Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.03.2004, Az. III ZR 72/03

III. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 4261

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BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEILIII ZR 72/03Verkündet am:4. März 2004F r e i t a gJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem RechtsstreitNachschlagewerk:jaBGHZ:jaBGHR:ja BeurkG § 17 Abs. 1; BNotO § 14 Abs. 1 Satz 2Bei der sukzessiv erfolgenden Beurkundung von Vertragsangebot und-annahme kann dem sogenannten Zentralnotar, der nur die Vertragsan-nahme beurkundet, gegenüber dem Anbietenden eine betreuende Beleh-rungspflicht bezüglich zwischenzeitlich eingetragener Belastungen oblie-gen.BGH, Urteil vom 4. März 2004 - III ZR 72/03 -OLG München LG München I- 2 -Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlungvom 22. Januar 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die RichterDr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galkefür Recht erkannt:Die Revision des Beklagten zu 1 wird zurückgewiesen.Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Teilend- undGrundurteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Münchenvom 20. Februar 2003 teilweise aufgehoben und das Urteil desLandgerichts München I, 24. Zivilkammer, vom 7. August 2002teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:Die Klage gegen den Beklagten zu 2 wird abgewiesen.Die Klage gegen den Beklagten zu 1 ist in bezug auf den haupt-sächlich gestellten Zahlungsantrag dem Grunde nach gerechtfer-tigt.Es wird festgestellt, daß der Beklagte zu 1 verpflichtet ist, überden mit dem hauptsächlich gestellten Zahlungsantrag begehrtenSchadensersatz hinaus dem Kläger den Schaden zu ersetzen,der ihm dadurch entstand und noch entsteht, daß der Beklagtezu 1 ihn nicht anläßlich der Beurkundung der Annahme darüberunterrichtete, daß das von ihm zu erwerbende Wohnungseigen-tum mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (Be-- 3 -schränkung der Nutzung auf Studentenwohnungen mit Büros undLäden) zugunsten der Stadt N. belastet war.Der Kläger hat die Hälfte der Gerichtskosten erster Instanz unddie außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 zu tragen.Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über den Be-trag des Anspruchs und die übrigen Kosten, einschließlich derKosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.Von Rechts wegenTatbestandDie I. Wohnbau GmbH (im folgenden: I. ) beabsichtigte, auf ei-nem Grundstück in N. ein Wohngebäude zu errichten. Die Wohnungensollten als Eigentumswohnungen an Kapitalanleger veräußert werden. Der inN. ansässige erstbeklagte Notar wirkte an dem Vorhaben als soge-nannter Zentralnotar mit. Er entwarf für die I. ein Angebot zum Kauf einersolchen Eigentumswohnung, das der Kapitalanleger an die I. richten unddas von einem Notar am Wohnsitz des Anlegers (sogenannter Ortsnotar) beur-kundet werden sollte.- 4 -Der Kläger gab auf der Grundlage des Entwurfs des Beklagten zu 1 am27. November 1992 ein Kaufangebot vor Notar Dr. K. in Sch. ab. Am23. Dezember 1992 erklärte die I. zur Urkunde des Beklagten zu 1 die An-nahme des Kaufangebotes. Entsprechend den Vorgaben des Angebots bean-tragte der Beklagte zu 1 am 13. Mai 1993 die Eintragung einer Auflassungs-vormerkung zugunsten des Klägers, was am 17. August 1993 geschah. Am27. September 1995 erklärte die I. vor dem Beklagten zu 1 - im eigenenNamen sowie in Vertretung des Klägers - die Auflassung. Die hierüber errich-tete Urkunde genehmigte der Kläger am 16. November 1995 unter Verwendungeines von dem Beklagten