Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.09.2013, Az. 3 StR 119/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2013, 2649

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BUNDESGERICHTSHOF

I[X.] NA[X.]EN DES VOLKES

URTEIL
3 StR
119/13
vom
19. September 2013
in der Strafsache
gegen

wegen versuchter räuberischer Erpressung u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 19.
September 2013, an der
teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
[X.],

[X.] am Bundesgerichtshof
Hubert,
[X.],

[X.],
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol

als beisitzende Richter,

Staatsanwalt

als Vertreter der [X.],

Herr

als Nebenkläger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 26.
November 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer [X.] Erpressung (nach der Urteilsformel des schriftlichen Urteils: wegen ver-suchter räuberischer Erpressung) unter Einbeziehung einer Vorstrafe zur Ge-samtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn [X.]onaten verurteilt und eine Kompensationsentscheidung getroffen. Gegen das Urteil wendet sich der [X.] mit der Sachbeschwerde und verfolgt das Ziel, dass der Angeklagte auch wegen -
jeweils gemeinschaftlich begangenen -
erpresserischen [X.] (§
239a Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit Geiselnahme (§
239b Abs.
1 StGB) verurteilt wird. Das Rechtsmittel ist begründet.
1
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-
1. Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getrof-fen:
Die anderweitig verfolgten B.

, N.

, D.

und Y.

Y.

sowie ein unbekannt gebliebener Tatgenosse entführten den Nebenkläger am 8.
Juli 2003 gegen 18:15 Uhr aufgrund eines gemeinsamen Tatplanes auf Veranlas-sung und Anweisung des A.

Y.

von I.

zu dem "bordellarti-gen Betrieb" namens "H.

" in der Nähe von [X.].

. Hintergrund dieser Aktion waren Vorwürfe des [X.] gegen den Angeklagten und die Fa-milie des A.

Y.

im [X.], die er dort unter anderem als "Kurden-[X.]afia" bezeichnet hatte. A.

Y.

hatte daher beschlossen, den [X.] durch seine Brüder entführen zu lassen, um ihn einzuschüchtern und unter Ausnutzung der Einschüchterung zu veranlassen, die verunglimpfende Veröffentlichung im [X.] zu löschen.
Als der später informierte Angeklagte gegen [X.]itternacht in der "H.

" hinzukam, sah er, dass der Nebenkläger blutende Verletzungen hatte; ihm war klar, dass dieser nicht freiwillig, sondern unter Gewalteinwirkung durch die gesondert Verfolgten zur "H.

"
gebracht worden und dort nur aufgrund der fortgesetzten Bewachung geblieben war.
Als der Nebenkläger den Angeklagten darauf hinwies, dass die Polizei schon von der Entführung informiert worden sei, entschlossen sich der Ange-klagte und der
bereits zuvor gegen 21:00 Uhr eingetroffene A.

Y.

, das Lokal zu verlassen und mit dem Nebenkläger in Richtung Süden zu fahren, um ihn weiter einzuschüchtern, einen möglicherweise noch zu erwartenden Wi-derstand zu brechen sowie auf diese Weise ihre Forderungen gegen den [X.] durchzusetzen. Der Angeklagte hatte dabei insbesondere die [X.], den Nebenkläger zur Zahlung eines Betrages zwischen 150.000 und 2
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Verhaltens des [X.], das ihn seiner Auffassung nach in der Ausübung seiner Geschäfte beeinträchtigt und
finanziell geschädigt hatte, rächen zu müs-sen. Dabei war ihm bewusst, dass er tatsächlich keine Forderung gegen den Nebenkläger geltend machen konnte, die von der Rechtsordnung anerkannt werden würde. Der Angeklagte und A.

Y.

veranlassten den [X.] unter Ausnutzung seiner aufgrund der vorangegangenen Entführung bedrängten Lage, in den Pkw des Angeklagten einzusteigen. Die gesondert verfolgten B.

und A.

Y.

setzten sich auf dem Rücksitz rechts und links neben den Nebenkläger, der Beifahrersitz blieb unbesetzt. Der Ange-klagte forderte in Ausführung des zuvor gefassten Planes während der an-schließenden Fahrt zur Autobahn und im Weiteren auf der [X.] in Richtung Süden bis zur Raststätte Hi.

von dem Nebenkläger mehrfach eine notariell beglaubigte Erklärung des Inhalts, dass er die [X.]veröffentli-chung rückgängig machen und ihm eine finanzielle Entschädigung zahlen [X.]. Der Nebenkläger erklärte sich schließlich unter dem Druck der Situation bereit, die von dem Angeklagten geforderte Erklärung abzugeben. Dies sollte in F.

geschehen, da der Nebenkläger angab, dort ein Büro zu haben.
In der Nähe von F.

