Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2006, Az. XII ZR 30/04

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 4505

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04 Verkündet am: 15. März 2006 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja BGB § 1581 a) Der Selbstbehalt gegenüber einem Anspruch auf Trennungsunterhalt oder nachehelichen Ehegattenunterhalt (Ehegattenselbstbehalt) kann nicht gene-rell mit dem Betrag bemessen werden, der als notwendiger Selbstbehalt ge-genüber Unterhaltsansprüchen minderjähriger oder ihnen nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gleichgestellter Kinder im Rahmen des [X.] gilt. Er ist vielmehr in der Regel mit einem Betrag zu bemessen, der zwischen dem angemessenen Selbstbehalt (§ 1603 Abs. 1 BGB) und dem notwendigen Selbstbehalt (§ 1603 Abs. 2 BGB) liegt (Fortführung des [X.] vom 1. Dezember 2004 - [X.] - FamRZ 2005, 354 ff.). b) Einer zusätzlichen Grenze der Leistungsfähigkeit nach den individuellen ehe-lichen Lebensverhältnissen bedarf es nach der neueren Rechtsprechung des [X.]s zur Ermittlung des [X.] eines getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten nicht mehr (Abgrenzung zu den [X.]surteilen [X.] 109, 72, 83 f. und vom 9. Juni 2004 - [X.]/01 - [X.], 1357, 1358 f.; Fortführung des [X.]surteils [X.] 153, 358, 364 f.). [X.], Urteil vom 15. März 2006 - [X.]/04 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2006 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. Wagenitz und Dose für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.]n wird das Urteil des 8. [X.] des [X.] vom 14. Janu-ar 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlan-desgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Die Parteien - die seit über 40 Jahren miteinander verheiratet sind - strei-ten um Trennungsunterhalt für die [X.] ab August 2002. Der [X.] ist [X.]; er bezieht aus seiner gesetzlichen Rente und seiner Betriebsrente monatli-che Gesamteinkünfte, die sich für die [X.] bis Juni 2003 auf 1.335 • beliefen und seitdem 1.345 • betragen. Die am 27. Januar 1940 geborene Klägerin war während der Ehezeit aushilfsweise tätig und erzielt aus dieser Tätigkeit seit der Trennung monatlich 250 •. 1 - 3 - Der [X.] zahlte an die Klägerin im August 2002 335,75 • und in der [X.] von September 2002 bis April 2003 monatlich 544,38 • an Trennungsun-terhalt. Für die [X.] ab Mai 2003 hat er eine monatliche Unterhaltspflicht in [X.] von 415,25 • anerkannt. 2 3 Das Amtsgericht hat den [X.]n zur Zahlung monatlichen Tren-nungsunterhalts in Höhe von 571 • abzüglich der von August 2002 bis Mai 2003 geleisteten Unterhaltszahlungen verurteilt. Die Berufung des [X.]n blieb erfolglos. Dagegen richtet sich die - vom [X.] zugelassene - Revision des [X.]n, mit der er Klagabweisung für die [X.] bis Mai 2003 so-wie Herabsetzung des ab Juni 2003 geschuldeten Unterhalts auf den anerkann-ten Betrag in Höhe von monatlich 415,25 • begehrt. Entscheidungsgründe: Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur [X.] an das Berufungsgericht. 