zu 1 vorbereiteten Entwurfs. Am 7. November 1997wurde der Kläger als Eigentümer eingetragen.Die Stadt N. hatte am 18. Dezember 1992 das Bauvorhaben derI. unter der Auflage genehmigt, daß im Grundbuch eine Nutzungsein-schränkung auf Studentenwohnungen eingetragen werde. Der Beklagte zu 1hatte bereits zuvor eine Erklärung der I. entworfen, in der es hieß:"Der jeweilige Eigentümer des Grundstücks ... verpflichtet sichgegenüber der Stadt N. , das auf dem Grundstück zur Er-stellung kommende Anwesen als Studentenwohnungen mit Bürosund Läden für immer zu benutzen und zu betreiben.Zur Sicherung dieser Verpflichtung wird zugunsten der StadtN. an dem vorgenannten Grundbesitz die Eintragung einerbeschränkten persönlichen Dienstbarkeit bewilligt und beantragt."Der Geschäftsführer der I. unterzeichnete die Erklärung am 20. No-vember 1992; die Unterschrift wurde von dem früheren Beklagten zu 2 - in sei-ner Eigenschaft als amtlich bestellter Vertreter des Beklagten zu 1 - beglaubigt.Mit Schreiben vom 1. Dezember 1992 legte der Beklagte zu 1 die Erklärung der- 5 -I. dem Grundbuchamt vor mit der Bitte um Vollzug. Die Dienstbarkeit wur-de am 9. Dezember 1992 im Grundbuch eingetragen.Das am 27. November 1992 gemäß dem Entwurf des Beklagten zu 1beurkundete Kaufangebot des Klägers sah vor, daß der zu erwerbende Grund-besitz, abgesehen von einer noch einzutragenden Kfz-Dienstbarkeit, in Abtei-lung II des Grundbuchs "frei" von Belastungen sein sollte. Der Beklagte zu 1unterrichtete den Kläger weder anläßlich der Beurkundung der Annahme desKaufangebotes durch die I. am 23. Dezember 1992, der Beantragung derAuflassungsvormerkung am 13. Mai 1993, der Beurkundung der Auflassung am27. September 1995 noch anläßlich deren Genehmigung am 16. November1995 über die dinglich gesicherte Nutzungsbeschränkung.Gestützt auf Gewährleistungsansprüche forderte der Kläger von derI. Schadensersatz. Er verklagte sie und verkündete in jenem Rechtsstreitden Beklagten den Streit. Im Hinblick auf einen als Musterprozeß geführtenRechtsstreit eines anderen Anlegers wurde auf übereinstimmenden Antrag derParteien das Ruhen jenes Verfahrens angeordnet. In dem Musterverfahren hobder Bundesgerichtshof durch Urteil vom 30. Juni 2000 (V ZR 156/99) das kla-geabweisende Urteil des Berufungsgerichts auf und sprach den dortigen Klä-gern einen - der Höhe nach noch zu klärenden - Schadensersatzanspruch ge-gen die I. zu. Diese beantragte daraufhin die Eröffnung des Insolvenzver-fahrens. Das Amtsgericht M. entsprach dem Antrag durch Beschluß vom4. Juli 2000. Der Rechtsstreit des Klägers gegen die I. ist seitdem unterbro-chen.- 6 -Mit der am 21. November 2001 eingereichten Klage verlangt der Klägervon dem Beklagten zu 1 Schadensersatz wegen Verletzung notarieller Amts-pflichten. Der Beklagte zu 1 habe es versäumt, ihn auf die Belastung des Woh-nungseigentums mit einer nutzungsbeschränkenden Dienstbarkeit hinzuwei-sen. Der Kläger begehrt Zahlung von 153.530,56 300.279,69 DM) nebstZinsen Zug um Zug gegen Übertragung des Wohnungseigentums sowie Fest-stellung, daß der Beklagte zu 1 verpflichtet ist, ihm den darüber hinaus entste-henden Schaden aus dem Erwerb der Eigentumswohnung zu ersetzen.Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hatder Kläger für den Fall, daß der in erster Linie gestellte Antrag auf Zahlung von153.530,56 i-gentums unzulässig sein sollte, beantragt, den Beklagten zu 1 zu verurteilen,130.522,43 255.279,69 DM) nebst Zinsen ohne Zug-um-Zug-Einschrän-kung zu zahlen. Das Berufungsgericht hat den Hilfsantrag dem Grunde nachfür gerechtfertigt erklärt und dem Feststellungsantrag zum Teil stattgegeben.Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagtezu 1 seinen Antrag, die Klage insgesamt abzuweisen, weiter. Der Kläger hatAnschlußrevision eingelegt mit dem Antrag, den Beklagten entsprechend demHauptantrag zur Zahlung Zug um Zug zu verurteilen und dem Feststellungsan-trag in vollem Umfang stattzugeben.EntscheidungsgründeDie Revision des Beklagten zu 1 ist unbegründet; die Anschlußrevisiondes Klägers ist dagegen begründet. Die Klage gegen den Beklagten zu 1 ist- 7 -hinsichtlich des hauptsächlich gestellten Zahlungsantrages dem Grunde nachgerechtfertigt; der Feststellungsantrag ist in vollem Umfang begründet.- 8 -I.Das Berufungsgericht hat ausgeführt:Der hauptsächlich gestellte Antrag auf Zahlung Zug um Zug gegenÜbertragung des Wohnungseigentums sei unbegründet. Der Kläger könnenicht Schadensersatz in Gestalt von Naturalrestitution und deshalb keine Zug-um-Zug-Verurteilung verlangen.Der Hilfsantrag sei dem Grunde nach gerechtfertigt, weil der Beklagtezu 1 Schadensersatz wegen notarieller Amtspflichtverletzung (§ 19 Abs. 1Satz 1 BNotO) schulde. Der Beklagte zu 1 habe es amtspflichtwidrig undschuldhaft unterlassen, den Kläger über die am 9. Dezember 1992 eingetrage-ne Dienstbarkeit zu unterrichten. Eine Belehrungspflicht habe zwar nicht imZusammenhang mit der am 23. Dezember 1992 erfolgten Beurkundung derErklärung von I. , das Kaufangebot des Klägers annehmen zu wollen, be-standen; der Kläger sei insoweit nicht Beteiligter (§§ 6 Abs. 2, 17 Abs. 1BeurkG) gewesen. Der Beklagte zu 1 habe den Kläger aber anläßlich des An-trages auf Eintragung der Auflassungsvormerkung am 13. Mai 1993 über dieDienstbarkeit unterrichten müssen. Der Kläger sei an dieser Amtshandlungmittelbar beteiligt gewesen. Die Belastung des Grundstücks mit einer dinglichgesicherten Nutzungsbeschränkung sei ein ihm unbekannter Rechtsmangelder Kaufsache gewesen. Ersichtlich habe der Kläger ein Interesse daran ge-habt, die tatsächlichen Grundlagen für die Ausübung seiner vertraglichenRechte (§§ 434, 440, 320, 326 BGB a.F.) zu erlangen.- 9 -Dem Kläger sei durch diese Amtspflichtverletzung ein Schaden entstan-den. Hätte er bei der Beantragung der Auflassungsvormerkung am 13. Mai1993 von der Dienstbarkeit erfahren, wäre er vom Kaufvertrag zurückgetretenund hätte zumindest weitere Kaufpreiszahlungen vermieden.Der Schadensersatzanspruch sei nicht verjährt. Da es sich bei der Be-antragung der Auflassungsvormerkung nicht um ein selbständiges Betreu-ungsgeschäft gehandelt habe, habe der Kläger zunächst einer anderweitigenErsatzmöglichkeit nachgehen, das heißt seine Rechte gegen die I. geltendmachen müssen. Erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dasVermögen der I. am 4. Juli 2000 - weniger als drei Jahre vor Einreichungder Klage am 21. November 2001 - habe festgestanden, daß eine anderweitigeErsatzmöglichkeit nicht bestehe.Der Beklagte zu 1 habe den Kläger über das Bestehen der Dienstbarkeitferner im Zusammenhang mit der Beurkundung der Auflassung am 27. Sep-tember 1995 und deren Genehmigung durch den Kläger am 16. November1995 unterrichten müssen. Durch die unterbliebene Unterrichtung sei dem Klä-ger jedenfalls insoweit ein Schaden entstanden, als nach dem 27. September1995 noch "schadensstiftende stornierbare Verfügungen" des Klägers ange-fallen seien.II.Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung in wesentlichen Punk-ten nicht stand.- 10 -1.Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß der Beklagte zu 1dem Kläger dem Grunde nach Schadensersatz zu leisten hat wegen schuld-hafter Verletzung notarieller Amtspflichten (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO).a) Zu Recht beanstandet aber die Anschlußrevision, daß das Beru-fungsgericht eine Amtspflichtverletzung des Beklagten zu 1 bei der am23. Dezember 1992 erfolgten Beurkundung der Annahmeerklärung der I. verneint hat. Der Beklagte zu 1 verletzte bei diesem Urkundsgeschäft eine ihmgegenüber dem Kläger obliegende Hinweis- und Formulierungspflicht (§§ 17Abs. 1 BeurkG, 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO).aa) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG hat der Notar den Willen der Betei-ligten zu erforschen, den Sachverhalt zu klären und über die rechtliche Trag-weite des Geschäfts zu belehren. Damit soll gewährleistet werden, daß die zuerrichtende Urkunde den Willen der Parteien vollständig sowie inhaltlich richtigund eindeutig wiedergibt. Demzufolge hat der Notar die Beteiligten über dierechtliche Bedeutung ihrer Erklärungen sowie die Voraussetzungen für denEintritt der bezweckten Rechtsfolge in dem Umfang zu belehren, wie es zurErrichtung einer dem wahren Willen entsprechenden rechtsgültigen Urkundeerforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1995 - IX ZR 15/95 - NJW1996, 522, 523 m.w.N.). Bestehen Zweifel, ob das Geschäft den wahren Willender Beteiligten entspricht, so sollen die Bedenken mit den Beteiligten erörtertwerden (§ 17 Abs. 2 Satz 1 BNotO).Die vorgenannten Aufklärungs- und Belehrungspflichten beschränkensich allerdings, wenn allein die Annahme eines vorgegebenen Vertragsange-- 11 -bots beurkundet werden soll, grundsätzlich auf die rechtliche Bedeutung derAnnahme; der Inhalt des Vertragsangebotes gehört nicht zur rechtlichen Trag-weite dieses Urkundsgeschäfts (vgl. BGHZ 125, 218, 223 f; BGH, Urteil vom24. Juni 1993 - IX ZR 216/92 - NJW 1993, 2747, 2750; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO 5. Aufl. 2003 § 14 Rn. 141; Ganter in Zugehör/Gan-ter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung 2004 Rn. 979, 1462). Der die Annahmebeurkundende Notar schuldet aber den an diesem Urkundsgeschäft Beteiligteneine "betreuende Belehrung" (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO), wenn er bei gebote-ner Sorgfalt erkennen kann, daß der mit der Annahme bewirkte Vertragsschlußihre Vermögensinteressen gefährdet (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1993 aaO).So liegt der Streitfall.bb) Der Kläger war mittelbar Beteiligter an der von dem Beklagten zu 1beurkundeten Annahmeerklärung der I. .Die aus § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG erwachsende Pflicht zur Rechtsbe-lehrung obliegt dem Notar gegenüber den formell an der Beurkundung Betei-ligten (unmittelbar Beteiligten; BGH, Urteil vom 8. Juli 1993 - IX ZR 222/92 -NJW 1993, 2617, 2618, insoweit in BGHZ 123, 178 nicht abgedruckt). Das sindgemäß § 6 Abs. 2 BeurkG die Erschienenen, deren im eigenen oder fremdenNamen abgegebene Erklärungen beurkundet werden sollen.Ausnahmsweise können jedoch auch gegenüber anderen Personen, dienicht formell (unmittelbar), wohl aber mittelbar Beteiligte sind, Belehrungs-pflichten nach §§ 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG, 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO bestehen(vgl. Ganter aaO Rn. 1113 ff, 1282). Mittelbar Beteiligter ist insbesondere, werim eigenen Interesse bei der Beurkundung anwesend ist, weil er aus dem be-- 12 -urkundeten Rechtsgeschäft verpflichtet werden oder Rechte erwerben soll (vgl.BGH, Urteil vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 8/91 - NJW-RR 1992, 393, 395);wer von den unmittelbar Beteiligten zu der Beurkundung