Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2007, Az. 3 StR 486/06

3. Strafsenat | REWIS RS 2007, 4726

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 [X.] vom 15. März 2007 Nachschlagewerk ja [X.]St: ja Veröffentlichung: ja _________________ StGB § 86 a Abs. 1 Der Gebrauch des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation in einer Darstellung, deren Inhalt in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt, läuft dem Schutzzweck des § 86 a StGB ersichtlich nicht zuwider und wird daher vom Tatbe-stand der Vorschrift nicht erfasst. [X.], [X.]. vom 15. März 2007 - 3 [X.] - [X.] in der Strafsache gegen wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat auf Grund der Verhandlung vom 8. März 2007 in der Sitzung am 15. März 2007, an denen teilgenommen haben: [X.] am [X.] [X.]als Vorsitzender, die [X.] am [X.] [X.], [X.], [X.], Dr. Graf als beisitzende [X.], Bundesanwalt beim [X.] als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das [X.]eil des [X.] vom 29. September 2006 aufgehoben. Der Angeklagte wird freigesprochen.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last. 3. Zur Entscheidung über die Verpflichtung zur Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen ist das [X.] zuständig. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Verwendens von Kennzei-chen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe verurteilt. Dieser betreibt unter dem Namen "[X.]" ein Unternehmen, das Artikel für die [X.] wie [X.], Kleidungsstücke, Aufkleber u. ä. über ein Ladengeschäft und einen Versandhandel vertreibt. In seinem Sortiment waren bei einer Durch-suchung am 23. August 2005 auch zahlreiche Artikel mit Darstellungen enthal-ten, auf denen [X.] Symbole, insbesondere das [X.], in zum Teil veränderter, aber noch erkennbarer Form abgebildet waren, wobei durch die Art der Darstellung die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus zum Ausdruck gebracht werden sollte. Die sichergestellten Artikel waren im Lager und im Ladengeschäft der Firma vorrätig gehalten und zum Teil auch [X.] - 4 - stellt worden. Das gesamte Warensortiment war zudem in Katalogen und im Rahmen eines sog. "Onlineshop" auf einer Internetseite einsehbar. Das [X.] hatte bei der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens die Auffassung vertreten, die vom Angeklagten vertriebenen Artikel unterfielen zum größten Teil nicht dem Tatbestand des § 86 a StGB, weil die [X.]n Kennzeichen insoweit in eindeutig distanzierender Weise gebraucht worden seien; lediglich bei drei von ihnen sei die [X.] nicht in ausreichender Weise eindeutig erkennbar. Insoweit hat es das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht - Strafrichter - [X.] eröffnet. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das [X.] die Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem [X.] in nahezu vollem Umfang der Anklage angeordnet, weil auch eine eindeutig distanzierende [X.] solcher Kennzeichen der Strafvorschrift des § 86 a StGB unterfalle, mit der die inkriminierten Symbole unabhängig von der Absicht des Verwenders tabuisiert werden sollten. Das [X.] hat in seinem [X.]eil nunmehr - er-sichtlich auf der Grundlage der Entscheidung [X.]St 25, 30 - die Auffassung vertreten, "jedenfalls die hier vorliegende Verwendung der Kennzeichen in grö-ßerem Umfang sei unabhängig davon strafbar, ob eine innere Distanzierung von [X.]m Gedankengut bestehe und auch unabhängig davon, ob bei ihnen eine solche Distanzierung bereits durch die Art der Darstellung als solche hinreichend deutlich nach außen in Erscheinung tritt". 2 Der Angeklagte hat gegen seine Verurteilung Revision eingelegt. Er hat mit der Sachrüge Erfolg. 