Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.05.2003, Az. V ZR 37/02

V. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 2861

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:30. Mai 2003K a n i k ,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:[X.]:ja[X.]R: ja[X.] § 906 Abs. 2 Satz 2a)Wird durch den Bruch einer von den [X.] privatrechtlich betriebenenWasserversorgungsleitung das benachbarte Grundstück überschwemmt, so ha-ben die Stadtwerke für die Schäden des Eigentümers oder Grundstücksnutzerseinen angemessenen Ausgleich in Geld zu leisten (Bestätigung der bisherigenSenatsrechtsprechung).b)Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch wird durch die Anlagenhaftung gemäߧ 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht ausgeschlossen.[X.], [X.]. v. 30. Mai 2003 - [X.] - [X.] hat auf die mündliche [X.] 30. April 2003 durch den Vizepräsidenten des [X.]esDr. [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] undDr. [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der [X.]n wird das [X.]eil des [X.] vom 15. November 2001 unter Zu-rückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im [X.] insoweit aufgehoben, als die Feststellung getroffen wordenist, daß die [X.] der Klägerin schadensersatzpflichtig ist.Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Klägerin [X.] der 9. Zivilkammer des [X.] abgeändert.Es wird festgestellt, daß die [X.] verpflichtet ist, alle weiterenSchäden aus dem Ereignis vom 19. Mai 1992 angemessen [X.].Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die weitergehendeBerufung der Klägerin wird zurückgewiesen.Die Kosten des ersten Rechtszugs werden gegeneinander aufge-hoben. Die [X.] trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.Von Rechts wegen- 3 -Tatbestand:Am 19. Mai 1992 brach die unter der [X.]in [X.]-St. verlegte Hauptwasserleitung. Die Leitung ist Teil des örtlichen Wasser-versorgungsnetzes, das die [X.], eine Aktiengesellschaft, unterhält. Dasausfließende Wasser überflutete u.a. das Grundstück [X.]/30a undrichtete an dem Grundstück, dem aufstehenden Gebäude und den in dem Ge-bäude aufgestellten Maschinen erheblichen Schaden an. Eigentümerin [X.] ist der Ehemann der Klägerin. Er hatte Grundstück, Gebäude [X.] der Klägerin zum Betrieb eines Textilveredelungsunternehmensverpachtet. Durch das Schadensereignis kam es zu erheblichen Beeinträchti-gungen des von der Klägerin betriebenen Unternehmens. Zum Ausgleich desder Klägerin, ihrem Ehemann und weiteren Geschädigten entstandenen Scha-dens leistete die [X.] im Rahmen der Höchstbetragsregelung von § 10HaftPflG a.F. Ersatz.Die Klägerin hat aus eigenem und von ihrem Ehemann abgetretenemRecht beantragt, die [X.] zur Zahlung von 463.780,71 DM zuzüglich Zin-sen zu verurteilen und festzustellen, daß die [X.] verpflichtet sei, ihr alleweiteren Schäden aus dem Ereignis vom 19. Mai 1992 zu ersetzen. Das Land-gericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin den Zah-lungsantrag in Höhe von 215.851,33 DM zuzüglich Zinsen und den [X.] weiter verfolgt. Das [X.] hat den Anträgen mit [X.] eines Teils der verlangten Zinsen stattgegeben. Mit der Revision [X.] die [X.] die Wiederherstellung des landgerichtlichen [X.]eils.- 4 -Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht sieht das Zahlungsverlangen der Klägerin in [X.] verlangten Betrages als begründet an. Es meint, die [X.] habe auchdie über die Haftungsgrenze von § 10 HaftPflG hinausgehenden Schäden derKlägerin und ihres Ehemanns aus dem Ereignis vom 19. Mai 1992 zu ersetzen.Das folge zwar nicht aus §§ 823, 836 [X.]; die [X.] sei jedoch in entspre-chender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 [X.] zahlungspflichtig. Das Ent-stehen weiterer Schäden sei nicht auszuschließen.Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung im wesentlichen stand.[X.] Die Revision nimmt die Feststellung des Berufungsgerichts als ihrgünstig hin, daß eine Haftung der [X.]n wegen Verschuldens am [X.] nicht in Betracht kommt. Rechtsfehler sind [X.] nicht ersichtlich.2. Entgegen der Meinung der Revision ist die [X.] der Klägerin [X.] nach den Grundsätzen des verschuldensunabhängigen nachbarrechtli-chen Ausgleichsanspruchs in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2Satz 2 [X.] verantwortlich.a) Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Der nachbarrechtliche [X.] steht ihr einerseits aufgrund der erfolgten Abtretung wegen der ihrem- 5 -Ehemann als Eigentümer des Grundstücks und der Betriebseinrichtung ent-standenen Beeinträchtigung zu. Andererseits ist die Klägerin wegen der Be-einträchtigung ihres pachtrechtlichen Besitzrechts aus eigenem Recht an-spruchsberechtigt. Wie der [X.] bereits mehrfach entschiedenhat, erstreckt sich der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch sowohl bei un-mittelbarer als auch bei entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz [X.] auf den Besitzer ([X.]Z 70, 212, 220; Senat, [X.]Z 147, 45, 50 m. w.Nachw.). Denn der Ausgleichsanspruch dient als Kompensation für [X.] primärer Abwehransprüche (Senat, [X.]Z 111, 158, 162; 122, 283,284; 144, 200, 209), die auch dem Besitzer zustehen (§ 862 Abs. 1 [X.]) [X.] einen den Rechten des Eigentümers aus § 1004 Abs. 1 [X.] ähnlichenSchutz gegen Störungen bieten ([X.]/[X.], 3. Aufl., § 862[X.]. 1).b) Die [X.] ist als Nutzerin des Straßengrundstücks passivlegiti-miert. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch richtet sich nämlich nicht nurgegen den Eigentümer des beeinträchtigenden Grundstücks, sondern auchgegen den Nutzer als denjenigen, der die Nutzungsart dieses Grundstücks be-stimmt (Senat, [X.]Z 113, 384, 392; Senat, [X.]. v. 20. November 1998, [X.]/97, NJW 1999, 1029; [X.]. v. 24. Januar 2003, [X.], [X.]; [X.]/[X.], [X.] [2001], § 906 [X.]. 70; [X.]/[X.]/[X.],[X.], 10. Aufl., § 906, [X.]. 35). Wird ein Grundstück von mehreren Personenzu unterschiedlichen Zwecken genutzt, dann richtet sich der [X.] ebenso wie der Abwehranspruch, an dessen Stelle er tritt, gegen [X.] die beeinträchtigende Nutzungsart Verantwortlichen. Es kommt daher ent-gegen der Meinung der Revision nicht darauf an, ob die Nutzung des [X.] durch die von der [X.]n unterhaltene Wasserleitung "geprägtfi- 6 -wurde. Entscheidend ist vielmehr, daß die Nutzung des Straßengrundstücksder [X.]n überlassen worden ist, soweit sie die Verlegung und Unterhal-tung der Rohrleitung zum Gegenstand hat, und allein die [X.] darüber zubefinden hatte, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machte. Denn Störerist auch derjenige, der die Anlage hält, von der die Einwirkung ausgeht (Senat-surt. v. 24. Januar 2003, [X.], Umdruck [X.]0).c) Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist nach ständiger Recht-sprechung des [X.]es gegeben, wenn von einem Grundstück [X.] privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf einanderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des [X.] Grundstücks nicht dulden muß, aus besonderen Gründen jedoch nicht ge-mäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 [X.] unterbinden kann, sofern er hierdurchNachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzuneh-menden Beeinträchtigung übersteigen ([X.]Z 58, 149, 158; Senat, [X.]Z [X.], 366 f.; 72, 289, 291; 85, 375, 384; 90, 255, 262; 111, 158, 162 f.; 142, 66,67; [X.]Z 142, 227, 235; Senat, [X.]Z 147, 45, 49 f.).aa) Unter diesen Voraussetzungen gewährt die Rechtsprechung [X.] über die Immissionsfälle des § 906 [X.] hinaus außer [X.] (vgl. Senat, [X.]Z 72, 289, 292; 85, 375, 384; 90, 255, 262; 147,45, 50) auch bei Grobimmissionen (vgl. Senat, [X.]Z 111, 158, 162 - Schrot-blei; [X.]