4 I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in [X.], 1104 f. veröffentlicht ist, hat auf der Grundlage der Renteneinkünfte des [X.]n und des - nach Abzug pauschaler berufsbedingter Aufwendungen sowie eines [X.] - bereinigten Erwerbseinkommens der Klägerin einen mo-natlichen Unterhaltsbedarf in Höhe von 571 • für die [X.] bis Juni 2003 und in 5 - 4 - Höhe von 576 • für die [X.] ab Juli 2003 ermittelt. Der Klägerin sei kein höheres Einkommen als zuletzt mit monatlich 250 • erzielt anzurechnen. Im Hinblick auf die jahrzehntelange Ehedauer erscheine es angemessen, den Umfang ihrer Erwerbsobliegenheit über das Trennungsjahr hinaus zu beschränken. Eine Ausweitung ihrer Erwerbstätigkeit sei der Klägerin auch deswegen nicht mehr zumutbar, weil sie im Januar 2004 64 Jahre alt geworden sei und "gewisse ge-sundheitliche Beeinträchtigungen plausibel dargelegt" habe. Der [X.] sei zur Zahlung des sich aus den ehelichen [X.]n ergebenden [X.] leistungsfähig, zumal ihm nach den un-terhaltsrechtlichen Leitlinien des [X.] und den davon in Bezug genommenen Anmerkungen zur [X.] Tabelle lediglich ein Selbstbehalt in Höhe von 730 • monatlich zu belassen sei. Entgegen der [X.] des [X.]n bestehe auch keine Veranlassung, auf die unterhalts-rechtlichen Leitlinien des [X.]s Hamm abzustellen, aus denen sich für den Ehegattenunterhalt ein "billiger Selbstbehalt" von 920 • ergebe. Die Revision hat das Berufungsgericht zugelassen, weil "die Frage der (Nicht-)An-wendung außerbezirklicher unterhaltsrechtlicher Leitlinien bislang – noch nicht obergerichtlich entschieden" worden sei. 6 [X.] Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision nicht stand. 7 - 5 - 1. Schon die Bemessung des [X.] der Klägerin nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB) entspricht nicht in allen Punkten der Rechtsprechung des [X.]s. 8 9 Zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die ehe-lichen Lebensverhältnisse der Parteien von den Rentenbezügen des [X.]n geprägt worden sind. Das wäre selbst dann der Fall, wenn die Rente an die Stelle eines im [X.]punkt der Scheidung noch bezogenen Erwerbseinkommens getreten wäre ([X.]surteil vom 31. Oktober 2001 - [X.] ZR 292/99 - FamRZ 2002, 88, 91 f.). Hier hat das Renteneinkommen die ehelichen [X.] schon deswegen geprägt, weil der [X.] im [X.]punkt der Trennung der Parteien im August 2002 bereits Rente bezog. Ebenso zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass auch das Einkommen der Klägerin aus ihrer Aushilfstätigkeit die ehelichen Lebensver-hältnisse geprägt hat. Denn die Klägerin hat ein solches Einkommen schon während der Ehezeit und weiterhin seit der Trennung erzielt. Soweit das [X.] dieses eheprägende Einkommen der Klägerin allerdings zur Höhe auf monatlich 250 • beschränkt hat, berücksichtigt es den unter Beweis gestell-ten Sachvortrag des [X.]n nicht erschöpfend. 10 a) Ob "gewisse gesundheitliche Beeinträchtigungen" oder das Alter der Klägerin von 64 Jahren einer Obliegenheit zur Ausweitung ihrer Aushilfstätigkeit entgegenstehen, kann hier offen bleiben. Denn der [X.] hat [X.] wie die Revi-sion zu Recht rügt - unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Klägerin in den letzten 18 Jahren vor der Trennung in weiterem Umfang aushilfsweise tätig ge-wesen sei und durchschnittlich mindestens 325 • monatlich verdient habe. [X.] Tätigkeit habe sie erst im Zuge der Trennung auf das nunmehr ausgeübte Maß reduziert. 11 - 6 - Nach diesem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt kommt es nicht darauf an, ob die bei Verkündung des Berufungsurteils fast 64 Jahre alte Klägerin ihre Aushilfstätigkeit über das bisherige Maß hinaus ausweiten muss. Entscheidend ist vielmehr darauf abzustellen, ob die Klägerin aus unterhalts-rechtlicher Sicht ihr bisheriges Einkommen im Zusammenhang mit der Tren-nung eigenmächtig auf monatlich 250 • reduzieren durfte. Umstände, die eine solche Einschränkung der Aushilfstätigkeit aus gesundheitlicher Sicht erfordern, hat das Berufungsgericht nicht