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PDF anzeigenECLI:DE:BGH:2017:280917B4STR240.17.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 240/17
vom
28. September
2017
BGHSt:
ja (zu I)
BGHR:
ja (zu I)
Nachschlagewerk:
ja (zu I)
Veröffentlichung:
ja (zu I)
GVG § 171b Abs. 3 Satz 2
Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG ist die Öf-fentlichkeit zwingend für die Schlussvorträge aller Verfahrensbeteiligten auszu-schließen.
BGH, Beschluss vom 28. September 2017
4 StR 240/17
LG Bielefeld
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-desanwalts und des Beschwerdeführers am 28.
September 2017
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts Bielefeld vom 6.
Dezember 2016 aufgehoben in den Aussprüchen über
a)
die Einzelstrafe im Fall
II.
1 der Urteilsgründe; jedoch haben die zugehörigen Feststellungen Bestand;
b)
die Gesamtstrafe und
c)
die Dauer des Vorwegvollzugs mit den jeweils zugehöri-gen Feststellungen.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-verwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Ver-gewaltigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, sowie wegen Vergewaltigung und wegen gefährlicher Kör-perverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Mona-1
-
3
-
ten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mit der Maßgabe angeordnet, dass drei Jahre und drei Monate der verhängten Strafe vor der Maßregel zu vollziehen sind, und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Ge-gen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Ver-letzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es un-begründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
I.
Die Verfahrensbeanstandungen bleiben ohne Erfolg. Näherer Erörterung bedarf lediglich die Rüge nach §
338 Nr.
6 StPO in Verbindung mit §§
169, 171b GVG. Die Revision sieht einen Verstoß gegen den Grundsatz der Öffent-lichkeit darin, dass der Schlussantrag des Vertreters des Nebenklägers Z.
in einem nicht öffentlichen Teil der Hauptverhandlung angebracht wurde.
1.
Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Die Staatsanwaltschaft hatte die zur Verurteilung gelangten Vergewalti-gungstaten zum Nachteil der Nebenklägerinnen F.
und S.
einerseits
und die ebenfalls zur Verurteilung gelangte gefährliche Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers Z.
andererseits gesondert angeklagt. Das
Landgericht hat beide Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entschei-dung verbunden und die Geschädigten F.
, S.
und Z.
wegen der
zu ihrem Nachteil begangenen Taten zur Nebenklage zugelassen.
2
3
4
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4
-
In der Hauptverhandlung hat das Landgericht die
Nebenklägerinnen F.
und S.
unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemäß §
171b Abs.
1
Satz
1 GVG und den Nebenkläger Z.
in öffentlicher Verhandlung vernom-
men. Für die Schlussplädoyers aller Verfahrensbeteiligten hat der Vorsitzende gemäß §
171b Abs.
3 Satz
2 GVG den Ausschluss der Öffentlichkeit angeord-net.
2.
Die Rüge ist zulässig. Sie ist insbesondere nicht nach §
171b Abs.
5 GVG ausgeschlossen. Gemäß §
171b Abs.
5 GVG in Verbindung mit §
336 Satz
2 StPO ist die gerichtliche Entscheidung darüber der revisionsgerichtlichen Kontrolle entzogen, ob die in §
171b Abs.
1 bis 4 GVG normierten tatbestand-lichen Voraussetzungen für einen Ausschluss der Öffentlichkeit im Einzelfall vorliegen. Dies steht jedoch einer Überprüfung der Frage, ob eine generelle Befugnis bestand, die Öffentlichkeit während eines bestimmten Verfahrensab-schnitts
auszuschließen, nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 21.
Juni 2012
4
StR
623/11, BGHSt
57, 273, 275 [zu §
171b Abs.
3 GVG
aF]; Beschlüsse vom 7.
Dezember 2016
1
StR
487/16, StV 2017, 369; vom 12.
November 2015
2
StR
311/15, NStZ 2016, 180; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60.
Aufl., §
171b GVG Rn.
16).
3.
Die Rüge ist jedoch nicht begründet. Die Entscheidung, für die Dauer der Schlussvorträge aller Verfahrensbeteiligten den Ausschluss der Öffentlich-keit anzuordnen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Rechtmäßigkeit der Anordnung ergibt sich aus §
171b Abs.
