Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.09.2021, Az. 1 StR 345/19

1. Strafsenat | REWIS RS 2021, 2464

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Gegenstand

Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung: Revisionsgerichtliche Überprüfung der Auslegung und Anwendung des Geschäftsverteilungsplans; Errichtung einer Hilfsstrafkammer; besonderes persönliches Merkmal der steuerrechtlichen Erklärungspflicht


Tenor

1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 29. November 2018 werden verworfen.

2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hatte den Angeklagten [X.]       im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 2. Oktober 2015 wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten, die Angeklagten [X.]und D.      jeweils wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in drei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten hat der Senat als unbegründet verworfen. Das [X.] hob das Urteil des [X.]s und den nachfolgenden Senatsbeschluss mit Beschlüssen vom 23. Dezember 2016 (2 BvR 2023/16) und vom 16. Januar 2017 (2 BvR 2011/16 und 2034/16) wegen einer Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts der Angeklagten auf ihren gesetzlichen [X.] auf und verwies die Sache „an eine andere Strafkammer des [X.]s Rostock“ zurück.

2

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]      nunmehr wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, die Angeklagten [X.]und D.      jeweils wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in drei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren und sieben Monaten (Angeklagter [X.] ) sowie von zwei Jahren und drei Monaten (Angeklagte D.     ) verurteilt. Ferner hat es bezüglich aller Angeklagten festgestellt, dass zwei Monate der jeweils verhängten Gesamtfreiheitsstrafen wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten.

3

Dagegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel sind unbegründet.

I.

4

1. Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

5

Die drei Angeklagten waren übereingekommen, künftig für eine gewisse Dauer in arbeitsteiliger Weise unversteuerte [X.] aus [X.] auf dem Seeweg nach [X.]     unter der Bezeichnung Schmieröl bzw. Universalöl zu importieren und diese anschließend als Dieselkraftstoff in andere [X.] Länder weiterzuverkaufen, ohne jedoch die hierfür anfallende Energiesteuer anzumelden und zu entrichten. Den Gemischen, die zu mindestens 80 % aus handelsüblichem Dieselkraftstoff bestanden, war Basisöl beigemischt worden, um den Eindruck zu erwecken, es handele sich nicht um Energieerzeugnisse zur Verwendung als Kraftstoff und auch nicht um solche, die gemäß §§ 4 ff. [X.] (in der Fassung vom 5. Dezember 2012, fortan: [X.] aF) dem Steueraussetzungsverfahren unterlagen. Die Beimischung des Basisöls stand tatsächlich der Verwendung als Kraftstoff in Dieselmotoren nicht entgegen, führte jedoch dazu, dass die Gemische die chemischen Eigenschaften von Heizöl aufwiesen und mit 0,13 € pro Kilogramm zu versteuern waren. Die zu erklärende, indes nicht angemeldete Energiesteuer in Höhe von 474.000 € für die erste Lieferung Ende Juli 2013 und in Höhe von 480.000 € für die zweite Lieferung Anfang September 2013 entrichtete der Angeklagte [X.]     , der als geschäftsführender Vorstandsvorsitzender der importierenden [X.] (kurz: E.     ) hierzu verpflichtet war, nicht; für die dritte Lieferung Ende September 2013 entrichtete er die Energiesteuer, nachdem - ohne dass er zuvor eine Steueranmeldung abgegeben hatte - die Lieferung beschlagnahmt und die Steuer in Höhe von 474.723,21 € durch das Hauptzollamt S.       festgesetzt worden war, um die Aufhebung der [X.] zu erreichen.

6

2. Das [X.] hat in allen drei Fällen der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) bzw. der Beihilfe hierzu besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 und Nr. 5 [X.] angenommen.

II.

7

Den Verfahrensrügen bleibt der Erfolg versagt.

8

1. Die von allen drei Beschwerdeführern im Wesentlichen inhaltsgleich erhobene Rüge der vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts (§ 338 Nr. 1 Buchst. [X.] aF) ist - entgegen der Annahme des [X.] - unbegründet.

