Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.09.2020, Az. VIII ZR 255/19

8. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1142

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Gegenstand

Vorzeitige Beendigung eines Kfz-Leasingvertrags: Anspruchsberechtigung hinsichtlich der Neuwertspitze einer Versicherungsleistung aus einer vom Leasingnehmer auf Neupreisbasis abgeschlossenen Vollkaskoversicherung


Leitsatz

Bei vorzeitiger Beendigung eines Kraftfahrzeug-Leasingvertrags (hier aufgrund Diebstahls des Fahrzeugs) steht die den Wiederbeschaffungs- und den Ablösewert übersteigende Neuwertspitze einer Versicherungsleistung aus einer vom Leasingnehmer auf Neupreisbasis abgeschlossenen Vollkaskoversicherung nicht dem Leasinggeber, sondern dem Leasingnehmer zu (Fortentwicklung von BGH, Urteil vom 31. Oktober 2007 - VIII ZR 278/05, NJW 2008, 989 Rn. 18; Bestätigung von BGH, Urteil vom 9. September 2020 - VIII ZR 389/18).

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 16. August 2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als bezüglich eines Betrags in Höhe von 28.966,39 € sowie vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.141,90 €, jeweils nebst Zinsen, zum Nachteil des [X.] entschieden worden ist.

Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil der 22. Zivilkammer des [X.] vom 14. Februar 2019 im vorbezeichneten Umfang abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.966,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. September 2018 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.141,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. November 2018 zu zahlen.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Die weitergehende Berufung bleibt zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden dem Kläger zu 1/10 und der Beklagten zu 9/10 auferlegt.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger (Leasingnehmer) und die Beklagte (Leasinggeberin) streiten darum, wem nach vorzeitiger Beendigung des Leasingvertrags aufgrund eines Diebstahls des Leasingfahrzeugs der sowohl den [X.] als auch den Wiederbeschaffungswert übersteigende Neuwertanteil der Versicherungsleistung aus einer von dem Kläger auf Neuwertbasis abgeschlossenen Vollkaskoversicherung zusteht.

2

Am 2. Mai 2017 schlossen die Parteien für die Dauer von 36 Monaten einen Vertrag für gewerbliches Leasing über ein Neufahrzeug des Typs [X.] M50D. Der Kläger schloss für das Fahrzeug, wie vertraglich vorgesehen, eine Vollkaskoversicherung ab. Dabei handelte es sich um eine Versicherung auf Neuwertbasis, zu deren Abschluss er insoweit nicht verpflichtet war.

3

In der Nacht vom 7. auf den 8. Juni 2018 wurde das Fahrzeug entwendet. Am 5. Juli 2018 kündigte die Beklagte den Leasingvertrag. Der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs zur [X.] belief sich auf 66.974,79 € netto. Der Betrag, der zur vollen Amortisation des [X.] der Beklagten einschließlich ihres kalkulierten Gewinns notwendig ist (Ablösewert), beträgt 63.925,71 €, der (versicherte) Neupreis 95.941,18 €. Der Versicherer erstattete der Beklagten den Neupreis.

4

Der Kläger hat - unter Fristsetzung bis zum 17. September 2018 - zunächst Auszahlung der Differenz von 32.015,47 € zwischen dem Neupreis und dem Ablösewert sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten, jeweils nebst Zinsen, verlangt. Die darauf gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt.

5

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren im Hinblick auf die Differenz von 28.966,39 € zwischen dem versicherten Neupreis und dem Wiederbeschaffungswert sowie Erstattung anteiliger vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten, jeweils nebst Zinsen, weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat - bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung - Erfolg.

I.

7

Das Berufungsgericht ([X.], [X.] 2020, 81) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

8

Dem Kläger stehe ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB hinsichtlich des der [X.] überwiesenen [X.] nicht zu. Zwar handele es sich bei der Zahlung des Versicherers um eine Leistung des [X.], diese sei jedoch nicht ohne Rechtsgrund erfolgt.

