Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.07.2013, Az. 6 AZR 421/12

6. Senat | REWIS RS 2013, 3964

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Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. März 2012 - 3 [X.] - teilweise aufgehoben, soweit es die Berufung des Beklagten gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 2. März 2010 nicht aufgelöst wurde, zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Klägerin betrieb mit ihrem Ehemann seit Beginn der 1990iger Jahre mit mehreren Gesellschaften das [X.] in A. Die das Hotel tragenden Gesellschaften gerieten in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im Mai 2007 übernahm die [X.] (im Folgenden: Schuldnerin) den Betrieb des Hotels.

3

Unter dem 1. Mai 2007 schlossen die Schuldnerin und die Klägerin einen als Arbeitsvertrag bezeichneten Vertrag. Demnach wurde die Klägerin als „Mitarbeiterin für Marketing, Grafik und Dekoration“ ab 1. Mai 2007 eingestellt.

4

Mit Beschluss des [X.] - Insolvenzgericht - vom 1. März 2010 (- 340 IN 83/10 (351) -) wurde an diesem Tag das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der [X.] zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Termin zur Gläubigerversammlung wurde auf den 12. Mai 2010 festgesetzt.

5

Mit Schreiben vom 2. März 2010, welches der Klägerin noch am selben Tag zuging, kündigte der [X.] das Vertragsverhältnis mit der Klägerin zum 30. April 2010. Der [X.] rechtfertigt die Kündigung damit, dass die [X.] (im Folgenden: Sparkasse) nur unter der Bedingung der Beendigung der Vertragsverhältnisse mit der Klägerin und ihrem Ehemann bereit gewesen sei, zur Ermöglichung der Fortführung des Betriebs eine Verlustübernahmeerklärung abzugeben. Ohne die Abgabe einer solchen Verlustübernahmeerklärung hätte der Betrieb stillgelegt werden müssen.

6

Mit Schriftsatz vom 23. März 2010, welcher per Telefax am selben Tag beim Arbeitsgericht einging, erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin „wegen Kündigungsschutzes“ gegen den [X.]n die Klage mit dem Antrag „festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom [X.] nicht beendet ist“. Als Begründung der Klage führte er lediglich an, dass die Klägerin Arbeitnehmerin der Schuldnerin sei und der [X.] als deren Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis „per [X.]“ gekündigt habe.

7

Mit Schreiben vom 20. April 2010, welches der Klägerin am 21. April 2010 übergeben wurde, kündigte der [X.] der Klägerin außerordentlich fristlos. Die Klägerin habe die ihr von der Schuldnerin für Ankäufe zugunsten des Hotelbetriebs zur Verfügung gestellte EC-Karte missbraucht und mit ihr Privateinkäufe bezahlt. Zudem habe sie trotz Aufforderung mit Schreiben vom 15. März 2010 den Firmenwagen nicht herausgegeben, sondern weiter unberechtigt privat genutzt.

8

Mit bei Gericht am 7. Mai 2010 eingegangener Klageerweiterung vom 5. Mai 2010 hat die Klägerin auch die außerordentliche Kündigung angegriffen.

9

Die Klägerin hält sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung für unwirksam. Sie habe mit der EC-Karte keine privaten Einkäufe getätigt und das Firmenfahrzeug nicht für Privatfahrten genutzt. Bis zur Erstattung der von ihr für betriebliche Fahrten verauslagten Benzinkosten sei sie nicht zur Herausgabe des Fahrzeugs verpflichtet gewesen. Die Sparkasse habe keinen Grund gehabt, ihre Entlassung zu verlangen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die ordentliche Kündigung des [X.]n vom 2. März 2010 noch durch die außerordentliche Kündigung des [X.]n vom 20. April 2010 aufgelöst worden ist.

Der [X.] hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Klägerin könne sich gegen die Kündigungen schon deshalb nicht zur Wehr setzen, weil sie entgegen der Bezeichnung im Vertrag vom 1. Mai 2007 tatsächlich keine Arbeitnehmerin gewesen sei. Sie habe ohne Einbindung in die [X.] frei über ihre Arbeitszeit bestimmt und sei auch sonst nicht dem Direktionsrecht unterlegen.

