Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.02.2020, Az. XII ZB 291/19

12. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1179

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Gegenstand

Betreuungssache: Behebung des Formmangels der fehlenden Unterzeichnung einer Beschwerdeschrift; Voraussetzung für die Heilung der fehlerhaften Zustellung einer Entscheidung


Leitsatz

1. Der Formmangel der fehlenden Unterzeichnung der Beschwerdeschrift kann bis zum Ablauf der Beschwerdefrist behoben werden; hierzu genügt ein vom Beschwerdeführer oder dessen Bevollmächtigten eigenhändig unterzeichnetes Schreiben, welches eindeutig auf die Beschwerdeschrift Bezug nimmt.

2. Die Heilung der fehlerhaften Zustellung einer Entscheidung kommt nur dann in Betracht, wenn eine formgerechte Zustellung von dem Gericht wenigstens angestrebt worden ist; an diesem Zustellungswillen fehlt es, wenn sich das Gericht von vornherein bewusst dafür entscheidet, von der förmlichen Zustellung der Entscheidung an den Beteiligten abzusehen, und die schriftliche Bekanntgabe durch Aufgabe zur Post anordnet.

Tenor

Der Betroffenen wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und zur Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt.

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 27. Februar 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Für die Betroffene war eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge, Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Behördenangelegenheiten sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post eingerichtet. Das Amtsgericht hat diese Betreuung durch einen am 18. Oktober 2017 erlassenen Beschluss mit der Begründung aufgehoben, dass eine Fortsetzung der Betreuung zum Wohl der Betroffenen unmöglich sei.

2

Mit Schreiben vom 7. November 2017 - eingegangen bei dem Amtsgericht per Telefax am 8. November 2017 - hat der Beteiligte zu 1 als "Generalbevollmächtigter" der Betroffenen in deren Namen Beschwerde eingelegt. Das [X.] hat die Beschwerde verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

4

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die mit Schreiben vom 7. November 2017 eingelegte Beschwerde sei mangels eigenhändiger Unterschrift des Bevollmächtigten der Betroffenen nicht formgerecht eingelegt worden und damit unzulässig. Die Unterschrift des Rechtsmittelführers oder seines Bevollmächtigten sei für die wirksame Rechtsmitteleinlegung nach der ausdrücklichen Regelung in § 64 Abs. 2 Satz 4 FamFG ein zwingendes Formerfordernis. Ein kopierter oder maschinell erzeugter Namenszug sei nicht ausreichend. Die Beschwerdeschrift vom 7. November 2017 weise nur eine maschinell erzeugte Unterschrift auf und genüge deshalb nicht den formellen Anforderungen. Es liege auch kein Computerfax vor.

5

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

6

a) Auf der Grundlage der von dem Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen begegnet dessen Beurteilung, dass das Schreiben des Bevollmächtigten vom 7. November 2017 den gesetzlichen Formerfordernissen für eine Beschwerde nicht genügt, keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

7

Die Unterschrift auf der Beschwerdeschrift muss grundsätzlich eigenhändig erfolgen (§ 64 Abs. 2 Satz 4 FamFG). Zwar ist beim Computerfax eine eingescannte Unterschrift aufgrund der technischen Besonderheiten dieses Übermittlungswegs ausnahmsweise ausreichend. Demgegenüber wird dem Formerfordernis nicht genügt, wenn die Unterschrift in den Schriftsatz eingescannt, der Schriftsatz danach jedoch ausgedruckt und mittels eines normalen Faxgerätes und nicht unmittelbar aus dem Computer versandt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 2015 - [X.] - FamRZ 2015, 919 Rn. 13; [X.] Beschluss vom 10. Oktober 2006 - [X.] - NJW 2006, 3784 Rn. 9). Das Beschwerdegericht hat insoweit festgestellt, dass die Beschwerdeschrift vom 7. November 2017 lediglich mit einem maschinell erzeugten Namenszug des Bevollmächtigten versehen und der Schriftsatz nicht per Computerfax übermittelt worden ist.

8

Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.

