8. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 12852
Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14.05.2015 verkündete Urteil des Landgerichts Dortmund abgeändert.Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.09.2012 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 755,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.06.2014 zu zahlen.Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
A.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Rückzahlung geleisteter Ausschüttungen in Höhe von 14.000,- €, die dieser als deren Treugeber-Kommanditist erhalten hat.
Der Beklagte beteiligte sich mit seiner Beitrittserklärung vom 11.07.2004 (Anl. B 1) mit einer Einlage von 200.000,- € als Treugeber-Kommanditist an der Klägerin, bei der es sich um eine Fondsgesellschaft handelt, deren Gegenstand der Erwerb und der Betrieb des Tankschiffes B A ist.
Der zugrunde liegende Gesellschaftsvertrag enthält u.a. die folgenden Regelungen:
„§ 1 Name, Sitz, Geschäftsjahr, Beitritt
(...)
5. Anleger, die sich mittelbar als Treugeber über den Treuhandkommanditisten beteiligen, stehen, ohne selbst Gesellschafter zu sein, nach Maßgabe des mit dem Treuhandkommanditisten geschlossenen Treuhandvertrags sowie dieses Gesellschaftsvertrags im Innenverhältnis zu den anderen Gesellschaftern sowie im Verhältnis zueinander wirtschaftlich so, als seien sie direkt als Kommanditisten an der Gesellschaft beteiligt. Soweit deshalb nachfolgend Rechte und Pflichten für „Kommanditisten“ oder „Gesellschafter“ begründet werden, treffen diese Rechte und Pflichten im Innenverhältnis auch die mittelbar als Treugeber über den Treuhandkommanditisten beteiligten Anleger (...).“
§ 4 Gesellschafter, Gesellschafterkonten
(...)
5. Eine Nachschusspflicht der Kommanditisten besteht nicht, auch nicht als Ausgleichspflicht der Gesellschafter untereinander, soweit sich nicht aus den nicht abdingbaren §§ 171 f. HGB etwas anderes ergibt. Unberührt hiervon bleibt die Darlehensverbindlichkeit bei Ausschüttungen gern. § 11 Ziff. 5."
(...)
9. Für jeden Kommanditisten wird ein festes Kapitalkonto I, das die Höhe der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen wiedergibt, eingerichtet. Die Höhe der Kapitalkonten I entspricht den zum Handelsregister angemeldeten Kommanditeinlagen. Im Falle der Umwandlung von Gesellschafterdarlehen in Kommanditeinlagen (§ 4a Ziff. 4) werden die so erhöhten Pflichteinlagen den Kapitalkonten I hinzugerechnet. Die Kapitalkonten I sind Festkonten.
Auf dem Kapitalkonto II werden die Gewinn- und Verlustanteile jedes Kommanditisten gebucht. Diese Konten gewähren keine Gesellschafterrechte.
Für jeden Kommanditisten wird ein gesondertes Einlage-/Entnahme-/Darlehenskonto gebildet, auf dem etwaige weitere Einlagen sowie sämtliche Entnahmen/Ausschüttungen gebucht werden. Soweit letztere zu einem Wiederaufleben der Haftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft führen, werden diese als zinslose Darlehensverbindlichkeit der betroffenen Kommanditisten gegenüber der Gesellschaft gebucht. Eine Rückzahlung ist jedoch aufschiebend bedingt von der Liquiditätslage der Gesellschaft abhängig.
(...)
§ 8 Gesellschafterbeschlüsse
(...)
4. Kein Kommanditist kann durch Gesellschafterbeschlüsse gegen seinen Willen verpflichtet werden, der Gesellschaft weitere Mittel nachzuschießen, unbeschadet der nicht abdingbaren gesetzlichen Haftungsregelung und der Darlehensregelung in § 11 Ziff. 5. (...)
§ 11 Gewinn- und Verlustrechnung, Ausschüttungen
(...)
4. Nach den Zinszahlungen/Ausschüttungen gemäß Ziff. 3 schüttet die Gesellschaft unabhängig von einem im Jahresabschluss ausgewiesenen Gewinn oder Verlust für den Fall, dass die Liquiditätslage es zulässt, im jeweiligen Geschäftsjahr unbeschadet der Regelung gem. § 4 Ziff. 6 viertletzter Absatz einen Betrag für die Tranchen I (2004) und II (2005) sowie für die Garant-Kommanditisten bezogen auf ihre Kommanditeinlage von 10 % in Höhe von voraussichtlich
unterjährig
8,5 % in 2005 bis 2012
9,0 % in 2013 und 2014
10,0% in 2015
12,0% in 2016
des eingezahlten Kommanditkapitals p.a. an die Gesellschafter aus.