9

Nach der Wertung des § 285 BGB gebühre die über den Wiederbeschaffungswert hinausgehende Versicherungsleistung dem Leasinggeber. Das Berufungsgericht schließe sich dem Urteil des [X.] vom 26. Februar 2019 ([X.], 1505) an, welches unter Hinweis auf das Urteil des [X.] vom 29. November 2018 ([X.], 235) ausgeführt habe, die Versicherungsleistung sei - auch soweit sie den Wiederbeschaffungswert übersteige - weiterhin Surrogat für das entwendete Fahrzeug und nicht allein Folge davon, dass der Versicherungsvertrag eine solche Leistung vorsehe.

Das ergebe sich daraus, dass der Leasinggeber jedenfalls bei einem Vertrag mit Kilometerabrechnung als juristischer und wirtschaftlicher Volleigentümer des [X.] stets alleiniger Berechtigter hinsichtlich der Chancen und Risiken sei, die aus einer Wertsteigerung des Objekts resultierten. Es sei insoweit grundsätzlich Sache des Leasinggebers, wie er am Ende der Laufzeit eines Leasingvertrags mit dem in seinem Eigentum stehenden Leasingobjekt verfahre. Erziele dieses bei Verwertung nicht den kalkulierten Erlös, bleibe der Leasinggeber auf seiner Unterdeckung sitzen. Dann müsse er bei einer Übersurrogation auch alleiniger Berechtigter des Mehrerlöses sein.

Dieser Beurteilung stehe nicht entgegen, dass ein Schadensersatzanspruch des Leasinggebers durch das Erfüllungsinteresse begrenzt sei, weil die [X.] einen solchen Anspruch nicht geltend mache.

Gegen das Vorliegen eines Surrogats im Sinne des § 285 BGB spreche auch nicht, dass der Kläger vertraglich nicht zum Abschluss einer Neupreisversicherung verpflichtet gewesen sei. Es sei bereits nicht hinreichend dargetan, dass es sich tatsächlich um eine überobligatorische Leistung des [X.] gehandelt habe. Zudem sei die [X.] vertraglich berechtigt, aber nicht verpflichtet, eine entsprechende Versicherung als Vertreter für den Leasingnehmer abzuschließen.

[X.] enthalte auch keine Obergrenze für auszukehrende Entschädigungen, sondern regele nur die Bemessung des [X.]s. Auch lasse sich als "[X.] bei Totalschaden oder Diebstahl" bezeichnete Vereinbarung dafür heranziehen, dass die [X.] sich gerade nicht grundsätzlich und in jedem Fall auf den [X.] habe beschränken wollen. Denn danach habe sie ausdrücklich nur unter bestimmten, kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen auf die Geltendmachung der Differenz ([X.]) zwischen dem [X.] und dem Wiederbeschaffungswert verzichten wollen. Daraus lasse sich im Umkehrschluss entnehmen, dass die [X.] davon ausgehe, bei einer Versicherung auf Basis des Neupreises oder des [X.] beziehungsweise bei einer anderweitigen [X.]-Deckung stünde ihr die jeweilige Differenz zu.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat den von dem Kläger unter dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) erhobenen Anspruch zu Unrecht verneint, soweit es die vom Kläger in der Revisionsinstanz noch begehrte Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert (66.974,79 €) und dem versicherten Neuwert des Fahrzeugs ([X.] €) betrifft.

1. Noch rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die [X.] den von dem Versicherer gezahlten Geldbetrag nach der insoweit in erster Linie maßgeblichen Zweckbestimmung der Zuwendung (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 20. März 2019 - [X.], NJW 2019, 2608 Rn. 14; vom 16. Januar 2018 - [X.], NJW 2018, 1602 Rn. 27; vom 14. Januar 2016 - [X.], NJW 2016, 3027 Rn. 34; jeweils mwN) durch Leistung des [X.] erlangt hat. Ungeachtet der direkten Zahlung an die [X.] hat der Versicherer den Geldbetrag an den Kläger als Versicherungsnehmer geleistet, denn der Versicherer (als Zuwendender) und die [X.] (als Zahlungsempfängerin) gingen übereinstimmend davon aus, dass mit der Zahlung eine Verbindlichkeit des [X.] aus dem Leasingvertrag habe erfüllt werden sollen (zur Rückforderung ungerechtfertigt gezahlter Versicherungsleistungen siehe [X.], Urteile vom 10. März 1993 - [X.], [X.]Z 122, 46, 50 f.; vom 27. September 2006 - [X.], [X.], 290 Rn. 7; vom 31. Oktober 2007 - [X.], [X.], 989 Rn. 15; jeweils mwN).