9

aa) Bei der Rechtsbeschwerde gegen eine [X.] des [X.] bildet die Frage nach der Zulässigkeit der Erstbeschwerde den alleinigen Verfahrensgegenstand in der [X.]. Aus diesem Grunde sind die vom Beschwerdegericht festgestellten Tatsachen, auf denen die [X.] beruht, gemäß § 74 Abs. 3 Satz 3 FamFG iVm § 559 ZPO für das Rechtsbeschwerdegericht bindend, sofern diese Tatsachenfeststellungen nicht Gegenstand einer formgerechten und begründeten Verfahrensrüge sind (vgl. [X.]Z 156, 165, 168 = [X.], 180, 181; [X.]/[X.] FamFG 20. Aufl. § 74 Rn. 20).

bb) Gegen die Feststellung des [X.], dass die Beschwerdeschrift vom 7. November 2017 nicht als Computerfax unmittelbar aus einem Computer versendet worden ist, erinnert die Rechtsbeschwerde nichts. Sie ist deshalb für den Senat bindend. Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, das zur Amtsermittlung (§ 26 FamFG) verpflichtete Beschwerdegericht hätte sich von dem [X.] der Betroffenen das Original der per Telefax versendeten Beschwerdeschrift vorlegen lassen müssen, genügt dieses Vorbringen schon nicht den formellen Anforderungen (§ 71 Abs. 3 Nr. 2 lit. [X.]), die an die ordnungsgemäße Begründung einer Verfahrensrüge zu stellen sind.

Wird der Verfahrensmangel darin gesehen, dass sich das Gericht pflichtwidrig eine bestimmte Urkunde nicht hat vorlegen lassen, handelt es sich dabei nicht um einen [X.], der schon seiner Art nach ohne weiteres ergibt, dass die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann. Um unter den hier obwaltenden Umständen die Entscheidungserheblichkeit des von der Rechtsbeschwerde reklamierten [X.]es darlegen zu können, müsste sich der Verfahrensrüge eindeutig entnehmen lassen, dass eine Beschwerdeschrift existiert, die als Telefaxvorlage im Original eine eigenhändige Unterschrift des Bevollmächtigten trägt, und dass der Bevollmächtigte bereit und in der Lage ist, eine solche Urkunde dem Gericht vorzulegen. Gemessen daran ist das vage gehaltene Vorbringen, dass der Bevollmächtigte der Betroffenen zur Vorlage des Originals der Beschwerdeschrift hätte aufgefordert werden müssen und aus dem Original danach "gegebenenfalls" die Eigenhändigkeit der Unterschrift zu entnehmen gewesen wäre, nicht ausreichend.

b) Rechtlichen Bedenken begegnet es demgegenüber, dass sich das Beschwerdegericht nicht die Frage vorgelegt hat, ob der [X.] durch das am 11. Februar 2018 bei Gericht eingegangene Schreiben des Bevollmächtigten der Betroffenen behoben worden sein könnte.

aa) Das in § 64 Abs. 2 Satz 4 FamFG aufgestellte [X.] ist kein Selbstzweck, sondern soll die Identifizierung des Urhebers einer Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen unautorisierten Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 2015 - [X.] - FamRZ 2015, 919 Rn. 7 mwN). Daraus ergibt sich gleichzeitig, dass das Fehlen einer eigenhändigen Unterschrift beim Vorliegen besonderer Umstände ausnahmsweise unschädlich ist, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergibt, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen. So kann auf die eigenhändige Unterschrift unter dem Original der [X.] verzichtet werden, wenn vom Verfahrensbevollmächtigten des Rechtsmittelführers der [X.] unter den rechtzeitig eingereichten beglaubigten Abschriften handschriftlich vollzogen worden ist (vgl. [X.] Beschlüsse vom 26. März 2012 - [X.] - NJW 2012, 1738 Rn. 9 und vom 7. Mai 2009 - [X.]/08 - NJW 2009, 2311 Rn. 12; [X.]Z 24, 179, 180 = NJW 1957, 990 mwN). Der Mangel der Unterschrift auf der [X.] kann auch dann als geheilt gelten, wenn ein rechtzeitig eingereichter Begleitschriftsatz, der mit der [X.] fest verbunden ist (vgl. [X.]Z 97, 251, 254 = NJW 1986, 1760, 1761) oder ausdrücklich auf sie Bezug nimmt (vgl. [X.] Beschluss vom 10. März 2009 - [X.]/06 - NJW-RR 2009, 933 Rn. 9), eine eigenhändige Unterschrift des Verfahrensbevollmächtigten trägt.

bb) Gemessen daran war das am 11. Februar 2018 eingegangene Schreiben grundsätzlich geeignet, den Formmangel der Beschwerdeschrift zu beheben. Dieses Schreiben, mit dem der Bevollmächtigte der Betroffenen auf den gerichtlichen Hinweis zu den Bedenken an der Formwirksamkeit der Beschwerde reagierte, besteht inhaltlich zwar weitgehend aus einer Aneinanderreihung beleidigender und unsachlicher sowie neben der Sache liegender Äußerungen, enthält mit seiner abschließenden Aufforderung zur "antragsgemäßen Entscheidung" allerdings einen hinreichend deutlichen Bezug auf das in der Beschwerdeschrift enthaltene Vorbringen. Feststellungen dazu, ob dieses - ebenfalls per Telefax übermittelte - Schreiben eine eigenhändige Unterschrift des Bevollmächtigten trägt oder per Computerfax versandt worden ist, hat das Beschwerdegericht nicht getroffen.

cc) Das am 11. Februar 2018 eingegangene Schreiben konnte auch nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil es etwa nach Ablauf der Beschwerdefrist angebracht worden wäre.

