Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2020, Az. IV ZB 23/19

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 11916

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:120220BIVZB23.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
[X.]
IV ZB 24/19

vom
12. Februar 2020
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende [X.], den Richter
Felsch, die Richterin
Harsdorf-Gebhardt, den Richter [X.] und die Richterin Dr.
Bußmann

am
12. Februar 2020

beschlossen:

Die Verfahren über die Rechtsbeschwerden gegen die Beschlüsse des [X.] -
2. Zivilsenat
-
vom 9. August 2019 und vom 28. August 2019 werden zur gemeinsamen Entschei-dung verbunden; das Verfahren [X.] führt.

Die Rechtsbeschwerden
des [X.] gegen die
Be-schlüsse
des [X.] Oberlandesgerichts
-
2.
Zivilsenat
-
vom
9. August 2019 und vom 28. [X.] 2019 werden auf seine
Kosten als unzulässig verworfen.

[X.]: 300.000

Gründe:

[X.] Der Kläger
erstrebt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand we-gen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung.

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3
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Das Urteil des [X.] ist den
Prozessbevollmächtigten des [X.] am 8. März 2019
zugestellt worden. Nach rechtzeitiger [X.] ist
die Berufungsbegründungsfrist bis zum 11. Juni 2019 verlän-gert
worden. Am 11. Juni 2019 ist die erste Seite der Berufungsbegründung

ohne Unterschrift
-
per Telefax beim Berufungsgericht eingegangen. Das Original der vollständigen Berufungsbegründung ist am 12. Juni 2019 ein-gereicht worden.

Das Berufungsgericht hat den Kläger mit Verfügung vom 18. Juni 2019 darauf hingewiesen, dass die Berufung unzulässig sein dürfte, und Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen gegeben. Die
Pro-zessbevollmächtigten des [X.]
haben
mit
am 18.
Juli 2019
eingegange-nem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
wegen Versäu-mung der Berufungsbegründungsfrist
beantragt. Hierzu haben sie
ausge-führt,
dass
am 11.
Juni 2019 die Mitarbeiterinnen der [X.] über das Kanzleifax sowie ein Prozessbevollmächtigter über seinen priva-ten Faxanschluss
mehrfach
versucht hätten, die Berufungsbegründung zu übermitteln, ohne dass der Sendebericht eine ordnungsgemäße Übermitt-lung dokumentiert habe. Als die Berufungsbegründung am 12. Juni 2019 persönlich
an die Geschäftsstelle des Berufungsgerichts
übergeben worden sei, habe eine dortige Mitarbeiterin erklärt, dass beim Berufungsgericht am 11. Juni sowie am Vormittag des 12. Juni 2019 erhebliche
technische Prob-leme mit dem Faxgerät
bestanden hätten, worüber sie durch eine Rundmail des Vizepräsidenten des Gerichts informiert worden sei.

Nach gerichtlichem Hinweis auf eine
mögliche
Verfristung des [X.] hat der Kläger in einer weiteren Stellungnahme
vom 31.
Juli 2019
erklärt, er und sein Prozessbevollmächtigter hätten erst am 12.
Juni 2019 festgestellt, dass die fehlgeschlagene Übermittlung auf das
Gerichtsfaxgerät zurückzuführen sei.
Die Fristen seien durch die
aus-2
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reichend qualifizierte und kontrollierte
Rechtsanwaltsfachangestellte ord-nungsgemäß notiert worden. Dazu hat er
auf eine Abschrift der gerichtli-chen Verfügung vom 18. Juni 2019 verwiesen, auf der "Frist: 19.07.19"
no-tiert war.

Das Berufungsgericht hat
mit Beschluss vom 9. August 2019 den
Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Berufung sei unzulässig, weil sie nicht innerhalb der verlängerten Frist begründet worden sei. Das Wiedereinsetzungsgesuch sei unzulässig, da es nicht innerhalb der gesetz-lichen Frist von einem Monat ab Behebung des Hindernisses für die [X.] eingereicht worden sei. Der Kläger mache (wohl zutreffend) geltend, dass es ihm wegen einer Empfangsstörung am 11. Juni 2019 un-möglich gewesen sei, die Berufungsbegründung per Fax an das Gericht zu senden. Bei der Abgabe des Schriftsatzes am 12. Juni 2019 sei die Ehefrau des [X.]
durch eine
Gerichtsmitarbeiterin über am Vortag bestehende Probleme mit
dem gerichtlichen Faxgerät informiert worden. Damit sei von einem
Wegfall des Hindernisses
auszugehen.
Die [X.] sei daher am 12. Juli 2019 abgelaufen. Der Umstand, dass das Gericht dem Kläger mit Verfügung vom 18. Juni 2019 Gelegenheit zur [X.] binnen einen Mo-nats gegeben habe, führe nicht zu einer Verlängerung der [X.]. Dem Kläger sei auch nicht
mit Blick auf die vorgenannte Frist-setzung
von Amts wegen Wiedereinsetzung in die [X.] zu gewähren.
Zwar sei im Büro des Klägervertreters offenbar eine Unsi-cherheit bezüglich der rechtlichen Bewertung der gewährten [X.] vorhanden gewesen. Es stelle aber ein dem Kläger [X.] Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten dar, wenn die-ser nicht sicherstelle, dass seine Mitarbeiter ihn bei Zweifeln hinsichtlich der Berechnung einer Frist vor deren Eintragung konsultierten.
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5
-

