Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.03.2016, Az. VII E 10/15

7. Senat | REWIS RS 2016, 13841

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Gegenstand

Gerichtskostenansatz bei Masseunzulänglichkeit


Leitsatz

NV: Gerichtskosten, für die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO gilt, sind weiterhin gemäß § 19 GKG anzusetzen. Allerdings darf die Kostenrechnung nicht mit einer Zahlungsaufforderung verbunden werden .

Tenor

Die Kostenrechnung des [X.] [X.] vom 13. Oktober 2015 [X.] ... ([X.]/14) wird dahin geändert, dass sie ohne Zahlungsaufforderung ergeht.

Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Tatbestand

1

I. Das Finanzgericht (FG) wies mit Urteil vom 30. September 2014  6 K 2816/12 die Klage der Kostenschuldnerin und Erinnerungsführerin (Kostenschuldnerin) gegen einen Abrechnungsbescheid ab. Die unter dem Aktenzeichen VII B 163/14 geführte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision wies der Senat mit Beschluss vom 23. September 2015 als unbegründet zurück.

2

Mit der streitigen Kostenrechnung vom 13. Oktober 2015 [X.] … setzte die Kostenstelle des [X.] ([X.]) Gerichtskosten gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 1 und 2 sowie § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Höhe von 1.332 € an und bat um Überweisung dieses Betrags innerhalb von zwei Wochen auf das in der Rechnung angegebene Konto der Bundeskasse.

3

Mit ihrer Erinnerung macht die Kostenschuldnerin geltend, sie habe als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der [X.] am 26. Oktober 2015 Masseunzulänglichkeit angezeigt. Die Gerichtskosten seien eine sog. Altmasseverbindlichkeit i.S. des § 209 Abs. 1 Nr. 3 der Insolvenzordnung ([X.]), für die gemäß § 210 [X.] ein Vollstreckungsverbot gelte. Der Kostenansatz sei somit aufzuheben. Die Gerichtskosten dürften lediglich festgestellt werden. Dies ergebe sich auch aus dem Beschluss des [X.] ([X.]) Aachen vom 1. Juli 2013  8 O 551/10 (Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2013, 1694) und dem Beschluss des [X.] Amberg vom 8. September 2014  13 O 450/11 (nicht veröffentlicht --n.v.--).

Entscheidungsgründe

4

II. [X.] hat hinsichtlich der Zahlungsaufforderung Erfolg; im Übrigen ist sie als unbegründet zurückzuweisen.

5

1. Die Entscheidung über die Erinnerung ergeht durch den Senat, da der zuständige Einzelrichter das Verfahren gemäß § 66 Abs. 6 Satz 2 [X.]G i.V.m. § 1 Abs. 5 [X.]G auf den Senat übertragen hat.

6

2. Der Antrag der [X.]nerin, den [X.] aufzuheben, ist als Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.]G statthaft und zulässig.

7

Mit der Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.]G können Einwendungen erhoben werden, die sich gegen die Kostenrechnung selbst richten, d.h. gegen Ansatz und Höhe einzelner Kosten oder gegen den zugrunde liegenden Streitwert (vgl. [X.] vom 18. August 2015 III E 4/15, [X.], 1598). Hierzu zählen auch Einwendungen, die --wie im [X.] den gesamten [X.] betreffen. Der [X.]nerin steht auch ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis zu. Zwar hat der [X.] ([X.]) in seinem Beschluss vom 9. Oktober 2008 IX ZB 129/07 (Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und [X.] --ZIP-- 2008, 2284) das Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses gemäß § 104 der Zivilprozessordnung (ZPO) verneint, wenn die betreffenden Kosten unter das [X.] des § 210 [X.] fallen. Der Beschluss gemäß § 104 ZPO betrifft aber die dem obsiegenden Prozessgegner zu erstattenden Kosten, die lediglich auf Antrag festzusetzen sind. Dagegen werden die Gerichtskosten gemäß § 19 [X.]G von Amts wegen angesetzt. Im Rahmen der Erinnerung gegen den [X.] geht es also nicht um das Verfahren eines Gläubigers, der seine Kostenansprüche wegen § 210 [X.] ohnehin nicht vollstrecken darf, sondern umgekehrt um die Durchsetzung des in § 210 [X.] geregelten [X.]. Es besteht kein Anlass, hierfür das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen.

8

[X.] ist jedoch unbegründet. Der [X.] in der Kostenrechnung vom 13. Oktober 2015 ist nicht zu beanstanden.

9

Die gegenüber der [X.]nerin geltend gemachten Gerichtskosten sind sog. Altmasseverbindlichkeiten i.S. des § 209 Abs. 1 Nr. 3 [X.], für die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 [X.]) vom 26. Oktober 2015 das [X.] des § 210 [X.] gilt.

Zum einen handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. Die in Rechnung gestellten Gerichtskosten sind für eine Nichtzulassungsbeschwerde [X.] 116 der Finanzgerichtsordnung angefallen, welche die [X.]nerin als Insolvenzverwalterin erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingelegt und der Senat während des Insolvenzverfahrens zurückgewiesen hat. Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen Gerichtskosten, die für vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnene Verfahren anfallen, Insolvenzforderungen i.S. des § 38 [X.] sein können (vgl. hierzu [X.] vom 20. Dezember 2013 II E 18/12, [X.], 726; vom 21. Oktober 2014 I E 3/14, [X.], 347; [X.], Beschluss vom 20. Oktober 2014  4 KO 1007/14, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2015, 495, jeweils m.w.N.), kann deshalb dahingestellt bleiben.

