Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.01.2016, Az. II R 34/14

2. Senat | REWIS RS 2016, 17435

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Gegenstand

Geltendmachung der Erbschaftsteuer im Nachlassinsolvenzverfahren


Leitsatz

Die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger aufgrund Erbanfalls nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB geschuldete Erbschaftsteuer ist eine Nachlassverbindlichkeit, die vom FA als Nachlassinsolvenzforderung im Nachlassinsolvenzverfahren geltend gemacht werden kann.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 30. April 2014  3 K 1915/12 [X.] aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter über den Nachlass des am 8. Mai 2009 verstorbenen Erblassers. Erben sind je zur Hälfte die Tochter und die Lebensgefährtin des Erblassers. Das Nachlassinsolvenzverfahren wurde am 25. Mai 2010 eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestimmt.

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) stellte den Grundbesitzwert für ein Grundstück des Erblassers durch Feststellungsbescheid vom 8. Juni 2010 in Höhe von 332.628 € gesondert fest. Nachdem das [X.] die Tochter und die in [X.] wohnende Lebensgefährtin des Erblassers vergeblich zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung aufgefordert hatte, schätzte es die Besteuerungsgrundlagen unter Einbeziehung des [X.] und setzte die Erbschaftsteuer gegen die Lebensgefährtin durch Bescheid vom 30. August 2010 auf 48.990 € fest. Der Bescheid wurde öffentlich zugestellt und nicht mit Einspruch angefochten.

3

Am 9. September 2010 teilte die Tochter des Erblassers dem [X.] mit, die Lebensgefährtin des Erblassers habe ihren Erbteil auf sie unentgeltlich übertragen und der Nachlass sei überschuldet. Das [X.] meldete daraufhin die Erbschaftsteuer als Nachlassforderung zur Insolvenztabelle an. Nachdem der Kläger der Anmeldung im Prüfungstermin widersprochen hatte, erließ das [X.] am 5. April 2012 einen auf § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung ([X.]) gestützten Feststellungsbescheid. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2012 als unbegründet zurück.

4

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage statt. Seiner Ansicht nach war das [X.] nicht befugt, die Erbschaftsteuer gegen den Kläger durch Bescheid festzustellen. Die Erbschaftsteuer sei keine Nachlassverbindlichkeit i.S. des § 325 der Insolvenzordnung ([X.]) i.V.m. § 1967 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ([X.]). Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2014, 1363 veröffentlicht.

5

Dagegen richtet sich die Revision des [X.]. Es rügt die fehlerhafte Anwendung des § 251 Abs. 3 [X.]. Seiner Ansicht nach handelt es sich bei der Erbschaftsteuer um eine Nachlassverbindlichkeit, die im Nachlassinsolvenzverfahren angemeldet und ggf. nach § 251 Abs. 3 [X.] festgestellt werden kann.

6

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass das [X.] die geschuldete Erbschaftsteuer nicht als Nachlassverbindlichkeit im Rahmen des [X.] geltend machen und nach § 251 Abs. 3 [X.] durch Bescheid feststellen durfte. Die tatsächlichen Feststellungen des [X.] lassen keine Entscheidung darüber zu, ob die angemeldete Forderung der Höhe nach zutreffend festgestellt wurde.

9

1. Die Finanzbehörde kann einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, den sie im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Steuerschuldners als Insolvenzforderung geltend gemacht und zur Tabelle angemeldet hat, nach § 251 Abs. 3 [X.] durch Bescheid feststellen, falls die Forderung im Prüfungstermin bestritten wird. Voraussetzung dafür ist, dass es sich bei dem geltend gemachten Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis um eine Insolvenzforderung handelt. Im Nachlassinsolvenzverfahren gelten dieselben Grundsätze. Das Nachlassinsolvenzverfahren ist als besonderes Insolvenzverfahren innerhalb der [X.] geregelt (vgl. §§ 315 ff. [X.]). Die Vorschriften der [X.] gehen der Verwaltungsvollstreckung nach den Vorschriften der [X.] vor (§ 251 Abs. 2 Satz 1 [X.]).

