Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.02.2011, Az. 26 W (pat) 516/10

26. Senat | REWIS RS 2011, 9191

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "xpress wir können sofort" (Wort-Bildmarke) – Bösgläubigkeit im Anmeldezeitpunkt


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 039 298.6

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 23. Februar 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie des [X.] [X.] und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Anmelder ist geschäftsführender Mitarbeiter des Unternehmens Fa. „… “ und mit dessen Inhaberin [X.] verheiratet. Das Unternehmen er- bringt ebenso wie die [X.] mit Fahrzeugen in [X.]. Der Anmelder hat das am 1. Juli 2009 unter seinem Namen für die Dienstleistungen

2

„Klasse 39: „Transportwesen, Verpackung und Lagerung von Waren“

3

als Wort-/Bildmarke 30 2009 039 298.6 / 39

Abbildung

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angemeldete Zeichen von Fahrzeugen der [X.] abfotografiert. Dabei wusste er, dass die [X.] das Zeichen, für welches er Schutz begehrt, am 22. Juni 2009 neu auf ihren Fahrzeugen angebracht hatte. Die [X.] hat am 20. Juli 2009 für die Dienstleistungen

5

„Klasse 39: Transportwesen, insbesondere Transport von Waren und Gütern mit Kraftfahrzeugen, Lastkraftwagen; Verpackung und Lagerung von Waren; Be- und Entladen von Transportfahrzeugen; Auskünfte über Transportangelegenheiten; Dienstleistungen eines Frachtmaklers; Erteilung von Auskünften über Lagerhaltung; Kurierdienste (Waren); [X.] auf dem Transportsektor; Abholung, Transport und Zustellung von Waren; Verleih und Vermietung von Transportfahrzeugen; Dienstleistungen einer Spedition (Güterbeförderung); Dienstleistungen eines Transportmaklers; Logistikdienstleistungen auf dem Transportsektor“

6

das am 10. September 2009 als Wort-/Bildmarke 30 2009 042 874 eingetragene Zeichen

Abbildung

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angemeldet.

8

Mit Beschluss vom 4. Februar 2010 hat die Markenstelle für Klasse 39 die hier streitgegenständliche Anmeldung 30 2009 039 298.6 / 39 wegen ersichtlicher Bösgläubigkeit gemäß §§ 37 Abs. 2, 8 Abs. 2 Nr. 10 zurückgewiesen. Bereits die positive Kenntnis der konkreten Vorbenutzung des anmeldeten Zeichens indiziere die Behinderungsabsicht. Der Anmelder habe selbst vorgetragen, dass es ihm „nicht allein“, demnach also auch „darauf ankomme“, der [X.] die weitergehende Nutzung ihres Zeichens zu untersagen. Für die Bösgläubigkeit eines Anmelders reiche es aus, dass die Erschwerung der Benutzung einer Marke durch Dritte nicht der einzige, wesentliche Beweggrund für die Markenanmeldung sei.

9

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des [X.]. Er weist auf die Unterschiede zwischen beiden Markenanmeldungen und darauf hin, dass er nicht einen die [X.] ausschließenden Markenschutz, sondern Gleichrangigkeit im Sinne des § 6 Abs. 4 [X.] begehre. Für die Annahme, dass eine Vorbenutzung für höchstens zehn Tage, nämlich in der [X.] vom 22. Juni bis 1. Juli 2009, einen schutzwürdigen Besitzstand der [X.] begründet habe, fehlten zureichende Anhaltspunkte. Der [X.] beabsichtige, die angemeldete Marke gegen Einräumung eines Geschäftsanteils auf das Unternehmen „[X.]“ zu übertragen oder diesem eine Lizenz zur Nutzung des Zeichens zu erteilen oder das Zeichen auf eigenen Fahrzeugen zu nutzen. Er moniert, dass ihn die Markenstelle in ihrem Beschluss falsch zitiert habe.

Der Anmelder beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des [X.] vom 4. Februar 2010 aufzuheben.

Ergänzend wird auf die Akte des Amtes 30 2009 039 298.6 Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig, aber unbegründet. Die Markenstelle hat die Eintragung seiner Marke zu Recht gemäß §§ 37 Abs. 2, 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] wegen ersichtlicher Bösgläubigkeit im Anmeldezeitpunkt zurückgewiesen.