3 Satz
2 GVG.
Nach dieser Vorschrift ist die Öffentlichkeit für die Schlussanträge in Ver-fahren wegen der in §
171b Abs.
2 GVG genannten Straftaten auszuschließen, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen des §
171b Abs.
1 oder 2 5
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5
-
GVG oder des §
172 Nr.
4 GVG ganz oder zum Teil unter Ausschluss der
Öffentlichkeit stattfand.
Dies war hier der Fall. Denn für die Dauer der Vernehmungen der Ne-benklägerinnen F.
und S.
fand die Verhandlung gemäß §
171b
Abs.
1 Satz
1 GVG unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Zudem handelte es sich um ein Verfahren wegen der in §
171b Abs.
2 GVG genannten Straftaten.
a)
Der Annahme der Voraussetzungen des §
171b Abs.
3 Satz
2 GVG steht zunächst nicht entgegen, dass die Vergewaltigungstaten zum Nachteil der Nebenklägerinnen F.
und S.
einerseits und die gefährliche Körper-
verletzung zum Nachteil des Nebenklägers Z.
andererseits ursprünglich
gesondert angeklagt waren. Denn die durch Beschluss des Landgerichts vom 3.
Juni 2016 erfolgte Verbindung beider Strafsachen zu gemeinsamer Verhand-lung und Entscheidung gemäß §
4 Abs.
1 StPO hatte ihre Verschmelzung zu einem einheitlichen Verfahren zur Folge (vgl. BGH, Urteil vom 18.
Januar 1990
4
StR
616/89, BGHSt 36, 348, 349; KK-StPO/Scheuten, 7.
Aufl., §
4 Rn.
11; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, §
5 Rn.
1).
b)
Der Verfahrensweise nach §
171b Abs.
3 Satz
2 GVG bezüglich aller Schlussanträge steht ebenfalls nicht entgegen, dass nur die zum Nachteil der Nebenklägerinnen F.
und S.
begangenen Vergewaltigungen, nicht
aber auch die zum Nachteil des Nebenklägers Z.
verübte gefährliche Kör-
perverletzung Straftaten im Sinne des §
171b Abs.
2 GVG sind.
Denn die Vorschrift des §
171b Abs.
3 Satz
2 GVG geht von einem ein-heitlichen und unteilbaren Verfahrensbegriff aus. Eine Differenzierung nach dem Inhalt und dem prozessualen Bezug der Schlussvorträge sowie nach der 9
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11
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6
-
prozessualen Stellung des jeweiligen Verfahrensbeteiligten sieht sie nicht vor. Daher ist, sofern die Voraussetzungen des §
171b Abs.
3 Satz
2 GVG erfüllt sind, die Öffentlichkeit zwingend für die Schlussvorträge aller
Verfahrensbetei-ligten auszuschließen. Dafür sprechen nicht nur der Wortlaut der Vorschrift so-wie ihr Sinn und Zweck, sondern auch die Wahrung der Interessen weiterer Nebenkläger und der Wille des Gesetzgebers, den Öffentlichkeitsausschluss nach dieser Vorschrift praktikabel auszugestalten. Im Einzelnen:
(aa)
Bereits der Wortlaut des §
171b Abs.
3 Satz
2 GVG steht einem Verständnis der Vorschrift dahingehend, dass für den Ausschluss der Öffent-lichkeit für die Schlussvorträge zwischen den einzelnen Verfahrensbeteiligten zu differenzieren wäre, entgegen. Eine derartige Einschränkung lässt sich dem Hiernach genügt es vielmehr, dass jedenfalls eine verfahrensgegenständliche Tat eine solche im Sinne des §
171b Abs.
2 GVG ist.
(bb)
Auch Sinn und Zweck des §
171b
Abs.
3 Satz
2 GVG gebieten es, dass bei Anwendung dieser Vorschrift nicht zwischen den Schlussvorträgen der einzelnen Verfahrensbeteiligten zu differenzieren ist.
Der
Ausschluss der Öffentlichkeit gemäß §
171b GVG dient dem Schutz der Persönlichkeitssphäre der Verfahrensbeteiligten, Zeugen und Verletzten. Umstände aus ihrem persönlichen Lebensbereich, insbesondere aus dem Se-xualbereich, sollen in der Regel nicht öffentlich erörtert werden müssen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7.