. v. 19. April 1985, [X.], [X.], 1041 - [X.] Anspruch ist jedoch wie in den Fällen des § 906 [X.] subsidiär, setzt alsovoraus, daß der Eigentümer oder Besitzer aus besonderen Gründen gehindertist, die Einwirkungen gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 [X.] rechtzeitig zuunterbinden. Ein faktischer Duldungszwang genügt. Er kann sich u. a. daraus- 7 -ergeben, daß der Betroffene die abzuwehrende Gefahr nicht rechtzeitig er-kannt hat und auch nicht erkennen konnte (Senat, [X.]Z 111, 158, 163).Die analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 [X.] auf rechtswidrigeGrobimmissionen, die aus tatsächlichen Gründen nicht rechtzeitig [X.] können, dient wie die unmittelbare Anwendung der Vorschrift [X.] gleichrangiger Nachbarinteressen als Ausdruck der Situationsge-bundenheit der Grundstücke und beruht auf dem Gedanken, daß im nachbarli-chen [X.] der betroffene Eigentümer oder Nutzer bei einernicht abwehrbaren, vom Nachbargrundstück ausgehenden rechtswidrigen Ein-wirkung auf sein Grundstück nicht schlechter stehen darf als bei einer recht-mäßigen Einwirkung. Deswegen hat der Senat sowohl die durch einen techni-schen Defekt an elektrischen Leitungen verursachten [X.]chäden an dembenachbarten Haus (Senatsurt. v. 11. Juni 1999, [X.] 377/98, [X.], 2897) als auch die Wasserschäden infolge eines Rohrbruchs auf demNachbargrundstück (Senatsurt. v. 19. Mai 1985, [X.], [X.], 1041)für ausgleichspflichtig angesehen.bb) An dieser Rechtsprechung hält der Senat gegen die [X.] in der Literatur (vgl. [X.], EWiR 1999, 947, 948; [X.], in:[X.]/[X.]/[X.], [X.] als Pro-blem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, [X.], 23 ff.; [X.].[X.] [X.] § 906 Nr. 101; [X.], r+s 1999, 409) fest. Es geht in diesen"technischen Unfallschadensfällen" von der Interessenlage her nicht um [X.] einer Gefährdungshaftung für eine gefährliche Einrichtung im [X.] zwischen Nachbarn (so aber [X.] aaO S. 25), also nicht um das [X.], die allein auf das rechtmäßige Vorhandensein einer [X.] -ge oder eine erlaubte Tätigkeit zurückzuführen sind, sondern um die [X.] rechtswidrige Störungen aus einer bestimmungsgemäßen Grundstücksnut-zung, die von dem beeinträchtigten Nachbarn aus tatsächlichen Gründen nichtabgewehrt werden können. Dieser typisch nachbarrechtliche Nutzungskonfliktist in § 906 Abs. 2 [X.] nicht geregelt, hätte aber vom Regelungsplan des [X.] her zu dem gleichen [X.] geführt. Daß der [X.] auch von § 2 Satz 2 HPflG erfaßt wird, steht dem ebenso wenig ent-gegen wie die Verschuldenshaftung. Denn für die Frage einer Gesetzesanalo-gie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 [X.] ist es nicht von Bedeutung, ob auch noch einnach Voraussetzung und Rechtsfolge an[X.] gelagerter [X.]erfüllt ist. In dem für das private Nachbarrecht maßgeblichen dreiteiligen [X.] von Gefährdungshaftung, Verschuldenshaftung und verschuldensu-nabhängiger Störerhaftung kann das Bestehen einer Gesetzeslücke in demeinen [X.] nicht damit verneint werden, daß ein anderer [X.] eingreift. Entscheidend ist