3 [X.] Entgegen der Auffassung des [X.]s erfüllt die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Darstellungen, bei denen 4 - 5 - sich bereits aus ihrem Inhalt in offenkundiger und eindeutiger Weise ergibt, dass sie in einem nachdrücklich ablehnenden Sinne gebraucht werden, unab-hängig von deren Umfang nicht den Straftatbestand des § 86 a StGB. 1. Der Schutzzweck dieses Straftatbestandes ist die Abwehr einer Wie-derbelebung der verbotenen Organisation oder der von ihr verfolgten verfas-sungsfeindlichen Bestrebungen, auf die das Kennzeichen symbolhaft hinweist. Die Vorschrift dient aber auch der Wahrung des [X.]s dadurch, dass jeglicher Anschein einer solchen Wiederbelebung sowie der Eindruck bei in- und ausländischen Beobachtern des politischen Geschehens in der [X.] vermieden werden soll, in ihr gebe es eine rechtsstaats-widrige innenpolitische Entwicklung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass ver-fassungsfeindliche Bestrebungen der durch das Kennzeichen angezeigten Richtung geduldet würden. Auch ein solcher Eindruck und die sich daran knüp-fenden Reaktionen können den [X.] empfindlich stören. § 86 a StGB will darüber hinaus verhindern, dass die Verwendung von Kennzeichen verbotener verfassungsfeindlicher Organisationen - ungeachtet der damit [X.] Absichten - sich wieder derart einbürgert, dass das Ziel, solche Kennzeichen aus dem Bild des politischen Lebens in der [X.] grundsätzlich zu verbannen, nicht erreicht wird, mit der Folge, dass sie schließ-lich auch wieder von den Verfechtern der politischen Ziele, für die das Kennzei-chen steht, gefahrlos gebraucht werden können ([X.]St 25, 30, 33 f.; 25, 128, 130 f.). 5 2. Die weite Fassung des Tatbestandes, der nach seinem Wortlaut - von Fällen der sog. [X.] nach § 86 a Abs. 3 i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB abgesehen - jegliches Verwenden eines solchen Kennzeichens anspricht, würde bei [X.] Auslegung jedoch auch Handlungen erfassen, die [X.] Schutzzweck nicht zuwiderlaufen oder sogar in seinem Sinne wirken [X.]. Dies erfordert eine Restriktion des Tatbestandes, die derartige Kennzei-chenverwendungen von der Strafbarkeit nach § 86 a StGB ausnimmt. a) Bereits im Gesetzgebungsverfahren hatte man erkannt, dass der [X.] zu weit gefasst ist. Dabei hatte man erörtert, dass es Fälle - wie etwa den bloß scherzhaften Gebrauch des Kennzeichens - geben kann, die der [X.] des § 86 a Abs. 3 i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB nicht unterfal-len, aber dennoch nicht strafwürdig sind. Die Notwendigkeit einer Einschrän-kung war im Sonderausschuss des [X.] für die Strafrechts-reform angesprochen worden, jedoch hatte man damals keine Möglichkeit zur Verfeinerung der tatbestandlichen Umschreibung gesehen und die Auslegung des Tatbestandes im Einzelnen der Rechtsprechung überlassen (Beratung des § 94 a des [X.] eines Achten Strafrechtsänderungsgesetzes i. d. F. der Formulierungshilfe vom 20. Februar 1967, Protokoll S. 959 f., 1617 f.). 7 b) Der [X.] hatte im Jahre 1970 in einem Fall, in dem ein Künstler [X.] mit den Farben der [X.] und mit ei-nem [X.] bemalt und Kunstsammlungen angeboten hatte, eine Tatbe-standsrestriktion allerdings zunächst noch abgelehnt und die Auffassung vertre-ten, dass das Verwenden gemäß § 86 a StGB im weitesten Sinne auszulegen sei und auch durch eine kritische Absicht des [X.] nicht ausgeschlossen [X.] ([X.]St 23, 267). Diese Ansicht hat er jedoch 1972 aufgegeben und es für geboten gehalten, solche Kennzeichenverwendungen vom Tatbestand [X.], die dem Schutzzweck der Vorschrift ersichtlich nicht zuwiderlaufen, um eine Überdehnung des Tatbestandes zu vermeiden ([X.]St 25, 30; so auch Sonnen in [X.] § 86 a Rdn. 13 ff.; Tröndle/[X.], StGB 54. Aufl. § 86 a 8 - 7 - Rdn. 18 f.). Dabei hat der [X.] namentlich eine solche Verwendung grund-sätzlich