konkret festgestellt. Allein der Umstand, dass die Klägerin im [X.]punkt der Trennung fast 63 Jahre alt war, berechtigte sie nach der Rechtsprechung des [X.]s noch nicht, eine zuvor ausgeübte eheprägende Tätigkeit zu reduzieren ([X.]surteil vom 3. Februar 1999 - [X.] ZR 146/97 - FamRZ 1999, 708, 709 f.). Das Berufungsgericht wird deswegen zunächst auf der Grundlage des streitigen Sachvortrags klären müssen, ob die Klägerin ihre Aushilfstätigkeit erst im Zusammenhang mit der Trennung reduziert hat (so der [X.]), oder ob die Reduzierung schon Jahre vor der Trennung im Einver-nehmen mit dem [X.]n erfolgt ist (so die Klägerin). Sollte sich der Sachvor-trag des [X.]n bestätigen, wäre die Reduzierung der Aushilfstätigkeit nur dann unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen, wenn die Klägerin substantiiert vor-trägt und beweist, dass ihr eine Aushilfstätigkeit in dem zuvor ausgeübten [X.] aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zumutbar war. 12 b) Soweit der Klägerin neben dem tatsächlich erzielten Einkommen aus ihrer Aushilfstätigkeit fiktive Einkünfte bis zur Höhe ihres zuvor erzielten [X.] zuzurechnen sind, sind diese nach der Rechtsprechung des [X.]s im Wege der [X.] oder [X.] in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen. Denn auch solche fiktiven Einkünfte hätten dann die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien geprägt ([X.]surteil vom 7. September 2005 - [X.] ZR 311/02 - FamRZ 2005, 1979, 1981). 13 - 7 - c) Für das weitere Verfahren wird das Berufungsgericht allerdings zu be-achten haben, dass die Klägerin am 27. Januar 2005 65 Jahre alt geworden ist. Nach der Rechtsprechung des [X.]s ist sie mit Erreichen der allgemeinen Al-tersgrenze nicht mehr verpflichtet, eine Erwerbstätigkeit auszuüben und kann diese deswegen jederzeit reduzieren oder vollständig aufgeben. Nur wenn die Klägerin ihre Nebentätigkeit nach Renteneintritt weiterhin ausübt, bleibt das zu-sätzlich erzielte Einkommen nicht schon deswegen vollständig unberücksichtigt, weil es überobligationsmäßig erzielt wird. Dann ist der unterhaltsrelevante An-teil des überobligationsmäßig erzielten Einkommens nach Billigkeit zu ermitteln und - gegebenenfalls neben den eigenen Renteneinkünften [X.] im Wege der [X.] oder Anrechnungsmethode in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen ([X.]surteil vom 13. April 2005 - [X.] ZR 273/02 - FamRZ 2005, 1154, 1157 f.). 14 2. Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Prüfung aber auch deswegen nicht stand, weil es die Grenzen der Leistungsfähigkeit des [X.] nicht hinreichend berücksichtigt. 15 a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s besteht eine [X.] nicht, soweit der [X.] infolge einer Unterhaltsleistung selbst sozialhilfebedürftig würde. Dem Unterhaltspflichtigen muss schon aus verfassungsrechtlichen Gründen jedenfalls der Betrag verbleiben, der seinen eigenen Lebensbedarf nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen sicherstellt ([X.]e [X.] 111, 194, 198 = FamRZ 1990, 849, 850 und vom 10. Juli 1996 - [X.] ZR 121/95 - FamRZ 1996, 1272, 1273; [X.] [X.], 751, 757 ff.). Die finanzielle Leistungsfähigkeit endet jedenfalls dort, wo der [X.] nicht mehr in der Lage ist, seine eigene Existenz zu sichern ([X.] FamRZ 2001, 1685 f.; zur Höhe vgl. [X.] [X.], 1909, 1910 ff. und [X.], 148 f.). 16 - 8 - Die Bemessung dieses - auch verfassungsrechtlich zu beachtenden - [X.] ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s Aufgabe des Tatrichters. Dabei ist es diesem nicht verwehrt, sich an Erfahrungs- und Richtwerte anzulehnen, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände eine Abweichung gebieten ([X.]surteile vom 28. März 1984 - [X.] - NJW 1984, 1614 und vom 23. September 1992 - [X.] ZR 157/91 - FamRZ 1993, 43, 44 f.). Die [X.]e haben solche pauschalen Selbstbehaltssätze als Grenzen der Leistungsfähigkeit für den Verwandtenunterhalt (§ 1603 BGB) oder den Ehegattenunterhalt (§ 1581 BGB) in ihre unterhaltsrechtlichen Leitlinien aufgenommen, stimmen dabei teilweise aber weder zur Höhe noch in der [X.] gegenüber anderen Unterhaltsansprüchen überein. Beim Ehegattenun-terhalt wird zum Teil zusätzlich danach unterschieden, ob der unterhaltsberech-tigte Ehegatte minderjährige Kinder erzieht oder ob es sich um Trennungs- oder nachehelichen Ehegattenunterhalt handelt. 17 Bei der Bemessung solcher Selbstbehalte haben die Gerichte die gesetz-lichen Vorgaben zu beachten, die sich insbesondere aus dem Wesen der Un-terhaltspflicht und der Rangfolge des Anspruchs im Verhältnis zu anderen [X.] ergeben ([X.]surteil vom 7. Dezember 1988 - [X.] - FamRZ 1989, 272 f.). Deswegen hat es der [X.] nicht gebilligt, dass der angemessene Selbstbehalt gegenüber Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder (§ 1603 Abs. 1 BGB) mit dem notwendigen Selbstbehalt gegenüber Un-terhaltsansprüchen minderjähriger und diesen nach § 1603 Abs. 2 BGB gleich-gestellter Kinder gleichgesetzt wird ([X.]surteil vom 7. Dezember 1988 aaO). Ebenso hat es der [X.] aus Rechtsgründen nicht für vertretbar und auch nicht für billig gehalten, dem unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten regelmä-ßig nur den notwendigen Selbstbehalt zu belassen. Die darin zum Ausdruck kommende Gleichbehandlung des Unterhaltsanspruchs von Ehegatten mit demjenigen minderjähriger Kinder, wie sie für das Rangverhältnis in § 1609 18 - 9 - Abs. 2 Satz 1 BGB (noch) angeordnet ist, würde die gesteigerte [X.] nach § 1603 Abs. 2 BGB außer Betracht lassen. Der [X.] dieser Vorschrift ist darin zu sehen, dass minderjährigen Kindern wegen ihres Alters von vornherein die Möglichkeit verschlossen ist, durch eigene [X.] zur Deckung ihres notwendigen Lebensbedarfs beizutragen ([X.] vom 1. Dezember 2004 - [X.] - FamRZ 2005, 354, 355 m.w.N.). Das gilt für geschiedene oder getrennt lebende Ehegatten nicht in [X.] Maße. Umgekehrt kann der gegenüber dem Unterhaltsanspruch volljähri-ger Kinder stärker ausgestaltete Charakter des [X.] auch zu einer stärkeren Haftung und damit zu einem geringeren Selbstbehalt nach § 1581 BGB führen, als dieses auf der Grundlage des § 1603 Abs. 1 BGB ge-genüber dem Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder der Fall ist. Denn nach § 1609 Abs. 2 BGB stehen Ehegatten zwar den Kindern im Sinne des § 1603 Abs. 2 BGB gleich; sonstigen Kindern gehen sie allerdings im Rang vor. Nach dieser gesetzlichen Wertung ist es geboten, den Selbstbehalt ge-genüber dem Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten nach § 1581 BGB mit einem Betrag zu bemessen, der nicht unter dem notwendigen (§ 1603 Abs. 2 BGB), aber auch nicht über dem angemessenen (§ 1603 Abs. 1 BGB) Selbstbehalt liegt. Dabei wird es nicht zu beanstanden sein, wenn der Tatrichter für diesen - pauschalen - Ehegattenselbstbehalt im Regelfall von einem etwa in der Mitte zwischen diesen beiden Beträgen liegenden Betrag ausgeht, wie der [X.] schon für den Unterhaltsanspruch nach § 1615 l Abs. 2 BGB entschieden hat (vgl. [X.]surteil vom 1. Dezember 2004 aaO, 355 f.). Für den [X.] fehlt zwar eine dem § 1581 BGB entsprechende Regelung, die den Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Ehegatten sicherstellt. Der [X.] gebietet es jedoch, diese Vorschrift entsprechend anzuwen-den, da sich auch der Anspruch auf Trennungsunterhalt wie jeder Unterhaltsan-19 - 10 - spruch an der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen auszurichten hat ([X.] FamRZ 2002, 1397, 1398). 