Soweit darüber hinaus Liquidität für weitere Ausschüttungen vorhanden ist, werden die Garant-Kommanditisten im Falle der Umwandlung ihres Gesellschafterdarlehens in zusätzliches Kommanditkapital hieran gemäß Ziff. 7 im gleichen Verhältnis wie die Dynamik-Kommanditisten beteiligt."
5. Sämtliche Ausschüttungen an die Gesellschafter werden auf das Darlehenskonto des Gesellschafters als Verbindlichkeit gebucht. Soweit das Kapitalkonto des Gesellschafters in der Investitionsphase und in der Betriebsphase herabgesetzt ist und soweit diese Herabsetzung nicht auf Ausschüttungen bzw. Entnahmen beruht, werden die Ausschüttungen zuerst aus der im Handelsregister eingetragenen Pflichteinlage geleistet. Sofern ein Gesellschafter im Hinblick auf das Wiederaufleben der Haftung auf diese Entnahmen verzichtet, entfällt für ihn insoweit die Bildung der Darlehensverbindlichkeit.
(...)“.
Wegen der weiteren gesellschaftsvertraglichen Regelungen und des Inhalts des zugrunde liegenden Emissionsprospekts wird auf die diesbezüglichen Anlagen Anl. 1 und B 3 Bezug genommen.
Die Klägerin zahlte an den Beklagten in 2006 Ausschüttungen in Höhe von 17.000,- € aus.
Aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung brachen die Charterraten für Tankschiffe der Klasse B in 2010/2011 ein. Die finanzierenden Banken verlangten zur Sanierung der Gesellschaft einen Beitrag der Gesellschafter entweder durch eine Kapitalerhöhung oder die Rückzahlung gewinnunabhängiger Ausschüttungen. In einer Gesellschafterversammlung vom 10.05.2012 wurde eine Kapitalerhöhung beschlossen, bei der die Gesellschafter freiwillig der Gesellschaft Kapital zur Verfügung stellen sollten. Es wurde darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass einzelne Gesellschafter sich nicht an der Kapitalerhöhung beteiligen würden, von diesen die gewinnunabhängigen Ausschüttungen zurückgefordert werden müssten.
Mit Schreiben vom 28.03.2012 erklärte die Klägerin die Kündigung der "in der Vergangenheit als Darlehen gewährten Auszahlungen" gegenüber dem Beklagten. Da der Beklagte sich nicht an der Kapitalerhöhung beteiligte, forderte die Klägerin von ihm mit Schreiben vom 03.08.2012 (Anl. 5) unter Fristsetzung zum 07.09.2012 (als erstrangigen Teilbetrag) die Rückzahlung von Ausschüttungen in Höhe von 7 % seines Kommanditkapitals = 14.000,- €.
Die Klägerin hat gemeint, ein Rückforderungsanspruch ergebe sich eindeutig aus § 4 Ziff. 9 und § 11 des Gesellschaftsvertrages. Es sei dort ausdrücklich geregelt, dass die Ausschüttungen als zinslose Darlehensverbindlichkeiten der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft gebucht würden und zurückzuzahlen seien, wenn die Liquiditätslage dies erfordere. Im Unterschied zu den Regelungen, die den Urteilen des BGH vom 12.03.2013 (II ZR 73/11 und II ZR 74/11) zugrunde gelegen hätten, sei nunmehr eine ausdrückliche Regelung zu dem Darlehenskonto enthalten. Es sei klar geregelt, dass eine Verbindlichkeit der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft begründet werde. Ein Gesellschafterbeschluss sei nicht erforderlich, weil es sich bei der Rückforderung um ein gewöhnliches Geschäft handele, welches von Inhalt und Zweck des laufenden Geschäftsbetriebes gedeckt sei. Das Erfordernis, dass die Liquiditätslage der Gesellschaft die Rückforderung erfordere, sei erfüllt. Die Liquiditätslage ergebe sich aus den Einnahmen und den Ausgaben der Gesellschaft im laufenden Geschäftsjahr. Maßgeblich sei, inwieweit die Gesellschaft in der Lage sei, zukünftig die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie
1. 14.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.09.2012sowie