vom Tatbestand ausgenommen, die ersichtlich Ausdruck der [X.] zu den politischen Zielen und Methoden der verfassungsfeindlichen [X.] ist, deren Kennzeichen gebraucht wird, allerdings für das gehäufte Verwenden eine Ausnahme gemacht, da damit die Gefahr verbunden sein könnte, dass sich das verbotene Kennzeichen in der Öffentlichkeit wieder ein-bürgere (vgl. dazu Träger/[X.] in [X.] Jahre [X.] S. 240 f.). In einer unveröffentlichten Folgeentscheidung zu dem [X.]St 23, 267 zugrunde liegen-den Ausgangsfall der bemalten [X.] hat der [X.] mit [X.]eil vom 10. Juli 1974 - 3 StR 6/71 I - in Anwendung der zwischenzeitlich geänder-ten Rechtsprechung angenommen, dass die Verwendung des [X.]es auf diesen Gegenständen dem Tatbestand des § 86 a StGB nicht unterfalle, weil es deutlich erkennbar in kritisch abwertendem Sinne verwendet werde und somit dem Schutzzweck ersichtlich nicht zuwiderlaufe. c) Die in der Literatur vertretenen Auffassungen kommen - mit unter-schiedlichen Begründungen - für Fälle kritischer Verwendung zu ähnlichen Er-gebnissen: 9 So sehen einige Stimmen den Tatbestand nur dann als erfüllt an, wenn die Verwendung des Symbols als Bekenntnis zu den Zielen der verbotenen [X.] aufgefasst und insoweit eine Gefährdung der Schutzgüter des § 86 a StGB angenommen werden könne (Paeffgen in [X.] StGB § 86 a Rdn. 14; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], StGB 27. Aufl. § 86 a Rdn. 6). Andere wollen diese Fälle ausschließlich über die Sozialadäquanz-klausel des § 86 a Abs. 3 i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB lösen (Steinmetz in [X.]. 18; [X.] in [X.]. § 86 a Rdn. 14). 10 - 8 - 3. Für die hier zu entscheidende Fallgestaltung gilt Folgendes: 11 Der Gebrauch des Kennzeichens einer verfassungswidrigen [X.] in einer Darstellung, deren Inhalt in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt, läuft dem Schutzzweck der Vorschrift ersichtlich nicht zuwider und wird daher vom Tatbestand des § 86 a StGB nicht erfasst. Da sich in einem derartigen Fall die gegnerische Zielrichtung bereits aus dem Aussagegehalt der Darstellung selbst ergibt, erstreckt sich der [X.] grundsätz-lich auf jeglichen Gebrauch der Kennzeichen, sei es Herstellung, Vorrätighalten, Verbreiten oder sonstiges Verwenden. Auf die Umstände des Gebrauchs kommt es dabei zur Begründung eines [X.]es nicht an. Der [X.] weist freilich darauf hin, dass ein [X.] nur gerechtfer-tigt erscheint, wenn die Gegnerschaft sich eindeutig und offenkundig ergibt und ein Beobachter sie somit auf Anhieb zu erkennen vermag. Ist dagegen der [X.] einer Darstellung mehrdeutig oder die Gegnerschaft nur undeutlich erkennbar, so ist der Schutzzweck des § 86 a StGB verletzt. Dies mag etwa der Fall sein, wenn das [X.] des [X.]es so dünn erfolgt, dass aus einer gewissen Entfernung nur noch das [X.], nicht mehr aber die Distanzierung erkennbar ist. 12 a) Eine Einschränkung des Straftatbestandes in solchen Fällen trägt auch dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG Rechnung. Zwar handelt es sich bei § 86 a StGB um ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG, das grundsätzlich geeignet ist, zur Verwirklichung seines Schutzzweckes die Meinungsfreiheit zu beschränken. [X.] jedoch ein Handeln - wie hier der Gebrauch von Kennzeichen in eindeutig und offenkundig ablehnender Weise - dem Schutzzweck des § 86 a StGB ersichtlich nicht zuwi-13 - 9 - der, wäre es auch verfassungsrechtlich bedenklich, ein solches Verhalten gleichwohl zu inkriminieren und dadurch die Freiheit von Bürgern zu beschrän-ken, die gegen die Wiederbelebung von [X.]n Bestrebungen in der Weise protestieren wollen, dass sie gerade die Kennzeichen angreifen, die eben diese unerwünschten Bestrebungen symbolisieren (vgl. [X.], [X.]