Daraufhin hat der Kläger einen erneuten Antrag auf Wiedereinset-zung in den vorigen Stand gestellt.
Darin hat
er
erklärt, eines
Wiederein-setzungsantrags habe es nicht bedurft, denn das erkennende Gericht
habe die Berufungsbegründung wegen dessen
eigenen Verschuldens, des
[X.]en Defekts
des Gerichtsfaxgeräts, nicht als verfristet behandeln [X.]. Diesen
Antrag
hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom 28. August 2019 verworfen und ausgeführt, dem Kläger sei auch keine Wiedereinset-zung von Amts wegen zu gewähren. Dem Senat sei nach Aktenlage bei [X.] der [X.] lediglich bekannt gewesen, dass der Kläger am 11. Juni 2019 mehrfach vergeblich die Übermittlung einer vollständigen Berufungsbegründung versucht habe, die vollständige Begründung jedoch erst am 12.
Juni 2019 eingegangen sei und es bei der Übermittlung [X.] am 11. Juni 2019 mehrfach zu Übertragungsfehlern gekom-men sei. Daraus habe sich zwar die Vermutung, keineswegs aber die Ge-wissheit ergeben, dass die rechtzeitige Übermittlung an einem Fehler des gerichtlichen Faxgeräts
gescheitert sei.

Gegen
die beiden Beschlüsse richten
sich die
Rechtsbeschwerden des [X.].

I[X.] Die Rechtsbeschwerden sind
zwar nach §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr. 1, §
522 Abs.
1 Satz 4, § 238 Abs.
2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie sind
aber nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO fehlt. Eine Entscheidung des [X.] ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die angefochtenen
Entschei-dungen
verletzen
nicht den Anspruch des [X.]
auf
effektiven Rechts-schutz (Art. 2 Abs. 1 GG
i.[X.]. Art. 20 Abs. 3 GG).

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1. Rechtsfehlerfrei ist
das
Berufungsgericht davon ausgegangen, dass
der Kläger eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht inner-halb der dafür geltenden Frist beantragt
hat. Beide [X.] waren verfristet.
Die Monatsfrist des §
234 Abs. 1 Satz 2
ZPO lief hier am 12. Juli 2019 ab. Nachdem die
Prozessbevollmächtigten des [X.] und deren Mitarbeiterinnen am 11. Juni 2019 keinen Sendebericht über ei-ne vollständige
Faxübermittlung erhalten hatten und die Ehefrau des Klä-gers
am 12. Juni 2019 über am Vortag bestehende technische Probleme mit dem Gerichtsfaxgerät informiert worden war, war für die Prozessbe-vollmächtigten
erkennbar, dass sie
nicht von einem rechtzeitigen Eingang des Schriftsatzes ausgehen konnten.