Bei Unterstellung der Arbeitnehmereigenschaft habe die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis fristlos beendet. Hinsichtlich der ordentlichen Kündigung habe die Klägerin keine ordnungsgemäße Kündigungsschutzklage erhoben. Die Klageschrift vom 23. März 2010 enthalte keine hinreichende Begründung der angeblichen Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung. Dessen ungeachtet sei die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Die zur Begründung der außerordentlichen Kündigung angeführten Umstände würden auch die ordentliche Kündigung rechtfertigen. Zur Ermöglichung der Fortführung des Betriebs sei es zudem unabdingbar gewesen, einem Verlangen der Sparkasse nach Entlassung der Klägerin zu entsprechen. Die Sparkasse habe die Hotelimmobilie und die Wellnessanlage finanziert. Nach dem Auftreten wirtschaftlicher Schwierigkeiten hätten die Klägerin und ihr Ehemann die weitere Zusammenarbeit mit der Sparkasse verweigert, um einen Schuldenerlass über eine andere Bank zu finanzieren. Dies sei nicht gelungen. Nach der Kündigung der Geschäftsbeziehung wegen Rückständen und Überziehungen hätten die Klägerin und ihr Ehemann alles unternommen, um die Verwertung der Sicherheiten zu verhindern. Aufgrund dieser Ereignisse sei die Sparkasse bei Verbleib der Eheleute im Betrieb nicht bereit gewesen, eine Verlustübernahmeerklärung von bis zu 100.000,00 [X.] abzugeben. Diese sei aber unbedingt erforderlich gewesen, um die Fortführung des Betriebs zu ermöglichen. Die Prognose für die [X.] von März 2010 bis zum 31. Dezember 2010 habe einen wahrscheinlichen Verlust von 99.100,00 [X.] ergeben. Ohne die entsprechende Verlustübernahmeerklärung durch die Sparkasse hätte der Betrieb eingestellt werden müssen. Er (der [X.]) habe versucht, die Sparkasse von ihrer Forderung nach Entlassung der Klägerin abzubringen. Die Forderung sei aber nicht verhandelbar gewesen.

Diese Drucksituation bestehe unverändert. Der [X.] hat deshalb im Berufungsverfahren für den Fall des Obsiegens der Klägerin mit der Kündigungsschutzklage hilfsweise beantragt, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Nach Ansicht der Klägerin liegt kein [X.] vor.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung des [X.]n zurückgewiesen und den [X.] abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision wendet sich der [X.] gegen die Entscheidung des [X.]s, soweit sie die ordentliche Kündigung betrifft. Die außerordentliche Kündigung und der [X.] sind somit nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Entscheidungsgründe

A. Die [X.]en haben in der Verhandlung vor dem Senat auf die Abfassung der Entscheidungsgründe verzichtet (§ 313a Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 ZPO). Wird die Sache an das [X.] zurückverwiesen, sind die Entscheidungsgründe des Revisionsurteils aber unverzichtbar (GMP/[X.] 8. Aufl. § 75 Rn. 6). Das [X.] muss wissen, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufgehoben wurde ([X.]/[X.] Stand Juli 2010 § 75 Rn. 14; [X.]/[X.]/[X.] 3. Aufl. § 75 Rn. 29).

B. Die Revision ist begründet. Das [X.] hat mit unzutreffender Begründung das Vorliegen der Voraussetzungen einer ordentlichen [X.] verneint. Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Da der festgestellte Sachverhalt keine abschließende Entscheidung erlaubt, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es bedarf daher keiner Entscheidung über die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen.

I. Zwischen der Klägerin und der Schuldnerin wurde auf der Grundlage des ausdrücklich als Arbeitsvertrag bezeichneten [X.] ein Arbeitsverhältnis begründet. Dies hat das [X.] nach Durchführung einer Beweisaufnahme und deren Würdigung rechtsfehlerfrei entschieden. Es berücksichtigte hierbei die ständige Rechtsprechung des [X.], wonach Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines Anderen zur Leistung [X.], fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (vgl. [X.] 29. August 2012 - 10 [X.] - Rn. 14 und 15 mwN). Die Revision erhebt hiergegen keine [X.].