. vom 23. März 2006 - 1 BvR 204/03). b) Einem [X.] steht auch nicht der Umstand entge-gen, dass der Angeklagte mit dem Vertrieb der Artikel auch oder sogar vorran-gig kommerzielle Ziele verfolgte. Ein wirtschaftliches Motiv nimmt den [X.] nicht den ihnen selbst innewohnenden nachdrücklich ablehnenden [X.]. Insoweit kann hier nichts anderes gelten als in Fällen der Anwen-dung der [X.]. Wenn etwa eine Druckerei aus geschäftli-chem Interesse Aufträge zur Herstellung von Plakaten, Schriften oder Büchern ausführt, die im Sinne des § 86 Abs. 3 StGB der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Wissenschaft oder der Ge-schichtsberichterstattung dienen und in denen entsprechende Kennzeichen dargestellt werden, wird auch für ihr Handeln diese Klausel Anwendung finden und eine Strafbarkeit ausscheiden. Im Übrigen steht auch die kommerzialisierte Meinungsverbreitung unter dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG ([X.]/[X.], GG Art. 5 Rdn. 61). 14 c) Der [X.] teilt auch nicht die vom [X.] gehegten Befürchtun-gen, eine solche Auslegung könne von Anhängern der verbotenen Organisatio-nen zum gefahrlosen Gebrauch der Kennzeichen missbraucht werden. 15 aa) Solche Personen würden Darstellungen, in denen die Kennzeichen in eindeutig und offenkundig ablehnender Weise gebraucht werden, als [X.] - nung des ihnen "heiligen" Kennzeichens empfinden und selbst nicht verwenden (vgl. [X.]St 25, 133, 137). Der [X.] hält es daher nicht für vorstellbar, wie es das [X.] befürchtet, dass eine Gruppe rechtsgerichteter Personen in [X.], [X.] und mit einer Oberarmbinde, die ein - deutlich - durchgestrichenes [X.] enthält, in Erscheinung treten könnte. Er muss daher auch nicht abschließend dazu Stellung nehmen, ob in einem solchen Fal-le ebenfalls ein [X.] anzunehmen oder infolge der besonde-ren gegenläufigen Umstände abzulehnen wäre. [X.]) Soweit eingewandt wird, die Verwendung des "Umweltmännchens" durch eine rechtsgerichtete Gruppierung belege eine solche Gefahr, trifft dies nicht zu: Dieses Symbol zeigt im allgemeinen Gebrauch eine stilisierte Figur, die einen Abfallgegenstand mit ausgestrecktem Arm in einen Abfallbehälter wirft und so zur Sauberhaltung etwa von Parkanlagen auffordert. Auf vom Angeklag-ten vertriebenen Artikeln wurde dieses Symbol dahin abgeändert, dass der [X.] durch ein [X.] ersetzt wurde, um ersichtlich zum Aus-druck zu bringen, dass dieses nichts wert und daher wegzuwerfen sei. Die [X.]" hat nun diese ver-änderte Darstellung mit [X.] übernommen, aber mit der Überschrift "Ihr stimmt uns heiter" und der Unterschrift "der Nationale Widerstand marschiert geschlossen weiter!" versehen. Damit hat diese Gruppe nicht die vom Ange-klagten verwendete Darstellung gebraucht, sondern diese durch den Begleittext so verändert, dass sie einen entgegengesetzten Sinngehalt bekommen hat. Denn in dem aufgedruckten Kontext ergibt sich die Aussage, dass der "[X.]" ungeachtet der dargestellten Gegenpropaganda, über die er nur lachen könne, "weitermarschiere" und somit seine Ziele weiterverfolge. Die Verwendung des [X.]es in einer solchen Bedeutung unterfällt ohne [X.] - 11 - teres dem Tatbestand des § 86 a StGB. Denn sie zeigt ein Bekenntnis zu die-sem Symbol und nicht dessen Ablehnung. cc) Dass, wie das [X.] betont, die ablehnende Verwendung sol-cher Kennzeichen die Anhänger der verbotenen Organisationen herausfordern könnte, erst recht ihre Symbole zu zeigen und sich so zu ihnen zu bekennen, mag zutreffen. Dies kann aber nicht rechtfertigen, den durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Protest gegen solche inkriminierten Kennzeichen unter Strafe zu stellen. 18 d) Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht der vom [X.] maßgeblich für seine Rechtsauffassung herangezogene Umstand, dass die vom Angeklagten vertriebenen Darstellungen für einen massenhaften Ge-brauch gedacht waren. 