2. Im Nachlassinsolvenzverfahren können nur Nachlassverbindlichkeiten als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden (§ 325 [X.]). Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören außer den vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten (§ 1967 Abs. 2 [X.]). Zu den Erbfallschulden zählen neben den in § 1967 Abs. 2 [X.] beispielhaft genannten Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen z.B. solche aus Erbersatzansprüchen, vermächtnisähnlichen Ansprüchen, Unterhaltsansprüchen, sowie die Kosten der Beerdigung, sonstige Nachlasskosten und Kosten der Nachlassverwaltung (vgl. [X.]/[X.], [X.], 75. Aufl., § 1967 Rz 7). Eigenschulden des Erben, die unabhängig vom Nachlass vor oder nach dem Erbfall in der Person des Erben entstehen und ihn als Träger seines eigenen Vermögens berühren, sind keine Nachlassverbindlichkeiten, z.B. nach dem Erbfall entstandene [X.] für [X.] (zur Abgrenzung vgl. MünchKomm[X.]/[X.], 6. Aufl., § 1967 Rz 25; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 1967 Rz 2 ff.).

3. Die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger aufgrund [X.] nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes ([X.]) i.V.m. § 1922 [X.] geschuldete Erbschaftsteuer ist eine Nachlassverbindlichkeit, die als Nachlassinsolvenzforderung im Nachlassinsolvenzverfahren geltend gemacht werden kann.

a) Die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger aufgrund [X.] nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 [X.] i.V.m. § 1922 [X.] geschuldete Erbschaftsteuer erfüllt alle Voraussetzungen einer Erbfallschuld, denn sie entsteht allein aus Anlass des Erbfalls und ohne Zutun des Erben (Urteile des [X.] --BFH-- vom 28. April 1992 VII R 33/91, [X.], 206, [X.] 1992, 781, 3.b, und vom 11. August 1998 VII R 118/95, [X.], 328, [X.] 1998, 705, [X.]; Beschluss des [X.] vom 7. Mai 2001  2 Wx 6/01, [X.]schrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge --[X.]-- 2001, 406; Urteil des [X.] vom 20. Oktober 2006  10 U 33/06, [X.] 2007, 381; [X.] in [X.]/[X.], § 10 [X.], Rz 173; [X.] in Troll/[X.]/[X.], [X.], § 20 Rz 50; [X.] in Tipke/ [X.], Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 45 [X.] Rz 27; Koenig, [X.], 3. Aufl., § 45 Rz 20; [X.] in [X.], [X.] § 251 Rz 217; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 251 [X.] Rz 137; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 1967 Rz 7; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 1967 Rz 6; [X.] in [X.], [X.], 19. Aufl., § 325 Rz 5; [X.] in Kübler/Prütting/ Bork, [X.], § 325 Rz 5; [X.], [X.], 4. Aufl., § 325 Rz 2; [X.] in [X.]/ [X.], [X.], 3. Aufl., § 325 Rz 3; [X.], Insolvenzrecht, § 325 Rz 9; [X.]/[X.], [X.], S. 166 ff.). Unerheblich ist, dass die Erbschaftsteuer gegen den Erben persönlich und nicht gegen den Nachlass als solchen festgesetzt wird. Dadurch unterscheidet sich die Erbschaftsteuer nicht von anderen Erbfallschulden wie z.B. Beerdigungskosten, die ebenfalls in der Person des Erben entstehen und gegen diesen auch zivilrechtlich durchgesetzt werden können (vgl. Urteil des [X.] in [X.] 2007, 381). Solche Erbfallschulden sind im Falle der Nachlassinsolvenz ebenfalls als Nachlassinsolvenzforderungen geltend zu machen.

b) Die zu § 107 Abs. 2 Satz 1 der Kostenordnung ([X.]) ergangenen Entscheidungen (Beschluss des [X.] vom 3. Juli 1990  15 W 493/89, Monatsschrift für Deutsches Recht --[X.]-- 1990, 1014; Beschluss des [X.] vom 13. Februar 2003  20 W 35/02) stehen den vorstehenden Ausführungen nicht entgegen. Diese lassen zwar eine Berücksichtigung der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit bei der Festsetzung der Gebühren im [X.] nicht zu, weil dies eine Verkomplizierung des Verfahrens bedeuten würde, die mit dem Zweck des § 107 Abs. 2 Satz 1 [X.] nicht vereinbar wäre. Das ist im Hinblick auf das Verfahren über die Kosten zutreffend. Die hier maßgebliche Rechtsfrage, ob die Erbschaftsteuer eine Nachlassverbindlichkeit im Nachlassinsolvenzverfahren sein kann, ist damit aber nicht entschieden.