vielmehr, daß die verschuldensu-nabhängige Störerhaftung in dem Regelungssystem des § 906 [X.] eine Lückeenthält, die durch eine entsprechende Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 zuschließen ist. Davon zu trennen ist die andere Frage, ob § 2 HaftPflG für [X.] aus [X.] die verschuldensunabhängige [X.] (dazu unter 4).cc) Der analogen Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 [X.] auf [X.]schäden steht auch nicht entgegen, daß der III. Zivilsenat des [X.] bei dem Bruch einer öffentlich-rechtlich betriebenen [X.] eine verschuldensunabhängige Haftung unter dem [X.] enteignungsgleichen Eingriffs abgelehnt und allein die Verschuldenshaf-tung gemäß § 836 [X.] für anwendbar gehalten hat ([X.]Z 55, 229, 231; 125,- 9 -19, 21). Zwar steht der an privatrechtliche Einwirkungen anknüpfende nachbar-rechtliche Ausgleichsanspruch nach Inhalt und Funktion den Ansprüchen ausenteignendem oder enteignungsgleichem Eingriff durch hoheitliche Maßnah-men nahe (Senat, [X.]. v. 18. November 1994, [X.] 98/93, NJW 1995, 714,715). Er ist jedoch seinen Voraussetzungen nach mit diesen Ansprüchen nichtidentisch (Senat, [X.]Z 62, 361, 366). Während es im öffentlich-rechtlichenEntschädigungsrecht bei der wertenden Zurechnung der Schadensfolgen nachVerantwortungsbereichen und Risikosphären ([X.]Z 125, 19, 21) wesentlichauf die Unmittelbarkeit des Eingriffs ankommt, stellt das Haftungssystem desprivaten Nachbarrechts auf die Störereigenschaft im Sinne der §§ 1004 Abs. 1,862 Abs. 1 [X.] ab. Diese folgt nach ständiger Rechtsprechung des Senatsnicht allein aus dem Eigentum oder dem Besitz an dem Grundstück, von demdie Einwirkung ausgeht, und setzt auch keinen unmittelbaren Eingriff voraus.Vielmehr ist ausreichend, aber auch erforderlich, daß die Beeinträchtigung [X.] wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers [X.] Besitzers zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nicht begrifflich, [X.] in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden (Senat, [X.]Z142, 66, 69; [X.]. v. 7. Juli 1995, [X.] 213/94, NJW 1995, 2633, 2634, [X.]. [X.].). Entscheidend ist, ob es jeweils Sachgründe gibt, dem [X.] oder Nutzer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerle-gen (Senat, [X.]Z 142, 66, 69 f.).Dies hat der Senat im Fall des [X.] infolge einesRohrbruchs im Duschraum des [X.] aus § 836 [X.] abgeleitet ([X.], [X.]. v. 19. April 1985, [X.], [X.], 1041; zustimmend Pa-landt/Bassenge, [X.], 62. Aufl., § 1004 [X.]. 22), weil der Bruch als "Ablösungvon Teilenfi eines mit dem Grundstück verbundenen Werks im Sinne [X.] anzusehen ist ([X.]Z 55, 229, 235; [X.], [X.]. v. 17. März 1983,III [X.], [X.], 588). Das ist bei einer in einem Straßengrundstückverlegten Wasserleitung nicht an[X.]. Ein Rohrbruch und die hierdurch verur-sachte Überschwemmung ist vermeidbar und nicht die Folge eines von nie-mandem zu beherrschenden Naturereignisses (vgl. Senat, [X.]Z 122, 283,284 f. - Sturmschaden durch umstürzende Bäume; [X.]. v. 7. Juli 1995, [X.]213/94, NJW 1995, 2633, 2634 - Wolläuse). Der Betreiber muß nur für [X.] sorgen, der eine von seinem Grundstück ausgehende Überschwem-mung des Nachbargrundstücks oder ein Übergreifen des [X.] verhindert.Insoweit besteht kein Unterschied zum Nie[X.]chlagswasserfall (Senat, [X.]Z90, 255; dazu [X.], aaO, [X.]5 f.). Der gefährdete Nachbar dürfte jeweils [X.] im Wege einer vorbeugenden Unterlassungsklage in dem Augen-blick abwehren, in dem objektiv die drohende Gefahr eines die Immission er-möglichenden Defekts sich konkret abzeichnet und ein Einschreiten