20 b) Der [X.] hat die Leistungsfähigkeit im Rahmen des [X.] (§ 1581 BGB) bisher auch noch in weiterer Weise beschränkt ([X.]sur-teile [X.] 109, 72, 83 ff. = FamRZ 1990, 260, 264 und vom 9. Juni 2004 - [X.]/01 - [X.], 1357, 1358 f.; vgl. [X.]/[X.], Das [X.] in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 4 Rdn. 567 ff.). Dessen bedarf es nach der neueren Rechtsprechung des [X.]s zur Ermittlung des [X.] eines getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten nicht mehr. Um zu verhindern, dass der Unterhaltspflichtige gegenüber einem höhe-ren eheangemessenen Unterhaltsbedarf bis zur Grenze eines Mindestselbstbe-halts hafte, und dadurch der Grundsatz der Halbteilung nicht mehr gewahrt werde, sei der eigene angemessene Unterhalt im Sinne von § 1581 BGB, des-sen Gefährdung den Einstieg in die Billigkeitsprüfung eröffnet, grundsätzlich mit dem eheangemessenen Unterhalt nach § 1578 BGB gleichzusetzen. Nur eine solche Gleichsetzung des eigenen angemessenen Unterhalts in § 1581 BGB mit dem eheangemessenen Unterhalt im Sinne des § 1578 BGB könne vermei-den, dass der Unterhaltsberechtigte unter Verstoß gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe seinen vollen eheangemessenen Unterhalt erhalte, während der Verpflichtete erst dann nicht mehr als voll leistungsfähig behandelt werde, wenn ein generell bestimmter, unter seinem eheangemessenen Bedarf liegender Selbstbehalt gefährdet würde. Die in § 1581 BGB vorgeschriebene Abwägung habe neben der Sicherung des Eigenbedarfs des Unterhaltspflichti-gen auch den Zweck, das verfügbare Einkommen so unter den (geschiedenen) Eheleuten zu verteilen, dass die dem Berechtigten zustehenden Unterhaltsleis-tungen nicht in einem unbilligen Verhältnis zu den Mitteln stünden, die dem 21 - 11 - Verpflichteten für seinen eigenen Bedarf verblieben. Um diesem Zweck voll [X.] zu werden, müsse die Billigkeitsabwägung aber bereits eröffnet sein, wenn der Verpflichtete den vollen geschuldeten Unterhalt nicht ohne Gefähr-dung seines eigenen eheangemessenen Unterhalts leisten könne ([X.]surtei-le [X.] 109, aaO = FamRZ aaO, 264 und vom 9. Juni 2004 - [X.]/01 - [X.], 1357, 1358 f.). Diese Rechtsprechung hatte allerdings zur Folge, dass in einer Vielzahl von Fällen - und zwar stets dann, wenn das verfügbare Einkommen nicht ausreicht, um den beiderseitigen ursprünglich eheangemes-senen Unterhalt einschließlich eines eventuellen Mehrbedarfs zu befriedigen - der Unterhalt des berechtigten Ehegatten nach Billigkeitsgrundsätzen gemäß § 1581 BGB zu bemessen ist. Dieser Auslegung des § 1581 BGB für die Bemessung der [X.] gegenüber einem Anspruch auf Ehegattenunterhalt sind allerdings nicht alle [X.]e gefolgt. Während die Mehrzahl der [X.]e nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.]s den Selbstbehalt gegenüber Ehegatten grundsätzlich mit dem eheangemessenen Unterhaltsbedarf des [X.] nach § 1578 BGB gleichsetzt, sehen andere [X.]e eine solche Anhebung über einen festen Mindestselbstbehalt hinaus nicht vor (so die [X.]e [X.], [X.], [X.] und [X.], jeweils FamRZ 2005, 1306 ff. unter 21.4). 