9

a) Ihr liegt folgendes Prozessgeschehen zu Grunde:

Das [X.] hatte das im ersten Rechtsgang von einer [X.] erlassene Urteil - ebenso wie den die Revisionen der Angeklagten verwerfenden Senatsbeschluss - aufgehoben und die Sache „an eine andere Strafkammer des [X.]s“ zurückverwiesen, weil den Angeklagten ihr gesetzlicher [X.] dadurch entzogen worden war, dass der Beschluss des Präsidiums des [X.]s, mit dem es das Verfahren von der ursprünglich zuständigen [X.] auf die 8a. [X.] übertragen hatte, keine abstrakt-generelle Regelung im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG enthielt.

Nach der Zurückverweisung kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Vorsitzenden der zum Zeitpunkt der Anklageerhebung zuständigen [X.] und dem Vorsitzenden der nach dem Geschäftsverteilungsplan des [X.]s für zurückverwiesene Sachen jener Strafkammer zuständigen [X.] über die Zuständigkeit für das erneut zu verhandelnde Verfahren. Eine ausdrückliche Regelung für Zurückverweisungen der von der 8a. [X.] verhandelten Sachen enthielten die Geschäftsverteilungspläne der [X.] und 2017 des [X.]s nicht. Mit Beschluss vom 18. Januar 2017, bestätigt durch Beschluss vom 23. Februar 2017, stellte das Präsidium des [X.]s die Zuständigkeit der [X.] fest. Mit ihrem vor dem [X.] rechtzeitig erhobenen [X.] beanstandeten die Angeklagten die Zuständigkeit der [X.] im Wesentlichen mit der Begründung, als „andere Strafkammer“ könne „willkürfrei“ lediglich die [X.] verstanden werden, weil es sich bei der 8a. [X.] ihrer Rechtsnatur nach lediglich um die „Vertretungskammer“ der [X.] und nicht um eine „institutionelle“, eigenständige Strafkammer gehandelt habe. Diesen Einwand verfolgen sie im Revisionsverfahren weiter.

b) Eine Gesetzesverletzung im Sinne des § 338 Nr. 1 Buchst. [X.] aF liegt nicht vor. Das Gericht war vorschriftsmäßig besetzt.

aa) Mit der Garantie des gesetzlichen [X.]s nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG soll die Unabhängigkeit der Rechtsprechung sowie das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden ([X.], Beschluss vom 8. April 1997 - 1 [X.] 1/95, [X.]E 95, 322, 327; Urteil vom 20. März 1956 - 1 BvR 479/55, [X.]E 4, 412, 416, 418). Um dies zu gewährleisten, müssen Geschäftsverteilungs- und Mitwirkungsregelungen, die der Bestimmung des gesetzlichen [X.]s dienen, derart gefasst sein, dass sie im Voraus schriftlich abstrakt-generell so eindeutig und genau wie möglich festlegen, welches Gericht, welcher Spruchkörper und welche [X.] zur Entscheidung des Einzelfalls berufen sind. Die [X.] muss sich bis auf die letzte Regelungsstufe erstrecken, auf der es um die Person des konkreten [X.]s geht. Nur so wird garantiert, dass die einzelne Sache „blindlings“ aufgrund allgemeiner, vorab festgelegter Merkmale an den berufenen [X.] gelangt und so der Verdacht einer Manipulation der rechtsprechenden Gewalt von vornherein ausgeschlossen wird (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. April 1997 - 1 [X.] 1/95, [X.]E 95, 322, 328 f. und vom 10. Juli 1990 - 1 BvR 984 und 985/87, [X.]E 82, 286, 298; [X.], Urteil vom 20. März 1956 - 1 BvR 479/55, [X.]E 4, 412, 416).

