Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2008, Az. 2 StR 435/08

2. Strafsenat | REWIS RS 2008, 467

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 435/08 vom 3. Dezember 2008 in der Strafsache gegen wegen Mordes - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 3. Dezember 2008, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in am [X.] Dr. [X.], der [X.] am [X.] Prof. Dr. Fischer, die [X.]in am [X.] Roggenbuck, die [X.] am [X.] [X.], Prof. Dr. [X.], als beisitzende [X.], Staatsanwalt als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt als Vertreter der Nebenkläger , Rechtsanwältin als Vertreterin des [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 31. März 2008 im Ausspruch über die besondere Schwere der Schuld mit den zugehörigen [X.] aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkam-mer des [X.] zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Seine Revision führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Ausspruchs beson-ders schwerer Schuld; im Übrigen ist sie unbegründet. 1 1. Nach den Feststellungen des [X.] veranlasste der Angeklagte am Abend des 5. Juni 1987 die damals 5jährige [X.], die sich besuchsweise bei einer Familie im 4. Stockwerk des Hauses aufhielt, dessen Erdgeschoss-wohnung der Angeklagte bewohnte, auf unbekannte Weise dazu, seine Woh-nung zu betreten. Dort knebelte der Angeklagte das Kind und entkleidete es teilweise, um sexuelle Handlungen an ihm zu begehen. Hierbei drang er auch 2 - 4 - mit einem Finger oder einem Gegenstand in die Scheide des Mädchens ein. Als kurz darauf im Haus und der näheren Umgebung nach dem Kind gerufen und gesucht wurde, entschloss sich der Angeklagte, die Geschädigte zu töten, um den vorangegangenen sexuellen Missbrauch zu verdecken. Er erdrosselte das Kind mit einer um den Hals gelegten Paketschnur. Im Laufe der Nacht schaffte er die Leiche, die er in einem Wäschekorb verborgen hatte, trotz der inzwischen angelaufenen Suchaktion von Polizei und Feuerwehr aus der Wohnung zu sei-nem Gartenhaus in einer Kleingartenanlage; von dort trug er sie zum nahe ge-legenen [X.] und warf sie in der Nähe einer Schleuse in einen Kanal. Dort wurde die Leiche am 14. Juni 1987 gefunden. Der Angeklagte wurde zunächst als Zeuge befragt und am 20. Juni 1987 als Beschuldigter vernommen; das Verfahren gegen ihn wurde 1990 gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Im Oktober 2006 wurde es wieder aufgenom-men, nachdem neue DNA-Untersuchungen des Spurenmaterials an dem zur Knebelung verwendeten Heftpflaster sowie an der Kleidung des [X.] und neue Untersuchungen der aufgefundenen Faserspuren durchgeführt worden waren. 3 2. Das [X.] hat seine Überzeugung von der Täterschaft des [X.], der die Tat bestritten hat, wesentlich auf die Ergebnisse der [X.] zu den am Opfer sowie in den Räumlichkeiten des [X.] aufgefundenen DNA- und Faserspuren gestützt. Das Tötungsmotiv der Verdeckungsabsicht hat das [X.] im Wesentlichen aus den rechts-medizinischen Befunden abgeleitet; danach war das Tatopfer vor der Tötung sexuell missbraucht und geknebelt worden ([X.]). 4 Neben der Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe gem. § 211 StGB hat das [X.] die besondere Schwere der Schuld gem. § 57 a 5 - 5 - Abs. 1 Nr. 2 StGB festgestellt. Die zugrunde liegende Abwägung hat der [X.] auf folgende Erwägungen gestützt: Für den Angeklagten spreche, dass er nicht vorbestraft sei, dass beson-dere Haftempfindlichkeit wegen seines Alters von nunmehr 64 Jahren bestehe und dass die Tat schon mehr als 20 Jahre zurückliege. Gegen ihn spreche, das dem [X.] eine sehr schwerwiegende Anlasstat, nämlich der ([X.]) sexuelle Missbrauch gem. § 176 Abs. 1 und 3 a.F. StGB zugrunde gele-gen habe; dass er mit großer krimineller Energie vorgegangen sei, da er das Opfer geknebelt habe; dass die Tatausführung besonders brutal gewesen sei, "indem der Angeklagte der kleinen T. die Paketschnur insgesamt achtmal um den kleinen Hals gewickelt hatte und erbarmungslos mit [X.] zuzog, bis das Mädchen erstickt war" ([X.]); schließlich das Nachtatverhalten, in dem erhebliche kriminelle Energie zum Ausdruck komme, "indem er die Leiche des Mädchens fest verpackte und verschnürte, damit er sie in einem Wäschekorb unbemerkt aus seiner Wohnung transportieren konnte, um sie anschließend im [X.]kanal zu versenken" ([X.] f.). 6 3. [X.] und der Strafausspruch sind rechtsfehlerfrei. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen sind aus den vom Generalbun-desanwalt schon in seiner Zuschrift an den Senat dargelegten Gründen unzu-lässig; sie wären auch in der Sache offensichtlich unbegründet. Auch die Sach-rüge hat insoweit keinen Erfolg; die Beweiswürdigung des [X.] weist Rechtsfehler nicht auf. 7 4. Dagegen hält die Feststellung besonderer Schwere der Schuld der rechtlichen Prüfung nicht stand. Eine solche Feststellung setzt nach der Recht-sprechung des [X.] voraus, dass das gesamte Tatbild ein-schließlich der Täterpersönlichkeit von den erfahrungsgemäß gewöhnlich vor-8 - 6 - kommenden Mordfällen so sehr abweicht, dass eine Strafaussetzung der [X.] Freiheitsstrafe nach 15 Jahren auch bei dann günstiger Täterprog-nose unangemessen wäre ([X.]St 39, 121, 122; vgl. auch [X.]St 40, 360, 370; [X.], [X.]R StGB § 57a Abs. 1 Schuldschwere 6). Ein solches über die Erfül-lung des Mordtatbestands wesentlich hinausgehendes Maß von [X.] ist nach den bisherigen Feststellungen auch unter Berücksichtigung des Umstands nicht rechtsfehlerfrei begründet, dass dem Revisionsgericht nur ein einge-schränkter Überprüfungsrahmen eröffnet ist (vgl. [X.]St 41, 57, 62). Aus dem Umstand, dass dem Tatopfer die zur Tötung verwendete [X.] mehrmals um den Hals gelegt war, lässt sich der Vorwurf besonders großer krimineller Energie nicht ohne Weiteres ableiten. Die Erwägung, der An-geklagte habe "erbarmungslos mit [X.] zugezogen, bis das Mädchen erstickt war" ([X.]), begegnet im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB Bedenken (vgl. [X.] NStZ-RR 2001, 296; [X.] Aufl. § 57a [X.]. 11). Es ist damit nicht mehr beschrieben als die Erfüllung des Tatbestands mit direktem Vorsatz. Ein besonderer schulderschwerender Gesichtspunkt ergibt sich auch nicht daraus, dass der Angeklagte die Leiche des Kindes aus seiner Wohnung fortschaffte und in dem Kanal versenkte, um eine Entdeckung zu verhindern. Er ist insoweit nicht über Maßnahmen der Sicherung und Verschleierung hinaus-gegangen. Im Hinblick auf die zugunsten des Angeklagten angeführten Um-stände, namentlich auch sein Lebensalter und den sich daraus ergebenden frü-hestmöglichen Aussetzungszeitpunkt gem. § 57 a Abs. 1 Nr. 1 StGB, sind das Gewicht der durch die Tötung verdeckten [X.], zu welcher Einzelhei-ten nicht festgestellt werden konnten, und der Umstand, dass das Tatopfer ge-knebelt wurde, für sich allein zur Begründung besonders schwerer Schuld nicht ausreichend. Der Ausspruch war daher aufzuheben. 9 5. Der Senat sieht Anlass zu folgendem Hinweis: 10 - 7 - Die schriftlichen Gründe eines Strafurteils sollten, namentlich auch bei der Schilderung des Tatgeschehens, um eine sachliche und objektive [X.] bemüht sein. Ein literarischer oder journalistischer Stil der Darstellung ist möglichst zu vermeiden (vgl. auch [X.]/[X.], [X.] in [X.], 28. Aufl. [X.]. 240). Gefühlsbetonte oder moralisch wertende Beschrei-bungen sollten unterbleiben, denn sie können den Anschein nahe legen, das Gericht habe das Urteil nicht in ruhiger und sachlicher Erwägung gefunden, sondern sich auch von Emotionen oder Empörung leiten lassen. 11 Vermieden werden sollten Wiedergaben mutmaßlicher Gedanken oder Motivationen von Tatbeteiligten, die den Eindruck von (direkten oder indirekten) Zitaten erwecken. Sie beruhen auf Spekulationen, wenn sie sich nicht aus-nahmsweise auf glaubhafte Aussagen stützen können, und sind auch dann für die Feststellung des Geschehens in der Regel überflüssig. Der Angeklagte hat die Tat bestritten; Zeugen des Tatgeschehens gab es nicht. Daher ist die [X.]: "Für ihn war sie das ideale Sexualobjekt" ([X.]), ersichtlich speku-lativ; ebenso die Formulierung seiner angeblichen Erwägung: "An ihr würde er seine aufgestauten Triebe hemmungslos abreagieren können", sowie die [X.]: "Als die kleine T. nun erneut an seiner Wohnung vorbei–ging, erkann-te der Angeklagte sofort, dass sich ihm jetzt die günstige Gelegenheit bot, seine 12 - 8 - sexuellen Phantasien in die Tat umzusetzen" ([X.]). Feststellungen solcher Art, die sich aus den verwerteten Beweismitteln nicht ergeben konnten, sind überflüssig und gefährden wegen ihres spekulativen Charakters den Bestand des Urteils. [X.] Roggenbuck

[X.] [X.]

Meta

2 StR 435/08

03.12.2008

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2008, Az. 2 StR 435/08 (REWIS RS 2008, 467)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 467

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