c) Dasselbe gilt für das Urteil des [X.] ([X.]) vom 15. November 1943 III 77/43 (Entscheidungen des [X.] in Zivilsachen --[X.]Z-- 172, 147). Darin hat das [X.] ausgeführt, dass die Erbschaftsteuer nicht zu den eigentlichen Nachlassverbindlichkeiten rechne. Anderenfalls wäre § 2379 Satz 3 [X.], wonach der Käufer einer Erbschaft für zu entrichtende Abgaben haftet, neben § 2378 Abs. 1 [X.], wonach der Käufer einer Erbschaft dem Verkäufer gegenüber zur Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten verpflichtet ist, überflüssig. Daraus lässt sich jedoch nicht herleiten, dass die Erbschaftsteuer nicht als Insolvenzforderung im Nachlassinsolvenzverfahren geltend zu machen ist. Zum einen ist die Entscheidung zu einem anderen Sachverhalt ergangen. Zum anderen enthält § 2379 Satz 3 [X.] eine Sonderreglung für die Haftung des Käufers einer Erbschaft, die keine allgemeinen Rückschlüsse für die Behandlung der Erbschaftsteuer im Nachlassinsolvenzverfahren zulässt. Im Übrigen setzt § 2379 Satz 3 [X.] seinem Wortlaut nach selbst voraus, dass die Abgaben von der Erbschaft zu entrichten sind. Das spricht eher dafür, die dort genannten Abgaben als Nachlassverbindlichkeiten anzusehen.

d) Die Zulässigkeit der Geltendmachung der Erbschaftsteuer als Insolvenzforderung im Nachlassinsolvenzverfahren folgt bis zur Auseinandersetzung mehrerer Miterben auch aus § 20 Abs. 3 [X.] (Urteil des [X.] --BGH-- vom 10. Oktober 2013 IX ZR 30/12, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2014, 391, Rz 21). Danach haftet der Nachlass für die Steuer der am Erbfall Beteiligten bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Daraus folgt, dass die Erbschaftsteuer bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft im Nachlassinsolvenzverfahren grundsätzlich eine Insolvenzforderung i.S. des § 38 Abs. 1 [X.] ist ([X.] in NJW 2014, 391, Rz 21).

e) Entgegen der teilweise in der Rechtsprechung und der Kommentarliteratur vertretenen anderen Auffassung (vgl. Beschluss des [X.] in [X.] 1990, 1014; Beschluss des [X.] vom 13. Februar 2003  20 W 35/02; Urteil des [X.] vom 27. Januar 2012  24 U 38/11; [X.], Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 20 Rz 12; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 45 [X.] Rz 64; MünchKomm[X.]/[X.], a.a.[X.], § 1967 Rz 16; [X.] in [X.], [X.], § 1967 Rz 33; [X.] in [X.], [X.], 14. Aufl., § 325 Rz 8; [X.]/[X.] in [X.] Kommentar zur [X.], 8. Aufl., § 325 Rz 8) folgt aus § 20 Abs. 3 [X.] nicht im Umkehrschluss, dass nach der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft die Erbschaftsteuer nicht mehr als Insolvenzforderung im Nachlassinsolvenzverfahren geltend gemacht werden kann.

aa) Das ergibt sich zum einen daraus, dass die im [X.]punkt der Eröffnung des [X.] bereits erfolgte Auseinandersetzung der [X.] keine Bedeutung entfaltet. Mit Eröffnung des [X.] werden das Vermögen des Erben und der Nachlass mit Rückwirkung getrennt (§ 1976 [X.]; vgl. [X.]/[X.], a.a.[X.], § 1976 Rz 1). Wird das Nachlassinsolvenzverfahren erst nach der Auseinandersetzung eröffnet (vgl. § 316 Abs. 2 [X.]), kann der Insolvenzverwalter die bereits verteilten Nachlassgegenstände zur Masse zurückfordern und die Auseinandersetzung so im Ergebnis rückgängig machen ([X.]/[X.] in [X.] Kommentar zur [X.], a.a.[X.], § 316 Rz 5; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 316 Rz 5 f.; m.w.N.).

bb) Zum anderen hat § 20 Abs. 3 [X.] einen anderen Regelungsgehalt. Danach tritt die Haftung des Nachlasses nach § 20 Abs. 3 [X.] bis zur Auseinandersetzung der Miterben neben die der Erben für alle Nachlassverbindlichkeiten nach § 1967 Abs. 1 [X.]. Die Vorschrift ist eine Sicherungsmaßnahme zugunsten der Finanzbehörde ([X.]-Urteil in [X.]Z 172, 147, 149, zur Vorgängervorschrift). Die Vorschrift stellt klar, dass der ungeteilte Nachlass für die Erbschaftsteuer aller am Erbfall Beteiligten nur bis zur Auseinandersetzung haftet ([X.] 140/72, S. 73; vgl. [X.], a.a.[X.], § 20 Rz 11). Bis zur Neuregelung durch das [X.] 1974 hafteten die Erben persönlich bis zur Höhe des Werts des aus dem Nachlass Empfangenen (vgl. § 15 Abs. 3 [X.] 1959). Diese auch nach der Auseinandersetzung bestehende Haftung ging nach Ansicht des Gesetzgebers zu weit und sollte durch § 20 Abs. 3 [X.] 1974 auf die [X.] vor der Auseinandersetzung beschränkt werden ([X.] 140/72, S. 73). Hintergrund dieser Überlegung war, dass die Erben die gegenseitige Haftung bei der Auseinandersetzung berücksichtigen könnten, nach der Auseinandersetzung jedoch nicht mehr ([X.] 140/72, S. 73). Die Berücksichtigung der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit war nicht Gegenstand der Regelung.