2. Die [X.] hat diese Stellung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ohne Rechtsgrund erlangt. Zwar gebühren ihr, worüber Streit nicht mehr besteht, nicht nur der [X.], sondern auch der im gegebenen Fall höhere Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs (66.974,79 €). Jedoch steht die [X.] - die hier im Streit befindliche Differenz von 28.966,39 € zu der von dem Kläger über [X.] € auf Neuwertbasis abgeschlossenen Vollkaskoversicherung - im Verhältnis der [X.] zueinander bei interessengerechter Auslegung des Leasingvertrags dem Leasingnehmer zu.

a) Im Schrifttum ist diese Frage allerdings bisher umstritten. Nach einer - vom Berufungsgericht geteilten - Auffassung steht eine entsprechende Differenz grundsätzlich allein dem Leasinggeber zu. Als juristischer und wirtschaftlicher Eigentümer des [X.] sei er stets alleiniger Berechtigter hinsichtlich der Chancen, die aus einer Wertsteigerung des Objektes resultierten, es sei denn, der Leasingvertrag enthalte eine ausdrücklich hiervon abweichende Regelung (vgl. [X.], EWiR 2005, 203, 204; Zahn in [X.], [X.], 7. Aufl., Rn. [X.] ff.; [X.], [X.], 992; [X.], [X.], 14, 15; [X.] in Burmann/[X.]/[X.]/[X.], Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl., § 249 BGB Rn. 143c).

Nach anderer Ansicht steht der Neuwertanteil dem Leasingnehmer zu, wenn der Kaskoversicherer den Versicherungsfall auf Neuwertbasis abrechnet und die Versicherungsleistung infolgedessen über den Wiederbeschaffungswert hinausgeht. Die Wertung des § 285 Abs. 1 BGB, wonach dem Eigentümer der untergegangenen Leasingsache das Surrogat als Leistung zuzuerkennen sei, komme hier nicht zum Tragen. Soweit die Versicherungsleistung den Wiederbeschaffungswert übersteige, sei sie kein Surrogat für das zerstörte oder entwendete Fahrzeug, sondern allein die Folge davon, dass der Versicherungsvertrag eine solche Leistung vorsehe (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., Rn. L 595; MünchKommBGB/[X.], 8. Aufl., Finanzierungsleasing ([X.]. § 515 BGB) Rn. 100; BeckOGK-BGB/[X.], Stand: 1. Juli 2020, § 535 Rn. 1130.1; [X.]/[X.] in Beckmann/[X.], [X.], 3. Aufl., § 30 Rn. 20; [X.], [X.], 147, 148).

b) Der [X.] hat bisher lediglich - für den Fall einer vorzeitigen Beendigung eines Leasingvertrags, der eine Restwertgarantie des Leasingnehmers und ein Andienungsrecht des Leasinggebers, aber keine Mehrerlösbeteiligung des Leasingnehmers vorsieht - entschieden, dass eine von der Kaskoversicherung auf den Wiederbeschaffungswert eines beschädigten oder entwendeten Fahrzeugs gezahlte Entschädigung dem Leasinggeber auch dann uneingeschränkt zusteht, wenn es dadurch zu einem Mehrerlös kommt, der Leasinggeber also einen über den zur vollen Amortisation erforderlichen Ablösebetrag hinausgehenden Erlös realisiert ([X.]surteil vom 31. Oktober 2007 - [X.], aaO Rn. 16 ff.; vgl. auch [X.]surteil vom 21. September 2011 - [X.], NJW 2011, 3709 Rn. 17). Die Frage, wem im Verhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer eine noch weitergehende Versicherungsleistung aus der Neuwertversicherung gebührt, hat er hingegen ausdrücklich offen gelassen ([X.]surteil vom 31. Oktober 2007 - [X.], aaO Rn. 18).

c) Der [X.] entscheidet die Frage nunmehr im Sinn der zuletzt genannten Literaturmeinung.