hinzugezogen wird,um ihn "faktisch einzubinden" (vgl. Ganter aaO Rn. 1116 unter Hinweis aufBGH, Urteil vom 9. Januar 2003 - IX ZR 422/99 - NJW 2003, 1940 f); ferner,wer sich aus Anlaß der Beurkundung an den Notar gewandt und ihm eigeneBelange anvertraut hat (vgl. BGHZ 58, 343, 353; BGH, Urteile vom 30. Juni1981 - VI ZR 197/79 - NJW 1981, 2705 und vom 29. September 1981 - VI ZR2/80 - DNotZ 1982, 384, 385).Der Kläger kann aufgrund der besonderen Ausgestaltung des Beurkun-dungsverfahrens (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 1981 aaO S. 2706) der zuletztgenannten Fallgruppe zugerechnet werden.(1) Das hier von dem Beklagten zu 1 als sogenannter Zentralnotar mit-gestaltete Beurkundungsverfahren barg wegen der sukzessiv erfolgenden Be-urkundung von Vertragsangebot und -annahme von vornherein die Gefahr, daßzwischenzeitlichen Änderungen der Sachlage, insbesondere zwischenzeitlichim Grundbuch eingetragenen Belastungen, nicht Rechnung getragen wurde.Nach dem von ihm vorbereiteten Entwurf des Kaufangebotes sollte der Orts-notar das Grundbuch nicht einsehen; im Streitfall hätte er die am 1. Dezember1992 - also nach der Beurkundung des Kaufangebotes am 27. November1992 - beantragte und am 9. Dezember 1992 eingetragene Dienstbarkeit auchnicht durch Einsicht in das Grundbuch feststellen können. Es kam insoweit al-les auf den Beklagten zu 1 an, der als Zentralnotar das Geschehen umfassendüberblicken und steuern konnte.- 13 -(2) Für den Beklagten zu 1 lag bei der Beurkundung der Annahmeerklä-rung am 23. Dezember 1992 auf der Hand, daß der von dem Kläger und derI. angestrebte Kaufvertrag die nach der Abgabe des Vertragsangebotes imGrundbuch eingetragene Belastung mit einer nutzungsbeschränkendenDienstbarkeit nicht berücksichtigte. Der vom Kläger mit Urkunde vom27. November 1992 angebotene Kaufvertrag sah bezüglich der Belastungendes zu erwerbenden Grundbesitzes vor:"Der ... Grundbesitz wird wie folgt belastet sein:Abteilung II: freiAbteilung III: ... Buchgrundschuld ...In Abteilung II des Grundbuches kommt jedoch eine Grunddienst-barkeit (Kfz-Dienstbarkeit) ... zur Eintragung."Die I. schuldete damit dem Kläger (abgesehen von der Kfz-Dienst-barkeit) in Abteilung II des Grundbuchs lastenfreies Eigentum. Daran ändertedie der I. in Abschnitt B XIV Buchstabe c des Kaufangebotes eingeräumteVollmacht, Dienstbarkeiten eintragen zu lassen, nichts; diese Regelung betraflediglich das Außenverhältnis, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ange-nommen hat.Bei der Beurkundung der Annahmeerklärung am 23. Dezember 1992war die zweite Abteilung indes nicht mehr "frei". Am 9. Dezember 1992 war ei-ne Nutzungsbeschränkung (Studentenwohnungen mit Büros und Läden) für dieStadt N. eingetragen worden. Seitdem konnte die I. das Woh-nungseigentum nur belastet mit dieser Dienstbarkeit (und gegebenenfalls derim Angebot aufgeführten Kfz-Dienstbarkeit) übertragen. Der Sachverhalt war- 14 -dem Beklagten zu 1 bekannt. Er hatte das Kaufangebot des Klägers entworfenund in der Niederschrift über die vor ihm erklärte Annahme des Kaufangebotesdurch die I. vom 23. Dezember 1992 festgehalten "Der Inhalt diese An-gebote ist in allen Teilen und Einzelheiten genau bekannt.". Die Urkundeüber die Bewilligung der Dienstbarkeit zugunsten der Stadt N. hatte erselbst entworfen und mit Schreiben vom 1. Dezember 1992 die Eintragung derDienstbarkeit beim Grundbuchamt beantragt.