Dezember 2016
1
StR
487/16, StV 2017, 369; vom 12.
November 2015
2
StR
311/15, NStZ 2016, 180, 181; vom 17.
September 2014
1
StR
212/14, NStZ 2015, 181); das Öffentlichkeitsprinzip tritt insoweit hinter den verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf Achtung der Pri-13
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15
-
7
-
vatsphäre zurück (vgl. BT-Drucks. 10/5305, S.
22
f.; KK-StPO/Diemer, aaO, §
171b GVG Rn.
1; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, §
171b GVG Rn.
1).
Als besondere Ausprägung des Schutzzwecks des §
171b GVG soll die Regelung in Abs.
3 Satz
2 verhindern, dass Umstände, für deren Erörterung die Öffentlichkeit während des bisherigen Verlaufs der Hauptverhandlung ausge-schlossen war, bei den Schlussvorträgen
in denen typischerweise der Inhalt der Hauptverhandlung, mithin auch die den persönlichen Lebensbereich eines Verfahrensbeteiligten oder Zeugen betreffenden Umstände, erneut aufgerollt werden
gleichwohl öffentlich zur Sprache kommen (vgl. BT-Drucks. 17/12735, S.
17
f.; BGH, Beschluss vom 7.
Dezember 2016
1
StR
487/16, StV 2017, 369, 370; Krauß in Löwe/Rosenberg, StPO, 26.
Aufl., §
171b GVG Nachtr. Rn.
13; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, §
171b GVG Rn.
12).
Diese Gefahr bestünde jedoch, wenn der Schlussvortrag eines Verfah-rensbeteiligten, dessen Anschlussberechtigung sich aus anderen als den in §
171b Abs.
2 GVG genannten Straftaten ergibt
wie dies hier für den Neben-kläger Z.
der Fall ist
, in öffentlicher Verhandlung stattfände. Denn es
steht jedem Verfahrensbeteiligten frei, sich in seinem Schlussvortrag auf den gesamten Inhalt der Beweisaufnahme und damit auch auf andere Taten als die-jenigen, die ausschließlich ihn selbst betreffen, zu beziehen und zu ihnen Stel-lung zu nehmen. Er kann insoweit insbesondere auch solche Umstände erör-tern, die die Persönlichkeitsrechte anderer Verfahrensbeteiligter, Zeugen und Verletzter berühren und derentwegen die Öffentlichkeit während des bisherigen Verlaufs der Hauptverhandlung zumindest zeitweise ausgeschlossen war. Durch seinen Schlussvortrag könnten diese Umstände
entgegen dem durch §
171b GVG bezweckten Schutz der Persönlichkeitssphäre
letztlich doch in 16
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8
-
öffentlicher Verhandlung zur Sprache kommen, wenn nicht während der Dauer sämtlicher Schlussvorträge die Öffentlichkeit ausgeschlossen wäre.
Dies gilt erst recht, wenn
wie im vorliegenden Fall
durchaus Zusam-menhänge zwischen den Taten nach §
171b Abs.
2 GVG und den nicht den Katalog dieser Vorschriften betreffenden Taten bestehen.
(cc)
Nicht zuletzt aus diesem Grund trägt dieses Verständnis des §
171b Abs.
3 Satz
2 GVG auch den Interessen derjenigen Nebenkläger Rechnung, deren eigene Anschlussberechtigung sich nicht aus einer der in §
171b Abs.
2 GVG genannten Straftaten ergibt. Denn wenn diese Nebenkläger bzw. Neben-klägervertreter ihre Schlussvorträge in öffentlicher Verhandlung halten müssten, wäre zu besorgen, dass sie
in dem Bestreben, die zuvor nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit erörterten Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich anderer Verfahrensbeteiligter nunmehr nicht ihrerseits öffentlich zu erörtern
im auszuschöpfenden Verfahrensstoff eingeschränkt sein könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 7.
Dezember 2016
1
StR
487/16, StV 2017, 369, 370 für die entsprechende Situation beim Angeklagten).
(dd)
Schließlich steht die Auslegung, dass im Rahmen des §
171b Abs.
