Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.03.2014, Az. V ZR 137/13

5. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7305

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Gegenstand

Verzicht auf Duldung eines Notwegrechts: Dingliche Wirksamkeit bei Eintragung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit auf dem belasteten Grundstück; Gewährung eines Notwegrechts für die Einzelrechtsnachfolger


Leitsatz

1. Eine Grunddienstbarkeit des Inhalts, dass auf einen nach § 917 BGB zu duldenden Notweg verzichtet wird, ist im Grundbuch des durch den Verzicht belasteten Grundstücks einzutragen. Aus einer Eintragung im Grundbuch des durch das Notwegrecht belasteten Grundstücks kann sich ein dinglich wirkender Verzicht nicht ergeben.

2. Der Eigentümer eines verbindungslosen Grundstücks kann einen Notweg nicht auch für seinen künftigen Einzelrechtsnachfolger verlangen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - das Urteil des [X.] - 1. Zivilkammer - vom 30. April 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als sich die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung eines Notwegrechts auch auf die Rechtsnachfolger der Parteien bezieht.

Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 10. Februar 2012 zurückgewiesen.

Die Kosten des ersten und zweiten [X.] tragen die Parteien je zur Hälfte. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden den Beklagten zu ¾ und dem Kläger zu ¼ auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind [X.]. Das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück des [X.] besitzt keinen Zugang zu einer öffentlichen Straße. Die Rechtsvorgänger der Parteien hatten mit notariellem Vertrag vom 1. Dezember 1960 zugunsten des klägerischen Grundstücks ein Geh- und Fahrtrecht über das Grundstück der [X.] vereinbart, das mit folgendem Inhalt in das Grundbuch eingetragen wurde:

„Die Verkäufer räumen mit Wirkung für sich und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum der Restfläche von Flurstück Nr. 17 den jeweiligen Eigentümern der [X.] für immer das unentgeltliche Recht ein, über die Hoffläche und entlang des [X.] auf einem ca. 3 m breiten Streifen jederzeit zu gehen und mit Fahrzeugen aller Art zu fahren, um vom Weg zur [X.] gelangen zu können. Das Befahren mit Personenkraftwagen ist jedoch nicht gestattet.“

2

Der Kläger verlangt, soweit hier von Interesse, dass die [X.] mit Wirkung für sich und ihre Rechtsnachfolger ihm und seinen Rechtsnachfolgern die Benutzung des Weges mit Personenkraftwagen gegen Zahlung einer Notwegerente von 50 € jährlich gestatten. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat ihr stattgegeben. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision wollen die [X.] die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

I.

3

Nach Ansicht des [X.]erufungsgerichts steht dem Kläger gemäß § 917 [X.]G[X.] ein Notwegrecht zu. Zwar sei die Erreichbarkeit seines Grundstücks mit anderen Kraftfahrzeugen als mit Pkw, insbesondere durch Versorgungsfahrzeuge, bereits durch das dinglich gesicherte Geh- und Fahrtrecht sichergestellt. Gerade im ländlichen Raum sei aber die Erreichbarkeit des Wohngrundstücks auch mit Pkw zu dessen ordnungsgemäßer [X.]enutzung notwendig. Dem geltend gemachten Anspruch stehe der Wortlaut des dinglich gesicherten Geh- und [X.] nicht entgegen. Ein Verzicht der Rechtsvorgänger des [X.] auf das Notwegrecht wirkte nur dann zu seinen Lasten, wenn dieser durch eine entsprechende Grunddienstbarkeit dinglich gesichert wäre. Hierfür hätte es der Eintragung des Verzichts im Grundbuch des klägerischen Grundstücks bedurft. Daran fehle es.

II.

4

Das hält revisionsrechtlicher Prüfung im Wesentlichen stand.

5

1. Rechtsfehlerfrei nimmt das [X.]erufungsgericht an, dass die auf dem Grundstück der [X.]eklagten lastende Grunddienstbarkeit dem von dem Kläger geltend gemachten Notwegrecht gemäß § 917 [X.]G[X.] nicht entgegensteht. Entgegen der Auffassung der Revision liegt in der [X.]eschränkung des eingetragenen Geh- und [X.] auf Kraftfahrzeuge, die keine Personenkraftwagen sind, kein dinglich wirkender Verzicht zu Lasten des klägerischen Grundstücks.

6

a) Richtig ist zwar, dass der [X.]erechtigte auf das Notwegrecht verzichten kann. Ein seitens des [X.] erklärter Verzicht liegt aber nicht vor. Ein schuldrechtlicher Verzicht seiner Rechtsvorgänger, der sich aus dem der [X.]estellung des Geh- und [X.] zugrundeliegenden Schuldverhältnis ergeben kann, bindet den Kläger nicht.

7

b) Eine dingliche und damit auch den [X.] bindende Wirkung des Verzichts kann nur durch eine entsprechende Grunddienstbarkeit erreicht werden ([X.]/[X.], [X.]G[X.] [2009], § 918 Rn. 9; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Praxishandbuch Nachbarrecht, 2. Aufl., 4. Teil Rn. 57; [X.], Nachbarrecht, 7. Aufl., [X.] § 27 S. 28).