Die vorgenannte Rechtsprechung des [X.]s, dass eine auf den Wiederbeschaffungswert erbrachte Versicherungsleistung in den betreffenden Fallgestaltungen auch dann dem Leasinggeber zusteht, wenn er dadurch einen über sein Amortisationsinteresse hinausgehenden Erlös realisieren kann, lässt sich nicht auf eine darüberhinausgehende [X.] übertragen. Denn diese repräsentiert bei der gebotenen wertenden Betrachtung nicht das (dem Leasinggeber als Eigentümer zugewiesene) Sacherhaltungsinteresse im Sinne eines Erhalts oder einer Absicherung des im Zeitpunkt des Versicherungsfalls bestehenden [X.]. Es geht auch nicht um die Verwirklichung der Chance, dass es zu einer Wertsteigerung des Fahrzeugs gegenüber der zu Vertragsbeginn vorgenommenen Kalkulation (etwa aufgrund geänderter Marktpräferenzen) kommt. Vielmehr beruht die [X.] auf der Eigenart einer Versicherung zum Neuwert, die in bestimmten Konstellationen - wie auch hier - zu einer Entschädigungsleistung der Versicherung führt, die sowohl über den Fahrzeugwert im Zeitpunkt der Beschädigung oder des Verlusts als auch über den vom Leasinggeber bei vorzeitiger Vertragsbeendigung beanspruchten Ablösewert hinausgeht. Ein solcher "Übererlös" aufgrund der vom Leasingnehmer abgeschlossenen und von ihm finanzierten Kaskoversicherung ist nach der Interessenlage aber dem Leasingnehmer zugewiesen.

aa) Die Neuwertversicherung dient, soweit sie über den Ersatz des [X.] im Zeitpunkt des Versicherungsfalls hinausgeht, dem Sachersatzinteresse des Versicherungsnehmers, sich durch Einsatz der Versicherungsleistung wieder ein Neufahrzeug beschaffen zu können (vgl. [X.]surteil vom 31. Oktober 2007 - [X.], aaO Rn. 16 mwN). Einem fabrikneuen Fahrzeug kommt nach der Verkehrsauffassung eine besondere Wertschätzung zu, die sich auch darin widerspiegelt, dass es in den ersten ein oder zwei Jahren seit der Anschaffung und Ingebrauchnahme einen überproportionalen Wertverlust erleidet. Der Versicherungsnehmer, der das Fahrzeug nicht über ein Leasinggeschäft finanziert hat und deshalb sowohl Fahrzeughalter als auch Eigentümer ist, kann mit Hilfe der Versicherungsleistung aus der Neuwertversicherung wiederum ein vergleichbares Neufahrzeug anschaffen. Er muss dann nicht zusätzliche eigene Mittel für die Anschaffung eines Neufahrzeugs einsetzen oder sich damit zufriedengeben, mit einer in Höhe des [X.] gezahlten Versicherungsleistung nur ein Gebrauchtfahrzeug zu erwerben.

bb) Beim Leasingvertrag fallen allerdings Fahrzeughalter und Fahrzeugeigentümer auseinander. Das Interesse, mit Hilfe einer Neuwertentschädigung wiederum ein Neufahrzeug anschaffen und nutzen zu können, liegt aber im Rahmen eines Leasingvertrags beim Leasingnehmer und nicht beim Leasinggeber. Denn dem Interesse des Leasinggebers wird schon dadurch in vollem Umfang entsprochen, als er dem Leasingnehmer nach der (auch hier erfolgten) vorzeitigen Kündigung des Leasingvertrags den Ablösewert in Rechnung stellen kann. Der Ablösewert wird in diesem Fall unter Berücksichtigung des vom Leasingnehmer garantierten [X.] ermittelt und führt zur vollen Amortisation des Leasingvertrags.

Entgegen der von der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] geäußerten Auffassung besteht insoweit kein Unterschied zwischen dem hier abgeschlossenen Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung und einem Vertrag mit Restwertgarantie. Denn auch der zwischen den Parteien abgeschlossene Leasingvertrag sieht in Ziffer 2 bei vorzeitiger Kündigung eine Abrechnung auf der Grundlage eines kalkulierten fiktiven Verkehrswerts bei regulärem Vertragsende vor. Darüber hinaus steht dem Leasinggeber - wie im gegebenen Fall - ohnehin auch ein etwa den Ablösewert übersteigender Wiederbeschaffungswert zu (vgl. [X.]surteil vom 31. Oktober 2007 - [X.], aaO Rn. 16 ff.).