II. Die Kündigung vom 2. März 2010 gilt nicht gemäß § 7 Halbs. 1 [X.] als von Anfang an rechtswirksam. Entgegen der Auffassung der Revision hat die Klägerin mit der Klageschrift vom 23. März 2010 fristwahrend eine Kündigungsschutzklage gemäß § 4 Satz 1 [X.] erhoben.

1. Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist (§ 4 Satz 1 [X.]). Der dem Gesetzeswortlaut entsprechende Klageantrag ist dann auch bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Als Prozesshandlung ist eine Klageschrift ebenso wie eine private Willenserklärung auslegungsfähig. Entscheidend ist der geäußerte [X.], wie er aus der Klageschrift und den sonstigen Umständen erkennbar wird. Dabei ist gerade im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein großzügiger Maßstab anzulegen. Dies entspricht auch dem Zweck der weit auszulegenden Vorschrift des § 6 [X.] (vgl. [X.] 23. Juni 2009 - 2 [X.] - Rn. 28, [X.]E 131, 155). Zweck des § 6 [X.] ist es, im Zusammenspiel mit § 4 [X.] frühzeitig Rechtsklarheit und -sicherheit zu schaffen. § 6 [X.] will den - häufig rechtsunkundigen - Arbeitnehmer vor einem unnötigen Verlust seines Kündigungsschutzes aus formalen Gründen schützen. Der Arbeitnehmer ist nach §§ 4, 6 [X.] nur verpflichtet, durch eine rechtzeitige Anrufung des Arbeitsgerichts seinen Willen, sich gegen die Wirksamkeit einer Kündigung zu wehren, genügend klar zum Ausdruck zu bringen ([X.] 23. April 2008 - 2 [X.] - Rn. 24). Es genügt, dass aus der Klage ersichtlich ist, gegen [X.] sie sich richtet, wo der Kläger tätig war und vor allem, dass er seine Kündigung nicht als berechtigt anerkennen will ([X.] 13. Dezember 2007 - 2 [X.] - Rn. 20 mwN).

Die Darlegung aller klagebegründenden Tatsachen, wie die Erfüllung der kündigungsschutzrechtlichen Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 [X.] und § 23 Abs. 1 [X.], gehört nicht zur Zulässigkeit der Kündigungsschutzklage, sondern zur Schlüssigkeit des Sachvortrags; ihr Fehlen führt demnach nicht zur Unzulässigkeit der Kündigungsschutzklage, sondern zu deren Unbegründetheit [X.]/Friedrich 10. Aufl. § 4 [X.] Rn. 159; [X.] in vHH/L [X.] 15. Aufl. § 4 Rn. 37).

2. Die Klageschrift vom 23. März 2010 genügt den Anforderungen an die Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Der Antrag entspricht der Vorgabe des § 4 Satz 1 [X.]. Die ausdrücklich „wegen Kündigungsschutzes“ erhobene Klage macht deutlich, dass die Klägerin sich als Arbeitnehmerin der Schuldnerin sieht und die von dem Beklagten als Insolvenzverwalter erklärte Kündigung vom 2. März 2010 nicht akzeptieren will. Dies ist entgegen der Auffassung der Revision ausreichend. Die Revision verkennt, dass es im vorliegenden Fall, anders als in dem mit Urteil des [X.] vom 13. Dezember 2007 - 2 [X.] - entschiedenen Fall, nicht um die Auslegung der Klageschrift geht. Die von der Revision thematisierte Problematik unterschiedlicher Auslegungsmaßstäbe von Klageschriften, die von sachkundigen Prozessbevollmächtigten erstellt wurden, in Abgrenzung zu Klageschriften, die von rechtsunkundigen [X.]en verfasst wurden, stellt sich nicht. Die Klageschrift ist eindeutig formuliert. Soweit die Revision eine unzureichende Klagebegründung rügt, wirft sie ein Problem der Begründetheit der Klage auf.