(1) Mit Recht beanstandet die Rechtsbeschwerde, dass der Beschluss des Amtsgerichts vom 18. Oktober 2017 über die Aufhebung der Betreuung der Betroffenen gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG hätte förmlich zugestellt werden müssen, da die Aufhebung der Betreuung nicht dem erklärten Willen der Betroffenen entsprochen hat.

Die letzte aktenkundige persönliche Äußerung der Betroffenen im Rahmen ihrer Anhörung zum [X.] durch die Betreuungsrichterin am 26. Oktober 2016 ging dahin, dass sie zwar keine Erweiterung der Betreuung wünsche, die bestehende Betreuung durch ihre Schwiegertochter aber fortgeführt werden solle. Spätere entgegenstehende Willensäußerungen der Betroffenen in Bezug auf den Fortbestand der rechtlichen Betreuung sind nicht ersichtlich. Nachdem die Schwiegertochter um Entlassung aus dem Amt der Betreuerin gebeten hatte, ist die Betroffene zu einem späteren Anhörungstermin betreffend den neuerlichen [X.] nicht erschienen. Auf ein Schreiben des Amtsgerichts vom 28. August 2017, wonach im Hinblick auf zwischenzeitlich von der Enkeltochter der Betroffenen bei verschiedenen Gelegenheiten vorgelegte Vollmachten von einem Einverständnis mit der Aufhebung der Betreuung ausgegangen werde, hat die - nach Aktenlage des [X.] nicht kundige - Betroffene nicht reagiert. Aus dem bloßen Schweigen auf eine Äußerung des Gerichts lässt sich aber nicht der Schluss ziehen, dass der Beteiligte mit einer angekündigten Entscheidung einverstanden wäre (vgl. [X.]/[X.] FamFG 20. Aufl. § 41 Rn. 8).

(2) Die vom Amtsgericht verfügte Bekanntgabe der Entscheidung vom 18. Oktober 2017 durch Aufgabe zur Post (§ 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG) war daher verfahrensfehlerhaft. Das Unterbleiben einer gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG erforderlichen förmlichen Zustellung führt zur Unwirksamkeit der Bekanntgabe, weshalb die einmonatige Beschwerdefrist (§ 63 Abs. 1 FamFG) nicht nach § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG in Lauf gesetzt worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2018 - [X.]/18 - FamRZ 2019, 477 Rn. 11 mwN).

Ob und zu welchem Zeitpunkt der angefochtene Beschluss der Betroffenen oder ihrem Bevollmächtigten tatsächlich zugegangen ist, bedarf keiner näheren Aufklärung. Denn die Heilung einer fehlerhaften Zustellung (§ 189 ZPO) kommt nach allgemeiner Ansicht nur beim Vorliegen eines Zustellungswillens in Betracht, mithin dann, wenn eine formgerechte Zustellung von dem Gericht wenigstens angestrebt worden ist (vgl. [X.]Z 214, 294 = NJW 2017, 2472 Rn. 35 und [X.] Urteil vom 19. Mai 2010 - [X.] - FamRZ 2010, 1328 Rn. 17; Prütting/[X.]/[X.] FamFG 4. Aufl. § 15 Rn. 53). Auch bei weiter Auslegung des von § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG in Bezug genommenen § 189 ZPO kann es für eine Heilung nicht ausreichen, dass das zuzustellende Schriftstück dem Adressaten irgendwie zugeht. Am erforderlichen Zustellungswillen fehlt es indessen, wenn sich das Gericht von vornherein bewusst dafür entscheidet, von einer förmlichen Zustellung der Entscheidung abzusehen und eine schriftliche Bekanntgabe durch Aufgabe zur Post anordnet.

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

[X.]     

        

Günter     

        

Nedden-Boeger

        

Botur      

        

Krüger      

        

Meta

XII ZB 291/19

19.02.2020

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Freiburg (Breisgau), 27. Februar 2019, Az: 4 T 188/17

§ 15 Abs 2 FamFG, § 41 Abs 1 FamFG, § 64 Abs 2 S 4 FamFG, § 189 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.02.2020, Az. XII ZB 291/19 (REWIS RS 2020, 1179)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 1046-1047 REWIS RS 2020, 1179

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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