(1) Die weitergehende [X.], um die es hier allein geht, wäre für den Leasinggeber ein - im Sacherhaltungsinteresse oder im Sachwert des Fahrzeugs nicht begründeter - zusätzlicher Gewinn. Entgegen der von der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung ist ein berechtigtes Interesse der [X.] daran, nach [X.] des vorzeitig beendeten Leasingvertrags die [X.] als Übererlös zu vereinnahmen und für den Erwerb eines neuen [X.] einzusetzen, nicht ersichtlich. Denn die [X.] nutzt die Leasingfahrzeuge nicht selbst, sondern finanziert sie speziell für den jeweiligen Leasingnehmer und kalkuliert die Amortisation ihrer Leistungen einschließlich eines Gewinnanteils dabei jeweils ein.

Ob eine andere Beurteilung in Betracht kommt, wenn der Leasinggeber die [X.] im Rahmen eines neuen oder bei Fortführung des bisherigen Leasingvertrags mit einem Neufahrzeug gutbringt, kann dahinstehen. [X.] Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen; übergangenen Sachvortrag zeigt die Revisionserwiderung nicht auf. Vielmehr hat die [X.] im vorliegenden Verfahren die [X.] durchgehend als Übererlös für sich beansprucht und die Auffassung vertreten, insoweit handele es sich um eine Chance, die als Wertsteigerung des Sachwerts des Fahrzeugs zu verstehen oder zumindest ebenso zu behandeln sei.

(2) Der Kläger, der den Leasingvertrag abgeschlossen hat, hat demgegenüber ein berechtigtes Interesse daran, die [X.] dafür einzusetzen, zu vergleichbaren Konditionen wieder in den Genuss der Nutzung eines Neufahrzeugs zu kommen, etwa durch Einsatz dieses Betrags für die Sonderzahlung eines (neuen) Leasingvertrags über ein Neufahrzeug.

d) Aus der vom Berufungsgericht und auch von der Revisionserwiderung herangezogenen Wertung des § 285 Abs. 1 BGB ergibt sich nichts anderes.

Erlangt der Schuldner - hier der Kläger - infolge eines Umstands, auf Grund dessen er die Leistung nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu erbringen braucht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch, so kann nach § 285 Abs. 1 BGB der Gläubiger - hier die [X.] - die Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder Abtretung des [X.] verlangen. Sind die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt, hat der Schuldner das herauszugeben, was er für den Gegenstand erlangt hat, auch wenn der Wert des [X.] den Wert des Gegenstands übersteigt (vgl. [X.], Urteile vom 10. Februar 1988 - [X.], NJW-RR 1988, 902 unter 1 c; vom 17. April 1958 - [X.] 335/56, NJW 1958, 1040 unter I; insoweit in [X.]Z 27, 123 nicht abgedruckt).

aa) Diese Bestimmung will nach ihrem Regelungszweck die Vermögenswerte, die im Laufe wirtschaftlicher Vorgänge Personen zugeflossen sind, welchen sie nach den maßgebenden Beziehungen zu anderen Personen nicht zukommen, denjenigen zuführen, denen sie gebühren. Die Vorschrift ist dazu bestimmt, eine unrichtig gewordene tatsächliche Verteilung der Vermögenswerte auszugleichen. Es handelt sich um einen vom Gesetzgeber aus Erwägungen der Billigkeit und mit Rücksicht auf den vermuteten Parteiwillen in das Gesetz aufgenommenen Anspruch ([X.], Urteile vom 10. Februar 1988 - [X.], aaO; vom 15. Oktober 2004 - [X.], NJW-RR 2005, 241 [X.]; vom 10. Mai 2006 - X[X.] 124/02, [X.]Z 167, 312 Rn. 25; vgl. auch Urteil vom 4. März 1955 - [X.], [X.], 1000 unter 2 e; jeweils mwN [zu § 281 BGB aF]). Soweit es vertragliche Schuldverhältnisse betrifft, stellt die Vorschrift eine gesetzlich geregelte ergänzende Vertragsauslegung dar ([X.], Urteil vom 19. Juni 1957 - [X.], [X.]Z 25, 1, 9 [zu § 281 BGB aF]) und beruht auf dem Gedanken, dass sich der Verpflichtungswille des Schuldners zur Herausgabe einer Sache auch auf die Übertragung eines infolge des [X.] erhaltenen Surrogats bezieht ([X.], Urteil vom 30. Januar 1987 - [X.], [X.]Z 99, 385, 388 [zu § 281 BGB aF]).