Zum anderen sind die streitigen Gerichtskosten im Rahmen des § 209 [X.] als sog. Altmasseverbindlichkeit gemäß Nr. 3 dieser Vorschrift einzuordnen. Denn das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde war zum Zeitpunkt der Anzeige der Masseunzulänglichkeit bereits abgeschlossen.

Für den Fall des [X.] des § 210 [X.] wird teilweise vertreten, der Ansatz der Gerichtskosten sei aufzuheben und die [X.] lediglich festzustellen ([X.], Beschluss vom 22. Juli 2011  3 Ko 1137/11, [X.], 551; [X.], Beschluss vom 6. Januar 2005  1 Sa 43/02, n.v.). Das [X.] verweist dagegen in seinem Beschluss vom 30. August 2010  11 Ko 4689/08 [X.] (EFG 2011, 354) auf die Unterscheidung zwischen dem Kostenfestsetzungsverfahren und dem Vollstreckungsverfahren. Die Frage, ob und inwieweit eine Forderung unter Berücksichtigung des § 210 [X.] vollstreckbar sei, berühre lediglich das Vollstreckungsverfahren.

Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Eine Aufhebung des [X.]es bei gleichzeitiger Feststellung der Gerichtskosten kommt nicht in Betracht.

Nach der Gesetzessystematik ist zwischen dem [X.] gemäß § 19 [X.]G einerseits und der Beitreibung der angesetzten Gerichtskosten nach der Justizbeitreibungsordnung ([X.]) andererseits zu unterscheiden. Das [X.] gemäß § 210 [X.] ist erst berührt, wenn es um die Vollstreckung der angesetzten Kosten nach der [X.] geht, d.h. frühestens mit der Zahlungsaufforderung (Leistungsgebot) gemäß § 5 Abs. 2 [X.]. Der [X.] gemäß § 19 [X.]G steht dagegen nicht in Widerspruch zu einem etwaigen [X.] gemäß § 210 [X.]. Daraus folgt, dass die Aufhebung des [X.]es im Fall des § 210 [X.] weder erforderlich noch geboten ist. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass für den [X.] i.S. des § 19 [X.]G teilweise der Begriff "Gerichtskostenfeststellung" verwendet wird (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Oktober 2014 L 15 SF 254/14 E, n.v.). Letztlich besteht kein Gegensatz zwischen dem Ansatz und der auch von der [X.]nerin akzeptierten Feststellung der Gerichtskosten.

3. Das Begehren der [X.]nerin, den [X.] aufzuheben und die Kosten lediglich festzustellen, ist allerdings auch als statthafte und zulässige Erinnerung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] auszulegen.

Die [X.] regelt die Einziehung von Ansprüchen durch die Justizbehörden. Hierzu zählen unter anderem die Gerichtskosten (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.]). Einwendungen gegen die Verpflichtung zur Duldung der Vollstreckung solcher Ansprüche --und damit auch das von der [X.]nerin geltend gemachte [X.] gemäß § 210 [X.]-- sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] nach den Vorschriften über Erinnerungen gegen den [X.] geltend zu machen. Auch dieses Erinnerungsverfahren richtet sich also letztlich nach § 66 [X.]G, und zwar einschließlich der Zuweisung des § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.]G an das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Dies ist im Streitfall der [X.]. Der spezielle Verweis in § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf § 66 [X.]G verdrängt den allgemeinen Verweis in § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.] auf das Erinnerungsverfahren gemäß § 766 ZPO und dessen Zuweisung an das Vollstreckungsgericht i.S. des § 764 Abs. 2 ZPO (vgl. auch Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2006 VII B 202/05, [X.]/NV 2007, 251; anders wohl [X.], Beschluss vom 24. Oktober 2007  8 K 77/07, [X.], 151). Dadurch kommt es im Streitfall nicht darauf an, ob zivilprozessuale Erinnerungen zur Durchsetzung des [X.] des § 210 [X.] in entsprechender Anwendung des § 89 Abs. 3 [X.] dem Insolvenzgericht als besonderes Vollstreckungsgericht zuzuweisen sind (vgl. hierzu [X.]-Beschluss vom 21. September 2006 IX ZB 11/04, [X.], 1999).

[X.] gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist begründet, soweit die Gerichtskosten in der angegriffenen Kostenrechnung nicht nur angesetzt werden, sondern die [X.]nerin darüber hinaus im zweiten Satz der Rechnung zur Zahlung binnen einer Frist von zwei Wochen aufgefordert wird. Dieses Leistungsgebot steht seit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit in Widerspruch zum [X.] des § 210 [X.], da es den Übergang zum Vollstreckungsverfahren einleitet. Für den Fall, dass es in Anwendung der Rangfolge des § 209 [X.] bei der Verteilung der Insolvenzmasse zur Zahlung einer Quote kommen sollte, kann in der Kostenrechnung allerdings weiter über die Kontendaten der Bundeskasse informiert werden.

4. Das Verfahren über die Erinnerung ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 [X.]G).

Meta

VII E 10/15

29.03.2016

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

§ 19 GKG, § 66 GKG, § 5 Abs 2 JBeitrO, § 6 JBeitrO, § 8 Abs 1 S 1 JBeitrO, § 208 InsO, § 209 Abs 1 Nr 3 InsO, § 210 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.03.2016, Az. VII E 10/15 (REWIS RS 2016, 13841)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13841

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