[X.]) Wird nicht die Verfassungswidrigkeit einer Zuständigkeitsregelung im Geschäftsverteilungsplan selbst, sondern deren fehlerhafte Auslegung oder Anwendung durch das Gericht geltend gemacht, beschränkt sich die Überprüfung der gerichtlichen Auslegung auf eine reine Willkürkontrolle (vgl. [X.], Beschlüsse vom 15. September 2020 - 1 BvR 2435/18 Rn. 30 und vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03 Rn. 22; [X.], Urteil vom 9. April 2009 - 3 [X.], [X.]St 53, 268 Rn. 15 f.; Beschlüsse vom 12. Mai 2015 - 3 StR 569/14 Rn. 12; vom 10. Juli 2013 - 2 [X.] Rn. 17 und vom 27. Januar 2020 - 1 StR 622/17 Rn. 16). Das Rechtsmittelgericht hat dabei allein zu überprüfen, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnorm bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und daher unhaltbar - mithin willkürlich - sind.

cc) Nach diesen Maßstäben unterliegt der Beschluss des Präsidiums des [X.]s Rostock vom 18. Januar 2017, mit dem es die Zuständigkeit der [X.] für das Verfahren nach der Zurückverweisung durch das [X.] festgestellt hatte, einer Vertretbarkeits- und Willkürkontrolle. Denn das Präsidium hatte mit seinem Beschluss keine neue Zuständigkeitsregelung für die Zuteilung des hiesigen Verfahrens aufgestellt, sondern lediglich die bereits bestehenden Zuständigkeitsbestimmungen des [X.] ausgelegt und zur Klärung der zwischen den Vorsitzenden der beiden Strafkammern strittigen Zuständigkeitsfrage in Anwendung gebracht (vgl. hierzu [X.], Beschlüsse vom 20. Februar 2018 - 2 BvR 2675/17 Rn. 20 und vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03 Rn. 17 ff.; [X.], Urteil vom 13. Mai 1975 - 1 [X.] Rn. 6). Entsprechend erschöpfen sich die Angriffe der Revisionen in dem - unzutreffenden - Einwand, der Geschäftsverteilungsplan des [X.]s habe „willkürfrei“ ausschließlich dahin ausgelegt werden können, dass die [X.] für die Verhandlung und Entscheidung der „an eine andere Strafkammer“ zurückverwiesenen, im ersten Rechtsgang verfassungswidrig von der 8a. [X.] entschiedenen Sache zuständig sei.

dd) Die Auslegung und die Anwendung der Zuständigkeitsbestimmungen im Geschäftsverteilungsplan durch das Präsidium des [X.]s sind frei von Willkür.

(1) Der Beschluss genügt den vom Präsidium des [X.]s zu beachtenden Darlegungs- und Dokumentationspflichten (vgl. hierzu [X.], Beschlüsse vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03 Rn. 19 und vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09 Rn. 26; [X.], Beschluss vom 4. August 2009 - 3 [X.] Rn. 18). Die Erwägungen, auf die das Präsidium die Feststellung der Zuständigkeit der [X.] für das Verfahren nach der Zurückverweisung gestützt hat, sind im Protokoll der Präsidiumssitzungen vom 18. Januar und 23. Februar 2017 dargelegt und hinreichend dokumentiert.

(2) Auch inhaltlich erweist sich der Beschluss des Präsidiums als willkürfrei.

(a) Das Präsidium hat zunächst zutreffend festgestellt, dass Abschnitt [X.] 7. des [X.], der eine Zuständigkeitsregelung für zurückverwiesene oder sonst vor einer anderen Strafkammer des [X.]s zu verhandelnde Sachen enthielt, von der 8a. [X.] entschiedene Verfahren nicht aufführte. Eine ausdrückliche Regelung über die Zuständigkeit für die an das [X.] zurückverwiesenen Sachen der 8a. [X.] fehlte mithin. Diese der Auslegung zugängliche Lücke hat das Präsidium - unter Beachtung des Gesetzeszwecks des § 95 Abs. 2 [X.]G, einen unvoreingenommenen Spruchkörper mit der Sache zu betrauen - methodisch noch vertretbar durch eine Anwendung der allgemeinen Zuständigkeitsregelungen des [X.] für neu eingehende Strafsachen geschlossen und die Zuständigkeit der [X.] mit deren originärer Zuständigkeit als Wirtschaftsstrafkammer gemäß § 74c [X.] in Verbindung mit der Geschäftsverteilung für die [X.] und 2017 begründet. Es hat demgegenüber davon abgesehen, die Regelung des Abschnitts [X.] 7., wonach die an das [X.] zurückverwiesenen Sachen der [X.] von der [X.] neu zu verhandeln seien, entsprechend dahin anzuwenden, dass sie auch für die zurückverwiesenen Sachen der 8a. [X.] gelte. Dabei hat das Präsidium ausdrücklich darauf abgestellt, dass die [X.] „eine andere Strafkammer“ im Sinne des zurückverweisenden Beschlusses des [X.]s sei. Denn die 8a. [X.] sei trotz ihrer Errichtung zur Entlastung gerade der [X.] und unabhängig von ihrer Rechtsnatur als [X.] als „eine selbstständige und mit originärer eigener Zuständigkeit versehene Strafkammer“ anzusehen.