bb) Nach dieser Maßgabe sind die Voraussetzungen der unverändert in § 285 BGB übernommenen Vorschrift, die nach den Gesetzesmaterialien zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26. November 2001 ([X.]) Ausdruck eines offenkundigen Gerechtigkeitsgedankens ist (vgl. BT-Drucks. 14/6040, [X.]), aufgrund der leasingtypischen Interessenlage nicht gegeben. Denn der Kläger hat den Neuwertanteil der Vollkaskoversicherung nicht für den geschuldeten Gegenstand erlangt, weil die Rückgabe eines neuwertigen Fahrzeugs an die [X.] leasingvertraglich nicht geschuldet war.

cc) Entgegen der Auffassung der [X.] ist ihr die [X.] auch nicht unter dem Gesichtspunkt zugewiesen, dass es sich dabei um eine dem Eigentümer gebührende Chance der Wertsteigerung des Fahrzeugs handele. Denn selbst nach regulärem Vertragsablauf konnte sie mit einer Verwertung des Fahrzeugs zum Neupreis nicht rechnen, erst recht nicht bei vorzeitiger Vertragsbeendigung nach einem Diebstahl des Fahrzeugs.

dd) Schließlich ist es - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - für die Zuweisung der [X.] auch nicht ausschlaggebend, dass es sich bei einer Kfz-Kaskoversicherung für geleaste Fahrzeuge im [X.] um eine Versicherung für fremde Rechnung handelt (§§ 43 ff. [X.]). Denn die [X.] dient, was die Revisionserwiderung verkennt, dem Interesse des Leasingnehmers, wieder in den Genuss der Nutzung eines Neufahrzeugs zu gelangen. Demgegenüber durfte die [X.], die nicht Vertragspartnerin des [X.] ist, redlicherweise nicht damit rechnen, nach voller Amortisation des vorzeitig gekündigten Vertrags einen weiteren, nicht im Wiederbeschaffungswert des [X.] begründeten Mehrerlös zu realisieren.

Es wäre daher unter Abwägung der berechtigten Interessen der Parteien des Leasingvertrags unbillig, der [X.] bei vorzeitiger Vertragsbeendigung die über ihr Sacherhaltungsinteresse hinausgehende Neuwertentschädigung zuzuweisen. Auch der Gerechtigkeitsgedanke des § 285 Abs. 1 BGB würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn der Leasinggeber den überschießenden Betrag, der auf der vom Leasingnehmer auf den Neuwert erweiterten Vollkaskoversicherung und den zugrundeliegenden Versicherungsprämien beruht, vereinnahmen dürfte.

e) Aus den von der [X.] formularmäßig verwendeten Vertragsbestimmungen erschließt sich nicht, dass ihr der Neuwertanteil der Vollkaskoversicherung zugewiesen wäre. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht insbesondere angenommen, die "[X.] bei Totalschaden oder Diebstahl" bezeichneten Regelung lasse sich dafür heranziehen, dass die [X.] auch einen Übererlös aus einer Neuwertversicherung beanspruche. Dort heißt es:

"Der Leasinggeber verzichtet im Falle eines Diebstahls des Fahrzeugs auf die Geltendmachung der Differenz ([X.]) zwischen dem [X.] und dem der Schadensregulierung zugrunde gelegten Wiederbeschaffungswert, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

1. Der Versicherer macht keine Einrede der groben Fahrlässigkeit oder des Verzuges geltend und

2. die Versicherungsleistung geht binnen 3 Monaten ab [X.] bei der Leasinggeberin ein und

3. für das Fahrzeug besteht kein Versicherungsschutz mit einer Neupreis- oder Kaufpreisregulierung oder eine anderweitige [X.]-Deckung und

4. der Leasingnehmer schließt innerhalb von 3 Monaten ab [X.] einen neuen Vertrag über das Leasing beziehungsweise die Finanzierung eines Fahrzeuges der [[X.]] und dieser Vertrag wird innerhalb der Widerrufsfrist nicht widerrufen.