19 aa) Allerdings kann der Entscheidung [X.]St 25, 30, 34 eine [X.] auf [X.] der Kennzeichen in Abgrenzung zu deren gehäuftem Gebrauch entnommen werden. Der [X.] hat zum dortigen Sachverhalt (ein Angeklagter protestiert gegen den - nach seiner Auffassung ungerechtfertigten - Schlagstockeinsatz der Polizei mit dem "[X.]" und "Sieg Heil"-Rufen) darauf hingewiesen, dass bei einer einmaligen Verwendung, bei der das Kennzeichen nur kurz in Erscheinung trete, es der Feststellung besonderer Umstände bedürfe, um das Handeln als Verstoß ge-gen § 86 a StGB einzuordnen; jedoch sei der Tatbestand erfüllt, wenn etwa bei einer Demonstration solche Kennzeichen in einer Häufung verwendet werden würden, dass die Gefahr bestehe, sie könnten sich entgegen dem Schutzzweck des § 86 a StGB wieder einbürgern. Der zu entscheidende Sachverhalt war somit dadurch geprägt, dass die Kennzeichen in unveränderter Form gebraucht 20 - 12 - worden sind und ihre ablehnende Verwendung erst aus den näheren [X.] gefolgert werden konnte. Dass eine solche Beurteilung bei einem gehäuften Gebrauch - etwa bei einer Demonstration - außerordentlich proble-matisch ist und die Gefahr einer Missinterpretation einschließt, liegt auf der Hand. Auch im Fall einer neutralen Verwendung hat der [X.] eine ähnliche Einschränkung vorgenommen. Bei einem Spielzeughersteller, der originalge-treue Modelle von Kriegsflugzeugen mit [X.] auf den Markt gebracht hatte, hat er entscheidend auf die "massenhafte Verbreitung" abgestellt und diese für unzulässig erklärt ([X.]St 28, 394, 397). 21 [X.]) Für eine solche Einschränkung besteht jedoch in Fällen wie hier, in denen bereits die Darstellung selbst eine nachdrückliche Ablehnung zum Aus-druck bringt, kein Bedürfnis. Denn auch bei häufiger Verwendung eines derart dargestellten Kennzeichens ist eine Verletzung des Schutzzwecks des § 86 a StGB nicht zu befürchten (so auch Sonnen aaO). Gleich ob eine Person oder eine Vielzahl von Personen etwa ein Abzeichen mit einem deutlich durchgestri-chenen [X.] zum Zeichen der Ablehnung des Nationalsozialismus und etwaiger Bestrebungen seiner Wiederbelebung öffentlich trägt, wird ein Beob-achter des Geschehens nicht den Eindruck gewinnen können, in der [X.] gebe es eine innenpolitische Entwicklung, die verfassungs-feindliche Bestrebungen der durch das Kennzeichen angezeigten Richtung [X.]; ihm wird im Gegenteil vermittelt, dass es Bürger gibt, die sich dem enga-giert widersetzen. Durch die Vielzahl solcher gegnerischer Verwendungen kann der Eindruck einer Ablehnung eher noch verstärkt werden. Demgemäß hat der [X.] in [X.]St 25, 133 in einem vergleichbaren Fall, in dem der Angeklagte auf Plakaten ein [X.] in einer aus dem Inhalt des Plakats ersichtlichen, 22 - 13 - ablehnenden Weise verwendet hatte, die Erfüllung des Tatbestandes ohne [X.] verneint, ohne auf den Gesichtspunkt der gehäuften Verwendung, die bei einem Plakat nahe gelegen hätte, näher einzugehen. I[X.] Die Verwendung der Kennzeichen in den Darstellungen, die dem [X.] als Verstoß gegen § 86 a Abs. 1 StGB zur Last gelegt worden sind, lässt mit Ausnahme des Artikels Nr. I[X.] 79 der [X.]eilsgründe eine hinreichend eindeutige und offenkundige Gegnerschaft erkennen und erfüllt daher den [X.] dieser Vorschrift nicht. 23 1. Bei allen Artikeln, bei denen auch im ersten Rechtszug insoweit keine Zweifel geäußert worden sind, bedarf dies keiner näheren Erörterung. 