Bösgläubig im Sinne dieser Vorschriften ist ein Anmelder, wenn die Anmeldung ersichtlich rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt ist (vgl. Begr. zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/6581, 95 = [X.].[X.] 1994, Sonderheft, 89). Wer ein Zeichen als Marke anmeldet, handelt zwar nicht schon deshalb unlauter, weil er weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben. Der Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] kann jedoch - unabhängig davon, ob bereits ein schutzwürdiger Besitzstand des Vorbenutzers besteht - erfüllt sein, wenn ein Zeichenanmelder die mit der Eintragung des Zeichens kraft Markenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des [X.] einsetzt (st. Rspr., vgl. [X.] 1967, 304, 306 - Siroset; GRUR 1980, 110, 111 - [X.]; GRUR 1995, 117, 121 - [X.]; [X.], 412, 414 - Analgin; [X.], 1034, 1036 - [X.]; [X.], 1032, 1034 - [X.] 2000; GRUR 2001, 242, 244 - Classe E; [X.], 428, 431 - [X.]; [X.], 414 - [X.] Schaumgebäck; [X.], 160 - [X.]; [X.], 621 - [X.]). Bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalls kann im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung die insoweit maßgebliche Grenze zum zweckfremden Einsatz einer Marke überschritten sein, wenn die Markenanmeldung in Kenntnis der Tatsache, dass ein Dritter die Benutzung der angemeldeten Marke auch nur beabsichtigt, mit dem Ziel erfolgt, die geplante Benutzung zu sperren oder jedenfalls zu erschweren (vgl. [X.] 1967, 304, 306 - Siroset; GRUR 2001, 242, 244 - Classe E; [X.], 1032 - [X.]; [X.] GRUR 1996, 593, 598). Für eine Behinderungsabsicht kann dabei vor allem sprechen, dass zwischen [X.] und Drittem eine ersichtliche Wettbewerbssituation besteht und die Verhinderung oder auch nur Erschwerung der Benutzung der Marke durch den [X.] erkennbar zumindest ein wesentliches Motiv der Anmeldung darstellt, wobei es sich nicht um den einzigen Beweggrund handeln muss (vgl. [X.] 1986, 74, 77 - [X.]; [X.], 1034, 1036 - [X.]; [X.], 1032, 1034 - [X.] 2000; [X.], 621 - [X.], [X.], 917 - [X.]; [X.], 1032, 1034 - [X.]).

Diesen Grundsätzen entsprechend hat der Anmelder der Wort-/Bildmarke 30 2009 039 298.6 / 39 ersichtlich den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel zuwider und damit [X.] von § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] gehandelt (vgl. [X.] 2009, 780, [X.]. 24 - [X.] w. N.). Als Ergebnis der gebotenen Gesamtabwägung ist diese Feststellung allein auf der Grundlage des eigenen Vortrags des Anmelders zu treffen. Weiterer, ggf. einem Löschungsverfahren vorbehaltener Ermittlungen bedurfte es hierzu nicht.

Der Anmelder führt in [X.] die Geschäfte des Unternehmens „[X.]“, einer Wettbewerberin der [X.], die in derselben [X.] ebenfalls Transportdienstleistungen mit Fahrzeugen anbietet. Wie ihm im Anmeldezeitpunkt bekannt war, hatte die [X.] damals zehn Tage zuvor auf der Außenfläche ihrer Transportfahrzeuge ein Zeichen neu angebracht, welches der Anmelder abfotografierte. Wer in dieser Situation für die Fotografie einer Fahrzeugaußenfläche mit dem Hinweis Markenschutz beantragt, es komme ihm „nicht allein darauf an“, der [X.] die weitergehende Nutzung des Zeichens zu untersagen, er beabsichtige, das Zeichen gegen Einräumung eines Geschäftsanteils an das Unternehmen „[X.]“ zu übertragen oder diesem eine Lizenz zur Nutzung des Zeichens erteilen, handelt mit der Absicht, den [X.] künftig in seiner Verwendung des Zeichens zumindest zu behindern.

Die Markenstelle hat den Anmelder in seinem an das [X.] gerichteten Schreiben vom 11. September 2009, dort Seite 2, zutreffend zitiert. Er hat dort ausgeführt: „Es kommt [X.], anders als dieses im Anspruchsschreiben der Gegenseite unterstellt wird, nicht allein darauf an, der [X.] die weitergehende Nutzung des Logos zu untersagen.“ Diese Aussage ist geeignet, eine Benachteiligungsabsicht zu begründen. Denn für denjenigen, dem es „nicht allein“, demnach also auch darauf ankommt, einem Wettbewerber die weitergehende Nutzung eines Zeichens zu untersagen, zählt die Erschwerung der Benutzung einer Marke durch Dritte zumindest auch zu den ernsthaften Beweggründen für seine Markenanmeldung.

Der Feststellung einer Behinderungsabsicht steht nicht entgegen, dass der Anmelder vorträgt, keinen die [X.] ausschließenden Markenschutz, sondern Gleichrangigkeit im Sinne des § 6 Abs. 4 [X.] zu begehren. Denn auch der Umstand, dass ein Konkurrent unter einem Zeichen dieselben Dienstleistungen wie der [X.] anbieten darf, behindert den [X.] im Wettbewerb. Denn der [X.], der für dieses Zeichen möglicherweise einen guten Ruf genießt, kann seinem Konkurrenten dessen Verwendung dann nicht untersagen.

Für die Feststellung einer Behinderungsabsicht unerheblich ist schließlich der Umstand, dass der Anmelder nicht selbst Inhaber des Konkurrenzunternehmens der [X.] ist. Als geschäftsführender Mitarbeiter der Fa. [X.] vertritt er die Interessen der Fa. [X.] nach außen hin. Er steht der [X.] in einer Wettbewerbssituation gegenüber, wenn er ein von dieser zur Kennzeichnung ihrer Fahrzeuge verwendetes Zeichen mit dem Ziel als Marke anmeldet, der Fa. [X.], mit deren Inhaberin er überdies verheiratet ist, auf diese Weise Vorteile zu verschaffen.

Aus diesen Gründen war der Beschwerde des Anmelders der Erfolg zu versagen.

Meta

26 W (pat) 516/10

23.02.2011

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.02.2011, Az. 26 W (pat) 516/10 (REWIS RS 2011, 9191)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9191

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