[…]."

Danach verzichtet die [X.] unter den vorgenannten - hier nicht vorliegenden - Umständen im Fall eines Diebstahls oder eines Totalschadens des Fahrzeugs auf die Differenz zwischen dem [X.] und dem der Schadensregulierung zugrunde gelegten Wiederbeschaffungswert (sogenanntes [X.]). Im Streitfall geht es jedoch nicht um die vorgenannte Differenz, sondern um die davon zu unterscheidende Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Neuwert.

Zwar enthält der Leasingvertrag, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, keine Aussage darüber, dass der Ablösewert die Ansprüche der [X.] aus der Abwicklung des Leasingvertrags abschließend im Sinne einer Obergrenze regelt (vgl. [X.]surteil vom 21. September 2011 - [X.], aaO Rn. 19). Er enthält umgekehrt aber auch keine Aussage, dass die [X.] den Neuwertanteil der Versicherungsentschädigung für sich beansprucht. Dies ist dem Wortlaut der [X.] nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich.

In Anbetracht dessen bedarf es im gegebenen Fall keiner Entscheidung, ob vom Leasinggeber verwendete Formularbestimmungen, die diesem auch die [X.] einer vom Leasingnehmer auf [X.] abgeschlossenen Vollkaskoversicherung zuweisen, einer [X.] Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB standhielten.

f) Danach steht dem Kläger die den Wiederbeschaffungswert, der hier höher als der Ablösewert ist, übersteigende [X.] aus der von ihm abgeschlossenen Vollkaskoversicherung zu. Anders als es im Berufungsurteil anklingt, ist es unerheblich, ob der Leasingnehmer, dem die interne Kalkulation des Versicherers nicht zugänglich ist, ausreichenden Sachvortrag zum Umfang der auf den Neuwertanteil entfallenden Versicherungsprämie gehalten hat. Ohne Bedeutung ist auch, ob der Versicherer die Vollkaskoversicherung ohne zusätzlichen Prämienanteil allein aus Wettbewerbsgründen mit einem Neuwert ausstattet, ebenso die Frage, ob die Tarifstruktur des Versicherers überhaupt einen anderen Versicherungsumfang vorsieht. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Leasingnehmer bei Abschluss des [X.] Kenntnis davon hatte, dass er die Vollkaskoversicherung als Neuwertversicherung abschließt, und welche Gründe ihn gegebenenfalls dazu veranlasst haben. All diese Gesichtspunkte sind zur Beurteilung des Vorbringens des Leasingnehmers nicht erforderlich, weil sie für die Rechtsfolge nicht von Bedeutung sind (vgl. [X.]surteil vom 30. Oktober 2019 - VI[X.] 177/18, NJW 2020, 459 Rn. 19 mwN).

III.

Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] entscheidet in der Sache selbst, da es weiterer Feststellungen nicht bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt auf die Berufung des [X.] zur Abänderung und Neufassung des erstinstanzlichen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

Die Entscheidung über die Nebenforderungen beruht im Hinblick auf die geltend gemachten Verzugszinsen auf § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB, im Hinblick auf die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen auf § 280 Abs. 1, § 291 BGB.

Dr. Milger     

      

[X.]     

      

[X.]

      

Kosziol     

      

Dr. Schmidt     

      

Meta

VIII ZR 255/19

09.09.2020

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 16. August 2019, Az: I-6 U 42/19, Urteil

§ 285 BGB, § 535 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.09.2020, Az. VIII ZR 255/19 (REWIS RS 2020, 1142)

Papier­fundstellen: WM 2022, 297 REWIS RS 2020, 1142


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VIII ZR 255/19

Bundesgerichtshof, VIII ZR 255/19, 09.09.2020.


Az. 6 U 42/19

Oberlandesgericht Köln, 6 U 42/19, 16.08.2019.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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