22 Dieser zusätzlichen Grenze der Leistungsfähigkeit nach den individuellen ehelichen Lebensverhältnissen bedarf es nicht mehr. 23 aa) Richtig ist zwar, wie der [X.] schon bislang betont hat, dass ein un-terhaltsberechtigter Ehegatte nicht unter Verstoß gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe einen höheren eheangemessenen Unterhalt erhalten kann, während der Verpflichtete erst dann als nicht mehr leistungsfähig [X.] - 12 - delt wird, wenn ein generell bestimmter, womöglich unter seinem eheangemes-senen Bedarf liegender Ehegattenselbstbehalt gefährdet würde. Dieses [X.] wird nach der neueren Rechtsprechung des [X.]s aber schon im Rahmen der [X.] sichergestellt. 25 Gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt sich das Maß des [X.] nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s erfordert die Bedarfsermittlung deshalb regelmäßig eine konkrete Feststellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die den ehelichen Lebensstandard bestimmt haben. Dass auf diese Weise auch ein [X.] ermittelt werden kann, der unter dem Selbstbehalt eines Unterhaltsver-pflichteten gegenüber (sogar minderjährigen) Kindern liegt, veranlasst keine Korrektur. Der eheliche Lebensstandard ist grundsätzlich individuell angelegt. Er kann wirtschaftlich über oder unter dem Niveau von Tabellenwerten liegen, die in der Regel auf durchschnittlich ermittelten Kosten der allgemeinen [X.] beruhen und Besonderheiten daher nicht berücksichtigen. Darin unterscheidet er sich von dem Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen, der auf der Grundlage der Sozialhilfesätze mit Mindestbeträgen pauschaliert werden kann. Der Bedarf eines unterhaltsberechtigten Ehegatten kann auch nach der Scheidung je nach den Umständen des Einzelfalles beispielsweise dadurch beeinflusst werden, dass infolge gemeinschaftlichen Wirtschaftens mit anderen Personen - etwa Verwandten - die Generalkosten insbesondere für Wohnen niedriger gehalten werden können als im Falle des Alleinlebens. Inhalt der Un-terhaltspflicht gegenüber einem geschiedenen Ehegatten ist es deswegen nicht, dem Berechtigten unter allen Umständen das so genannte Existenzminimum zu sichern - das ist notfalls Sache des Sozialhilfeträgers -, sondern nach Maßgabe des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB die Fortsetzung derjenigen - möglicherweise auch engen - Lebensverhältnisse zu ermöglichen, die die Ehe prägen ([X.]s-urteil vom 11. Januar 1995 - [X.] ZR 122/93 - FamRZ 1995, 346, 347). Somit ist - 13 - regelmäßig schon durch die Bedarfsermittlung auf Seiten des [X.] sichergestellt, dass dem Unterhaltspflichtigen ein - unter Berücksichti-gung des Erwerbstätigenbonus - ebenso großer Anteil des verfügbaren [X.] verbleibt, wie ihn der Unterhaltsberechtigte beanspruchen kann. 26 Zwar bestimmt sich der Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dieser Bezug schließt es jedoch nicht aus, nacheheliche Entwicklungen schon bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen. So können sich nach der Rechtspre-chung des [X.]s [X.], die erst nach der Scheidung beim unterhaltspflichtigen Ehegatten eintreten, bedarfsteigernd auswirken, wenn ihnen eine Entwicklung zugrunde liegt, die aus der Sicht zum [X.]punkt der Scheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war und wenn diese Erwartung die ehelichen Lebensverhältnisse bereits geprägt hatte. Umgekehrt können auch nach der Scheidung eintretende Einkommensminderungen für die [X.] nicht grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, sofern sie nicht auf einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsverpflichteten beruhen oder durch freiwillige berufliche oder wirtschaftliche Dispositionen des Unterhaltsverpflichteten veranlasst sind und von diesem durch zumutbare Vor-sorge aufgefangen werden können ([X.]surteil [X.] 153, 358, 364 f. = FamRZ 2003, 590, 591). Wie der [X.] schon wiederholt ausgesprochen hat, müsste es auf Unverständnis stoßen, wenn eine nach der Trennung eintretende Arbeitslosigkeit des unterhaltsverpflichteten Ehegatten nicht schon die eheli-chen Lebensverhältnisse, sondern erst seine Leistungsfähigkeit beeinflusst. Gleiches gilt für eine dauerhafte Absenkung der Erwerbseinkünfte des [X.]schuldners nach der Scheidung. Auch hier muss es der Unterhaltsberech-tigte hinnehmen, dass der Bemessungsmaßstab für seinen Unterhaltsanspruch gegenüber den Verhältnissen im [X.]punkt der Scheidung abgesunken ist ([X.] [X.] 153 aaO). - 14 - Der [X.] hat deshalb in seiner neueren Rechtsprechung ausdrücklich ausgesprochen, dass die Anknüpfung der nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB maßgebenden Umstände an den [X.]punkt der Rechtskraft des [X.] schon nach ihrem Zweck für den unterhaltsberechtigten Ehegatten keine die früheren ehelichen Lebensverhältnisse unverändert fortschreibende Le-bensstandardgarantie begründet, deren Erfüllung nur in den Grenzen fehlender Leistungsfähigkeit des unterhaltsverpflichteten Ehegatten an dessen dauerhaft veränderte wirtschaftliche Verhältnisse angepasst und nur insoweit auch "nach unten korrigiert" werden kann. Für eine solche Absicherung böte das Recht des nachehelichen Unterhalts, das - jedenfalls im Prinzip - nur die Risiken der mit der Scheidung fehlgeschlagenen Lebensplanung der Ehegatten und der von ihnen in der Ehe praktizierten Arbeitsteilung angemessen ausgleichen will, [X.] gedankliche Rechtfertigung. Das Unterhaltsrecht will den bedürftigen [X.] nach der Scheidung wirtschaftlich im Grundsatz nicht besser stellen, als er sich ohne die Scheidung stünde. Bei Fortbestehen der Ehe hätte ein Ehegat-te die negative Einkommensentwicklung des anderen Ehegatten wirtschaftlich mit zu tragen. Es ist nicht einzusehen, warum die Scheidung ihm das Risiko einer solchen - auch vom unterhaltspflichtigen Ehegatten [X.] - Entwicklung, wenn sie dauerhaft und vom Schuldner nicht durch in Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheit gebotenen Anstrengungen vermeidbar ist, abneh-men soll ([X.]surteil [X.] 153 aaO, 368 = FamRZ aaO, 592). Nichts anderes kann für sonstige Änderungen der maßgeblichen Verhältnisse gelten, wenn sich dadurch das dem Unterhaltspflichtigen verfügbare Einkommen vermindert. Tre-ten z.B. vorrangige oder gleichrangige weitere Unterhaltsberechtigte hinzu, muss sich auch das auf den Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten auswirken. Für den Trennungsunterhalt ergibt sich das schon aus der bisheri-gen Rechtssprechung des [X.]s, wonach die ehelichen Lebensverhältnisse jedenfalls durch die Entwicklung bis zur Rechtskraft der Scheidung geprägt 27 - 15 - werden ([X.]surteil vom 25. November 1998 - [X.] ZR 98/97 - FamRZ 1999, 367, 368 f.). 