2. nicht anrechenbare außergerichtliche Kosten in Höhe von 755,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellungzu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, er sei als Treugeber-Kommanditist nicht passivlegitimiert. In der Sache fehle eine klare und unmissverständliche gesellschaftsvertragliche Regelung über einen Rückforderungsanspruch. Die Verquickung von wiederauflebender Außenhaftung und Buchung als zinsloses Darlehen ergebe keinen Sinn. Unklar sei, ob es sich um ein Forderungskonto gegen den Gesellschafter handele. Dies spreche dafür, dass die Ausschüttungen nicht unter dem Vorbehalt einer Rückforderung gestanden hätten. Dass die Ausschüttungen nicht zurückgefordert werden sollten, folge zudem aus dem Fehlen eines Rückforderungsvorbehaltes in dem Schreiben betreffend die Mitteilung der Ausschüttung. Für die Rückforderung wäre zudem ein Gesellschafterbeschluss erforderlich, da nach dem eigenen Vortrag der Klägerin eine außergewöhnliche Geschäftssituation vorliege, weil sie ohne die Zurückholung von Ausschüttungen nicht überlebensfähig sei. Auch wegen der Ausführungen in dem Verkaufsprospekt im 7. Kapitel unter Ziff. 6 habe der Anleger nicht damit rechnen müssen, dass Ausschüttungen später zurückgezahlt werden müssten. Dort werde nur mitgeteilt, dass sich die Ausschüttungen verminderten und in nachhaltigen Krisensituationen gänzlich entfallen könnten.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, es fehle an der erforderlichen Klarheit der Regelungen in §§ 4 Ziff. 9; 11 Ziff. 5 des Gesellschaftsvertrages hinsichtlich einer Rückforderbarkeit der Ausschüttungen.
Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Die Klägerin wehrt sich hiergegen mit ihrer Berufung, mit der sie ihre Klageanträge weiter verfolgt. Sie macht geltend, das Landgericht habe, soweit es sich auch auf den Verkaufsprospekt bezogen habe, die Prospektpassagen nicht berücksichtigt, die auf die Möglichkeit der Rückforderung der Ausschüttungen hinwiesen. Der Rückzahlungsanspruch folge aus § 11 Ziff. 5 i.V.m. § 4 Ziff. 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages. Dieser mache anders als die den Urteilen des BGH vom 12.03.2013 (II ZR 73/11 und 74/11) zugrunde liegenden Regelungen die Rückforderbarkeit sehr deutlich. Kein verständiger Leser könne bei Würdigung der Vertragsregelungen zu dem Ergebnis kommen, dass nicht klargestellt worden sei, dass diese Beträge nicht rückforderbar seien. Hinsichtlich der Rückzahlungsvoraussetzungen sei eine enge Auslegung im Sinne einer sehr kritischen Liquiditätslage geboten, die vorliegend erfüllt sei. Der Beklagte sei auch als Treugeber-Kommanditist passivlegitimiert, da er nach § 1 Ziff. 5 des Gesellschaftsvertrages den diesbezüglichen Regelungen unterworfen und wirtschaftlich im Innenverhältnis der Gesellschaft wie ein direkt beteiligter Kommanditist anzusehen sei.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils gemäß den erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das landgerichtliche Urteil mit näheren Ausführungen. Er rügt erneut seine fehlende Passivlegitimation vor dem Hintergrund, dass er kein Kommanditist der Klägerin geworden sei. Eine Rückzahlungsforderung sei nicht begründet, weil es an einer ausreichenden Anspruchsgrundlage im Gesellschaftsvertrag fehle. Die Rückforderung verstoße gegen das Verbot der Nachschusspflicht gemäß § 8 Ziff. 4 des Gesellschaftsvertrages. Zudem fehle ein hierfür erforderlicher Gesellschafterbeschluss.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
Ihr steht gegen den Beklagten sowohl der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung gewinnunabhängiger Ausschüttungen in Höhe von 14.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.09.2012 als auch der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 911,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.06.2014 (Klagezustellung) zu.
