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PDF anzeigenBUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 216/10 vom 22. Juni 2010 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. - 2 - Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und des Beschwerdeführers am 22. Juni 2010 gemäß §§ 206a, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 4. Dezember 2009 a) aufgehoben, soweit der Angeklagte in den Fällen 37 bis 44 der Urteilsgründe verurteilt worden ist, in-soweit wird das Verfahren eingestellt; die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen insofern der Staatskasse zur Last; b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Ange-klagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäu-bungsmitteln in nicht geringer Menge, des uner-laubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 34 Fällen und der unerlaubten Abgabe von Betäu-bungsmitteln schuldig ist, c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe, die Einzie-hung, den Verfall von Wertersatz und den erweiter-ten Verfall mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-handlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kos-- 3 - ten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird ver-worfen. Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freisprechung im Übrigen - wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln, wegen unerlaubten Handel-treibens mit Betäubungsmitteln in 37 Fällen, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren in fünf Fällen, dabei in vier Fällen gewerbsmäßig handelnd, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Zudem hat es die Einziehung von sichergestellten Betäu-bungsmitteln und "Betäubungsmittelutensilien" sowie den Verfall von Wertersatz in Höhe von 3.290 • und den erweiterten Verfall von 5.605 • angeordnet. Ge-gen das Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sie hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1 1. Das Verfahren ist in den Fällen 37 bis 44 der Urteilsgründe einzustel-len, da es insofern an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt. 2 a) Wegen der Fälle 1 bis 36 der Urteilsgründe hatte die Staatsanwalt-schaft am 28. Mai 2009 Anklage erhoben, die das Landgericht mit Beschluss vom 8. Juli 2009 unverändert zum Hauptverfahren zugelassen hat; zugleich hat es beschlossen, die Hauptverhandlung mit der Vorsitzenden und - neben den Schöffen - nur einer Beisitzerin durchzuführen. In der daraufhin begonnenen 3 - 4 - Hauptverhandlung beschloss die Strafkammer am 6. Oktober 2009, die am 23. September 2009 ferner erhobene Anklage zur Hauptverhandlung zuzulas-sen, mit der dem Angeklagten die später als Fälle 37 bis 44 abgeurteilten Taten zur Last gelegt wurden. b) Diese Verfahrensweise war fehlerhaft. Bezüglich der dem Angeklagten in der Anklage vom 23. September 2009 zur Last gelegten Taten fehlt es an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses. Denn die große Strafkammer hat über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Zulas-sung der Anklage nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung mit drei Berufsrichtern unter Ausschluss der Schöffen entschieden, sondern in der ge-mäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG reduzierten Besetzung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen. Damit besteht ein von Amts wegen zu beachtendes Verfah-renshindernis, das zur Aufhebung des Urteils in den Fällen 37 bis 44 der Ur-teilsgründe und zur Einstellung des Verfahrens führt (zum Ganzen BGH, Be-schluss vom 13. Juni 2008 - 2 StR 142/08, NStZ 2009, 52, und - auch zur Kos-tenentscheidung - Urteil vom 21. Januar 2010 - 4 StR 518/09 jeweils m.w.N.). 4 2. Zu den Einziehungs- und Verfallanordnungen hat der Generalbundes-anwalt in der Antragsschrift vom 6. Mai 2010 ausgeführt: 5 "1. Die Einziehungsanordnung, die lediglich auf zwei Sicher-stellungsprotokolle verweist, bezeichnet die einzuziehenden Betäubungsmittel und Betäubungsmittelutensilien nicht genau genug. Bei einer Einziehungsanordnung müssen die einzuzie-henden Gegenstände so genau bezeichnet sein, dass bei al-len Beteiligten und der Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht; die Bezugnahme auf ein Asservatenverzeichnis genügt nicht (BGH, Beschluss vom 25. August 2009, 3 StR 291/09 m.w.N.). Bei der Einziehung von Betäubungsmitteln gehört dazu insbesondere die Angabe - 5 - von Art und Menge des einzuziehenden Rauschgifts (Senat, Beschluss vom 12. Oktober 1999, 4 StR 391/99). Diesen Anforderungen wird die Einziehungsanordnung des Urteils nicht gerecht. Da sich die Anordnung auch mit Hilfe der Urteilsgründe nicht so genau konkretisieren lässt, dass sie vom Senat ergänzt werden könnte (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2007, 1 StR 251/07), ist sie aufzuheben. 2. In der Wohnung des Angeklagten wurde Bargeld in Höhe von 8.895,- Euro sichergestellt (UA S. 6), welches nach An-sicht der Kammer aus Drogengeschäften stammt (UA S. 32). Allerdings erschließt sich nicht, wieso ein Teilbetrag in Höhe von 3.290,- Euro "aus den Betäubungsmittelgeschäften" stam-men soll und der andere Teilbetrag in Höhe von 5.605,- Euro aus anderen nicht abgeurteilten Drogengeschäften, so dass insoweit der erweiterte Verfall nach § 73d StGB i.V.m. § 33 Abs. 1 BtMG anzuordnen war. Abgesehen davon, dass bei ei-ner Zuordnung des sichergestellten Geldes zu den abgeurteil-ten Geschäften die Einziehung [richtig: Verfall] nach § 73 StGB zu erfolgen hat - wieso die Kammer einen Wertersatz-verfall nach § 73a StGB angenommen hat, ist nicht nachvoll-ziehbar - erfordert der Vorrang des § 73 StGB gegenüber der subsidiären Vorschrift des § 73d StGB, dass vor einer Anwen-dung des § 73d unter Ausschöpfung der zulässigen Beweis-mittel ausgeschlossen werden kann, dass die Voraussetzun-gen des § 73 StGB erfüllt sind (Senat, Urteil vom 11. Dezem-ber 2008, 4 StR 386/08 m. zahlr. w.N.). Dem werden die ledig-lich pauschalen Ausführungen der Kammer (UA S. 32) nicht gerecht, sie ermöglichen dem Revisionsgericht nicht die Prü-fung, ob das Gericht die Vorschriften der §§ 73 ff. StGB richtig angewendet hat". Dem schließt sich der Senat an. Zudem kann die Anordnung des Verfalls von Wertersatz schon infolge der Teileinstellung keinen Bestand haben. 6 3. Vorsorglich bemerkt der Senat, dass die auf § 353 Abs. 2 StPO beru-hende Aufhebung der den Verfallentscheidungen zuzuordnenden Feststellun-gen nicht die sogenannten doppelrelevanten Tatsachen erfasst, die auch den 7 - 6 - Schuld- oder Strafausspruch tragen (z. B. die Feststellungen zu den Einkaufs- und Verkaufspreisen; vgl. näher Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. Einl. 187; § 353 Rdn. 20); insoweit sind nur ergänzende Feststellungen zulässig, die den bin-dend gewordenen nicht widersprechen dürfen. Ernemann Solin-Stojanovi Cierniak Mutzbauer Bender
Meta
22.06.2010
Bundesgerichtshof 4. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2010, Az. 4 StR 216/10 (REWIS RS 2010, 5656)
Papierfundstellen: REWIS RS 2010, 5656
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