(3) Es kommt hinzu, daß der Beklagte zu 1 von dem Kläger (und derI. ) mit dem Vollzug des Kaufvertrages betraut worden war. In dem gemäßdem Entwurf des Beklagten zu 1 beurkundeten Kaufangebot des Klägers heißtes nämlich: "Die Beteiligten beauftragen und ermächtigen den die Annahmebeurkundenden Notar ..., alle zum Vollzug die-ses Vertrages erforderlichen Erklärungen abzugeben und Anträge zu stellen"(Abschnitt B XI des Kaufangebotes).(4) Hatte der Beklagte zu 1 aber die vorbeschriebene überragendeStellung, dann hatte er zumindest betreuende Belehrungspflichten (§§ 17Abs. 1 BeurkG, 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO analog) gegenüber den Erwerbern, die- wie der Kläger - nicht unmittelbar mit ihm in Verbindung getreten sind, aberdas unter seiner Mitwirkung entstandene Vertragswerk abschließen (vgl. BGH,Urteil vom 30. Juni 1981 aaO S. 2706).cc) Der Beklagte zu 1 hätte am 23. Dezember 1992 nicht die bloße An-nahme des Kaufangebotes beurkunden und hierdurch an dem Abschluß desKaufvertrages zwischen dem Kläger und der I. zu unveränderten Bedin-gungen mitwirken dürfen. Bei pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtsla-- 15 -ge hätte der Beklagte zu 1 erkennen können, daß ein von seiten der I. teil-weise nicht mehr erfüllbarer Kaufvertrag geschlossen wurde, wenn letztere dieuneingeschränkte Annahme des Kaufangebotes des Klägers erklärte. Denndas Angebot war durch die neu eingetragene Dienstbarkeit zugunsten derStadt N. überholt. Die I. konnte dem Kläger nicht mehr, wie im An-gebot bestimmt, in Abteilung II des Grundbuchs (abgesehen von der Kfz-Dienstbarkeit) lastenfreies Eigentum übertragen.Der Beklagte zu 1 hätte vielmehr den Kläger - aufgrund der diesem ge-genüber bestehenden betreuenden Belehrungspflicht - vor der Beurkundungder Annahmeerklärung auf die neue Grundbuchlage hinweisen müssen. Soferndie I. weiterhin auf der (sofortigen) Beurkundung bestanden hätte, hätte er- wegen der ihm beiden Vertragsparteien gegenüber obliegenden (vgl. BGH,Urteil vom 26. Juni 1997 - IX ZR 163/96 - NJW-RR 1998, 133, 134) - Formulie-rungspflicht (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG) nur die Annahme unter Änderung desangebotenen Kaufvertrages, nämlich unter Berücksichtigung der mittlerweileeingetragenen Dienstbarkeit, vorschlagen dürfen (vgl. § 150 Abs. 2 BGB). Ließsich die I. darauf nicht ein, etwa weil sie bereits damals beabsichtigte, demKläger die Dienstbarkeit im Wege einer späteren versteckten Vertragsände-rung unterzuschieben (vgl. Urteil des V. Zivilsenats vom 30. Juni 2000 - V ZR156/99, unveröffentlicht, Umdruck S. 7), hätte der Beklagte zu 1 die Beurkun-dung gemäß § 14 Abs. 2 BNotO ablehnen müssen (vgl. BGH, Urteil vom26. Juni 1997 aaO). Diesen Amtspflichten ist der Beklagte zu 1 unstreitig nichtnachgekommen.dd) Der Kläger war als mittelbar Beteiligter des Urkundsgeschäfts in denSchutzbereich der Amtspflichten, die der Beklagte zu 1 verletzt hat, einbezo-- 16 -gen (vgl. BGH, Urteile vom 30. Juni 1981 aaO S. 2705 und vom 9. Januar 2003aaO; Zugehör aaO Rn. 327).b) Es ist davon auszugehen, daß der Beklagte zu 1 die Amtspflichtenfahrlässig verletzte.Ein Verschulden ist insbesondere nicht nach der Kollegialgerichts-Richt-linie zu verneinen. Danach trifft den Beamten - Entsprechendes gilt für denNotar - kein Verschulden, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen (Berufsrich-tern) besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig ange-sehen hat (vgl. Senatsurteil BGHZ 97, 97, 107; Staudinger/Wurm, BGB 2002§ 839 Rn. 216, jew. m.w.N.). Diese Richtlinie ist aber dann nicht anzuwenden,wenn die Annahme des Kollegialgerichts, die Amtshandlung sei rechtmäßiggewesen, auf einer unzureichenden tatsächlichen oder rechtlichen Beurtei-lungsgrundlage beruhte, etwa deshalb, weil