I. Klageantrag zu 1)
1. Der Beklagte ist hinsichtlich der Klageansprüche trotz seiner Stellung als Treugeber-Kommanditist passivlegitimiert. Er hat nämlich aufgrund des hier vorliegenden Zusammenspiels von Gesellschafts- und Treuhandvertrag im Innenverhältnis zur Klägerin, wie sich dies ausdrücklich aus § 1 Ziff. 5 des Gesellschaftsvertrags ergibt, die Stellung eines direkten Gesellschafters. Eine solche Verzahnung von Gesellschaft und Treuhand ist im Gesellschaftsvertrag von vornherein vorgesehen. Die betreffenden Rechte und Pflichten der Anleger sind bereits im Gesellschaftsvertrag manifestiert (vgl. in diesem Zshg. BGH, Urt. vom 11.10.2011, II ZR 242/09; Urt. vom 30.3.1987, II ZR 163/86, NJW 1987, 2677). Der Beklagte hat den Gesellschaftsvertrag in seiner Beitrittserklärung auch als für sich verbindlich anerkannt. Der Gesellschaftsvertrag sieht zudem in § 4 Ziff. 2 Abs. 3, 4 die E GmbH als weitere Kommanditistin vor mit der Berechtigung, „Kommanditkapital (…) zu übernehmen und den sich treuhänderisch Beteiligenden zuzuordnen“. Ferner regelt der Gesellschaftsvertrag an verschiedenen Stellen unmittelbar die Rechtsstellung der Treugeber. So sieht er in § 3 Ziff. 2 Abs. 4, 5 u.a. vor, dass die Treugeber im Fall der Kündigung des Treuhandverhältnisses aus wichtigem Grund als Kommanditisten in die Gesellschaft eintreten und im Fall der Kündigung des Treuhandkommanditisten einen neuen gemeinsamen Treuhänder zu wählen haben. § 3 Ziff. 5 Abs. 3 sieht ein Zustimmungserfordernis des Treugebers bei Beteiligungs-Übertragungen durch den Treuhänder vor. Die Treugebereinlage ist auf das Konto der Gesellschaft zu zahlen ist. In § 8 Ziff. 1 ist ferner die Berechtigung der Treugeber geregelt, das Stimmrecht des Treuhandkommanditisten entsprechend ihrem Anteil selbst in der Gesellschafterversammlung auszuüben. Darauf abgestimmt sind die Bestimmungen im Treuhandvertrag, der seinerseits auf den Gesellschaftsvertrag Bezug nimmt. Dass der Treuhänderin eine bloße „Mittlerfunktion“ (vgl. BGH, Urt. vom 2.7.2001 - Az. II ZR 304/00 - NJW 2001, 2718) zukommt, ergibt sich ferner deutlich aus der Bestimmung in § 3 Ziff. 2 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags, wonach die Kündigung eines Treuhandverhältnisses durch den Treuhandkommanditisten zugleich auch als Kündigung gegenüber der Gesellschaft gilt.
2. Der geltend gemachte Rückforderungsanspruch ist begründet.
a) Ein Anspruch auf Rückzahlung gewinnunabhängiger Ausschüttungen entsteht nicht schon dann, wenn an einen Kommanditisten von § 169 Abs. 1 HGB nicht gedeckte - weil gewinnunabhängig - Auszahlungen zu Lasten seines Kapitalanteils geleistet werden, sondern setzt stets voraus, dass der Gesellschaftsvertrag eine solche Rückzahlung vorsieht (vgl. BGH, Urt. vom 12.03.2013, II ZR 73/11, NZG 2013, 738 - Rz. 8). Nach der gesetzlichen Regelung in § 169 Abs. 1 S. 2 HGB hat ein Kommanditist nur einen Anspruch auf Auszahlung des ihm zukommenden Gewinns. Der auf den Kommanditisten anteilig entfallende Jahresüberschuss kann von diesem aber nicht gefordert werden, solange sein Kapitalanteil durch Verlust unter den auf die bedungene Einlage geleisteten Betrag herabgemindert ist oder durch die Auszahlung unter diesen Betrag herabgemindert würde. Nach der gesetzlichen Vorgabe sind Gewinne danach vorrangig zum Verlustausgleich zu verwenden. Über die Regelung des § 169 Abs. 1 HGB hinaus sind nach allgemeiner Ansicht aber auch gewinnunabhängige Ausschüttungen an die Kommanditisten zulässig und ihnen zu belassen, wenn der Gesellschaftsvertrag dies – wie vorliegend - vorsieht oder die Ausschüttung durch das Einverständnis aller Gesellschafter gedeckt ist (BGH, Urt. v. 12.03.2013, II ZR 73/11, NZG 2013, 738 - Rz. 9 m.w.N.). Bei einer Rückzahlung der Einlage entsteht ein Rückgewähranspruch der Gesellschaft (im Innenverhältnis) damit nicht automatisch, sondern kann sich nur aus anderen Rechtsgründen ergeben, insbesondere aus einer entsprechenden vertraglichen Abrede (BGH, Urt. v. 12.03.2013, II ZR 73/11, NZG 2013, 738 - Rz. 11 a.E.). Denn bei der KG gibt es weder einen im Innenverhältnis wirkenden Kapitalerhaltungsgrundsatz noch gibt es eine Rechtfertigung für die Annahme, dass im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Kapitalrückzahlungen der Gesellschaft im Zweifel wieder zuzuführen sind (BGH a.a.O. Rz. 12).