28 bb) Die genannte Einschränkung des sich aus der Ehe ergebenden [X.] folgt auch aus dem Grundsatz der unterhaltsrechtlichen Halbtei-lung. Dieser Gedanke der Gleichbehandlung beider Ehegatten ist nicht darauf beschränkt, dem Unterhaltspflichtigen die Hälfte seines im [X.]punkt der [X.]leistung vorhandenen Einkommens zu belassen, wenn er nicht durch Erfül-lung seiner Erwerbsobliegenheit weitere Einkünfte sicherstellen kann. Der [X.] gebietet vielmehr schon bei der Bedarfsermittlung, dem [X.] wie dem Unterhaltsberechtigten von seinem eigenen [X.] Erwerbseinkommen einen - die Hälfte seines verteilungsfähigen Einkommens (sogar) maßvoll übersteigenden - Betrag anrechnungsfrei zu [X.] ([X.]surteile vom 26. September 1990 - [X.] ZR 45/89 - FamRZ 1991, 304, 305 und vom 10. Oktober 1990 - [X.] ZR 99/89 - FamRZ 1991, 307, 310). Aus entsprechenden Erwägungen hat der [X.] auch das Maß des einer nicht verheirateten Mutter nach § 1615 l Abs. 2 BGB zu gewährenden Unterhalts schon auf der [X.] nach dem [X.] begrenzt ([X.] vom 15. Dezember 2004 - [X.] ZR 121/03 - FamRZ 2005, 442, 443). cc) Weil deswegen schon bei der [X.] (§ 1578 BGB) nach dem Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe vermieden werden kann, dass ein Ehegatte einen nach günstigeren Verhältnissen bemessenen vollen eheange-messenen Unterhalt erhält, während der Unterhaltsverpflichtete auf einen [X.] Ehegattenselbstbedarf verwiesen ist, bedarf es keiner entsprechenden Einschränkung (erst) im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichti-gen (§ 1581 BGB). Im Einklang mit der Rechtsprechung zur Leistungsfähigkeit beim Verwandtenunterhalt (§ 1603 BGB) ist deswegen auch die [X.] des unterhaltspflichtigen Ehegatten erst dann beeinträchtigt, wenn der 29 - 16 - eigene angemessene Unterhalt des Unterhaltspflichtigen gefährdet ist, weil ihm kein eigenes Einkommen verbleibt, das einen nach dem Wesen des [X.]anspruchs für den Regelfall festzusetzenden Mindestbetrag unterschreitet. Dafür, den stets zu beachtenden angemessenen Unterhalt des [X.] (§ 1581 BGB) für den Regelfall mit einem dem Wesen des [X.] entsprechenden festen Betrag auszufüllen, spricht auch der Wortlaut des Gesetzes, der sich insoweit von § 1603 Abs. 1 BGB nicht unterscheidet. Dass dieser Ehegattenselbstbehalt nach dem Rang und dem Wesen des [X.] gegenüber anderen Unterhaltsansprüchen zwischen dem für minderjährige Kinder geltenden notwendigen Selbstbehalt (§ 1603 Abs. 2 BGB) und dem z.B. gegenüber volljährigen Kindern geltenden angemessenen Selbst-behalt (§ 1603 Abs. 1 BGB) liegen sollte, ist oben schon ausgeführt. 3. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. 30 Für die Bemessung des [X.] nach den ehelichen [X.] wird das Berufungsgericht zunächst auf der Grundlage des strei-tigen Sachvortrags die unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden eigenen Ein-künfte der Klägerin aus ihrer Aushilfstätigkeit feststellen müssen. 31 Für die Prüfung der Leistungsfähigkeit des [X.]n ist es Sache des Tatrichters, einen auf der Grundlage dieser Rechtsprechung angemessenen Ehegattenselbstbehalt zu bestimmen. Dabei ist es dem [X.] nicht verwehrt, sich an Erfahrungs- und Richtwerte anzulehnen, sofern nicht im Ein-zelfall besondere Umstände eine Abweichung erfordern. Auf die mit der Zulas-sung angesprochene Frage der Anwendung unterschiedlicher Leitlinien ver-schiedener [X.]e kann es hingegen nicht ankommen, weil solche 32 - 17 - Leitlinien immer nur Richtwerte enthalten, während besondere Umstände im Einzelfall stets eine Abweichung davon zulassen. Hahne [X.] [X.] Wagenitz Dose
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 24.06.2003 - 28 [X.]/02 - [X.], Entscheidung vom 14.01.2004 - [X.] UF 174/03 -

Meta

XII ZR 30/04

15.03.2006

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2006, Az. XII ZR 30/04 (REWIS RS 2006, 4505)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 4505

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