cc) Es kann dabei dahinstehen, ob § 20 Abs. 3 [X.] nicht nur die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 [X.] i.V.m. § 1922 [X.] in Person des oder der (Mit-)Erben entstandene Erbschaftsteuer umfasst, sondern auch eine Haftung des Nachlasses für die Erbschaftsteuer aller am Erbfall Beteiligten, einschließlich Vermächtnisnehmer (für eine umfassende Haftung [X.] in Troll/[X.]/ [X.], a.a.[X.], § 20 Rz 52; Jüptner in Fischer/Jüptner/ [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 20 Rz 32; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, [X.], 4. Aufl., § 20 [X.] Rz 20; [X.] in [X.]/[X.], a.a.[X.], § 20 [X.] Rz 15; a.A. [X.], a.a.[X.], § 20 Rz 11). Jedenfalls steht § 20 Abs. 3 [X.] seinem Wortlaut und seinem Regelungsgehalt nach der Einordnung der vom Erben geschuldeten Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit nicht entgegen.

f) § 10 Abs. 8 [X.] steht der Einordnung der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit ebenfalls nicht entgegen. Danach ist die von dem Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer nicht als Nachlassverbindlichkeit bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer abzugsfähig. Dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass die Erbschaftsteuer nach den allgemeinen Grundsätzen nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] grundsätzlich als Nachlassverbindlichkeit anzusehen ist und nur aufgrund der Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 8 [X.] ("soweit sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9 etwas anderes ergibt") nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden darf.

g) Die aufgrund eines Vermächtnisses, eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) oder die aufgrund sonstiger Erwerbstatbestände des § 3 Abs. 1 und 2 [X.] geschuldete Erbschaftsteuer beruht nicht auf der Gesamtrechtsnachfolge. Die insoweit anfallende Erbschaftsteuer ist keine Nachlassverbindlichkeit i.S. des § 325 [X.], § 1967 [X.] und außerhalb eines Insolvenzverfahrens über den Nachlass gegen den jeweiligen Erwerber persönlich geltend zu machen. Das gilt selbst dann, wenn der Erbe, z.B. im Falle eines Vorausvermächtnisses, selbst Vermächtnisnehmer wird oder neben dem Erbe zusätzlich einen Versicherungsanspruch (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.]) erlangt. Insoweit entsteht die Erbschaftsteuer zwar auch in der Person des Erben und wird einheitlich gegen ihn festgesetzt. Sie trifft ihn jedoch nicht als Erben und Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers, sondern als sonstigen Erwerber außerhalb des Nachlasses. [X.]. wäre die Erbschaftsteuer im Nachlassinsolvenzverfahren aufzuteilen und nur der Teil, der prozentual auf den Erwerb des Nachlasses entfällt, als Nachlassinsolvenzforderung anzumelden.

Daraus folgt keine unsachgerechte Privilegierung des Erben gegenüber anderen Erwerbern, insbesondere nicht gegenüber Vermächtnisnehmern (a.A. [X.], a.a.[X.], § 20 Rz 12a). Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten (§ 1967 Abs. 1 [X.]) und die Möglichkeit des Erben, die Haftung --auch im Hinblick auf die [X.] auf den Nachlass zu beschränken (§ 1975 [X.]) korrespondieren vielmehr mit der kurzen Frist, innerhalb der der Erbe die Erbschaft ausschlagen muss (vgl. § 1944 Abs. 1 [X.]). Der Erbe trägt nach Ablauf der [X.] das Risiko eines [X.] oder der Aufdeckung weiterer Nachlassverbindlichkeiten. Demgegenüber kann der Vermächtnisnehmer --anders als der Erbe-- das Vermächtnis bis zur Annahme jederzeit (vgl. § 2180 Abs. 1 [X.]; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 2180 Rz 1) ausschlagen und dadurch Wertverlusten begegnen, die [X.] dazu führen können, dass die Erbschaftsteuer höher ist als der Wert des Vermächtnisses selbst. Die Ausschlagung hat in diesen Fällen zur Folge, dass die Steuerpflicht mit Rückwirkung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] entfällt (vgl. [X.], a.a.[X.], § 3 Rz 39 a.E.).