b) Der hier in Rede stehende Gesellschaftsvertrag, der maßgebliche inhaltliche Abweichungen zu dem Gesellschaftsvertrag aufweist, über den der BGH in den beiden Entscheidungen vom 12.03.2013 zu befinden hatte, enthält nach Auffassung des Senats in den §§ 4 Ziff. 9; 11 Ziff. 4, 5 eine Regelung, aus der sich ein Vorbehalt der Rückforderung hinreichend deutlich entnehmen lässt.
Dabei sind Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften nach ständiger Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 12.03.2013, II ZR 73/11, NZG 2013, 738 - Rz. 13) allein nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt auszulegen und unterliegen einer ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Geschäftsbedingungen, so dass in Anlehnung an § 305 c Abs. 2 BGB Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen (BGH a.a.O. Rz. 14 m.w.N.), was für den einer Publikumsgesellschaft beitretenden Gesellschafter bedeutet, dass sich die mit dem Beitritt verbundenen, nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Rechte und Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag klar ergeben müssen.
Gemessen daran enthält der hier auszulegende Gesellschaftsvertrag hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Kommanditisten Auszahlungen gem. § 11 Ziff. 4 des Gesellschaftsvertrages unter dem Vorbehalt einer Rückforderung erhalten haben.
Anders als in den beiden am 12.03.2013 vom BGH entschiedenen Fällen ist hier in § 4 Ziffer 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich vorgesehen, welche Konten im Einzelnen geführt werden. Neben dem festen Kapitalkonto I, auf dem die vereinbarte Einlage verbucht wird, wird ein variables Kapitalkonto II geführt, auf dem allein die Gewinn- und Verlustanteile des Kommanditisten verbucht werden, ohne dass sich aus diesen Konten Gesellschafterrechte ergeben. Das Kapitalkonto II erfasst damit die nicht entnahmefähigen Gewinne und die Verluste. Darüber hinaus sieht der Gesellschaftsvertrag die Bildung eines gesonderten "Einlage-/Entnahme-/ Darlehenskontos" vor, auf dem etwaige weitere Einlagen sowie sämtliche Entnahmen/Ausschüttungen gebucht werden, soweit letztere zu einem Wiederaufleben der Haftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft führen. Diese - im Außenverhältnis gem. § 172 Abs. 4 HGB - zu einer Haftung des Kommanditisten führenden Entnahmen oder Ausschüttungen werden nach der gesellschaftsvertraglichen Regelung - im Innenverhältnis - ausdrücklich als zinslose Darlehensverbindlichkeit der betroffenen Gesellschafter/Treugeber gegenüber der Gesellschaft gebucht. Anders als in dem Gesellschaftsvertrag, der den Entscheidungen des BGH vom 12.03.2013 zugrunde lag, ist damit klargestellt, dass mit der Auszahlung gewinnunabhängiger Ausschüttungen eine Verbindlichkeit des die Zahlung empfangenden Kommanditisten gegenüber der Gesellschaft begründet wird, so dass dieses (variable) "Einlage-/Entnahme-/Darlehenskonto" im Fall des Debets einen Anspruch der Gesellschaft gegen den Kommanditisten ausweist. Anders als eine bloße "Buchung auf Darlehenskonto", der sich nicht zweifelsfrei entnehmen lässt, ob es sich um eine Darlehensverbindlichkeit der Gesellschaft oder des Gesellschafters handelt, ist vorliegend eindeutig von einer Darlehensverbindlichkeit des Gesellschafters/Treugebers die Rede, für die gerade eine Verpflichtung zur Rückzahlung charakteristisch ist. Dementsprechend sieht § 4 Ziffer 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich auch eine Rückzahlung (der Entnahmen/Ausschüttungen, die zu einem Wiederaufleben der Haftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft führen) vor und macht sie "aufschiebend bedingt von der Liquiditätslage der Gesellschaft" abhängig.