erfordert.Da er diese Gefahr aber nicht erkennen kann und deswegen die Einwirkungdulden muß, steht ihm der Anspruch auf angemessenen Ausgleich für die [X.] Schäden zu. Daß der Unterlassungsanspruch mit dem Abschluß [X.] aus dem Wasserrohrbruch erlischt, ist unerheblich (a.A. [X.] aaOS. 28). Der Ausgleich wird dafür geschuldet, daß der primäre Abwehranspruchnicht verfolgt werden konnte. Daher sprechen auch die Gesichtspunkte derVeranlassung, der Gefahrenbeherrschung und der Vorteilsziehung dafür, die[X.] als Störerin anzusehen und ihr eine an die Stelle der faktisch un-durchsetzbaren primären Abwehransprüche gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1[X.] tretende Ausgleichspflicht aufzuerlegen (vgl. [X.], in: Festschrift [X.] Lange, 1992, [X.], 501).- 11 -3. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die [X.] verpflichtet, derKlägerin die aus dem Wasserrohrbruch entstandenen Schäden angemessenauszugleichen. Sie und ihr Ehemann hatten tatsächlich keine Möglichkeit, diedurch den Wasserrohrbruch verursachte Überschwemmung des [X.]/30a durch die Geltendmachung von Abwehransprüchen ge-mäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 [X.] zu verhindern. Die hierdurch an [X.], dem Gebäude und an der Betriebseinrichtung verursachten [X.] belaufen sich - ohne Berücksichtigung des der Klägerin entstandenenVerdienstausfallschadens - nach den insoweit nicht angefochtenen [X.] auf 205.041,85 DM und übersteigen damit daszumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Einwirkung. [X.] beruht auch auf einer privatwirtschaftlichen Nutzung [X.]. Die [X.] nimmt als Trägerin der örtlichen Wasserver-sorgung zwar eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge war, sie ist [X.] aber privatrechtlich organisiert. Damit ist ihre Tätigkeit ins-gesamt dem Privatrecht zuzurechnen (vgl. Senat, [X.]. v. 21. [X.], [X.], NJW 1997, 744; Filthaut, [X.], 150, 156).4. Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht schließlich darin, daß dernachbarrechtliche Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 [X.]nicht durch die Anlagenhaftung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftPflG ausge-schlossen wird (ebenso [X.], [X.], 326, 327; Filthaut,[X.], 150, 152; [X.]., Haftpflichtgesetz, 5. Aufl., § 12 [X.]. 244; [X.]/[X.], [X.] [2001], § 2 HaftPflG [X.]. 41).a) Die Gefährdungshaftung nach dem Haftpflichtgesetz bezweckt denSchutz der Öffentlichkeit vor den von bestimmten Anlagen und Einrichtungen- 12 -ausgehenden Gefahren und greift daher grundsätzlich zugunsten jedes [X.] (Amtliche Begründung zum Gesetz zur Änderung des Reichs-haftpflichtgesetzes vom 15. August 1943 [RGBl. I S. 489], DJ 1943, 430). [X.] mit dieser weiten Ausdehnung der Haftung verbundene Risiko für [X.] überschaubar zu halten, sind die Schadensersatzansprüche gemäߧ 10 HaftPflG der Höhe nach beschränkt (Begründung des Entwurfs eines Ge-setzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks.8/108, [X.]). Dagegen steht der auf Entschädigung nach [X.] Grundsätzen gerichtete (Senat, [X.]Z 90, 255, 263 m. [X.].) nach-barrechtliche Ausgleichsanspruch nur den Eigentümern und Besitzern der vonschädigenden Einwirkungen betroffenen Grundstücke wegen solcher die Zu-mutbarkeitsschwelle überschreitender Schäden zu, die an dem [X.] entstanden sind oder sich aus der Beeinträchtigung der Substanz oderder Nutzung des betroffenen Grundstücks entwickelt haben ([X.]Z 92, 143,145; 147, 45, 50). Da er der Kompensation für den Ausschluß an sich [X.], aber undurchsetzbarer primärer Abwehransprüche dient (Senat, [X.]Z147, 45, 50), fehlt es an einem Grund für eine [X.]) Im Hinblick auf die persönlichen und sachlichen Beschränkungen,denen der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch unterliegt, führt seine An-wendung neben der Ersatzpflicht aus § 2 HaftPflG nicht dazu, daß die gesetzli-che Anlagenhaftung bedeutungslos wäre. Auch der Schutzzweck des [X.] steht der Anerkennung konkurrierender Anspruchsgrundlagennicht entgegen. Allerdings ist der Gesetzgeber bei der zum 1. Januar 1978 [X.] getretenen Neufassung von § 2 HaftPflG im Hinblick auf das [X.]eil [X.]Z55, 229 ff. davon ausgegangen, daß ein Ersatzanspruch wegen der durch [X.] einer Wasserrohrleitung verursachten Schäden nur aus § 836 [X.] her-- 13 -geleitet werden könne und daß die Geltendmachung dieses Anspruchs wegender Möglichkeit des [X.] vielfach erfolglos bleibe. [X.] sollte durch die Einführung einer allgemeinen Gefährdungshaftungfür [X.] geschlossen werden (BT-Drucks. 8/108, [X.]1 f.). Er-kennt man für den Bereich privatwirtschaftlich genutzter Wasserrohrleitungeneinen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch an,ist die [X.] zwar kleiner als vom Gesetzgeber angenommen. Die Aner-kennung eines solchen Anspruchs neben § 2 HaftPflG entspricht aber geradeder vom Gesetzgeber verfolgten Absicht eines möglichst umfassenden Opfer-schutzes (vgl. BT-Drucks. 8/108, [X.], 14).c) Das kommt insbesondere durch § 12 HaftPflG deutlich zum Ausdruck.Das Reichshaftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871 begründete eine verschuldens-unabhängige Haftung zunächst nur für Personenschäden, die auf den [X.] zurückgehen (§ 1 RHaftPflG 1871). Ziel des Gesetzes war es,die Ersatzansprüche der Geschädigten gegenüber den [X.] zu erweitern. Soweit ein Geschädigter auch nach diesen [X.] verlangen konnte, blieben die so begründeten Ansprüche daher unbe-rührt (§ 9 RHaftPflG 1871). Die Aufhebung des Landesrechts mit dem Inkraft-treten des Bürgerlichen Gesetzbuchs änderte hieran nur insoweit etwas, als andie Stelle der nach § 9 RHaftPflG unberührt bleibenden landesrechtlichen Ge-setze "die gesetzlichen Vorschriften" traten ([X.], [X.] [X.]). Soweit die Haftung des Betreibers einer Eisenbahn nach [X.] Vorschriften über die Haftung nach dem [X.], sollte diese Haftung keine Einschränkung erfahren ([X.],aaO.).- 14 -Dieser Grundsatz wurde bei der Einbeziehung der Ersatzpflicht für Per-sonenschäden und bei der Erstreckung der Haftung auf Sachschäden aus [X.] von elektrischen oder Gasleitungen nicht eingeschränkt. Auch nach§ 9 a RHaftPflG 1943 blieb die Haftung der Inhaber der [X.] nach anderen "reichsgesetzlichen Vorschriften" von der Haftung nachdem Reichshaftpflichtgesetz "unberührt".Die 1978 erfolgte Novellierung des Haftpflichtgesetzes hat hieran nichtsgeändert. Die Einbeziehung weiterer gefahrenträchtiger Sachverhalte in [X.] diente allein dazu, den als unzureichend empfundenen Schutz [X.] für [X.] durch § 836 [X.] zu erweitern (BT-Drucks. 8/108 [X.]1 f). §§ 9, 9 a RHaftPflG 1943 wurden zu § 12 HaftPflG zu-sammengeführt. Eine abschließende Regelung der Haftung für derartige [X.] durch das Haftpflichtgesetz sollte nicht erfolgen. Insoweit verhält es sichan[X.] als in den Fällen der wasserrechtlichen Anlagenhaftung gemäß § 22Abs. 2 [X.] ([X.]Z 142, 227, 236) und der Verpflichtung zum Ersatz vonBergschäden gemäß §§ 114 ff. BBergG ([X.]Z 148, 39, 53).d) Etwas anderes folgt auch nicht aus der summenmäßigen [X.] gemäß § 10 HaftPflG. [X.], die [X.] sei Voraussetzung dafür, das Risiko zu kalkulieren und zu tragbaren Be-dingungen abzusichern, ist bereits der Gesetzgeber mit dem Hinweis daraufentgegengetreten, daß eine an den [X.] orientierte Versi-cherung lediglich das Risiko aus der Gefährdungshaftung abdecke, [X.] die vielfach daneben bestehenden Ansprüche aus unerlaubter Handlung,die keine summenmäßige Beschränkung kennen, ohnehin Vorsorge getroffenwerden müsse. Darüber hinaus sähen ausländische Rechtsordnungen eine- 15 -summenmäßige Haftungsbegrenzung im allgemeinen nicht vor, ohne daß [X.] unüberwindlichen Schwierigkeiten geführt habe (BT-Drucks. 