Die Klagefrist des § 4 Satz 1 [X.] wurde unstreitig gewahrt. Die Kündigung ging der Klägerin noch am 2. März 2010 zu. Die am 23. März 2010 als Telefax bei Gericht eingegangene Klage hielt die Frist ein. Der 23. März 2010 war der Tag des Fristablaufs (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB).

III. Das [X.] sieht die streitgegenständliche Kündigung als sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 2 [X.] und die Klage damit als begründet an. Das Vorliegen verhaltensbedingter Gründe hat das [X.] rechtsfehlerfrei verneint. Die Revision rügt jedoch zu Recht die Verkennung des Kündigungsgrundes, soweit die Kündigung als [X.] gerechtfertigt wurde.

1. Die Voraussetzungen der An[X.]dbarkeit des allgemeinen Kündigungsschutzes gemäß § 1 Abs. 1 [X.] und § 23 Abs. 1 [X.] liegen unstreitig vor. Die ordentliche Kündigung vom 2. März 2010 bedarf daher der [X.] Rechtfertigung (§ 1 Abs. 2 [X.]).

2. Die streitgegenständliche Kündigung ist nicht durch Gründe, die im Verhalten der Klägerin liegen, sozial gerechtfertigt.

a) Das [X.] hat im Verhalten der Klägerin keine hinreichenden Kündigungsgründe erkannt. In Frage stehen die zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung angeführten Gründe (Missbrauch der EC-Karte für Privateinkäufe; Verweigerung der Herausgabe des Firmenwagens). Bezüglich der Einkäufe zulasten des Kontos der Schuldnerin ist das [X.] nach Vernehmung des vormaligen Geschäftsführers der Schuldnerin zu der Auffassung gelangt, dass dieser die Einkäufe angewiesen und überprüft hat und damit kein Pflichtverstoß der klagenden [X.] festzustellen ist. Hinsichtlich des Firmenwagens hat sich das [X.] der Auffassung des Arbeitsgerichts angeschlossen, wonach es vor Erklärung der Kündigung einer entsprechenden Abmahnung bedurft hätte.

b) Diese Ausführungen des [X.]s lassen keinen revisiblen Rechtsfehler erkennen. Der tatrichterliche Beurteilungsspielraum wurde nicht überschritten. Die Revision erhebt insoweit auch keine [X.]. Zudem könnte die verweigerte Herausgabe des Fahrzeugs die Kündigung vom 2. März 2010 nicht rechtfertigen, da die Herausgabe erst mit Schreiben vom 15. März 2010 verlangt wurde. Kündigungsgründe, die erst nach dem Zugang der Kündigung entstanden sind, können eine bereits ausgesprochene Kündigung nicht sozial rechtfertigen ([X.] 10. Aufl. § 1 [X.] Rn. 246).

3. Zu Recht rügt die Revision allerdings Rechtsfehler des [X.]s bei der Beurteilung der ordentlichen Kündigung als betriebsbedingte [X.].

a) Hinsichtlich der [X.] hat das [X.] Beweis erhoben durch Vernehmung eines Mitarbeiters des Beklagten zur wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung und zur Forderung der Sparkasse nach Entlassung der Klägerin und ihres Ehemanns. Das [X.] hat dann aber ohne Würdigung der durchgeführten Beweisaufnahme entschieden, dass die Voraussetzungen einer betriebsbedingten [X.] nicht vorliegen. Der Kündigung liege nicht der erforderliche ernsthafte und endgültige Kündigungswille zugrunde. Die Kündigung beruhe auf einem „prognostischen Element“, denn es hätte der Gläubigerversammlung am 12. Mai 2010 oblegen, über die Fortführung des Betriebs zu entscheiden. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sei noch nicht entschieden gewesen, ob der Betrieb der Schuldnerin fortgeführt werde und es auf die Gewährung eines Darlehens durch die Sparkasse überhaupt ankommen werde. Ein Grund für den Ausspruch einer [X.] habe deshalb bei Kündigungserklärung nicht bestanden.