brach der Angeklagte die -
inzwischen mit ei-nem anderen Fahrzeug fortgesetzte -
Fahrt schließlich ab, da er mit einem Zu-griff der Polizei rechnete. Der Angeklagte einigte sich sodann mit dem [X.], dass dieser die [X.]veröffentlichung rückgängig mache und eine nicht mehr behelligen. Da der Nebenkläger weiter äußerte, dass man zur Erfül-lung der Forderungen nicht mehr weiter fahren müsse, sondern er dies nach seiner Ankunft in Ha.

erledigen werde und die Polizei die Fahrzeuginsas-sen zur Rückkehr aufgefordert hatte, kehrten der Angeklagte und die weiteren Beteiligten mit dem Nebenkläger nach Ha.

zurück und setzten ihn vor der Polizei in L.

ab. Dabei war der Angeklagte davon überzeugt, dass das 6
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-
massive Vorgehen der früheren [X.]itangeklagten bei der Entführung und die [X.] Verletzungen ganz sicher dazu führen würden, dass der Nebenkläger den Forderungen nachkäme. Der -
erheblich verletzte -
Nebenkläger leistete die Zahlung an den Angeklagten indes nicht.
2. Eine Verurteilung des Angeklagten wegen erpresserischen [X.]enschen-raubes (§
239a Abs. 1 StGB) oder Geiselnahme (§
239b Abs. 1 StGB) hat das [X.] mit der Begründung abgelehnt, der Angeklagte habe zwar eine Geldforderung an den Nebenkläger gestellt. Er habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch an der Entführung nicht mitgewirkt, sondern sei erst später hinzugekommen und habe dann die nicht von ihm, sondern von anderen geschaffene Lage des [X.] ausgenutzt, um von diesem die Zahlung

239a StGB strafbar sei (aber) nur, wer die von ihm selbst geschaffene Lage ausnutzt. Habe ein Dritter diese Lage [X.] oder haben vom Täter unabhängige Umstände das Opfer in seine Hand gegeben, so genüge es nicht, wenn der Täter diese Situation zu einer Erpres-sung nutzt. Die Entführung oder das [X.] brauchten zwar nicht eigenhändig ausgeführt werden. Die Entführung, die von den früheren [X.]itange-klagten begangen worden sei, könne dem Angeklagten aber nicht nach den Regeln der [X.]ittäterschaft oder mittelbaren Täterschaft zugerechnet werden, da er selbst kein Tatbestandsmerkmal verwirklicht und auch keinen entsprechen-den Vorsatz gehabt habe.
Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Zwar scheidet nach den ge-troffenen Feststellungen eine Verurteilung des Angeklagten wegen [X.] nach einer der beiden Alternativen des § 239b Abs. 1 StGB im Ergebnis jedenfalls deswegen aus, weil gegen den Nebenkläger keine qualifizierte [X.] im Sinne dieser Vorschrift gerichtet werden sollte bzw. gerichtet wurde. 7
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Indes hat das [X.] eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen erpresseri-schen [X.]enschenraubs (§
239a Abs. 1 StGB) rechtsfehlerhaft verneint.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das [X.] allerdings ausge-führt, dass die Tatvariante des §
239a Abs. 1 Alt. 2
StGB nach ihrem eindeuti-gen Wortlaut nicht in der Weise verwirklicht werden kann, dass der Täter
die durch einen [X.] mittels Entführung oder in sonstiger Weise begründete Be-mächtigungslage des Opfers lediglich zu einer Erpressung ausnutzt. Allein hie-rauf beschränkt sich indes die tatbestandliche Einschränkung der Vorschrift. Sie mag daher einer Verwirklichung des erpresserischen [X.]enschenraubs in der Form entgegen stehen, dass dem (gegebenenfalls nur als "Trittbrettfahrer": vgl. [X.]üKoStGB/[X.], 2. Aufl., §
239a Rn. 60 mwN) später durch erpresseri-sche Handlungen in das Geschehen eingreifenden Täter die von [X.] zuvor begründete und weiter aufrecht erhaltene [X.] über die Rechts-figur der sukzessiven [X.]ittäterschaft zugerechnet wird (so etwa [X.], [X.] durch Geiselnahme (§§ 239a, 239b StGB), 2001, [X.]; vgl. demgegenüber bei zwar nicht eigenhändiger, aber mittäterschaftli-cher Begründung der [X.] durch den später aktiv [X.]: [X.], Beschluss vom 1. Dezember 2000 -
2 StR 379/00, [X.], 247 f.; bei Begründung der [X.]
in mittelbarer Täterschaft: [X.][X.], StGB, 28. Aufl., §
239a Rn. 21; [X.] aaO). Sie schließt es indes nicht aus, dass der später Hinzutretende §
239a Abs. 1 StGB in anderer Weise verwirklicht. Dazu gilt:
Befindet sich das Opfer bereits in der Gewalt von [X.], die dieses [X.] oder sich seiner in sonstiger Weise bemächtigt haben, so kommt [X.] in Betracht, dass ein sich erst danach an dem Geschehen beteiligender Täter eigenständig Gewalt über das Opfer erlangt. So liegt es jedenfalls dann, 9
10
-
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-
wenn er durch sein Eingreifen die Situation des Opfers qualitativ ändert und über das Fortbestehen der [X.] nunmehr maßgeblich selbst bestimmt (vgl. [X.] aaO Rn. 34 und 60). Es gilt hier nichts anderes als in den
Fällen, in denen sich das Opfer aufgrund anderer Umstände bereits in einer hilflosen Lage befindet und sich der Täter dies zunutze macht, um das Opfer in seine Gewalt zu bringen (vgl. [X.] aaO). Tut er dies in der [X.], die so gewonnene Herrschaft über das Opfer zu dessen Erpressung aus-zunutzen, so verwirklicht er in beiden Fallgestaltungen den Tatbestand des §
239a Abs. 1 Alt.
1
StGB.
So lag es hier. Nach dem Eintreffen des Angeklagten in der "H.