8/108, [X.]).Angesichts der vom Gesetzgeber selbst geäußerten Zweifel an der Berechti-gung einer Haftungsbegrenzung und des ausdrücklichen Hinweises darauf,daß die in § 10 HaftPflG normierte Haftungsbegrenzung nur gelte, soweit [X.] ausschließlich aus dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung [X.] werden könnten (BT-Drucks. 8/108, [X.]), kann keine Rede davon sein,die entsprechende Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 [X.] unterlaufe [X.] Gesetzgeber gewollte Haftungsbegrenzung.- 16 -I[X.] Der Senat hat die Angriffe der Revision gegen die Feststellung [X.], die Klägerin habe durch die Überschwemmung ihrer [X.] bis zur Aufgabe des Geschäftsbetriebs einen Verdienstausfall-schaden in Höhe von 179.930 DM erlitten, geprüft. Die [X.] der [X.] nicht begründet. Von der Darstellung wird gemäß § 565 a ZPO a.F. abge-sehen.2. Dem Berufungsgericht kann jedoch insoweit nicht gefolgt werden, alses die Feststellung trifft, die [X.] sei verpflichtet, der Klägerin Schadens-ersatz zu leisten, soweit das Schadensereignis vom 19. Mai 1992 zu weiterenSchäden führe. Die Anspruch der Klägerin aus eigenem Recht und der ihr ab-getretene Anspruch gehen nicht auf Schadensersatz, sondern auf Ausgleichder Beeinträchtigung, den die Klägerin bzw. ihr Ehemann aufgrund des Ereig-nisses vom 19. Mai 1992 erlitten haben oder noch erleiden können.Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist auf eine angemesseneEntschädigung in Geld gerichtet. Seine Höhe ist nach den Grundsätzen überdie Enteignungsentschädigung zu bestimmen (Senat, [X.]Z 85, 375, 386; 90,255, 263; [X.]. v. 18. November 1994, [X.] 98/93, NJW 1995, 714, jeweils m.[X.].). Besteht die Einwirkung in einer Substanzschädigung, kann [X.] auf vollen Schadensersatz gehen (Senat, [X.]Z 142,66, 70 f.; Senat, [X.]. v. 19. April 1985, [X.], [X.], 1041; [X.]. [X.] Juli 1997, [X.] 48/96, NJW-RR 1997, 1374 m. [X.].) und den Aus-gleich der Folgen umfassen, die sich aus der Beeinträchtigung der [X.] betroffenen Grundstücks entwickeln ([X.]Z 58, 149, 161; 92, 143, 145).- 17 -Dies ist bei der Beeinträchtigung der gewerblichen Nutzung eines Grundstücks,um die es hier geht, regelmäßig die Ertragseinbuße, die aus dem Schadenser-eignis folgt (Senat, [X.]Z 147, 45, 53 m. [X.].). Auch in diesem Fall istdie Verpflichtung zur Ausgleichsleistung nach den Grundsätzen des Nachbar-rechts mit einem Schadensersatzanspruch jedoch nicht notwendig deckungs-gleich. Es besteht vielmehr Raum für eine wertende Entscheidung, die zu ei-nem Zurückbleiben des Ausgleichsanspruchs hinter einem Anspruch auf [X.] führen kann. Das muß im Tenor des Feststellungsausspruchs Be-rücksichtigung finden.IV.Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1, 92, 269 Abs. 3 ZPO.[X.] [X.] KleinGaierSchmidt-Räntsch

Meta

V ZR 37/02

30.05.2003

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.05.2003, Az. V ZR 37/02 (REWIS RS 2003, 2861)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 2861

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