b) Mit dieser Begründung kann die [X.] nicht als sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 2 [X.] angesehen werden.

aa) Das [X.] hat den Kündigungsgrund verkannt. Der Beklagte hat die Kündigung nicht mit der Stilllegung des Betriebs begründet. Er rechtfertigt die Kündigung vielmehr damit, dass er davon ausging, dass ohne Verlustübernahmeerklärung der Sparkasse keine Alternative zur Stilllegung mehr bestand, und er zur Erreichung der Verlustübernahmeerklärung deshalb dem auf die Entlassung der Klägerin gerichteten Druck der Sparkasse nachgeben musste. Er führt eine Drucksituation im Vorfeld einer Entscheidung über die Stilllegung oder Fortführung an.

bb) Die vom Beklagten behauptete Drucksituation und die darauf basierende Kündigungsentscheidung berühren nicht die Befugnisse der Gläubigerversammlung gemäß § 157 [X.].

(1) Nach dieser Vorschrift beschließt die Gläubigerversammlung im [X.], ob das Unternehmen des Schuldners stillgelegt oder vorläufig fortgeführt werden soll. Die Gläubiger haben demnach autonom über die Stilllegung, vorläufige Fortführung und einen Insolvenzplan zu befinden (vgl. [X.] 2. Aufl. § 157 Rn. 5 ff.). Der Insolvenzverwalter hat gemäß § 156 [X.] den [X.] vorzubereiten, da er im [X.] über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ursachen zu berichten hat (§ 156 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Gemäß § 156 Abs. 1 Satz 2 [X.] hat der Insolvenzverwalter zudem darzulegen, ob Aussichten bestehen, das Unternehmen des Schuldners im Ganzen oder in Teilen zu erhalten, welche Möglichkeiten für einen Insolvenzplan bestehen und welche Auswirkungen jeweils für die Befriedigung der Gläubiger eintreten würden. Der Verwalter hat im [X.] die fortführende oder übertragende Sanierung als Alternative zur Liquidation zu erörtern und gegebenenfalls einen Sanierungsplan vorzulegen ([X.]/[X.] 13. Aufl. [X.] § 156 Rn. 9).

(2) Die Frage der Gewährung einer Verlustübernahmeerklärung durch die Sparkasse war nach Darstellung des Beklagten wesentlich für die Beurteilung der Sanierungsaussichten. Dabei handelte es sich um das entscheidende Merkmal für die Vorbereitung des [X.]s. Ohne das Eintreten der Sparkasse hätte der Beklagte der Gläubigerversammlung nach seiner Darstellung die Stilllegung des Betriebs vorschlagen müssen. Bei Gewährung der Verlustübernahmeerklärung hingegen kam eine Fortführung in Betracht. Damit entstand im Vorfeld der Gläubigerversammlung der Druck, den der Beklagte zur Rechtfertigung der Kündigung anführt. Ohne Entlassung der Klägerin wäre die Absicherung durch die Sparkasse nicht erreichbar gewesen. Erst durch die Verlustübernahmeerklärung wurde der Gläubigerversammlung eine Wahl zwischen Stilllegung und vorläufiger Fortführung ermöglicht.

cc) Am Kündigungswillen des Beklagten besteht entgegen der Auffassung des [X.]s kein Zweifel. Er hat ihn durch die Erklärung der Kündigung verwirklicht (vgl. [X.] 21. Januar 2006 - 2 [X.] - Rn. 46).

IV. Das Urteil des [X.]s stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies wäre nur dann der Fall, [X.]n eine sogenannte „echte [X.]“ als betriebsbedingte Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 [X.] entgegen der bisherigen Rechtsprechung des [X.] generell als unzulässig anzusehen wäre. Dies vertreten einige Stimmen des juristischen Schrifttums. Der Senat hält aber an der bisherigen Rechtsprechung fest.

