Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2008, Az. X ZR 93/07

X. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 2823

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 15. Juli 2008 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja [X.] § 651d Abs. 1 Bei besonderer Schwere kann ein Ereignis, das zu einem Mangel führt, eine Minderung rechtfertigen, die nicht auf den anteiligen Reisepreis für die Dauer des Ereignisses beschränkt ist. [X.], [X.]. v. 15. Juli 2008 - [X.] - [X.]
- 2 - [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 15. Juli 2008 durch [X.] Melullis und [X.] Scharen, [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das am 31. Mai 2007 verkündete [X.]eil der 12. Zivilkammer des [X.] aufgehoben, soweit mit der Revision noch 1.110 [X.] nebst Zinsen geltend ge-macht werden. Das weitergehende Rechtsmittel wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: Der Kläger macht gegen den beklagten Reiseveranstalter aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau Ansprüche aus einem Reisevertrag geltend. 1 Er buchte für sich und seine Ehefrau bei der Beklagten eine [X.] mit Flug und Aufenthalt in einer Hotelanlage in der [X.] zum [X.] von 1.110 [X.]. 2 Während des [X.] am 8. Oktober 2005 traten technische Probleme am Flugzeug auf, die zu einer außerplanmäßigen Landung in [X.] führten. Nachdem den im Transitbereich wartenden Passagieren mitgeteilt worden war, dass das Flugzeug repariert sei, verweigerte ein Teil der Passagiere den [X.] mit diesem Fluggerät. Eine daraufhin bereitgestellte Ersatzmaschine startete rund 12 Stunden nach der außerplanmäßigen Landung und erreichte ohne weitere Zwischenfälle den Zielflughafen. 3 Der Kläger hat geltend gemacht, die technischen Probleme hätten zu ei-nem [X.] geführt und er sowie seine Ehefrau hätten Todesangst ausgestanden. Dadurch sei der Erholungswert der Reise vollstän-dig aufgehoben worden. Mit seiner Klage hat der Kläger die vollständige Rück-zahlung des Reisepreises und eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewende-ter Urlaubszeit in Höhe von 72 [X.] je Tag und Person verlangt, insgesamt einen Betrag von 3.270 [X.] nebst Zinsen. Die Beklagte hat die Forderung in Höhe eines Betrags von 280 [X.] nebst Zinsen anerkannt und im Übrigen [X.] begehrt. Durch Teilanerkenntnis- und Schlussurteil hat das Amtsgericht die Beklagte zur Zahlung von 280 [X.] nebst Zinsen verurteilt und 4 - 4 - die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist ohne Erfolg geblieben (das Berufungsurteil ist in [X.], 69 abgedruckt). Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Forderung, soweit sie in den Vorinstanzen erfolglos geblieben ist, weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen. Entscheidungsgründe: [X.] Soweit die Revision die Verneinung einer Minderung des Reisepreises (§ 651d Abs. 1 [X.]) nebst Zinsen angreift, führt sie zur Aufhebung des [X.] [X.]eils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.], dem auch die Entscheidung über die Kosten des [X.] zu übertragen ist. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass sich aus den Entscheidungen der Vorinstanzen nicht mit hinreichender Sicherheit ergibt, auf welche der geltend gemachten Forderungen der anerkannte Betrag von 280 [X.] nebst Zinsen angerechnet worden ist, auch wenn einiges dafür spricht, dass die Anrechung zumindest teilweise auf den geltend gemachten Minderungsbetrag erfolgen sollte. Dafür, dass eine Tilgungsbestimmung bei der Leistung durch die Beklagte erfolgt ist (§ 366 Abs. 1 [X.]), fehlt es an [X.]