(b) Diese Auslegung begegnet unter Zugrundelegung des [X.] keinen Bedenken.

(aa) Zwar gehören [X.]n, die aus sachlichem Anlass für eine begrenzte Zeit errichtet werden, nicht zu den in § 60 [X.] genannten Strafkammern, deren Zahl von der Justizverwaltung bestimmt wird und deren Einrichtung deshalb von einer vorgehenden Verwaltungsentscheidung abhängt; ihre Bildung ist vielmehr eine Maßnahme der Geschäftsverteilung, die als solche dem Präsidium obliegt ([X.], Urteil vom 14. Juni 1967 - 2 [X.], [X.]St 21, 260, 261). Die Errichtung einer [X.] stellt der Sache nach nichts anderes dar als eine außerordentliche Vertretungsregelung auf Kammerebene für den Sonderfall der Verhinderung ([X.], Urteil vom 7. Juni 1983 - 4 StR 9/83, [X.]St 31, 389, 394).

([X.]) Ihre Rechtsnatur steht jedoch der Annahme nicht entgegen, dass es sich bei einer [X.] um eine eigenständige, von dem entlasteten Spruchkörper losgelöste Strafkammer handelt. Vielmehr legt das Präsidium durch seinen Beschluss über die Errichtung einer [X.] sowohl deren Zuständigkeit als auch ihre Besetzung fest, die sich von den anderen Strafkammern - insbesondere dem überlasteten Spruchkörper - unterscheidet und abhebt. Sie hat sich einen eigenen internen Kammerverteilungsplan zu geben.

(cc) Nach der Errichtung der 8a. [X.] stand diese selbständig neben der [X.]. Sie war damit ein zwar temporär errichteter, dennoch aber eigenständiger Spruchkörper, der in dieser Sache originär zur Entscheidung berufen war. Demgegenüber war die 8. [X.] im ersten Rechtsgang mit dieser Sache nicht im Erkenntnisverfahren, insbesondere nicht in einer Hauptverhandlung befasst. Entsprechend gründete die Entscheidung des [X.]s gerade darauf, dass die 8a. [X.] in verfassungsverletzender Weise als „andere“ als die gesetzlich dazu bestimmte zuständige 8. [X.] entschieden hatte.

(c) Hiervon ausgehend erweist sich auch die Feststellung der Zuständigkeit der [X.] für die zurückverwiesene Sache durch das Präsidium als frei von Willkür.

(aa) Die Geschäftsverteilungspläne des [X.]s enthielten keine ausdrückliche Regelung darüber, welcher Spruchkörper für die erneute Verhandlung einer Sache zuständig ist, die durch eine eingerichtete [X.] entschieden und durch das Revisionsgericht oder, wie vorliegend, durch das [X.] zurückverwiesen wurde. In Betracht kam sowohl die Zuständigkeit der [X.] als auch - nach der Lesart der Beschwerdeführer in analoger Anwendung der Zuständigkeitsbestimmungen des Abschnitts [X.] 7. des [X.] - die Zuständigkeit der [X.] als der für Zurückverweisungen der von der [X.] - und damit entsprechend der 8a. [X.] - verhandelten Sachen. Die Entscheidungsformel im aufhebenden Beschluss des [X.]s engt diese [X.] nicht weiter ein. Die Zurückverweisung an eine „andere“ Strafkammer schloss lediglich aus, dass die Sache erneut von der - nicht den gesetzlichen [X.] darstellenden - 8a. [X.] verhandelt werde.