1. Eine [X.] liegt nach der Rechtsprechung vor, [X.]n Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen. Dabei sind zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden:

a) [X.] [X.] kann gegenüber dem Arbeitgeber durch ein Verhalten des Arbeitnehmers oder einen personenbedingten Grund objektiv gerechtfertigt sein. In diesem Fall liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, ob er eine personen- oder eine verhaltensbedingte Kündigung erklärt ([X.] 19. Juni 1986 - 2 [X.] - zu [X.] a der Gründe). Eine solche Kündigung wird auch als „unechte [X.]“ bezeichnet. Die Kündigung wird nicht primär wegen des durch den [X.] erzeugten Drucks erklärt, sondern wegen des personen- oder verhaltensbedingten Kündigungsgrundes.

b) Fehlt es hingegen an einer solchen objektiven Rechtfertigung der Drohung, so kommt nach der Rechtsprechung des [X.] eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht. An die Zulässigkeit einer sogenannten „echten [X.]“ sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Der Arbeitgeber hat sich in diesem Fall zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen. Nur [X.]n auf diese Weise die Drohung nicht abge[X.]det werden kann und bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber drohen, kann die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Dabei ist jedoch Voraussetzung, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzu[X.]den ([X.] 19. Juni 1986 - 2 [X.] - zu [X.] 2 b aa der Gründe). Zu berücksichtigen ist hierbei auch, inwieweit der Arbeitgeber die Drucksituation selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat ([X.] 4. Oktober 1990 - 2 [X.] - zu II 3 der Gründe). Typische Fälle einer echten [X.] sind Drohungen der Belegschaft mit Streik oder Massenkündigungen oder die Androhung des Abbruchs von Geschäftsbeziehungen für den Fall der Weiterbeschäftigung eines bestimmten Arbeitnehmers (zur Abgrenzung zwischen betriebsbedingter [X.] und personenbedingter Kündigung vgl. [X.] 26. Juni 1997 - 2 [X.] - zu [X.] 3 der Gründe; 31. Januar 1996 - 2 [X.] - zu II 5 a und b der Gründe, [X.]E 82, 124).

2. Diese Rechtsprechung ist in der Literatur neben Zustimmung auch auf Kritik gestoßen.

a) Ein Teil des Schrifttums sieht eine [X.] als betriebsbedingte Kündigung entsprechend der Rechtsprechung als sozial gerechtfertigt an, [X.]n dem Arbeitgeber anderenfalls schwere wirtschaftliche Schäden drohen ([X.] 10. Aufl. § 1 [X.] Rn. 586a; [X.]/[X.] 5. Aufl. § 1 [X.] Rn. 19; [X.]/Spinner [X.] 9. Aufl. § 1 Rn. 334; [X.]/[X.] 13. Aufl. § 626 BGB Rn. 185; [X.]/[X.] 6. Aufl. § 626 Rn. 255; zu etwaigen Schadensersatzansprüchen des betroffenen Arbeitnehmers vgl. KR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 209 mwN).

b) Zum Teil wird einge[X.]det, dass es sich um keinen Fall der betriebsbedingten Kündigung handle, da keine arbeitsplatzbezogenen Beschäftigungsmöglichkeiten entfielen (so [X.]/[X.] 4. Aufl. § 1 [X.] Rn. 521 mwN; [X.] Die betriebsbedingte Kündigung 6. Aufl. Rn. 106). Die [X.] könne nur der personenbedingten Kündigung zugerechnet werden. Die Person des Arbeitnehmers sei der eigentliche Anlass für den von [X.] ausgeübten Druck [X.] in vHH/L [X.] 15. Aufl. § 1 Rn. 346; [X.]/[X.] 13. Aufl. § 1 [X.] Rn. 184).

c) Andere Autoren lehnen die echte [X.] gänzlich ab. Es liege kein Kündigungsgrund vor. Habe sich der Arbeitnehmer nichts zuschulden kommen lassen, dürfe das Mittel der betriebsbedingten Kündigung nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmer wegen einer ungerechtfertigen Drohung seinen Arbeitsplatz verliere. Das Recht brauche dem Unrecht nicht zu weichen (Stahlhacke/Preis 10. Aufl. Rn. 970; [X.]/[X.]/Zwanziger/[X.] 8. Aufl. § 1 [X.] Rn. 469; ablehnend auch [X.]/Dorndorf [X.] 4. Aufl. § 1 Rn. 997; zur Problematik diskriminierender Entlassungsverlangen vgl. Deinert RdA 2007, 275 ff.).