"
entschieden nicht mehr die ursprünglichen Entführer darüber, wie mit dem [X.] verfahren werden sollte. Vielmehr bestimmten nunmehr der Ange-klagte und A.

Y.

, dass der Nebenkläger im Pkw des Angeklagten von der "H.

"
abtransportiert wurde und beide brachten den Nebenkläger in dem Fahrzeug in ihre Gewalt; der Angeklagte bestimmte das Fahrziel F.

und machte sich dorthin mit dem Nebenkläger auf den Weg. Er entschied [X.] auch über die Freilassung des [X.]. Damit hat er sich des [X.]s in der "H.

"
selbst bemächtigt im Sinne des § 239a Abs. 1 Alt.
1 StGB.
b) Nach den bisherigen Feststellungen des [X.] scheitert eine Verurteilung des Angeklagten wegen erpresserischen [X.]enschenraubs auch nicht notwendig daran, dass es an dem erforderlichen funktionalen, zeitlichen Zusammenhang zwischen der [X.] des [X.] und der vom Angeklagten ins Auge gefassten Erpressung (vgl. [X.]/Kühl, StGB, 27.
Aufl., §
239a Rn. 4a mwN) deshalb fehlt, weil nach der Vorstellung des [X.] der Nebenkläger die ihm abzupressende vermögenswerte Leistung erst nach Beendigung der [X.] erbringen sollte. Zwar trifft dies 11
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-
ersichtlich auf die vom Angeklagten erstrebte Zahlung von 150.000 bis 170.000

eklagte den Nebenkläger auch zu der [X.] eines entsprechenden, notariell beglaubigten [X.] nöti-gen,
und die Feststellungen lassen es jedenfalls möglich erscheinen, dass der Nebenkläger diese Erklärung nach dem ursprünglichen Plan des Angeklagten noch während des Andauerns der [X.] in F.

abgeben sollte. Durch die Abgabe eines schriftlichen Anerkenntnisses einer nicht beste-henden Verbindlichkeit (Schuldschein) kann indes bereits ein Vermögensnach-teil im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB begründet werden ([X.], Urteil vom 9. Juli 1987 -
4 [X.], [X.]St 34, 394 ff.; zur Notwendigkeit einer konkreten Schadensermittlung s. etwa [X.], Beschlüsse vom 23. Juni 2010 -
2 BvR 2559/08 u.a., NJW 2010, 3209, 3215; vom 7. Dezember 2011 -
2 BvR 2500/09 u.a., [X.], 907, 915 ff.).
3. Der aufgezeigte Rechtsmangel führt auf die Sachbeschwerde des [X.]s zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insgesamt. Demgemäß kann auch die ausgesprochene Kompensationsentscheidung nicht bestehen bleiben.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revision des [X.] hat demgegenüber keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht (§
301 [X.] entsprechend; vgl. [X.]eyer-Goßner, [X.], 56. Aufl., §
301 Rn. 2).
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Der neue Tatrichter wird mit Blick auf die nach den bisherigen [X.] erlittene Freiheitsentziehung in der [X.] ([X.] gegebenenfalls eine Anrechnungsentscheidung gemäß §
51 Abs. 4 Satz 2 StGB zu treffen haben.

[X.] [X.]Schäfer

Ri[X.] [X.] befindet sich

Spaniol

im Urlaub und ist daher

gehindert zu unterschreiben.

[X.]
15

Meta

3 StR 119/13

19.09.2013

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.09.2013, Az. 3 StR 119/13 (REWIS RS 2013, 2649)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2649

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