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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Wirksamkeit des Beschlusses einer Wohnungseigentümergemeinschaft, Rückbauansprüche nicht zu vergemeinschaften
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Der Streitwert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
Die Klägerin und die Beklagten bilden die oben näher bezeichnete Wohnungseigentümergemeinschaft, die von der … verwaltet wird.
In der Eigentümerversammlung vom 15.09.2014 fasste die Gemeinschaft eine Reihe von Beschlüssen, von denen die Klägerin den zu TOP 6 ergangenen Negativbeschluss angefochten hat.
Der mehrheitlich abgelehnte Beschlussantrag lautet: „Die Gemeinschaft fordert den fachgerechten Rückbau unter Beseitigung sämtlicher Folgeschäden bezüglich des eingebauten Kamines nebst durch das Dach geführten Kaminrohr bei der Dachgeschosswohnung der Eigentümer … im Haus … bis längstens 30.11.2014. Sollte bis zu diesem Termin kein fachgerechter Rückbau erfolgt sein wird die Hausverwaltung beauftragt und bevollmächtigt, unter Einschaltung eines Rechtsanwaltes gerichtlich und außergerichtlich den Rückbau durchzusetzen.“ Bezüglich der weiteren Einzelheiten zu diesem Beschluss wird auf das als Anlage K 1 vorgelegte Protokoll Bezug genommen.
Die Klägerin führt hierzu im Wesentlichen aus, dass der Miteigentümer … in seiner Dachgeschosswohnung nachträglich einen Kamin eingebaut habe, wobei das hierfür erforderliche Kaminrohr nachträglich durch das Dach geführt worden sei. Hierbei sei die Dachhaut durchbrochen und der Kamin soweit hochgeführt worden, dass das Rohr über das Dachniveau hinausrage. Für diese bauliche Maßnahme habe der Miteigentümer … weder die Genehmigung sämtlicher Wohnungseigentümer eingeholt noch in sonstiger Weise dazu angesetzt, die Zustimmung der WEG zu diesem Verfahren einzuholen. Auch wiederholte Aufforderungen der Hausverwaltung, den Kamin wieder zurückzubauen, habe er ignoriert.
Der streitgegenständliche Beschluss sei schon formal fehlerhaft zustandegekommen, da auch der Eigentümer … an der Abstimmung teilgenommen habe. Er sei jedoch gemäß § 25 Abs. 5 WEG von der Ausübung seines Stimmrechtes bei diesem TOP ausgeschlossen gewesen.
Aber auch die Vorgehensweise der Wohnungseigentümergemeinschaft, bauliche Maßnahmen, welche insbesondere eine Durchstoßung der Dachhaut darstellen, hinzunehmen und die sich hieraus ergebenden weiteren Folgen und Nachteile zu ignorieren, stelle keine ordnungsgemäße Verwaltung des Wohnungseigentums dar. Mit dem Negativbeschluss sei das erhebliche Risiko des Entstehens eines dauerhaften Zustandes verbunden, da aufgrund des Zeitablaufs die entsprechenden Ansprüche verjähren könnten. Letztlich übernehme die Wohnungseigentümergemeinschaft höhere Instandhaltungskosten für diese bauliche Veränderung.
Das gemeinschaftliche Interesse an Aufrechterhaltung und Bestand des gemeinschaftlichen Eigentums erfordere es aber, dass die Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen darüber zu entscheiden haben, ob sie das Recht durchsetzen wollen. Die Ablehnung der Entscheidung, hier gegen die Maßnahme des Eigentümers … vorzugehen, sei daher materiell rechtlich fehlerhaft.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft sei originär verpflichtet, gegen diese Maßnahme vorzugehen. Durch die Durchstoßung und Einbringung eines Loches sei die Substanz des Daches bereits beschädigt worden. Dies werde auch nicht dadurch geheilt, dass ein Rohr durch das Loch geführt und danach zwischen Loch und Rohr wieder versiegelt worden sei. Damit sei die vorgenommene bauliche Veränderung bereits eine Beschädigung des Gemeinschaftseigentums, etwaige weiterfressende Schäden seien für diese Qualifizierung nicht mehr erforderlich. Als originäre Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft habe dies auch der BGH in seiner Entscheidung vom 07.02.2014, Az.: V ZR 25/13 festgestellt.