24 2. Aber auch bei den übrigen Artikeln bejaht der [X.] - mit Ausnahme der Nr. I[X.] 79 - eine eindeutige und offenkundige Ablehnung: 25 a) Auf den Gegenständen Nr. I[X.] 68 und 80 wird ein am Boden liegendes, zertrümmertes [X.] dargestellt, auf dem sich ein Springerstiefel befin-det. Damit wird deutlich, dass die Zerstörung des [X.]es durch einen Stiefeltritt symbolisiert wird. 26 b) Die Artikel Nr. I[X.] 72, 73 und 76 zeigen ein zerbrochenes [X.], bei dem die Brocken farblich so gestaltet sind, dass ein Teil von ihnen ein "4." bildet, wobei in der Umrandung die Aufschrift "[X.]" enthalten ist. Damit wird nicht nur die Zerstörung des [X.]es dargestellt, sondern auch die Forderung erhoben, es solle kein [X.] geben. Diese Distanzierung ist nach ihrem Gesamteindruck ausreichend. 27 - 14 - c) Soweit hinsichtlich des oben näher geschilderten "Umweltmännchens" Zweifel an einer hinreichend gegnerischen Verwendung geäußert werden, weil der ausgestreckte Arm nicht nur das Wegwerfen eines [X.]es, sondern auch das Entbieten des "Hitlergrußes" gegenüber dem [X.] oder das Herausholen des [X.]es aus dem Abfall darstellen könne, kann dies der [X.] angesichts der in der alltäglichen Verwendung dieses Piktogramms ent-haltenen eindeutigen Aussage, Abfall solle in den Abfallbehälter geworfen [X.]n, nicht nachvollziehen. Nur sehr fern liegende, theoretische Deutungsmög-lichkeiten vermögen die sonst gegebene Eindeutigkeit einer Darstellung nicht in Frage zu stellen. 28 d) Dagegen teilt der [X.] die Beurteilung des [X.]s zu dem [X.] Nr. I[X.] 79, dessen unzureichende Distanzierung auch die Verteidigung ein-räumt. Auf der Vorderseite der [X.] ist ein Bild [X.] neben der "[X.]" mit unverändertem [X.] zu sehen. Die [X.]" und "[X.]" vermögen einem durchschnittlichen Beobachter keinen Bedeutungsinhalt, insbesondere keine deutliche Distanzierung zu [X.]. Eine solche ergibt sich allerdings in gewissem Umfang aus der Rücksei-te der [X.], auf der drei Liedtexte abgedruckt sind, wovon einer den Begriff "[X.]" enthält, was auf einen Text gegen Rechtsextreme hindeutet. [X.] fehlt es insgesamt an einer ausreichenden Kenntlichmachung der Ableh-nung; diese ist weder eindeutig, noch offenkundig. 29 II[X.] Der [X.] kann dennoch in der Sache abschließend entscheiden. Abgesehen von dem Artikel Nr. I[X.] 79 fehlt es bereits an der Tatbestandsmäßig-keit des Handelns des Angeklagten. Im verbleibenden Fall I[X.] 79 kann ausge-schlossen werden, dass die subjektive Tatseite eines Verstoßes nachgewiesen werden kann. Dies würde den Nachweis eines Vorsatzes voraussetzen, der die 30 - 15 - Kenntnis davon umfasst, dass bei diesem Artikel die beabsichtigte [X.] nicht ausreichend gelungen ist. Der Angeklagte, der nach den [X.] die Bestrebungen, die durch die verwendeten Kennzeichen symbolisiert werden, glaubwürdig ablehnt, hat sich in der Revisionshauptverhandlung über seinen Verteidiger dahin eingelassen, er habe die unzureichende Kenntlichma-chung der Gegnerschaft übersehen, als er diesen Artikel in sein umfangreiches Sortiment übernommen hatte. Feststellungen, die dies widerlegen könnten, sind dem [X.]eil des [X.]s - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht zu entnehmen. Der [X.] kann angesichts der besonderen Umstände des Falles auch ausschließen, dass diese in einer neuen Hauptverhandlung noch getroffen werden könnten. [X.] Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 467 Abs. 1 StPO. Zur Entscheidung über die Verpflichtung zur Entschädigung für Strafverfolgungs-maßnahmen (§ 8 StrEG) ist das [X.] zuständig (vgl. [X.]R StrEG § 8 Zuständigkeit 1 m. w. N.). Art und Umfang der entschädigungspflichtigen [X.] sind ohne besondere Anhörung der Beteiligten allein aus den dem [X.] vorliegenden Akten nicht feststellbar. 31 [X.]
[X.] [X.]

[X.] Graf

Meta

3 StR 486/06

15.03.2007

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2007, Az. 3 StR 486/06 (REWIS RS 2007, 4726)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 4726

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