8

aa) Nach der dritten Alternative des § 1018 [X.]G[X.] kann ein Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks auch in der Weise belastet werden, dass die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstück dem anderen Grundstück gegenüber ergibt. Dies betrifft in erster Linie die dingliche Verpflichtung, die Nachbarrechte aus §§ 904 bis 923 [X.]G[X.] nicht oder nur eingeschränkt auszuüben ([X.]ayObLG, Mitt[X.]ayNot 1990, 107, 108; [X.]ayObLGZ 2004, 103, 105; [X.]/[X.], [X.]G[X.] [2009], § 1018 Rn. 75, 125; MünchKomm-[X.]G[X.]/[X.], 6. Aufl., § 1018 [X.]G[X.] Rn. 38). Ein sich aus dem Grundeigentum ergebendes Recht im Sinne des § 1018 [X.]G[X.] stellt auch das Notwegrecht gemäß § 917 [X.]G[X.] dar. Ein Verzicht auf das Notwegrecht kann daher Gegenstand einer Grunddienstbarkeit im Sinne des § 1018 [X.]G[X.] sein (vgl. [X.]/[X.], [X.]G[X.] [2009], § 1018 Rn. 127; MünchKomm-[X.]G[X.]/[X.], 6. Aufl., § 1018 [X.]G[X.] Rn. 39).

9

bb) Die Entstehung der Grunddienstbarkeit setzt gemäß § 873 [X.]G[X.] die Einigung und Eintragung in das Grundbuch voraus. Sie ist auf dem für das dienende Grundstück angelegten Grundbuchblatt einzutragen (vgl. Senat, Urteil vom 8. April 1988 – [X.], [X.]GHZ 104, 139, 142; [X.]/[X.], [X.]G[X.] [2009], § 1018 Rn. 22; MünchKomm-[X.]G[X.]/[X.], 6. Aufl., § 1018 [X.]G[X.] Rn. 59; [X.]/[X.]assenge, [X.]G[X.], 73. Aufl., § 1018 [X.]G[X.] Rn. 28), also auf dem des durch den Verzicht belasteten Grundstücks. Dadurch wird ein gutgläubiger [X.] Erwerb durch einen [X.], für den allein das Grundbuchblatt dieses Grundstücks maßgebend ist, verhindert.

c) An einer im Grundbuch des klägerischen Grundstücks eingetragenen Grunddienstbarkeit des Inhalts, dass der Eigentümer auf ein Notwegrecht zum [X.]efahren des Grundstücks der [X.]eklagten mit Personenkraftwagen verzichtet, fehlt es hier. Entgegen der Auffassung der [X.]eklagten kommt es auf die zulasten ihres Grundstücks eingetragene Dienstbarkeit nicht an; denn aus einer Eintragung im Grundbuch des durch das Notwegrecht belasteten Grundstücks kann sich ein dinglich wirkender Verzicht auf das Notwegrecht nicht ergeben (vgl. für einen Vermerk nach § 9 G[X.]O Demharter, G[X.]O, 29. Aufl., § 9 Rn. 14; [X.]/[X.], [X.]G[X.] [2009], § 1018 Rn. 22; MünchKomm-[X.]G[X.]/[X.], 6. Aufl., § 1018 [X.]G[X.] Rn. 59).

2. Ohne Rechtsfehler nimmt das [X.]erufungsgericht an, dass die Voraussetzungen für ein Notwegrecht des [X.] gemäß § 917 [X.]G[X.] vorliegen.

Es geht zutreffend von der Rechtsprechung des Senats aus, wonach eine ordnungsmäßige Grundstücksnutzung [X.]. § 917 [X.]G[X.] bei einem Wohngrundstück auch die Möglichkeit voraussetzt, dieses mit einem Personenkraftwagen anzufahren, wenn es nicht lediglich um das Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem Grundstück, sondern um dessen Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen geht (Senat, Urteil vom 18. Oktober 2013 - [X.], [X.], 149 Rn. 12; Urteil vom 12. Dezember 2008 - [X.], NJW-RR 2009, 515, 517 Rn. 24). Seine tatrichterliche, auf einer Augenscheinnahme beruhende Würdigung, wonach unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ein Notwegrecht des [X.] zum [X.]efahren mit einem Personenkraftwagen besteht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

3. Keinen [X.]estand haben kann das [X.]erufungsurteil hingegen, soweit sich die Verurteilung der [X.]eklagten zur Gewährung eines Notwegrechts auch auf die ([X.] der Parteien bezieht.

Zwar könnte auch ein neuer Eigentümer des klägerischen Grundstücks bei unveränderten tatsächlichen Verhältnissen (vgl. Senat, Urteil vom 25. November 1964 - [X.], NJW 1965, 537, 538) gemäß § 917 [X.]G[X.] von den [X.]eklagten einen Notweg verlangen. Das Verlangen ist aber Tatbestandsmerkmal für das Entstehen sowohl der [X.] als auch der Rentenzahlungspflicht (Senat, Urteil vom 19. April 1985 - [X.], [X.]GHZ 94, 160, 162). Solange ein [X.] des [X.] einen Notweg nicht verlangt, hat er daher weder ein [X.]enutzungsrecht noch ist er zu einer Rentenzahlung verpflichtet. Ebenso verhält es sich im Hinblick auf einen ([X.] der [X.]eklagten. Eine Duldungspflicht bzw. ein Rentenanspruch eines Rechtsnachfolgers entstünde erst, wenn der Kläger auch diesem gegenüber die [X.]enutzung verlangt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Stresemann                       Czub                     [X.]rückner

                    Weinland                  Kazele

Meta

V ZR 137/13

07.03.2014

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Deggendorf, 30. April 2013, Az: 12 S 34/12

§ 917 Abs 1 BGB, § 1018 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.03.2014, Az. V ZR 137/13 (REWIS RS 2014, 7305)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7305

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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