das Gericht den festgestelltenSachverhalt nicht sorgfältig und erschöpfend gewürdigt hat (Senatsurteile vom13. Juli 2000 - III ZR 131/99 - WM 2000, 2016, 2017 und vom 2. April 1998- III ZR 111/97 - NVwZ 1998, 878). So liegt der Streitfall.Die Revision hat sich auf das in einem Parallelverfahren ergangene, ei-ne Amtspflichtverletzung des Beklagten zu 1 verneinende Urteil des Landge-richts München I (Urteil vom 7. August 2001 - 4 O 4991/01) bezogen. In dieserKammerentscheidung hat das Landgericht München I eine Amtspflichtverlet-zung des Beklagten zu 1 im Zusammenhang mit der Beurkundung der Annah-me des Kaufangebotes verneint. Es hat dabei jedoch nicht genügend berück-sichtigt, daß das von dem Anleger erklärte Kaufangebot die Übertragung vonWohnungseigentum forderte, das in Abteilung II des Grundbuchs (abgesehen- 17 -von der Kfz-Dienstbarkeit) lastenfrei war, die annehmende Verkäuferin I. das aber nicht mehr gewährleisten konnte. Nicht im Blick war ferner, daß derBeklagte zu 1 als Zentralnotar die Übersicht über die vor den Ortsnotaren- gemäß seinem Entwurf ohne Grundbucheinsicht - abgegebenen Kaufange-bote der Anleger und die jeweilige Grundbuchlage hatte, insbesondere die vonihm selbst beantragte Eintragung der Dienstbarkeit zugunsten der StadtN. kannte; also der Beklagte zu 1 durchaus Anlaß hatte, darauf bei derBeurkundung der Kaufannahme hinzuweisen. Keinesfalls durfte sich der Be-klagte zu 1 darauf verlassen, die I. werde den Kläger hinreichend unter-richten.c) Die Amtspflichtverletzung führte zu einem Schaden. Hätte der Beklag-te zu 1 der zwischenzeitlich erfolgten Eintragung einer Dienstbarkeit Rechnunggetragen, indem er zunächst von einer Beurkundung abgesehen und den Klä-ger auf die neue Grundbuchlage hingewiesen oder aber die - dem Kläger zuübermittelnde - Erklärung der I. als Annahme unter Änderungen (§ 150Abs. 2 BGB) formuliert hätte, hätte sich der Kläger von seinem Kaufangebotgelöst oder das geänderte Angebot nicht angenommen und keine Zahlungenauf den Kaufpreis entrichtet.aa) Die Anschlußrevision weist mit Recht darauf hin, daß der Kläger zurZeit der Annahmeerklärung (23. Dezember 1992) nicht mehr an sein Angebotgebunden war; er hätte es, wie im Angebot ausdrücklich vermerkt, nach Ablaufdes 22. Dezember 1992 frei widerrufen können.bb) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger hätte von der Mög-lichkeit des Rücktritts - nichts anderes kann für den Widerruf gelten - Gebrauch- 18 -gemacht, wenn er erfahren hätte, die käuflich zu erwerbende Eigentumswoh-nung sei mit einer Dienstbarkeit belastet; er dürfe die Eigentumswohnung des-halb "für immer" nur von Studenten bewohnen lassen. Der Senat erachtet diegegen diese Feststellung erhobenen Verfahrensrügen nicht für durchgreifend;von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.d) Der Beklagte zu 1 kann dem Schadensersatzanspruch des Klägersnicht den Einwand des Mitverschuldens (§ 254 BGB) entgegensetzen.aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mußte der Klägernicht damit rechnen, daß das von der I. angebotene Wohnungseigentummit einer dinglich gesicherten Nutzungsbeschränkung belastet war, und des-halb selbst Erkundigungen einziehen. Zwar war die zum Kauf angebotene Ei-gentumswohnung in der Teilungserklärung und anderen Unterlagen, die demKaufangebot beigefügt waren, als "Studentenappartement" bezeichnet. DerKläger durfte und konnte den Begriff "Studentenappartement" aber - wie dasBerufungsgericht vertretbar (§ 286 ZPO) beurteilt hat - als Umschreibung füreine einfach gehaltene Kleinwohnung auffassen. Die Nutzungsbeschränkungergab sich