Dass die Auszahlungen nach § 11 Ziff. 4 des Gesellschaftsvertrages unter dem Vorbehalt der Rückzahlung stehen, wird auch in § 8 Ziff. 4 des Gesellschaftsvertrages zur Nachschusspflicht des Gesellschafters vorausgesetzt, wenn darauf hingewiesen wird, dass keine Nachschusspflicht der Kommanditisten besteht, wobei dies indes nur unbeschadet der nicht abdingbaren gesetzlichen Haftungsregelung und der "Darlehensregelung in § 11 Ziff. 5" gilt.
Insofern stellen sich die Klauseln auch nicht als überraschend dar. Aus dem Zusammenspiel von § 11 Ziff. 5 und § 4 Ziff. 9 Abs. 3 ergibt sich deutlich, dass in dem genannten Fall eine Darlehensverbindlichkeit des Anlegers begründet wird.
Die hiesigen Vertragsregelungen sind im Wesentlichen vergleichbar mit denen, die den Entscheidungen des Senats (Urt. v. 09.02.2015, 8 U 103/14) und des BGH (Beschl. V. 01.03.2016, II ZR 66/15) zugrunde lagen, wobei die hier streitigen Klauseln hinsichtlich der Rückforderbarkeit der Ausschüttungen demgegenüber eher noch klarer erscheinen, weil die Gestaltung und Buchung der Ausschüttungen als zinslose Darlehen mehrfach in den Regelungen der §§ 4 Ziff. 5, 4 Ziff. 9, 8 Ziff. 4 und 11 Ziff. 4 und 5 angesprochen sind und unmissverständlich mitgeteilt wird, dass sämtliche Ausschüttungen an die Gesellschafter auf das „Darlehenskonto des Gesellschafters als Verbindlichkeit“ gebucht werden. Der BGH hat in dem früheren Fall die vom Senat vorgenommene Auslegung der Vertragsregelungen aus revisionsrechtlicher Sicht als nicht zu beanstanden angesehen.
Auch der Emissionsprospekt (Anl. B 3), auf den es mangels ergänzender Auslegungsnotwendigkeit entscheidend nicht mehr ankommt, beinhaltet den Hinweise auf einen entsprechenden Rückforderungsvorbehalt. Es heißt dort, „Ausschüttungen werden … als Darlehen … behandelt“ (S. 56) und „können ggfs. von der Gesellschaft im Bedarfsfall zurückgefordert werden“ (S. 62).
Dadurch, dass das Rückzahlungsverlangen ausdrücklich an die "Liquiditätslage der Gesellschaft" geknüpft ist, liegt zudem der vom BGH (Urt. v. 12.03.2013, II ZR 73/11, NZG 2013, 738 - Rz. 23) für erforderlich gehaltene besondere Grund für die Rückforderung vor, da es ansonsten widersprüchlich wäre, wenn die Gesellschafter nach den Regelungen im Gesellschaftsvertrag regelmäßig aus Liquiditätsüberschüssen Zahlungen von der Gesellschaft erhalten sollen, ihnen diese - unter Umständen über erhebliche Zeiträume hinweg geleisteten - Zahlungen aber ohne Weiteres binnen einer Frist von drei Monaten (§ 488 Abs. 3 S. 2 BGB) wieder entzogen werden könnten.
c) Die Voraussetzungen, unter denen gem. § 11 Ziff. 4 des Gesellschaftsvertrages gezahlte Ausschüttungen - in Höhe von 14.000,- € - von dem Beklagten zurückgefordert werden können, liegen vor. Nach § 4 Ziff. 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages ist die Rückzahlung einer zu einem Wiederaufleben der Haftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft führenden Ausschüttung aufschiebend bedingt von der Liquiditätslage der Gesellschaft abhängig.
Diese Anspruchsvoraussetzung kann nur dahin verstanden werden, dass sich die Klägerin in einer kritischen Liquiditätslage befinden und auf die Zufuhr von Liquidität zur Abwehr einer sonst drohenden Zahlungsunfähigkeit angewiesen sein muss. Da die Bedingung für die Rückforderbarkeit der gewinnunabhängigen Ausschüttungen auslegungsbedürftig ist, ist auch unter Berücksichtigung des § 305 Abs. 2 BGB eine derart enge Auslegung vorzunehmen.