2.
Das Berufungsgericht ist ebenfalls zutreffend davon ausgegangen, dass eine
Wiedereinsetzung
in die Berufungsbegründungsfrist auch
nicht gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz
2 ZPO
von Amts wegen
zu gewähren war. Dies kommt nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die [X.] innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO offenkundig sind oder nach einem erforderlichen gerichtlichen Hinweis offenkundig gewor-den wären (vgl. [X.], Beschlüsse
vom 16.
Januar 2018 -
VIII [X.], NJW
2018, 1022 Rn. 19; vom 26. Juni 2014 -
V [X.], NJW-RR
2015, 628 Rn. 12). Auch nach Fristablauf können erkennbar unklare Angaben noch durch Erläuterung offenkundig werden, sofern die nachgeschobenen Angaben innerhalb der Frist zumindest angedeutet worden sind (vgl. [X.], Beschlüsse vom 16. Januar 2018 aaO; vom
26. Juni 2014
aaO).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Innerhalb der [X.] war nicht
aus den Akten ersichtlich oder offenkundig, dass
die Prozessbevollmächtigten des [X.] am 11. Juni 2019 die Übermitt-lung einer vollständigen, unterschriebenen Berufungsbegründung per Tele-fax versucht hätten und eine ordnungsgemäße Übertragung aufgrund einer 9
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Störung des Gerichtsfaxgeräts von vornherein ausgeschlossen gewesen wäre. Für das Berufungsgericht war zu diesem Zeitpunkt aus den Akten nur ersichtlich, dass am 11. Juni 2019 eine unvollständige Berufungsbegrün-dung ohne Unterschrift eingegangen war; daraus ergab sich nicht, wie das Gesamtschriftstück, das übermittelt werden sollte, aussah. Aus einem Ver-merk der Annahmestelle des Berufungsgerichts vom 25. Juni 2019
ließ sich entnehmen, dass es am 11. Juni 2019 "wiederholt bei der Übermittlung von externen [X.] zu Übertragungsfehlern"
gekommen sei.
Daraus ergab sich noch nicht, dass an diesem Tag jede vollständige Faxübertragung [X.] ausgeschlossen gewesen wäre. Erst nach Ablauf der [X.] hat der Kläger
in dem am 18. Juli 2019 eingegangenen
Schrift-satz behauptet, dass es laut
Auskunft einer Geschäftsstellenmitarbeiterin "erhebliche technische Probleme"
mit dem Gerichtsfaxgerät gegeben habe und dazu eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, der
zufolge diese Auskunft sogar gelautet habe, es seien am 11. Juni 2019 "keine Faxe
ord-nungsgemäß"
beim Berufungsgericht angekommen.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsge-richt
es auch nicht versäumt, dem Kläger einen erforderlichen Hinweis zu erteilen. Es hat ihn vielmehr mit Verfügung vom 18. Juni 2019 darauf [X.], dass dort nur unvollständige Faxübertragungen vom 11. Juni 2019 vorlägen, ohne dass der Kläger innerhalb der [X.] weitere Angaben dazu gemacht hätte.

3. Das Berufungsgericht hat dem Kläger auch zu Recht keine [X.] in die
versäumte
[X.] gewährt, da er [X.] nicht unverschuldet versäumt hat. Dabei kann dahinstehen, ob der so bezeichnete "nochmalige Antrag"
auf Wiedereinsetzung -
in die Beru-fungsbegründungsfrist -
vom 31. Juli 2019 zugleich als Antrag auf Wieder-einsetzung in die [X.]
ausgelegt werden kann.
Die Frist-12
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versäumung beruht auf einem Verschulden der Prozessbevollmächtigten, das sich der Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO
zurechnen lassen muss.
Zwar darf ein Rechtsanwalt die Berechnung der üblichen Fristen in [X.], die in seiner Praxis häufig vorkommen, seinem gut ausgebil-deten und sorgfältig überwachten Büropersonal überlassen, wenn die Be-rechnung der Fristen keine rechtlichen Schwierigkeiten macht ([X.], [X.] vom 9.
September 2008 -
VI [X.], [X.], 3705 Rn. 6 m.w.N.). Andererseits muss der Rechtsanwalt aber durch geeignete Anwei-sungen sicherstellen, dass ihm die Feststellung des Beginns und des [X.] in den Fällen vorbehalten bleibt, die in seiner Praxis unge-wöhnlich sind oder bei deren Berechnung Schwierigkeiten auftreten [X.], denn die eigene Sorgfaltspflicht des Anwalts erhöht sich bei Vorliegen besonderer Umstände, die eine erhöhte Gefahr für den reibungslosen [X.] des Kanzleibetriebs darstellen ([X.], Beschluss vom 9. September 2008 aaO). Ein solcher Fall war hier gegeben. Nachdem das Berufungsge-richt mit Verfügung vom 18. Juni 2019 auf die Versäumung der Berufungs-begründungsfrist hingewiesen und eine Stellungnahmefrist von
vier Wo-chen gesetzt hatte, bestand die erkennbare Gefahr, dass die zuständige Kanzleimitarbeiterin diese Stellungnahmefrist mit der Wiedereinsetzungs-frist gleichsetzen könnte; dementsprechend wurde die Frist auch falsch eingetragen.
Die Prüfung, wann dagegen das Hindernis im Sinne von § 234 Abs. 2 ZPO behoben war, hätte den Prozessbevollmächtigten oblegen.

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4. Die Rechtsbeschwerde ist nach alledem auch insoweit ohne [X.], als sie sich gegen die Verwerfung der Berufung richtet.

[X.]

Felsch Harsdorf-Gebhardt

[X.] Dr. Bußmann

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.03.2019 -
305 O 185/17 -

O[X.], Entscheidung vom 09.08.2019 -
2 U 8/19 -

14

Meta

IV ZB 23/19

12.02.2020

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2020, Az. IV ZB 23/19 (REWIS RS 2020, 11916)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11916

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZB 187/13

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