. Der festgestellte Sachverhalt lässt zudem auch eine Beurteilung dahin, ob sich die Tilgung aus der Regelung in § 366 Abs. 2 [X.] ergibt, nicht zu. 5 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Regelung in § 651d Abs. 1 Satz 1 [X.] eine Minderung ausdrücklich nur "für die Dauer des Man-gels" vorsehe und dass, da nach dem Klagevortrag lediglich der [X.] [X.] gewesen sei, bei einer Reisedauer von 14 Tagen lediglich eine 6 - 5 - Minderungsquote von 1/14, bezogen auf den Reisepreis, und damit ein Minde-rungsbetrag von 79,29 [X.] in Betracht komme. Soweit der Kläger geltend [X.], dass der behauptete [X.] den Erholungswert der Reise [X.] zunichte gemacht habe, sei die Frage der Rückwirkung eines Mangels angesprochen. Dessen Behandlung sei zwar dogmatisch umstritten, jedoch nur über Schadensersatzansprüche nach § 651f [X.] zu lösen. Auch wenn sich aus der Rechtsprechung des [X.] ergebe, dass eine Preisan-passung ausnahmsweise auch dann zugelassen werden könne, wenn der Mangel schon kurz nach Reisebeginn auftrete, sei im vorliegenden Fall der der Erholung dienende Teil der Reise bereits abgeschlossen gewesen, bevor der Mangel aufgetreten sei. Eine im Wesentlichen mangelfreie Reisezeit könne nicht dadurch rückwirkend [X.] werden, dass die bis dahin erreichte Erholung durch einen nachfolgenden Mangel wieder beseitigt werde. Auch die Nachwirkungen eines Mangels könnten allenfalls soweit zu einer Minderung führen, als sie in die Reisezeit fielen, minderten aber nicht den Wert der Reise selbst, sondern stellten einen Mangelfolgeschaden dar. 7 2. Dies hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in vollem Umfang stand. Dem Kläger kann unter dem Gesichtspunkt der Minderung ein Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises bis hin zu dessen vollständiger Rückzah-lung zustehen (§§ 651d Abs. 1, 651c Abs. 1, 638 Abs. 3, 398 [X.]). a) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Auffassung des Berufungsge-richts, dass erst nach Beendigung der Reise auftretende Beeinträchtigungen des Reisenden im Weg des Schadensersatzes nach § 651f [X.] auszuglei-chen sind und nicht im Weg der Minderung nach § 651d [X.]. Ob dies auch für Nachwirkungen des Mangels während der Dauer der Reise gilt (so etwa [X.], 270, 271), bedarf hier keiner Erörterung, weil eine entsprechende Fallkonstellation nicht vorliegt. 8 - 6 - b) Anders ist der Fall jedoch zu beurteilen, soweit sich der Kläger darauf beruft, dass der Wert der Reise durch den von ihm behaupteten und schon mangels hierzu getroffener Feststellungen für das Revisionsverfahren als rich-tig zu unterstellenden [X.] gemindert gewesen sei. Zwar [X.] sich die Regelung in § 651d [X.] von der in § 638 [X.], auf die sie im Übrigen verweist, dadurch, dass sie die Minderung auf die "Dauer des Man-gels" beschränkt. Dies darf jedoch nicht zu der Annahme verführen, dass etwa bei einer Reise, die zunächst mangelfrei verläuft, dann aber mit einem für den Reisenden besonders schwerwiegenden Ereignis endet, das zu einem gravie-renden Reisemangel führt, nur eine Minderung nach der anteiligen [X.] (im vor-liegenden Fall also nur für den Unfalltag) eintrete, wie es das Berufungsgericht offensichtlich angenommen hat. In einem solchen Fall kann der Wert der Reise für den Reisenden gegenüber einer mangelfrei bis zu ihrem Ende durchgeführ-ten Reise nach § 638 Abs. 3 [X.] über die grundsätzlich zu berücksichtigende zeitanteilige Einschränkung stärker gemindert sein und im Einzelfall völlig ent-fallen. 9 Nichts anderes hat auch der Senat in seinem [X.]eil vom 14. Dezember 1999 ([X.], [X.], 1188) zum Ausdruck gebracht, in dem es um eine Verletzung ging, die zum Tod des Reisenden geführt und die Reise für diesen letztendlich insgesamt wertlos gemacht hat. 10 Soweit in Teilen der Rechtsprechung und der Literatur auch in solchen Fällen des "rückwirkenden" Mangels schematisch nur auf die vom Mangel be-troffene [X.] abgestellt wird (so etwa [X.] (24. Zivilkammer) NJW-RR 1993, 1330, 1331, unter Ableitung aus der synallagmatischen [X.] von Leistung und Gegenleistung; [X.], 270; [X.] [X.] 2003, 259; [X.] [X.] 2000, 12, NJW-RR 11 - 7 - 2001, 50 und NJW-RR 2001, 1872, 1873; Tempel, [X.] 1997, 67, 70 und [X.] 2002, 4, 5 f.; zu § 651f [X.] auch [X.], [X.] 1993, 990, 994) oder eine Erstreckung nur ausnahmsweise dann zugelassen wird, wenn der Mangel schon kurz nach Reisebeginn auftritt ([X.], Reiserecht, 5. Aufl., Rdn. 305, 306; Niehuus in AnwK-[X.], 2005, Rdn. 9 zu § 651d [X.]), kann dem nicht beigetreten werden. Zwar werden im Verlauf der Reise auftretende Mängel in aller Regel die Reise für die vorhergehende und/oder die nachfolgende [X.] nicht entwerten. Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt und in jedem Fall. Denn ein Ereignis, das einen besonders schwerwiegenden Reisemangel herbeiführt, kann selbst dann, wenn es erst nach Abschluss der Erholungsphase der Reise eintritt, dazu führen, dass die Reise insgesamt oder weitgehend ihren Zweck verfehlt. Das gilt auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Reiseveranstalter nur die Bereitstellung der Reiseleistungen und nicht Erholung an sich schuldet (vgl. O[X.] NJW-RR 2003, 59, 61; [X.], 202, 203 mit Zitat aus [X.] vom 14.1.1993 - 16 U 2/92, soweit ersichtlich sonst nicht veröffentlicht; [X.] (21. Zivilkammer) NJW-RR 1990, 1396, 1397, allerdings unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes nach § 651f [X.]; LG Hamburg NJW-RR 1997, 1138, jedenfalls im Ausgangspunkt auch zutreffend AG Neuss [X.] 2000, 181 f.; Tonner, [X.]. zu [X.] LM § 651a [X.] Nr. 9 Bl. 5; Tonner in [X.], 4. Aufl. 2005, Rdn. 21 zu § 651d für den Fall, dass eine Ausstrahlungswirkung eintrete; [X.]/[X.], [X.], Neubearbeitung 2003, Rdn. 3 zu § 651d [X.]). Für den Fall, dass der Reisende durch einen Reisemangel zu Tode kommt oder schwere [X.] erleidet, liegt dies auf der Hand. Auch in dem vom [X.] (aaO) entschiedenen Fall ist ohne Weiteres einsichtig, dass eine Vergewalti-gung einer Reisenden durch einen Angehörigen des Personals des [X.] auch am letzten Reisetag den Urlaub insgesamt entwerten kann. Die-ses Ergebnis kann auch nicht mit der synallagmatischen Verknüpfung von Leis-tung und Gegenleistung überspielt werden; die Herausnahme mangelfreier - 8 - Teilleistungen aus der Berechnung des [X.] kann im Einzelfall vielmehr schon deshalb ausscheiden, weil es für die Minderung im Ergebnis auf die Mangelhaftigkeit der Reise insgesamt und nicht allein auf die Mangel-freiheit einzelner Teilleistungen ankommt (vgl. [X.] 130, 128, 132). Der Wortlaut der Regelung in § 651d [X.] steht dieser Interpretation der Bestimmung schon deshalb nicht entgegen, weil die über die zeitanteilige Dau-er des Mangels hinausgehende Minderung voraussetzt, dass das Ereignis, das den Mangel herbeiführt, von besonderer Schwere ist. Hierfür spricht schließlich auch, dass mit der Neuregelung des Reisevertragsrechts in Umsetzung der Pauschalreise-Richtlinie jedenfalls keine Verschlechterung der Rechtsposition des Reisenden gegenüber dem zuvor geltenden Rechtszustand in § 638 [X.] beabsichtigt war, die aber dann einträte, wenn Minderungsansprüche in jedem Fall auf den von dem Ereignis unmittelbar betroffenen [X.]raum beschränkt würden. Wieweit eine Minderung des Reisepreises vorzunehmen ist, kann bei schwerwiegenden Ereignissen mithin nicht durch ein Abzählen mangelhafter und mangelfreier Reisetage allein bestimmt werden, sondern es bedarf daneben einer wertenden Betrachtung im Einzelfall (vgl. O[X.] NJW-RR 2003, 59, 61), bei der zu berücksichtigen ist, ob etwa bei einer Erho-lungsreise der [X.] durch das Ereignis ausnahmsweise gänzlich entfallen oder überlagert worden ist. Diese Wertung wird das Berufungsgericht nunmehr nachzuholen haben, sofern es in tatrichterlicher Würdigung zu dem Ergebnis kommt, dass die vom Kläger behaupteten schwerwiegenden Mängel der Rückreise vorgelegen haben. 12 I[X.] Soweit mit der Revision das Begehren weiterverfolgt wird, die [X.] zur Zahlung einer Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit zu verurteilen, ist das Rechtsmittel unzulässig und deshalb zurückzuweisen. Insoweit fehlt es im Sinn der Bestimmung des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 13 - 9 - Buchst. a ZPO mangels eines konkreten Angriffs an einer hinreichenden Rechtsmittelbegründung. [X.]Scharen [X.]

[X.]

[X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 17.08.2006 - 49 C 1892/06 - [X.], Entscheidung vom 31.05.2007 - 12 S 116/06 -

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X ZR 93/07

15.07.2008

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2008, Az. X ZR 93/07 (REWIS RS 2008, 2823)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 2823

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