4. Im Streitfall konnte das [X.] die Erbschaftsteuer im Nachlassinsolvenzverfahren durch [X.] nach § 251 Abs. 3 [X.] geltend machen. Da die Vorentscheidung von einer anderen Rechtsauffassung ausging, war sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das [X.] hat --von seiner Rechtsauffassung ausgehend zutreffend-- nicht festgestellt, ob die geltend gemachte Forderung der Höhe nach besteht.

a) Ein gemäß § 251 Abs. 3 [X.] erlassener Bescheid hat die Feststellung zum Inhalt, dass der bestrittene Anspruch in der geltend gemachten Höhe besteht und i.S. von § 38 [X.] begründet ist (BFH-Urteil vom 11. Dezember 2013 XI R 22/11, [X.], 209, [X.] 2014, 332, Rz 25). Wird der Feststellungsbescheid unanfechtbar, wirkt er in entsprechender Anwendung der Regelung in § 183 Abs. 1 [X.] wie eine rechtskräftige Entscheidung gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern (vgl. [X.] in [X.], § 251 [X.] Rz 423). Nichts anderes gilt im Nachlassinsolvenzverfahren (vgl. [X.] in [X.] 2014, 114, Rz 21). Ist die Steuerforderung bereits durch einen bestandskräftigen Steuerbescheid festgesetzt, erschöpft sich die Feststellung darin, dass der Bescheid nicht mehr mit Rechtsmitteln angefochten oder durch Änderungsvorschriften geändert werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 23. Februar 2010 VII R 48/07, [X.], 134, [X.] 2010, 562; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 251 [X.] Rz 66).

b) Das [X.] hat zwar festgestellt, dass der Erbschaftsteuerbescheid vom 30. August 2010 nicht mit dem Einspruch angefochten wurde. Es hat aber nicht erkannt, dass das [X.] die Erbschaftsteuer nach Eröffnung des [X.] am 25. Mai 2010 nicht mehr wirksam gegenüber der Erbin festsetzen konnte.

Mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wird das Besteuerungsverfahren in entsprechender Anwendung des § 240 der Zivilprozessordnung unterbrochen. Dies hat zur Folge, dass eine Finanzbehörde nach Eröffnung des Verfahrens Steuern, die zur Insolvenztabelle anzumelden sind, nicht mehr festsetzen darf (vgl. BFH-Urteil vom 1. April 2003 I R 51/02, [X.], 275, [X.] 2003, 779). Dasselbe gilt im Nachlassinsolvenzverfahren im Hinblick auf die festzusetzende Erbschaftsteuer. Als Nachlassinsolvenzforderung war die Erbschaftsteuer --wie geschehen-- zur Insolvenztabelle anzumelden und nach § 251 Abs. 3 [X.] gegenüber dem Kläger festzustellen.

c) Bei der Feststellung, ob die Erbschaftsteuer in der festgestellten Höhe besteht, wird das [X.] zu beachten haben, dass der Bescheid über die gesonderte Feststellung des [X.] vom 8. Juni 2010 ebenfalls keine Bindungswirkung entfaltet. Dieser Bescheid hätte nach Eröffnung des [X.] nicht mehr gegen die Erben erlassen werden dürfen, denn er stellt Besteuerungsgrundlagen fest, die für eine Insolvenzforderung von Bedeutung sind (vgl. BFH-Urteile vom 18. Dezember 2002 I R 33/01, [X.], 392, [X.] 2003, 630, und in [X.], 275, [X.] 2003, 779; [X.] in Tipke/ [X.], a.a.[X.], § 251 [X.] Rz 46).

5. Die Übertragung der Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 34/14

20.01.2016

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 30. April 2014, Az: 3 K 1915/12 Erb, Urteil

§ 251 Abs 3 AO, § 3 Abs 1 Nr 1 ErbStG, § 10 Abs 8 ErbStG, § 20 Abs 3 ErbStG, § 1967 BGB, § 2378 Abs 1 BGB, § 2379 S 3 BGB, § 38 InsO, § 325 InsO, § 183 Abs 1 InsO, § 45 AO, § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO, § 1922 BGB, § 1944 BGB, § 2180 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.01.2016, Az. II R 34/14 (REWIS RS 2016, 17435)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 1840 REWIS RS 2016, 17435

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