Verwaltungsgericht Halle, Beschluss vom 22.05.2018, Az. 8 B 397/18

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Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Gründe

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Die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i.V.m. §§ 114, 115 der Zivilprozessordnung - ZPO -. Der Antrag war abzulehnen, da die Rechtsverfolgung aus den nachfolgend dargestellten Gründen nicht die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

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Der von der Antragstellerin am 30. April 2018 gestellte Antrag,

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den Antragsgegner zu verpflichten, dem Unterhaltungsverband Mulde bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren eine naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für die Entfernung aller Biberdämme (Nahrungs- und Wohndämme) in den Biberrevieren "4341-02 H. E." und "4341-02 Forstgraben E." im Bereich des gesamten F. und des H. im Bereich zwischen der Einmündung des F. und dem E.teich zu erteilen,

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hat keinen Erfolg.

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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder drohender Gewalt oder aus sonstigen Gründen nötig erscheint. § 123 Abs. 1 VwGO setzt damit sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) als auch einen sicherungsfähigen Anspruch (Anordnungsanspruch) voraus. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die besondere Eilbedürftigkeit - also für den Anordnungsgrund - und für das Bestehen eines zu sichernden Rechts - also für den Anordnungsanspruch - sind glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, da die Antragstellerin das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für einen ihr aus § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 15. September 2017 (BGBl. I S. 3434), gegen den Antragsgegner zustehenden Anspruch darauf, dem Unterhaltungsverband Mulde eine Genehmigung für das Entfernen der antragsgegenständlichen Biberdämme zu erteilen, nicht glaubhaft machen konnte.

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Ein Anordnungsanspruch steht der Antragstellerin nicht zu. Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat das Begehren der Antragstellerin in der Hauptsache keine überwiegenden Erfolgsaussichten, da ihr unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch darauf zusteht, dass einem Dritten - hier dem Unterhaltungsverband Mulde - eine artenschutzrechtliche Genehmigung erteilt wird.

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Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG. Nach dieser Vorschrift können die nach Landesrecht zuständigen Behörden von den Verboten des § 44 BNatSchG im Einzelfall Ausnahmen zulassen. Bei der Schaffung dieser Regelung ist der Gesetzgeber von dem Regelfall ausgegangen, dass eine Genehmigung von demjenigen zu beantragen ist, dem die mit der Genehmigung begehrte Rechtsposition - hier die Erlaubnis zur Durchführung von nach § 44 BNatSchG verbotenen Handlungen - zustehen soll. Hieraus folgt, dass der Antragsteller beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 BNatSchG gegen die zuständige Behörde lediglich einen Anspruch darauf hat, dass ihm selbst die Durchführung der beantragten Maßnahmen erlaubt wird. Dass der Gesetzgeber den Antragstellern darüber hinaus auch einen Anspruch darauf gewähren wollte, dass einer vom Antragsteller verschiedenen Person die Durchführung der beantragten Maßnahmen gestattet wird - wie ihn die Antragstellerin vorliegend geltend macht -, ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 45 Abs. 7 BNatSchG, noch aus dessen Sinn und Zweck. Letzterer besteht darin, die Abwendung von Schäden an den in § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG aufgezählten Schutzgütern zu ermöglichen, wozu auch die im vorliegenden Fall allein einschlägige Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden für einzelne Gewerbebetriebe oder Eigentumsgegenstände (§ 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG) gehört (vgl. Gellermann in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), Umweltrecht, Loseblatt, Stand: Juli 2017, § 45 BNatSchG, Rn. 20). Dieser Schutzzweck kann vollständig dadurch erreicht werden, dass den von den wirtschaftlichen Schäden betroffenen Antragstellern - hier der Antragstellerin - ein Anspruch gegen die Genehmigungsbehörde auf Erteilung einer Genehmigung, die den Antragstellern selbst die Durchführung der beantragten Maßnahmen gestattet, gewährt werden kann. Eines darüber hinausgehenden Anspruchs des Betroffenen darauf, Dritten die Durchführung der zur Abwendung des Schadens erforderlichen Maßnahmen zu gestatten, bedarf es zur Erreichung des Normzwecks nicht, zumal in einem solchen Falle der begünstigte Dritte nicht verpflichtet wäre, von einer erteilten Genehmigung auch Gebrauch zu machen.

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Auch die verfassungskonforme Auslegung von § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG führt zu keinem anderen Ergebnis. Weder der Schutz des Eigentums aus Art. 14 Abs. 1 GG, noch der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs erfordern es, dass einem von Schäden im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG Betroffenen ein Recht darauf eingeräumt wird, in eigenem Namen eine Genehmigung zu beantragen, die dem (mit dem Betroffenen nicht identischen) Grundstückseigentümer oder Unterhaltsverpflichteten die Durchführung der hierzu erforderlichen Maßnahmen gestattet. Die genannten Grundrechte schützen deren Träger vor rechtwidrigen hoheitlichen Eingriffen, indem sie dem Grundrechtsträger den Anspruch geben, von dem Hoheitsträger, dem die rechtswidrigen Eingriffe zuzurechnen sind, die Unterlassung eines drohenden Eingriffs und die Beseitigung der rechtswidrigen Folgen eines bereits erfolgten Eingriffs zu verlangen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 1993 - 4 C 24.91 -, juris, Rn. 23 f., m.w.N. = BVerwGE 94, 100). Ein solcher Folgenbeseitigungsanspruch kann der Antragstellerin aber nicht gegenüber dem Antragsgegner zustehen. Sollte - was hier aber nicht zu prüfen ist - ihr ein Folgebeseitigungsanspruch gegenüber dem Unterhaltungsverband Mulde zustehen, würde er jedenfalls nicht das Recht beinhalten an der Stelle als Unterhaltungsverbands Genehmigungen zu beantragen.

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Damit kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Behauptung der Antragstellerin tatsächlich zutrifft, dass die Schäden an ihren Brennöfen ursächlich auf den durch die verfahrensgegenständlichen Biberdämme verursachten geringeren Wasserabfluss im Forstgraben und im Hammerbach zurückzuführen sind. Ebenso kann offen bleiben, ob die Antragstellerin - die Kausalität zwischen den Biberdämmen und der Grundstücksvernässung unterstellt - über einen (Folgen)Beseitigungsanspruch verfügt oder sie sich hier die Belegenheit des Grundstücks entgegen halten lassen müsste.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Dabei entspricht es der wirtschaftlichen Bedeutung des Antrags für die Antragstellerin, den Weiterbetrieb ihres Gewerbebetriebs zu sichern, den Streitwert in der Höhe festzusetzen, der regelmäßig auch in anderen Angelegenheiten, die auf den Weiterbetrieb eines Gewerbes gerichtet sind, angenommen wird (vgl. hierzu u.a. Nr. 54.1., Nr. 54.2.1 und Nr. 54.3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen, abgedruckt in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, Anh. zu § 164 Rn. 14). Von der Möglichkeit, den Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren, hat die Kammer abgesehen, da der verfahrensgegenständliche Antrag auf die Ermöglichung eines dauerhaften Eingriffs in den Lebensraum der Biber und damit auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).


Meta

8 B 397/18

22.05.2018

Verwaltungsgericht Halle

Beschluss

Zitier­vorschlag: Verwaltungsgericht Halle, Beschluss vom 22.05.2018, Az. 8 B 397/18 (REWIS RS 2018, 8819)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8819

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