weder aus dem Verkaufsprospekt noch aus der maßgeblichen Ge-meinschaftsordnung; es fehlte jeder Hinweis auf die dingliche Belastung (BGH,Urteil vom 30. Juni 2000 - V ZR 156/99, Umdruck S. 8).bb) Der Kläger war nicht aufgrund seiner Schadensminderungspflichtgehalten, den mit der Stadtsparkasse N. geschlossenen Darlehensver-trag zu widerrufen. Die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen etwaigenWiderrufsrechts sind nicht festgestellt. Die Revision macht entsprechenden- 19 -Parteivortrag, den das Berufungsgericht insoweit übergangen haben könnte,nicht namhaft.e) Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht verjährt.Dem Beklagten zu 1 unterlief das Belehrungsversäumnis bei der Beur-kundung der Annahme des Kaufangebotes durch die I. . Dabei handelte essich nicht um ein Amtsgeschäft im Sinne der §§ 23, 24 BNotO, sondern um einUrkundsgeschäft, bei dem die Haftung des Notars für fahrlässige Amtspflicht-verletzungen vom Bestehen oder Nichtbestehen einer anderweitigen Ersatz-möglichkeit abhängt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO). In einem solchen Fall beginntdie Verjährung (§ 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO i.V.m. § 852 Abs. 1 BGB a.F.) erstmit der Kenntnis des Geschädigten, daß er auf andere Weise keinen Ersatzerlangen kann (st. Rspr., siehe nur Senatsurteil BGHZ 121, 65, 71 m.w.N.).Diese Kenntnis hatte der Kläger (frühestens) am 4. Juli 2000, als das Insol-venzverfahren über das Vermögen der I. eröffnet wurde und damit - un-streitig - feststand, daß von der I. anderweitiger Ersatz nicht zu erlangenwar. Die am 21. November 2001 eingereichte Klage hat die Verjährung mithinrechtzeitig unterbrochen (§ 209 Abs. 1 BGB a.F.).2.Der Kläger kann gemäß seinem Hauptantrag dem Grunde nach Zahlungvon Schadensersatz in Geld Zug um Zug gegen Übertragung der rechtsman-gelbehafteten Eigentumswohnung beanspruchen.Für die Schadensersatzpflicht des Notars nach § 19 BNotO geltengrundsätzlich die allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff BGB. Im Regelfall wirdder Schaden allerdings nicht durch Naturalrestitution, sondern durch Gelder-- 20 -satz zu beseitigen sein (vgl. Zugehör aaO Rn. 2246 ff). Der wird vom Klägerauch begehrt. Die beantragte Zug-um-Zug-Verurteilung berücksichtigt denGrundsatz des Vorteilsausgleichs; der Kläger läßt sich empfangene Vorteile,nämlich das Wohnungseigentum an dem Studentenappartement, auf den be-anspruchten Schadensersatz in Geld anrechnen (vgl. Sandkühler aaO Rn. 152;zu § 839 BGB: Senatsurteil vom 22. Mai 2003 - III ZR 32/02 - NVwZ 2003,1285; RG JW 1937, 1917, 1918, 1919).3.Dem Kläger steht mithin gegen den Beklagten zu 1 ein Schadensersatz-anspruch wegen Amtspflichtverletzung bei der Beurkundung der Annahme desKaufangebotes am 23. Dezember 1992 zu. Schon dieser Anspruch trägt dasGrundurteil bezüglich der hauptsächlich begehrten Zahlung von Schadenser-satz Zug um Zug gegen Übertragung des Wohnungseigentums sowie die be-antragte Feststellung. Es bedarf daher keiner Erörterung, ob der Kläger dar-über hinaus Schadensersatz wegen weiterer Amtspflichtverletzungen des Be-klagten zu 1 bei der Beantragung der Auflassungsvormerkung am 13. Mai 1993und bei der Beurkundung der Auflassung am 27. September 1995 sowie derenGenehmigung durch den Kläger am 16. November 1995 beanspruchen kann.SchlickWurmKapsaDörrGalke

Meta

III ZR 72/03

04.03.2004

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.03.2004, Az. III ZR 72/03 (REWIS RS 2004, 4261)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 4261

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