([X.]) Die Feststellung der für die zurückverwiesene Sache zuständigen [X.] durch den Beschluss des Präsidiums vom 18. Januar 2017 war zu der gebotenen Beseitigung der Folgen der Verletzung des Anspruchs der Angeklagten auf den gesetzlichen [X.] geeignet und hält sich im Rahmen einer vertretbaren und damit willkürfreien Auslegung.

Hebt das [X.] eine Entscheidung auf und verweist es die Sache an ein im Sinne des § 95 Abs. 2 [X.]G zuständiges Gericht zurück, wird das Ausgangsverfahren bei diesem Gericht in den Stand vor dem Erlass der aufgehobenen Entscheidung zurückversetzt (vgl. [X.] in [X.]/Schmidt-Bleibtreu/[X.]/[X.], [X.]G, 60. EL Juli 2020, § 95 Rn. 35 unter Hinweis auf [X.], Beschluss vom 19. September 2013 - [X.]). Das Gericht hat die Sache sodann „im Lichte der verfassungsrechtlichen Entscheidung“ neu zu verhandeln ([X.], aaO, Rn. 8).

Eine solche Verhandlung „im Lichte der verfassungsrechtlichen Entscheidung“ wurde durch den Präsidiumsbeschluss ermöglicht. Denn die vom Präsidium des [X.]s vorgenommene Auslegung bewirkte zum einen, dass die zurückverwiesene Sache durch einen „anderen“ Spruchkörper als die 8a. [X.] zu entscheiden war. Zum anderen legte das Präsidium, indem es die Sache als Neueingang behandelte, den Geschäftsverteilungsplan in vertretbarer Weise so aus, dass Sachen, mit denen die regulären [X.] noch nicht im Erkenntnisverfahren befasst waren, der originären Zuständigkeit der [X.] für Wirtschaftsstrafsachen nach § 74c [X.] unterfallen sollten.

2. Ohne Erfolg beanstandet der Angeklagte [X.]die fehlerhafte Ablehnung von Beweisanträgen.

a) Die [X.] ist unbegründet. Bei dem Antrag vom 19. April 2018, ein Sachverständigengutachten zur energiesteuerlichen Behandlung von Heizöl in [X.] einzuholen, handelt es sich - ungeachtet der Frage, inwiefern damit nur Rechtsfragen betroffen sind - jedenfalls lediglich um einen Beweisermittlungsantrag. Der Antrag benennt weder eine konkrete ausländische Norm noch bezeichnet er deren Inhalt und die sich aus ihr ergebende Rechtsfolge näher (vgl. dazu etwa [X.], Urteil vom 2. Februar 1994 - [X.] Rn. 11; BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2001 - 1 [X.]/00 Rn. 11; [X.]/[X.], 8. Aufl., § 244 Rn. 71). Zudem musste sich das [X.] nicht zur Beweiserhebung gedrängt sehen, da die Energiesteuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] im Inland unabhängig von der Erhebung einer Energiesteuer in [X.] entstand (s. auch III. 1.).

b) Soweit der Angeklagte rügt, das [X.] sei dem hilfsweise - für den Fall der Ablehnung des ersten Antrags - gestellten Antrag auf Vernehmung der Zeugin [X.].          nicht nachgekommen, ist die Rüge bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Denn der Beschwerdeführer legt den von ihm in Bezug genommenen Beweisantrag des Mitangeklagten [X.]     nicht vor. Im Übrigen gelten die Erwägungen unter 2.a) entsprechend.

III.

Das Urteil hält auch sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.

Durch den Empfang der drei aus [X.] gelieferten Energieerzeugnisse „Base 300“ und „[X.] 300“ entstanden jeweils Energiesteuerforderungen nach dem [X.] [X.], und zwar unabhängig davon, ob die Verbrauchsteuer bereits in [X.] erhoben worden ist (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 15 Rn. 1). Denn auch wenn im [X.] eine Verbrauchsteuer bereits erhoben wurde, wird diese gemäß § 46 [X.] bzw. Art. 33 Abs. 6 RL 2008/118/[X.] lediglich auf Antrag hin erstattet oder erlassen. Entsprechende Steuererstattungs- oder -erlassanträge haben die Angeklagten jedoch nicht gestellt.

2. Die Strafaussprüche haben ebenfalls Bestand.

a) Zutreffend hat das [X.] das [X.] eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 [X.] (als Mitglied einer Bande) angenommen.