3. Die in der Literatur geäußerten Bedenken gegen die Einstufung einer echten [X.] als betriebsbedingte Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 [X.] tragen nicht.

Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.] 24. Mai 2012 - 2 [X.] - Rn. 21). In beiden Konstellationen liegt der Kündigungsgrund in der Sphäre des Arbeitgebers, der entweder agiert, dh. eine Organisationsentscheidung trifft, oder auf eine bestimmte Situation reagiert. Letzteres ist insbesondere der Fall, [X.]n der Arbeitgeber einen Auftrag verliert und den Personalbestand an die noch verbleibende Arbeitsmenge anpassen muss (vgl. [X.] 18. Mai 2006 - 2 [X.] - Rn. 17). Bei einem Auftragsverlust entsteht für den Arbeitgeber eine Drucksituation, auf die er unternehmerisch reagieren muss, um den Fortbestand des Betriebs zu sichern.

Bei der echten [X.] ist die Lage insoweit vergleichbar. [X.] bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber, muss dieser aus wirtschaftlichen Gründen handeln. Der Kündigungsgrund ist damit seiner Sphäre zuzuordnen. Dies gilt insbesondere dann, [X.]n der Druck von Vertragspartnern des Arbeitgebers ausgeübt wird ([X.]/Quecke 5. Aufl. § 1 [X.] Rn. 257). Die Person des zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmers ist nur mittelbarer Anlass für den eigentlichen Kündigungsgrund, dass von dritter Seite Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt wird. Wird der Druck als betriebliches Erfordernis verstanden, kommt es nicht darauf an, ob die Forderung nach der Entlassung berechtigt oder unberechtigt ist ([X.]/Gallner [X.] Aufl. § 1 Rn. 528). Der Arbeitgeber sieht sich mit der Druckausübung konfrontiert, auch [X.]n sie inhaltlich unberechtigt sein sollte (vgl. [X.] 4. Oktober 1990 - 2 [X.] - zu III 1 b bb der Gründe). Er muss abwägen, ob er dem Druck nachgibt oder nicht. Das Argument, dass der [X.] für den betroffenen Arbeitnehmer nicht entfällt, verliert dann an Gewicht, [X.]n bei Verwirklichung der Drohung der [X.] für Teile der oder sogar für die gesamte Belegschaft in Frage steht. Dies wird deutlich im Fall des angedrohten Auftragsentzugs: Reagiert der Arbeitgeber nicht und entzieht der Dritte den Auftrag, können wegen Wegfalls des [X.] betriebsbedingte Kündigungen erforderlich werden. Die Erklärung einer [X.] kann dies unter Umständen verhindern. Auch dies spricht für die Einstufung als betriebsbedingte Kündigung, die sozial gerechtfertigt sein kann.

Der vorliegende Fall zeigt zudem, dass die Zielsetzung der sanierenden Insolvenz konterkariert würde, [X.]n wegen des generellen Ausschlusses der betriebsbedingten [X.] die Fortführung eines Unternehmens verhindert würde.

V. Das Urteil des [X.]s ist gemäß § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen. Die festgestellten Tatsachen reichen zur Beurteilung der ordentlichen [X.] nicht aus. Das [X.] wird unter Wahrung des Gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) die von ihm durchgeführte Beweisaufnahme gemäß § 286 Abs. 1 ZPO zu würdigen oder die Beweisaufnahme zu wiederholen haben.

      

  Fischermeier  

        

    Richterin am Bundesarbeitsgericht
Spelge ist an der Beifügung
ihrer Unterschrift verhindert.
Fischermeier     

        

    [X.]   

        

        

        

   Kreis   

        

   Kammann   

                 

Meta

6 AZR 421/12

18.07.2013

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Magdeburg, 3. September 2010, Az: 11 Ca 844/10 HBS, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.07.2013, Az. 6 AZR 421/12 (REWIS RS 2013, 3964)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3964

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