Dass vorliegend die Liquiditätslage der Gesellschaft konkret die Rückforderung erforderte, ergibt sich daraus, dass die Banken zu einer Stundung der vorgesehenen Tilgung und einer Zurverfügungstellung weiterer Liquidität unstreitig nicht bereit waren. Die Klägerin war insofern zur Abwehr einer drohenden Zahlungsunfähigkeit auf die Rückzahlungen der Anleger angewiesen.
d) Die Fassung eines Gesellschafterbeschlusses war für die Rückforderung nicht erforderlich, da es sich bei der Geltendmachung von Ansprüchen auch auf die Rückführung von Ausschüttungen um ein gewöhnliches Geschäft der Verwaltung handelte.
Bei der Entscheidung über die Rückforderung dieser Beträge handelt es sich um ein gewöhnliches Geschäft der Verwaltung, das der Komplementärin der Klägerin bzw. dem von dieser mit der Geschäftsbesorgung beauftragten Dritten übertragen ist. Nach §§ 161 Abs. 2, 116 Abs. 1 HGB erstreckt sich die Befugnis zur Geschäftsführung auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt. Gewöhnlich in diesem Zusammenhang ist, was in einem Handelsgewerbe wie dem vorliegenden üblicherweise vorkommen kann (Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2014, § 116 Rn. 1). Hierzu gehört auch die Rückforderung von Ausschüttungen. Das folgt daraus, dass die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft zu den typischen Aufgaben der Geschäftsführung gehört. Eine andere Beurteilung ist nicht deswegen angezeigt, weil es sich um Ansprüche gegen Gesellschafter handelt. Denn es geht in diesem Zusammenhang nicht um die Frage, ob Ansprüche gegen Gesellschafter begründet werden sollen, sondern ob latent bestehende Forderungen geltend gemacht und damit fällig gestellt werden sollen. Kommt die Geschäftsführung nach pflichtgemäßer Prüfung zu dem Ergebnis, dass eine Geltendmachung angezeigt ist, kann sie die hierzu erforderlichen Schritte selbst vornehmen. Im Übrigen ist auch die gleichsam umgekehrte Handlung, nämlich die Vornahme der gewinnunabhängigen Ausschüttungen, von der Geschäftsführung der Klägerin aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Vorgaben vollzogen worden.
Auch der Regelung in § 8 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrages lässt sich die Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses nicht entnehmen. Die dort genannten Beschlussgegenstände, die eine qualifizierte Mehrheit erfordern, betreffen die Grundlagen der Gesellschaft (Änderung des Gesellschaftsvertrages, Veräußerung des Schiffs, Auflösung der Gesellschaft etc.) und sind deshalb in ihrer Bedeutung mit der Geltendmachung von Zahlungsansprüchen gegen Kommanditisten nicht vergleichbar.
e) Ohne Bedeutung in diesem Zusammenhang ist, dass eine Rückforderbarkeit der Ausschüttungen bei ihrer Auszahlung nicht mitgeteilt worden ist. Zum einen lagen seinerzeit bei Vornahme der Ausschüttungen die betreffenden Voraussetzungen für einen Rückzahlungsanspruch nicht vor. Zum anderen ergibt sich dieser Anspruch unmittelbar aus dem für die Beurteilung maßgeblichen Gesellschaftsvertrag und bedarf insofern nicht einer erneuten Mitteilung.
II. Klageantrag zu 2)
Die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist gerechtfertigt gem. §§ 286 Abs. 1, 280 Abs. 2 BGB. Aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 03.08.2012 (Anl. 5) befindet sich der Beklagte seit dem 08.09.2012 mit der Zahlung der 14.000,- € in Verzug. Als Verzögerungsschaden kann die Klägerin auch die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 755,80 verlangen.
III.
Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Senat hat die Auslegung des Gesellschaftsvertrages unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgenommen.
Meta
18.04.2016
Oberlandesgericht Hamm 8. Zivilsenat
Urteil
Sachgebiet: U
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 18.04.2016, Az. 8 U 128/15 (REWIS RS 2016, 12852)
Papierfundstellen: REWIS RS 2016, 12852
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.