3 Satz
2 GVG nicht nach den Schlussvorträgen der einzelnen Verfahrensbetei-ligten oder nach dem Prozessstoff zu differenzieren ist, auch im Einklang mit dem aus den Gesetzesmaterialien ersichtlichen Willen des Gesetzgebers, eine praktikable Handhabung des Öffentlichkeitsausschlusses nach dieser Vorschrift sicherzustellen. So wurde im Gesetzgebungsverfahren von einer Beschränkung des Öffentlichkeitsausschlusses auf diejenigen Abschnitte der Schlussvorträge, die
sich mit den nicht öffentlichen Teilen der Hauptverhandlung befassen, be-18
19
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9
-
wusst Abstand genommen, da eine solche Teilung als praktisch nicht durch-führbar erachtet wurde (vgl. BT-Drucks. 17/12735, S.
18).
Dies gilt auch für die Schlussvorträge derjenigen Verfahrensbeteiligten, deren Anschlussberechtigung sich aus anderen als den in §
171b Abs.
2 GVG genannten Straftaten ergibt. Denn auch sie können sich, wie bereits ausgeführt, in ihren Schlussvorträgen auf den gesamten Inhalt der Beweisaufnahme und insbesondere auch auf solche Umstände beziehen, für deren Erörterung zuvor zum Zwecke des Schutzes der Persönlichkeitssphäre von Verfahrensbeteilig-ten, Verletzten oder Zeugen die Öffentlichkeit ausgeschlossen war. Innerhalb ihrer Schlussvorträge müsste daher
je nachdem, ob Umstände angesprochen werden sollen, die zuvor (auch oder ausschließlich) in einem nicht öffentlichen Teil der Hauptverhandlung erörtert wurden
die Öffentlichkeit abwechselnd
ausgeschlossen und wiederhergestellt werden. Eine solche Teilung
die auch den Schlussvortrag des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft beträfe
hat der Gesetzgeber zurecht als nicht praktikabel angesehen; sie würde nicht nur dazu führen, dass ein einheitlicher Schlussvortrag
gegebenenfalls mehrfach
unterbrochen werden müsste, um zunächst eine Entscheidung über einen Aus-schluss der Öffentlichkeit herbeizuführen, sodann die Öffentlichkeit auszuschlie-ßen und sie schließlich wiederherzustellen, sondern wäre zudem in hohem Ma-ße fehleranfällig.
II.
Die Revision hat hingegen mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
1.
Die im Fall
II.
1 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe von fünf Jah-ren Freiheitsstrafe hat keinen Bestand. Das Landgericht hat sowohl bei der 21
22
23
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10
-
Strafrahmenwahl als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinn zulasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er die Straftat unter laufender Bewährung begangen habe (UA S.
61
f.). Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Strafkammer hat festgestellt, dass der Angeklagte diese Tat
eine besonders schwere Vergewaltigung gemäß §
177 Abs.
1 Nr.
2, Abs.
4 Nr.
1 StGB
aF
(UA
S.
24). Zu diesem Zeitpunkt stand der Angeklagte nicht mehr und auch noch nicht wieder unter Bewährung. Denn die zur Bewährung ausgesetzte Stra-fe aus dem Urteil des Amtsgerichts Herford vom 24.
März 2010 war mit Wirkung vom 16.
April 2012 erlassen worden, weitere Verurteilungen aus den Jahren 2013 und 2014 betrafen lediglich Geldstrafen und das Urteil des Amtsgerichts Gütersloh vom 17.
Juni 2015, durch das der Angeklagte zu zwei zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt wurde, lag
wovon aufgrund des nicht genau feststellbaren Tatzeitpunkts zugunsten des Angeklagten ausge-gangen werden muss
zeitlich erst nach dieser Tat.
Zwar hat das Landgericht bei der Strafrahmenwahl einen minder schwe-ren Fall gemäß §
177 Abs.
5 StGB
aF angenommen, so dass insoweit auszu-schließen ist, dass die Strafrahmenwahl auf der fehlerhaften Strafzumessungs-erwägung beruht. Für die Strafzumessung im engeren Sinne kann der Senat hingegen nicht ausschließen, dass sich die fehlerhafte Strafzumessungserwä-gung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
Der zur Aufhebung des Strafausspruchs für diese Tat führende Wer-tungsfehler betrifft die hierzu getroffenen Feststellungen nicht; diese können bestehen bleiben (§
353 Abs.
2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
24
25
26
-
11
-
2.