Desweiteren liege eine Ermessensreduzierung auf Null vor, da bei Nichtstun sich die Wohnungseigentümergemeinschaft eine auch bei fachgemäßer Durchführung mit einem erhöhten Risiko für einen Schadenseintritt verbundene bauliche Lösung aufdrängen lasse, die allein einem Eigentümer zugute komme. Künftige hieraus resultierende Kosten seien als Kosten des Gemeinschaftseigentums von der Wohnungseigentümergemeinschaft zu tragen. § 16 Abs. 6 S. 1 WEG sei hier nicht einschlägig, da ein über das geordnete Zusammenleben hinausgehender Nachteil nicht in der Kostenbeteiligung für die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums liege. Es treffe daher nicht zu, dass insoweit entstehende Kosten lediglich vom Miteigentümer … oder dessen Rechtsnachfolger getragen werden müssten.
Die Klägerin beantragt daher:
Der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 15.09.2014 zu dem TOP 6 (K. Straße 74, Dachgeschoss, Wohnung Eigentümer …) wird für unwirksam erklärt.
Hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht der Auffassung ist, für die Zulässigkeit der Anfechtung des Negativbeschlusses müsse auch ein Verpflichtungsantrag gestellt werden:
Die Wohnungseigentümergemeinschaft beauftragt die Hausverwaltung, einen geeigneten Rechtsanwalt zu mandatieren, um den fachgerechten Rückbau des vom Eigentümer … bei Einbau eines Kamins im Anwesen … durch das Dach geführte und oberhalb des Dachniveaus endende Kaminrohr nebst Beseitigung sämtlicher Folgeschäden außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen.
Hilfshilfsantrag: Es wird festgestellt, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet ist, Schadensersatzansprüche gegen den Miteigentümer … wegen Durchstoßung des Daches und der Dachhaut und Anbringung eines Kamins über der in seinem Sondereigentum liegenden Wohnung im Anwesen … zu verfolgen und geltend zu machen.
Die Beklagten beantragen,
Klageabweisung.
Sie führen im Wesentlichen aus, dass ein Stimmrechtsverbot gemäß § 25 Abs. 5 WEG hier nicht vorliege. Als Entzug des Kernbereichs des Wohnungseigentums müsse dies eng ausgelegt werden. Bei dem streitgegenständlichen Negativbeschluss gehe es lediglich um die Vergemeinschaftung etwaiger Rückbauansprüche und damit noch nicht unmittelbar um eine gerichtliche Anspruchsverfolgung. Aus diesem Grunde sei ein Stimmrechtsausschluss nicht gegeben. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte die Nein-Stimme des Miteigentümers … keine Rolle gespielt, da auch bei Außerachtlassung dieser Stimme immer noch die Mehrheit der abstimmenden Eigentümer gegen den angefochtenen Negativbeschluss gewesen wäre.
Eine Ermessenreduzierung auf Null dahingehend, dass ein Anspruch auf Vorgehen des Verbandes und damit Fassung eines Vergemeinschaftungsbeschlusses gegeben wäre, sei nicht der Fall. Jeder Wohnungseigentümer könne von dem Beklagten … Beseitigung der baulichen Veränderung verlangen.
Ein über die Beseitigung der baulichen Veränderung hinausgehender Schaden sei noch nicht eingetreten, daher könne der Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB ohne weiteres individuell geltend gemacht werden. Eine geborene Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft würde nur für den Anspruch auf Schadensersatz nach § 249 Abs. 1 S. 1 BGB bestehen. Vorliegend würden jedoch keine Schäden existieren, die über die Vornahme der baulichen Veränderung hinausgehen würden. Im Übrigen greife für möglicherweise zukünftige Schäden oder Zusatzkosten § 16 Abs. 6 S. 1 WEG.
Da kein Fall der Ermessensreduktion vorliege, komme auch eine Ermessensausübung durch das Gericht nach § 21 Abs. 8 WEG nicht in Betracht.
Hinsichtlich des Hilfshilfsantrages fehle es schon an der Vorbefassung der Eigentümer.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die eingereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.
Mit Einverständnis der Parteien hat das Gericht das schriftliche Verfahren gewählt, wobei als Zeitpunkt gemäß § 128 II ZPO der 27.04.2015 bestimmt wurde.
Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich ausschließlich zuständig gemäß § 23 Nr. 2 c GVG und §§ 43 Nr. 4, 62 Abs. 1 WEG.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Zwar wurden die materiellen Ausschlussfristen eingehalten, der angefochtene Negativbeschluss ist jedoch nicht zu beanstanden.
Bei der Frage der Vergemeinschaftung von Rückbauansprüchen liegt kein Stimmrechtsausschluss gemäß § 25 Abs. 5 WEG vor, sodass der beklagte Miteigentümer … hier zu Recht mit abgestimmt hat. Darauf kommt es aber nicht entscheidungserheblich an, da selbst wenn ein Stimmrechtsausschluss vorliegen würde, dieser keine Auswirkungen auf das Abstimmungsergebnis hätte, da auch bei Nichtzählen der Stimme des Beklagten … eine deutliche Mehrheit gegen den Beschlussantrag unter TOP 6 gestimmt hätte.
Die Gemeinschaft der Eigentümer hat grundsätzlich einen weiten Ermessensspielraum, welche Maßnahmen sie in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum ergreifen möchte. Bei vorliegendem streitgegenständlichen Beschlussantrag geht es lediglich um die Frage, ob die Verfolgung von Rückbauansprüchen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft als teilrechtsfähiger Verband erfolgen soll. Die Eigentümer haben sich mehrheitlich dafür entschieden, diesen Weg nicht zu wollen.
Die Argumente der Klägerin hinsichtlich einer Ermessensreduzierung auf Null überzeugen nicht, da der jedem Eigentümer zustehende Individualanspruch gemäß § 1004 BGB auch von ihr eigenständig verfolgt werden kann. Die Entscheidung des BGH vom 07.02.2014, Az.: V ZR 25/13 ist hier nicht einschlägig, da die von der Klägerin vorgetragenen Beschädigungen keine weitergehenden Schäden darstellen, sondern denklogisch mit der Durchführung eines Kaminrohres durch die Dachhaut verbunden sind. Das Entfernen des Rohres und der fachgerechte Verschluss des Daches ist lediglich das Pendant zum Durchführen des Rohres und stellt keine darüberhinausgehenden Schäden dar. Die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes ist daher von § 1004 Abs. 1 BGB als Individualanspruch mit umfasst. Eine geborene Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft ist insoweit gerade nicht gegeben. Für etwaige zukünftige Kosten oder Schäden greift im Übrigen auch § 16 Abs. 6 WEG, da bei baulichen Veränderungen ein Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG schon jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung darstellt. Dies ist hier bei Durchführung eines Rohres durch die Dachhaut anzunehmen.
Zum Hilfsantrag: da das Gericht davon ausgeht, dass der Negativbeschluss auch isoliert angefochten werden kann, bedarf es zur Bejahung des Rechtsschutzbedürfnisses nicht der Verbindung mit einem Verpflichtungsantrag. Im Übrigen ist der Gestaltungsspielraum für das Gericht gemäß § 21 Abs. 8 WEG angesichts der Ermessensausübung der Eigentümer nicht eröffnet.
Für den Hilfshilfsantrag fehlt es schon an der Zulässigkeit, da insoweit zwingend das Vorbefassungsrecht der Eigentümer in der Versammlung ausgeübt werden muss.
Als Unterlegene trägt die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs. 1 ZPO.
Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht
Meta
03.06.2015
Urteil
Sachgebiet: C
Zitiervorschlag: AG München, Urteil vom 03.06.2015, Az. 482 C 23982/14 WEG (REWIS RS 2015, 10291)
Papierfundstellen: REWIS RS 2015, 10291
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
36 S 12134/15 WEG (LG München I)
Grundsätzlich kein Anspruch des Wohnungseigentümers gegen die Gemeinschaft auf Anspruchsverfolgung wegen unzulässiger baulicher Veränderung; Anfechtung …
1 S 1978/16 WEG (LG München I)
Beseitigungsanspruch - Entfernung von Dachflächenfenstern
14 S 772/18 WEG (LG Nürnberg-Fürth)
Kein Anspruch auf Vergemeinschaftung von Beseitigungsansprüchen
210 C 44/21 (Amtsgericht Bonn)
V ZR 328/17 (Bundesgerichtshof)
Wohnungseigentum: Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft für auf die Verletzung des Gemeinschaftseigentums gestützte Schadensersatzansprüche; Rechtsmissbräuchlichkeit eines Beschlusses …