Insbesondere hat das [X.] hinreichende Feststellungen zu der [X.] der drei Angeklagten, ihrer gegenseitigen Abstimmung, ihrer Aufgabenteilung sowie der Kenntnis über die Tätigkeiten der jeweils anderen Beteiligten getroffen und die hierfür relevanten Gesichtspunkte einer Gesamtschau unterworfen (vgl. [X.] f.; vgl. zum Begriff der Bande [X.], Beschluss vom 22. März 2001 - [X.], [X.]St 46, 321, 325 ff.; Urteil vom 16. Juni 2005 - 3 [X.], [X.]St 50, 160, 164; Beschluss vom 16. März 2010 - 4 StR 497/09 Rn. 3).

Schließlich steht der Annahme einer Bande nach der Rechtsprechung des [X.] nicht entgegen, dass die Angeklagten [X.] und D.     lediglich als Gehilfen an den Steuerhinterziehungen mitwirkten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 15. Januar 2002 - 4 StR 499/01, [X.]St 47, 214, 217 ff. und vom 5. Juni 2019 - 1 StR 233/19, [X.]R BtMG § 30a Bande 13 Rn. 3).

b) Ferner stellt es im Ergebnis keinen Rechtsfehler dar, dass das [X.] bei den Angeklagten [X.] und D.      neben einer Milderung des Strafrahmens gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB von einer weiteren Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB abgesehen hat.

Das [X.] hat zutreffend (vgl. [X.], Urteile vom 23. Oktober 2018 - 1 [X.] Rn. 19 und vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, [X.]St 58, 218 Rn. 52; Beschlüsse vom 23. August 2017 - 1 StR 33/17 Rn. 14 und vom 14. April 2010 - 1 StR 105/10) angenommen, die Angeklagten [X.] und D.     seien lediglich deshalb keine Mittäter der durch Unterlassen bewirkten Steuerhinterziehungen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.]), weil sie einer persönlichen Steuerpflicht nicht unterworfen und deshalb zur Aufklärung steuerlicher Tatsachen nicht besonders verpflichtet gewesen seien ([X.]). Bei der Strafzumessung für einen Teilnehmer, den die [X.] nicht trifft, ist aber die weitere Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB nur dann vorzunehmen, wenn sich die Tat nicht allein wegen des Fehlens der steuerlichen [X.] als strafbegründendem persönlichen Merkmals als Beihilfe statt als Täterschaft zu werten ist ([X.], Beschlüsse vom 13. März 2019 - 1 [X.] Rn. 3; vom 13. März 2019 - 1 StR 50/19 Rn. 6; vom 21. Mai 2019 - 1 [X.] Rn. 3; vom 23. Juli 2019 - 1 StR 197/19 Rn. 6; vom 25. Juli 2019 - 1 [X.] Rn. 10 und vom 14. Oktober 2020 - 1 StR 265/20 Rn. 4; [X.], [X.], 15. Aufl., § 370 Rn. [X.] mwN). So verhält es sich hier. Die - für sich genommen bedenklichen - Ausführungen des [X.]s, es „hätte nahegelegen“, die Angeklagten [X.] und D.      als Mittäter anzusehen, wenn sie selbst steuerrechtlich zur Abgabe von Erklärungen verpflichtet gewesen wären ([X.] und 375), versteht der Senat im Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe dahin, dass es die Annahme der Gehilfenschaft dieser Angeklagten entscheidend auf das Fehlen ihrer persönlichen Steuerpflicht gestützt und eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB daher im Ergebnis ohne Rechtsfehler abgelehnt hat.

Jäger     

        

Bellay     

        

Bär     

        

Leplow     

        

Pernice     

        

Meta

1 StR 345/19

22.09.2021

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Rostock, 29. November 2018, Az: 18 KLs 11/17 (1)

Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 60 GVG, § 95 BVerfGG, § 370 Abs 1 Nr 2 AO, § 28 Abs 1 StGB, § 49 Abs 1 StGB, § 338 Nr 1 Buchst b StPO vom 17.07.2015

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.09.2021, Az. 1 StR 345/19 (REWIS RS 2021, 2464)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2464

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