Die Aufhebung der Einzelstrafe zieht
die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, die Bildung der Ge-samtstrafe unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Tat zu
II.
1 der
Urteilsgründe vor dem Urteil des Amtsgerichts Gütersloh vom 17.
Juni 2015 begangen wurde, und unter Beachtung des Verschlechterungsverbots des §
358 Abs.
2 Satz
1 StPO richtig zu fassen.
3.
Bereits mit der Aufhebung der Gesamtstrafe entfällt ferner der Aus-spruch über die Dauer des Vorwegvollzugs. Dieser weist allerdings auch für sich genommen einen Rechtsfehler auf.
a)
Das Landgericht hat den vor der Unterbringung des Angeklagten in
einer Entziehungsanstalt (§
64 StGB) zu vollstreckenden Teil der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten mit drei Jahren und drei Monaten bemessen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich inso-weit am Halbstrafenzeitpunkt und der voraussichtlichen Dauer der Unterbrin-gung, die mit zwei Jahren zu beziffern sei, orientiert habe (UA S.
72).
b)
Die dieser Berechnung zugrunde liegende Annahme einer zweijähri-gen Unterbringungsdauer lässt sich nicht damit in Einklang bringen, dass sich die Strafkammer ausdrücklich den Ausführungen
des von ihr angehörten psy-chiatrischen Sachverständigen angeschlossen hat, der mit Blick auf das Alter des Angeklagten und dessen langjährige Betäubungsmittelabhängigkeit einen Therapiezeitraum von zwei bis drei Jahren als für die Erreichung eines Thera-pieerfolges notwendig bezeichnet hat (UA S.
72).
c)
Der Senat kann nicht ausschließen, dass
der Angeklagte durch die Zugrundelegung einer lediglich zweijährigen Unterbringungsdauer im Hinblick 27
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auf die Bemessung der Dauer des Vorwegvollzugs beschwert ist. Denn bei
einer voraussichtlichen Therapiedauer von mehr als zwei Jahren
nach der seit dem
1.
August 2016 geltenden Fassung von §
64 Satz
2 StGB ist die Unter-bringung in einer Entziehungsanstalt nicht mehr von vornherein auf zwei Jahre beschränkt, sondern kann auch dann angeordnet werden, wenn ausnahmswei-se eine notwendige Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren zu prognosti-zieren ist (vgl. BT-Drucks. 18/7244, S.
1 f., 24
f.; BGH, Beschlüsse vom 14.
Ju-ni
2017
3
StR
97/17, NStZ-RR 2017, 310; vom 4.
Mai 2017
2
StR
570/16, StraFo 2017, 245, 246)
würde sich die Dauer des Vorwegvollzugs der Strafe entsprechend verringern.
Über die voraussichtliche Dauer der Therapiemaßnahme sowie die Dau-er des Vorwegvollzugs ist deshalb
wiederum unter Hinzuziehung eines Sach-verständigen (§
246a StPO)
erneut zu befinden.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke
Quentin
Feilcke
32
Meta
28.09.2017
Bundesgerichtshof 4. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2017, Az. 4 StR 240/17 (REWIS RS 2017, 4595)
Papierfundstellen: REWIS RS 2017, 4595
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
4 StR 240/17 (Bundesgerichtshof)
Strafverfahren: Ausschluss der Öffentlichkeit für die Schlussvorträger aller Verfahrensbeteiligten
5 RVs 21/19 (Oberlandesgericht Hamm)
1 StR 86/20 (Bundesgerichtshof)
Hauptverhandlung in Strafsachen: Zwingender Ausschluss der Öffentlichkeit während der Schlussvorträge und des letzten Wortes des …
4 StR 605/18 (Bundesgerichtshof)
Strafverfahren: Ausschluss der Öffentlichkeit für die Schlussvorträge; Fehlen des den Öffentlichkeitsausschluss anordnenden Gerichtsbeschlusses
3 StR 613/19 (Bundesgerichtshof)
Hauptverhandlung in Strafsachen: Ausschluss der Öffentlichkeit während der Schlussvorträge von Mitangeklagten