten unter Abzug der zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr angerechneten Geschäftsgebühr (eines Betrags von 2.044,90 €) auf insgesamt 5.914,10 € [X.] Zinsen seit der Antragstellung festgesetzt.

3

Der von der Beklagten gegen diesen [X.]uss eingelegten sofortigen Beschwerde hat das [X.] nicht abgeholfen. Das [X.] hat das Rechtsmittel zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, dem [X.] auch hinsichtlich weiterer 2.044,90 € [X.] Zinsen stattzugeben.

II.

4

Das Beschwerdegericht meint, die Anrechnungsvorschrift der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV [X.] sei von dem [X.] zu Recht angewendet und die im Kostenfestsetzungsbeschluss anzusetzende Verfahrensgebühr entsprechend gekürzt worden.

5

Der durch Art. 7 des [X.] im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 ([X.] I 2010, 2449) eingefügte § 15a Abs. 2 [X.] sei gemäß dem in § 60 Abs. 1 [X.] bestimmten Grundsatz auf Altfälle nicht anzuwenden. Gegenstand der Festsetzung sei der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts gegen die von ihm vertretene [X.] und nicht ein Anspruch gegenüber dem Prozessgegner. § 15a Abs. 2 [X.] enthalte daher nicht nur eine Klarstellung, sondern eine Neuregelung, weil diese Vorschrift - nunmehr erstmals - bestimme, wann sich ein Dritter, wie beispielsweise der Gegner im Kostenfestsetzungsverfahren, auf eine Vorschrift über eine Anrechnung von Gebühren berufen könne.

III.

6

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen (§ 575 ZPO) zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

7

1. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV [X.], die durch die Tätigkeit des Anwalts in dem Rechtsstreit entstanden ist, ist in dem Verfahren der Kostenfestsetzung in voller Höhe in Ansatz zu bringen. Diese Gebühr ist bei der Kostenfestsetzung nicht auf Grund der Vorschrift in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV [X.] über die hälftige Anrechnung der wegen desselben Gegenstands entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV [X.] zu kürzen.

8

Die Vorschrift über die Anrechnung der Geschäftsgebühr betrifft das Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten und wirkt sich im Verhältnis zu [X.], also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, grundsätzlich nicht aus ([X.], [X.]. v. 2. September 2009, [X.], [X.], 3101, 3102; [X.]. v. 9. Dezember 2009, [X.], [X.], 456, 457). Die Anrechnung ist bei der Kostenerstattung nur dahingehend zu berücksichtigen, dass der Gegner nicht mehr zu zahlen hat, als die siegreiche [X.] ihrem Rechtsanwalt aus dem Mandatsverhältnis schuldet. Die Anrechnung findet daher im Rahmen der Kostenfestsetzung nur in den Fällen statt, die nunmehr in § 15a Abs. 2 [X.] gesetzlich geregelt worden sind.

9

§ 15a bestimmt den im Gesetz bisher nicht definierten Begriff der Anrechnung. Absatz 1 regelt die Folgen der Anrechnung im Innenverhältnis zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten. Absatz 2 betrifft die sich daraus ergebenden Wirkungen im Verhältnis zu [X.], die am Mandatsverhältnis nicht beteiligt sind (BT-Drucks. 16/12717, [X.]), und stellt klar, welche Rechtsfolgen in diesem Verhältnis eintreten, wenn nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 [X.]-VV eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 bis 2303 auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV [X.] anzurechnen ist. Zu dieser Klarstellung sah sich der Gesetzgeber wegen einer nach seiner Auffassung dem Zweck der Anrechnung widersprechenden Auslegung der Vorschrift über die Anrechnung nach einer Entscheidung des [X.]. Zivilsenats ([X.]. v. 22. Januar 2008, [X.] ZB 57/07, [X.], 1323, 1324) veranlasst (vgl. BT-Drucks. 16/12717, [X.]). Dies hat der [X.] Zivilsenat in dem [X.]uss vom 9. Dezember 2009, ([X.], [X.], 456 ff.) im Einzelnen dargelegt. Der erkennende Senat tritt dieser Auffassung bei.

Die von dem X. Zivilsenat ([X.]uss vom 29. September 2009, [X.], [X.], 76, 78) gegen dieses Verständnis der Gesetzesmaterialien zu § 15a [X.] vorgetragenen Bedenken teilt der Senat nicht. Der Wille des Gesetzgebers zu einer bloßen Klarstellung der Rechtslage kommt in den Materialien eindeutig zum Ausdruck, wenn in diesen erklärt wird, dass das Verständnis der Anrechnung in den im Vorjahr ergangenen Entscheidungen des [X.] den Auftraggeber benachteilige und das Kostenfestsetzungsverfahren zusätzlich belaste, was beides unmittelbar den Zwecken zuwider laufe, die der Gesetzgeber mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verfolgt habe (BT-Drucks 16/12717, [X.]). Da das davon abweichende Verständnis des § 15a [X.] als Gesetzesänderung für die Entscheidung des [X.] nicht tragend ist (aaO, 78), bedarf es keiner Vorlage der Rechtsfrage an den [X.] für Zivilsachen nach § 132 Abs. 2 Satz 1 GVG.

2. Der [X.]uss des [X.] ist wegen des Rechtsfehlers, auf dem er beruht, aufzuheben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.]s dahin abzuändern, dass die Verfahrensgebühr aus der Kostenrechnung in vollem Umfange berücksichtigt wird.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Festsetzung des [X.] für die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 3 ZPO.

Klein                                  Lemke                           Schmidt-Räntsch

               Stresemann                              Czub

Meta

V ZB 38/10

29.04.2010

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Celle, 12. Januar 2010, Az: 2 W 6/10, Beschluss

§ 15a RVG vom 30.07.2009, Teil 3 Vorbem 3 Abs 4 RVG-VV, Nr 2300 RVG-VV, Nr 3100 RVG-VV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.04.2010, Az. V ZB 38/10 (REWIS RS 2010, 7023)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7023

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